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Situation am 26. Juni 
nachmittags zw. 3 h u. 4 h . 



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Mitteilungen 



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* 

MITTEILUNGEN 

nies 

K. KRIEGSARCHIVS. 

* HERAU8GEOEBEN 

VON UKR 

DIREKTION DES K. UND K. KRIEGS ARCHIVS. 



D WT*FE, FOLGE. 

V. BAND. 

MIT VIER TEXTSKIZZEN. 




WIEN 1907. 
VERLAG VON L. W. SEIDEL & SOHN 

K. USD K. llorBDCHHÄNDI.KR 



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INHALT. 



Seite 



Johann Christoph Müller. Ein Beitrag zur Geschichte vaterländischer 
Kartographie. Von Hauptmann Paldus 1 

Die Anfange der Militärluftschiffahrt und ihre erste Anwendung 
im Feldzug 1794. Von Hauptmann Peters. Mit zwei Text- 
skizzen 123 

Feldzugsreise des Kaisers Franz L von Österreich im Jahre 1809. 
Ein Beitrag zur Geschichte dieses denkwürdigen Jahres. Verfaßt 
von dem damaligen k. k. Rat und Hofkontrollor Johann Bapt. 
Skall. Mitgeteilt von Hauptmann Sommeregger 185 

Gedrängtes Journale zur Übersicht der Ereignisse bei der Armee 
unter höchsten Befehlen Sr. kaiserlichen Hoheit des Erzherzogs 
Johann in dem Foldzug vom Jahre 1809. Mitgeteilt vom Haupt- 
mann Veltze 277 

Der Grazer Schloßberg 1809. Von Hauptmann Veltze. Mit zwei 
Textskizzen 295 

Die Mission des Obersten Steigentesch nach Königsberg im Jahre 
1809. Von Major Eberle 339 



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Johann Christoph Müller. 



Ein Beitrag zur Geschichte vaterländischer Kartographie. 

Vou 

Hauptmann Paldus. 



Mitteilungen <t«-s k. und k. Krii'^nrouivs. Dritte Folgo. V. üd. 



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In dem Entwicklungsgänge der Kartographie nimmt 
das XVII. Jahrhundert eine hervorragende Stellung ein. 
Reform auf sicherer astronomischer Basis war das Ziel der 
auf diesem Gebiete nach Vervollkommnung strebenden Be- 
mühungen. 

Das Bild der Kartographie jener Zeit zeigt ein Gemisch 
von althergebrachten Grundmängeln und modernen Richtig- 
stellungen ; eine genügende geodätische Grundlage ging ihr 
ab. Nur der Geist freier und selbständiger Forschung konnte 
hier Wandel schaffen. 

Die französische Akademie der Wissenschaften zu Paris 
begann das reformatorische Werk in der Erkenntnis, daß die 
Unsicherheit der astronomischen Ortsbestimmungen dringend 
eine Abhilfe erheische. Die planmäßige Erforschung und 
Beseitigung dieser Mängel, welchen man mit den Methoden 
und Instrumenten aus dem Zeitalter der Entdeckungen nicht 
beikommen konnte, war das Verdienst der Franzosen. 

Erst an die genaue Fixierung der Hauptpunkte auf 
richtiger astronomischer Basis konnte die triangulatorische 
Aufnahme des Landes anknüpfen. 

Die geographischen Längen berechnete schon Kepler 
aus den Beobachtungen der Mondesverfinsterungen und legte 
die Resultate in den „Tabulae Rudolphinae" nieder. Newton 
erfand ein Handinstrument zur genauen Winkelmessung, im 
XVIII. Jahrhundert berechnete Lacaille die Entfernung 
des Mondes von der Erde und Tobias Mayer entwarf seine 
Mond tafeln. 

Die Entdeckung der Jupitertrabanten durch Galileo 
Galilei 1610 und ihre Verwertung für die astronomische 
Ortsbestimmung, lieferten eine neue und bessere Hessling* 

1* 



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1 



4 r hm us. 

raethode. Cassini berechnete in jahrelanger Arbeit seine 
Jupitertrabantentafeln, gab sie 1668 heraus und schuf hiemit 
die Grundlage für die genaue Berechnung der geographischen 
Längen. Gestützt auf dieses Material, waren Picard und 
de la Hire 1 ) im stände, die Längen der wichtigsten Orte in 
Frankreich in den Jahren 1667 bis 1681 mit großer Ge- 
nauigkeit zu ermitteln. Die Erfindung des Fernrohres 1608, 
der Logarithmen 1011, 1624 und der Pendeluhren 1657 sind 
die Stufen für den Aufschwung der mathematischen und 
astronomischen Wissenschaften im XVII. Jahrhundert. 

Mit erstaunlicher Genauigkeit geben die alten Kompaß- 
karten die Umrisse unseres Erdteiles wieder. 

Die alten Seefahrer kannten die Länge der großen 
Achse des Mittelmeeres, durch deren falsche Annahme das 
Bild der Mittelmeerländer und mit ihnen das des ganzen 
Erdteils verzerrt erschien, besser als die späteren Geographen 
bis aufDelisle. Das XVII. Jahrhundert schuf hierin Klarheit. 
Im Jahre 1693 erschien der Atlas ,,Le Neptune francois, ou 
Atlas nouveau des cartes maritimes" mit den neuen astro- 
nomischen Längen für das westliche Europa, wodurch in 
der Folge unser Erdteil seine richtige räumliche Ausdehnung 
in den Karten erhielt. 

Obwohl Huygens schon im Jahre 1657 den nieder- 
ländischen Generalstaaten eine Pendeluhr zum Zwecke von 
Längenbestimmungen vorwies und 1673 durch eine Spiral- 
feder den Gang der Taschenuhr regelte, blieben doch die 
Chronometerreisen einem späteren Jahrhundert vorbehalten. 

Als Anfangsmeridian wurde im Jahre 1634 von den 
Franzosen der Mittagskreis, der durch die Insel Ferro geht, 
festgesetzt. Hiedurch hatte die Alte Welt lauter östliche, 
die Neue Welt lauter westliche Längen. 

Später rechneten die Franzosen ihre Längen von dem 
Meridian von Paris, den sie als 20° östlich von Ferro an- 
nahmen. 

Mercator rechnete von der azorischen Insel Corvo, 
Hondius lieti seinen ersten Meridian die kapverdische Insel 



') Peschel-Ruge, Gefell, d. Erdkunde, München 1S77. G4ii ( 
Vergl. auch Wolkeuhauer, Leitfaden z. Gesch. d. Kartogr. 1S95, 4:5. 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 5 



Santiago schneiden, für Nicol. Visscher und die spätere 
holländische Schule ging der Anfangsmeridian durch den 
Pic von Tenerifa. 

So unsicher wie die Lage dieser Inseln, waren auch 
ihre bezüglichen Längen. 

Die geographischen Breiten: Selbst mit Hilfe des Fern- 
rohres blieb die scharfe Messung der Polhöhen eine schwere 
Aufgabe für die besten Astronomen. Hevelius besaß in der 
Mitte des XVII. Jahrhunderts Instrumente, womit man Pol- 
höhen bis auf eine halbe Minute Differenz ablesen konnte. 
Doch erst den Astronomen Picard und de la Hire gelang es, 
die ßreitenbestimmungen bis auf einige Bogensekunden genau 
zu berechnen. 

Die zunehmende Sicherheit in den astronomischen Orts- 
bestimmungen am Ende des XVII. Jahrhunderts nötigte die 
Kartographen zu einer neuen und strengeren Darstellung der 
Erdbilder. 

Die trigonometrische Vermessung des Landes konnte 
sich nur auf die Basis sicherer astronomischer Haupt- 
punkte stützen. 

Die Methode, das aufzunehmende Terrain mit einem 
Netze von Dreiecken zu überziehen, empfiehlt schon 1550 
Joachim Rhäticus, ein Schüler des Kopernikus, in seinem 
Anhang über die Feldmeßkunst. Mit einer Kette von Drei- 
ecken maß der Holländer Willebrord Snellius 1615 den 
Erdbogen zwischen Bergen op zoom und Alkmaar. Der 
Tübinger Professor Wilh. Schickhart vermaß 1024 bis 1635 
Württemberg und band die richtige Kartenzeichuung an die 
Anwendung eines trigonometrischen Netzes. 

Der Franzose Jean Picard empfiehlt 1681 in einem 
Vorschlag an das französische Ministerium, das aufzunehmende 
Land mit einem zusammenhängenden Dreiecksnetz zu über- 
ziehen, diese Triangel astronomisch zu orientieren, auf eine 
konstante Mittagslinie zu beziehen und mit topographischem 
Detail auszufüllen. l ) Im Jahre 1669 hatte die Gradmessung 
in Frankreich begonnen, an diese Meridianlinie als Achse 
sollte sich demnach ein das ganze Land bedeckendes Dreiecks- 



') Wolkonhauer, Leitfaden z. Gesch. d. Kartogr., 413. 



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P a 1 d u s. 



netz anlegen. *) Zu einer Verwirklichung kam es jedoch vor- 
läufig noch nicht, sie blieb der Cassinischen Epoche um die 
Mitte des XVIII. Jahrhunderts vorbehalten. 

Instrumente der Feldmeßkunst aus dem Beginn des 
XVIII. Jahrhunderts : Maßstab, Meßschnur und Kette, das 
Kreuzmaß, der Viertelzirkel oder Quadrant, der Halbzirkel 
oder Graphometer, auch Feldmeßinstrument genannt, und 
die Bussole. Iliezu kam noch der Gebrauch des „geo- 
metrischen oder prätorianischen Meßtischleins" und des von 
A. Kircher erfundenen „Pantometro Kircheriano". 8 ) 

Dies waren im allgemeinen die Hilfsmittel, mit denen 
man bis in das XVIII. Jahrhundert ,.das Land vermaß und 
in Grund legte, die Weiten erfuhr und die Höhen nahm". 

Mit den wichtigsten Projektionsarten vertraut, wußte 
man für die gegebenen Fälle die schicklichsten auszu- 
wählen. 

Im Jahre 1650 wurde Nie. Sanson der Erfinder der 
nach ihm und John Flamsteed benannten flächentreuen 
Projektion. Für die große Masse der Karten kam jedoch 
zumeist ein geradliniges Kartennetz zur Anwendung. Gerad- 
linige Parallele und ebensolche Meridiane, gegen den Pol zu 
konvergierend. Auch die platten Karten behaupteten noch 
ihren Platz. 

Die Darstellung des Terrains 3 ) war und blieb für die 
Kartographie des XVn. Jahrhunderts noch ein Problem, 
dessen Lösung erst dem sächsischen Major Lehmann im 
Jahre 1799 gelang. 

Man war in der Lage, das Land im Grundriß der Länge 
und Breite nach darzustellen, für den wichtigen Ausdruck 
der Bodenerhebungen mangelte jedoch die Kenntnis. 

Die Perspektive war gang und gäbe, obwohl auch hier 
eine Nuancierung eintrat. 



') Sundler, Die Reform, d. Kartogr. um 17<M». 7. 

*) Näheres siehe: NiooL Rion, Mathein. "Werck-Schule. 3. Auflage 
von Joh. Uabr. Doppelmayr. Nürnberg 1726, IV. Buch, 126— 200. u. 
Anhang. 5—12. 

•) Früh, Zur Geschichte der Terraindarstellung (Zeitschr. 
t wissensch. Geogr., Weimar 1SS1. II, läti) und Saud ler, J. R. Hamann 
(ZeitSChr. d. Uesellsch. f. Erdkunde. Rerlin lssf,. :Q>). 



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Ein Beitrag cur vaterländischen Kartographie. 



7 



Eine Art, auf der Landkarte die Gebirge zu veranschau- 
lichen, bestand in der typischen Aneinanderreihung von Drei- 
ecken mit breiter Basis, der sogenannten Hügelinanier oder 
den Mauhvurfshaufen ; eine andere Art war eine mehr natura- 
listische Auffassung der Berge, wie es die Müll ersehe Karte 
von Böhmen zeigt. Der Ausdruck des Geländes war also mehr 
ein Landschaftsbild. Hier blieb im wesentlichen die Terrain- 
darstellung bis in das XVIII. Jahrhundert stehen. In den 
Karten kleineren Maßstabes konnte man nur aus der Anzahl 
der eingezeichneten Bergformen einen Schluß auf die Mächtig- 
keit der Gebirge ziehen. Bei den meisten dieser Generalkarten 
war durch das Überwiegen von politischen und topographischen 
Details den Bodenerhebungen wenig Sorgfalt zugewendet. 
Zumeist den Flußläufen folgend, sind sie oft nur angedeutet, 
ja auch ganz weggelassen. In den Spezialkarten verdeckt die 
perspektivische Darstellung einen Teil des anliegenden Terrains. 
Es folgten wohl Verbesserungen, doch blieben dies nur Ver- 
suche und ohne Aufbau auf wissenschaftlicher Grundlage war 
eine endgültige Lösung dieser Frage nicht zu gewärtigen. 

Was die Hydrographie anbelangt, vermißt man bei den 
Flußläufen die Richtigkeit im Detail, die kleineren Ge- 
wässer fehlen oft ganz ; die Darstellung ist derb und 
schematisch. 

Das dürftige Straßennetz weist zumeist nur die Haupt- 
routen auf. Auch dann, wenn es reichlicher ausgestattet er- 
scheint, ist die Charakteristik der Kommunikationen nicht 
zum Ausdruck gebracht, der Nutzen somit ein geringer. 

Für die Darstellung der Städte und Ortschaften ver- 
wendete man kleine Ansichten oder übertriebene Grundrisse. 

Die politischen Grenzen der einzelnen Länder lagen bei 
der Seltenheit der Landesvermessungen damaliger Zeit oft im 
ungewissen. Vielfach auf Schätzungen beruhend, waren die- 
selben mit Vorsicht zu behandeln. Um bei Kriegszeiten dem 
Feinde keinen Vorschub in den Operationen zu leisten, 
herrschte noch bis tief in das XVIII. Jahrhundert die Ansicht 
vor, daß es bedenklich sei, eine genaue Karte des eigenen 
Landes zu veröffentlichen. 

So lehnte z. B. der Kurfürst Johann Friedrich von 
Sachsen im Jahre 1532 eine genaue Aufnahme seines Landes 



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8 



P a 1 d u s. 



durch Apian aus diesem Grunde ab, 1 ) König Friedrich II. 
von Preußen hielt seine Kabinettskarte geheim und selbst die 
großen militärischen Aufnahmen unter Kaiser Josef II. waren 
nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. 

Die Farbenlegung in den Karten wurde von Bedeutung 
und sollte in ein System gebracht werden, so daß jedem 
Lande oder jeder Provinz eine bestimmte Farbe zukäme. 2 ) 

Die Parerga oder Nebenfiguren, mit welchen man die 
Karten schmückte, waren ein charakteristisches Zeichen 
jener Zeit. 

Sie bestanden in Wappen, Porträts, Allegorien, Dar- 
stellungen von Kriegszenen etc. 

Bei bedeutenden Kartenwerken von künstlerischem 
Werte, sind sie für die Nachwelt oft von historischem Interesse. 

Die Landkartenproduktion hatte sich zu einem Neben- 
zweig des eigentlichen Kupferstiches herausgebildet und war 
zu einem Gewerbe geworden. Um die Mitte des XVI. Jahr- 
hunderts kam der Kartendruck von Italien vorübergehend 
in die Länder nördlich der Alpen, von wo er in der Periode von 
1548—1570 wieder nach dem sonnigen Süden zurückkehrte. 

In Deutschland herrschte der Holzschnitt vor, der, durch 
Albrecht Dürer auf eine hohe Stufe gehoben, den deutschen 
Erdgemälden die Meisterschaft in dieser Kunst sicherte. Italien 
dagegen war das Land des Kupferstiches. Im Jahre 1570 
schlug die darstellende Kunst auf dem Gebiet der Karto- 
graphie ihren Hauptsitz in den Niederlanden auf und bis in 
die Mitte des XVII. Jahrhunderts wurde der Kartenbedarf 
fast ausschließlich von den Niederländern gedeckt. Mit 
Nie. Sanson (1G00- 1667) kam das Kartengewerbe nach 
Frankreich. 

Der Reformator auf dem Gebiet der Kartographie war 
der Franzose Guillaume Delisle (1675 — 1726), .,der große 
darstellende Geograph jener Zeit". 3 ) Was die Herren der 
französischen Akademie durch neue Ortsbestimmungen ance- 
bahnt hatten, fahrte er durch. , .Schufen jene das Fundament. 

*) Rüge, Gesch. d. Büchs. Kartogr. im XVI. Jahrhundert Zcit- 
schr. f. wissen sch. Geogr., 1S81, II, 91). 

*) Hüb n er, Museum Geograph., Hamburg 1746. Vorbericht, 4. 
3 ) Wolkeuhauer, Leitfaden z. Gesch. d. Kartogr. 45. 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



9 



so hat er den Aufbau dazu geliefert, boten jene die Haupt- 
züge, so hat er in lebenslanger mühseliger Arbeit das Detail 
dazu herausgemeißelt." *) 

In der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts ruhte in 
Deutschland die kartographische Tätigkeit fast gänzlich. 
Frisches Leben regte sich erst wieder in der zweiten Hälfte 
des XVII. und am Beginn des XVIII. Jahrhunderts. 

Im Jahre 1702 gründete Johann Baptista Homann 2 ) 
(1664 — 1724) in Nürnberg seine Offizin und mit ihm erwaohte 
das kartographische Leben zu neuer Blüte. Obwohl der 
Homannische Kartenhandel den Markt beherrschte und der 
Stich der Karten zu den vorzüglichsten Leistungen zeit- 
genössischer Kartographie gehörte, standen doch seine 
Werke, was wissenschaftlichen Wert anbelangt, gegen jene 
Delisles zurück. Was Sanson für Frankreich, Homann für 
Deutschland, war Moll für England. 

Dem Kupferstecher stand es frei, fremde Originale zu 
kopieren, er konnte den Namen des Autors weglassen und 
den seinigen einsetzen. 3 ) Zwischen den Originalkarten und 
den Kopien, welche sich in solche mit und ohne Angabe des 
Autors schieden, standen die kombinierten Blätter. Beim Grad- 
netz vermißte man die Angabe des Anfangsmeridians für die 
geographischen Längen, während die Breiten nicht wirklich 
beobachtet, sondern oft nur mangelhaft berechnet wurden. 

Das Material' ) für die Landkarten war Papier, 
Leinwand, Seide etc. Für besonders wertvolle, gezeichnete 
Karten verwandte man Pergament. 

') Sand ler, Die Reform, d. Kartogr. um 1700, 23. 

') Sand ler, Job. Bapt. Homann (Zeitschr. d. Gesellsoh. f. Erd- 
kunde, Berlin 188t>, 328— ;i.s4) und „Die homännischen Erben" Zeitschr. 
f. wissenschaftliche Geogr., Weimar 181» », VII, im, 418. — Ferner 
Rüge, Aus der Sturm- und Dran^-Pe riode der Geographie iZeitschr. f. 
wissensch. Geogr., Weimar 18N5, V, 249, 355). 

') „Es ist ein Haupt-Fehler derer Land-t harten, daß sie zu unseren 
Zeiten wenigstentheils von Gelehrten und der Sache Erfahrnen, sondern 
mehrstentheils von Kupferstechern verfertiget werden, deren nur immerdar 
einer von den andern ahcopiret, und je hinter je mehrere Fehler hinein 
machet." iHauber, Versuch einer umstundl. Historie d. Land-Chart., 
Ulm 1724, 51.) 

*) Zu den merkwürdigen Materialien, welche bei den verschiedenen 
Völkern für die Darstellung von Kartenbildern verwendet wurden, gehörten 



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10 Paldus. 

Das XVII. Jahrhundert bildet die Periode des Über- 
ganges zur Triangulation und geodätischen Aufnahme, die 
unter Cassini de Thury in der Mitte des XVIII. Jahr- 
hunderts begann. Durch die Erfindung von neuen Methoden 
in der Beobachtung gelingt es, eine sichere astronomische 
Basis für den weiteren Aufbau in der Kartographie zu 
schaffen und die "Wege für deren Fortschritt zu ebnen. 

So war es im allgemeinen um die Kunst, die Erdgemälde 
darzustellen, beschaffen, als der kaiserliche Ingenieurhaupt- 
mann Joh. Christ. Müller seine kartographische Tätigkeit 
begann. Eine kurze Schilderung seines Lebensganges möge 
vorerst die Grundlage veranschaulichen, auf der seine Werke 
emporwuchsen. 

offenbar Baumrinde, Wachs, Bretter, Gi|»s, Silber etc., so z. B. «lie auf 
Baumrinde gezeichneten Indianerkarten (Peschel -Rüge , Gesch. d. 
Erdkunde, 215, Note 2) sowie die drei silbernen und der goldene Tisch 
Karls des Großen i ebenda 103, Note 3 , die im Jahre IMiMi entdeckte 
„Mosaikkarte von Madeba", deren Alter in das VI. Jahrhundert verlegt 
wird und über welche sich schon eine reiche Literatur gebildet hat. 
(Oberhummer, Bericht über Länder- u. Völkerkunde d. antik. Welt. 
— Geogr. Jahrb., Wagner, 1906, 141) 



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Johann Christoph Müller 1 ) wurde am 15. März 1673 
als Zweitältester 2 ) Sohn des Präzeptors Johann Müller zu 
Nürnberg in der Vorstadt Wöhrd geboren. 

Schon in zarter Jugend brachte er der Kunst und 
Wissenschaft große Liebe entgegen. 

Nach zurückgelegten humanistischen Studien genoß er in 
seiner Vaterstadt durch vier Jahre bei dem tüchtigen Astro- 
nomen und Kupferstecher Eimmart einen gründlichen Unter- 
richt in der Mathematik und Zeichenkunst. 

Am 21. März 169(5 kam der junge, trefflich vorgebildete 
Müller in die Dienste des gelehrten kaiserlichen Obristen 
Graf Marsigli 3 ) nach Wien, der ihn zu verschiedenen 

') Biographien: Hist. Nachrichten von den Nürnberg. Mathematicis 
u. Künstlern. Joh. Gabr. Doppelmayr, Nürnberg 1730. — "Wills 
Nürnb. Gelehrten-Lexikon, Nürnberg 1756. — Wurzbach, Biogr. 
Lexikon, 19. Bd. 

*) Sein älterer Bruder war Johann Heinrich Müller, geb. am 
15. Jänner 1671, Prof. P. Phyaices in Nürnberg, heiratete gegen 1706 
Maria Klara, die Tochter des berühmten Astronomen J. Christian 
Eimmart, welche jedoch schon 1707 starb. Nach dem Tode 
Eimmarts erhielt er die Kollektion der während 26 Jahren gemachten 
astronomischen Beobachtungen und übernahm die Leitung seines Obser- 
vatoriums. Heinrich Müller übernahm 1710 die Professur der Mathe- 
matik und Physik in Altdorf, während die astronomischen Instrumente 
des Observatoriums in den Gebrauch und in die Aufsicht des Job 
Gabriel Doppelmayr übergingen. Prof. Heinrich Müller starb am 
15. März 1731. (Doppelmayr, Hist. Nachricht v. d. Nürnb. Mathem. u. 
Künstlj — Sein jüngerer Bruder war Joh. Matth. Müller, später 
Collegam an einer Schule in Nürnberg. (K. A., Verlassensch. 1721,327.) 

3 ) Luigi Fernando Graf Marsigli, k. k. General, Naturforscher 
und Geograph, geb. zu Bologna am 10. Juli 1658, gest. ebenda am 
1. November 1730. Er wurde am 24. Mai 1680 zum Obristen, am 
24. Jänner 1700 zum Generalfeldwachtmeister befördert, am 4. Februar 1704 



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12 



P a 1 d ii 8. 



Arbeiten, besonders zu astronomischen Beobachtungen ver- 
wendete und mit seinen Leistungen recht zufrieden war. 

In Ungarn, wo er die geographische Lage verschiedener 
Orte zu bestimmen hatte, verdiente er sich die ersten Sporen 
in wissenschaftlicher Tätigkeit. 

Wie hoch Marsigli das Talent seines Ingenieurs zu 
schätzen wußte, zeigt eine Bemerkung über seine Verwendung 
bei astronomischen Arbeiten. Diese in dem Werke über die 
Donau 1 ) enthaltene Aufzeichnung versetzt uns mitten hinein 
in die heißen Bemühungen jener Zeit auf dem Gebiet 
geographischer Forschung, welche für die bessere karto- 
graphische Darstellung in den ungarischen Landern des 
Kaisers grundlegend wurden und gibt Kunde von den zur 
Ermittlung der Polhöhen verwendeten Instrumenten. 

Marsigli schreibt:-') ,,Ich entsandte den jungen Müller, 
der in dieses Verfahren eingeführt und darin ausgebildet war, 
in (aus dem Terrain > mehr hervortretende Punkte, wo er 
sich fünf oder sechs Tage aufhielt. Aus den Höhen der Fix- 
sterne, die sich in der Ebene des Meridians befanden (denn 
der Sonne konnten sie sich nicht oft bedienen) ermittelte er 

aller Ehren und Amter iür verlustig erklärt. Vom .Jahre 1692—1704 
war er Inhaber des Infanterieregiments Nr. 59 (Vergl. Wu rzbach, Biogr. 
Lexikon, 17. Bd., auch: Feldzüge des Priuzen Eugen und Marsigli 
[1658—1730] Revue maritime, CXXXIV, 1897, 542-75.) 

1 Danubius Pannonico - Mysicus, Observationibus geographicis, 
astronomiois, bydrographicis, historicis, physicis perlustratus etc. ab 
Aloysio Ferd. Com. Marsiii Socio llegiarnm Societatum Parisiensis etc. 
Hagae, Amstelodami 172G, 6 Bde. (K k. Hof-Bibl. und k. u. k Famil.- 
Fideikommiß-Bibl., Wien, N. 2856.) Der Pro lrotnus zu diesem Werke 
erschien im Jahre 170 J. (K. k. Hof-Bibl.) Infolge der Kassation 
Marsigli s 1704 erschien das Hauptwerk erst 1720». Der hohe Preis 
dieses Werkes hatte spater eine Publikation der in demselben befind- 
lichen Karten, als ein Band für sich, zur Folge. ..La Hongrio et le 
Danube par Mr. Le comte de Marsigli. En XXXI Cartes tres fidele- 
ment gravees d'apres le Desseins originaux et les Plans levez sur les 
lieux par TAuteur meine. Ouvrage oü Ton voit la ITougrie, par rapport 
ü ses Rivieres, et ä ses Antiquitez Eomainos, et a ses Mines: et les 
Sources et le Cours du Danube etc. Avec une Pröface sur roxcellence 
et l'usage de ces Cartes, Par Mr. Binzen d e la Marti nie re. A la 
Haye, 1711." 1 Bd. [K. A M Kartenabt. B IX b 112.) 

J ) Danubius Pannonico -Mysicus, etc., 1 Bd., Pars II, Astro- 
nom ica, 35. 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



13 



die Polhöhen, nachdem er früher gleich daneben ihre 
Deklination aus Hevelium 1 ) hinzufügte, nach jener Methode, 
welche die angefügten astronomischen Beobachtungen zeigen. 
Nach diesen Untersuchungen wurden auch andere in bezug 
auf die geographische Breite der Orte geprüft-') etc." 

Übungen im Gebrauch des Hevelianischen Quadranten, 
astronomische Bestimmungen von Polhöhen, Festlegung der 
Krümmungen der Donau, Theiß etc. mit der Bussole, boten 
Müller reiche Gelegenheit, seine mathematischen und feld- 
messerischen Kenntnisse zu üben, zu mehren und sich für 
größere Aufgaben in seinem Beruf vorzubereiten. Im Jahre 
1697 kam Müller wieder nach Wien zurück. Hier hatte Graf 
Marsigli den Vorübergang des Merkur vor der Sonne be- 
obachtet und legte diese Arbeit in seinem prachtvollen Werke 
über die Donau nieder. 3 ) Auch Ingenieur Müller ließ diese 
Beobachtung 1698 in W T ien in Druck legen und widmete sie 
seinem Informator G. C. Eimmart. ') 

Der herrliche Sieg der kaiserlichen Waffen bei Zcnta 
1697 schuf eine sichere Grundlage für die weiteren Ereignisse 
bis zum Ende des Türkenkrieges im Jahre 1698. Während 
Prinz Eugen mit Erfolg sich bemühte, den Stand der Dinge 
im Felde zu Gunsten des Kaisers zu gestalten, war die 
Diplomatie am Wiener Hofe eifrig am Werk, annehmbare 
Bedingungen für den so notwendigen Frieden vorzu- 
bereiten, und die Friedensvermittlungen der Mächte be- 

J ) Die Beschreibung eines Hevelianischen Quadranten siehe: 
Mathematische Werck-Schulo von Nicolai Bion. Gabr. Doppelrna \ r, 
Nürnberg 172b. 3. Kröfthung 1728. 149. 

■) In Ungarn waren erst acht Orte, respektive Punkte astro- 
nomisch festgelegt. (Marsigli, Prodromus Operis Danubialis |170Oj, 3.) 

*) In^enue tarnen fat><>r me Observationen! transitus Mercurii 
exegisse «juodam in viridario dum Viennae commorabar etc. — (Danubius 
Pannonico etc., 1. Bd., Astronomie», 34.) Die Zeichnung ist betitelt: 
Delineatio transitus Mercurii per Solem prout in camera obscura est 
obaervatus Viennae Austriae die 3. Novemb. st. u. mane-Anno WM. 
(Ebenda, 49.) 

4 ) Ad G. C. Ei in mar tum Epistola, qua Mercurii Solem subeuntis. 
Observation ein Comitis Marsigli Viennae a sc habitam eidein patpui«» 
suo dat. dedicat, consecrat !<■ Christ. Müller. Viennae W'.tS. Fol. 
(C Nopitsch, Fortset/., d. Nürnberg. Gelehrtenlexikons von CA. Will, 
6. T. od. 2. Suppl.-Bd., 44 5. 1 



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14 P « l d u «. 

engten das Feld der kriegerischen Operationen immer mehr 
und mehr. 

Am 28. September 1698 erhielten die kaiserlichen 
Friedensbevollmächtigten, Wolfgang Graf von Oettingen und 
Leopold Graf Schlik, in Kaiserebersdorf ihre Instruktionen 
zugestellt. 

Am 13. Oktober trafen in dem Lager von Zsablya, wohin 
Prinz Eugen seine Armee verlegt hatte, der Graf Schlik 
und der Obrist Graf Marsigli ein, welcher wegen seiner 
genauen Kenntnis der türkischen Verhältnisse 1 ) als kaiser- 
licher Bevollmächtigter an die Spitze der Grenzregulierungs- 
kommission gestellt worden war, und hatten eine lange 
Unterredung mit dem Prinzen über den zu gewärtigenden 
Zusammentritt der Friedenskonferenz. 

Als Grenzscheidungskommissär in dem Karlowitzer 
Frieden 1699 entwickelte Graf Marsigli eine umfassende 
Tätigkeit. 

Ein Stab von Offizieren und Ingenieuren, unter denen 
sich auch der 26jährige Müller befand, unterstützten ihn in 
den Bestrebungen, Material für den Entwurf einer genauen 
Karte der ungarischen Länder zu sammeln. 

Müller wurde die Aufgabe zu teil, diese so wichtige 
Grenzscheidung, in welcher ein seit anderthalb Jahrhunderten 
verloren gewesener Länderbesitz wieder in die Hände des 
Kaisers gelangte, in ihrem ganzen Umfang zu Papier zu 
bringen. 

Daß Müller, wie die biographischen Angaben besagen,, 
den Grafen Marsigli als Sekretär in den Feldzug an den 
Rhein begleitete, kann aktenmäßig nicht erhärtet werden. 
Jedenfalls nahm er lebhaften Anteil an dem tragischen Ge- 
schick seines hohen Gönners, den er infolge der unglück- 
lichen Verteidigung von Breisach 1703, die mit einer un- 
rühmlichen Kapitulation schloß, von der Höhe eines kaiser- 
lichen Generals stürzen sah.*) 

l ) Sein Werk: Stuto militaro doli' Imperio Ottotnauo otc, Haag u. 
Amsterdam 17.VJ. ist eine der besten Quellen für das Studium der 
Militäreinrichtungen der Türken im XVII. Jahrhundert. «Feldzüge des 
Prinzen Eugen von Savoyen, I. 5»K).) 

». Vergl. S. U, Fußnote. 



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Ein Beitrag sar vaterländischen Kartographie. 



15 



Im August des Jahres 1703 erscheint Müller als Feld- 
ingenieur ') mit 75 Gulden monatlicher Gage in kaiserlichen 
Diensten 2 ) und im November desselben Jahres erhält er die 
Bestimmung in das Reich. 5 ) 

Über die Art seines Dienstes, die Orte, wo er sich in 
den nächstfolgenden Jahren aufhielt, geben die Akten des 
k. u. k. Kriegsarchivs keinen Aufschluß, nur das eine kann 
konstatiert werden, daß er mit finanziellen Schwierigkeiten zu 
kämpfen hatte, weil die durch langwierige und kostspielige 
Kriege erschöpften Staatskassen mit der Auszahlung der Ge- 
bühren im Rückstand blieben. 4 ) 

Daß Müller, wie angegeben wird, den Feldzug 1705 in 
Italien an der Seite des GFWM. Graf Harrsch 5 ) mitgemacht 
habe, ist möglich, obwohl der Beweis hiefür aus den er- 
wähnten Akten nicht erbracht werden konnte. Aus diesen 
geht nur hervor, daß er im April 1705 den Befehl erhielt, 
,,sich ins Feld zu stellen''. 6 ) 

*) Die wichtigeren fortifikatorischen Arbeiten wurden von In- 
genienren geleitet. Sie wurden vom Hofkriegsrat zumeist aus dem 
Ausland, namentlich aus Belgien, Deutschland und Frankreich, berufen 
und förmlich kontraktlich in Dienst genommen. Hiebei wurde ihnen eiu 
militärischer Grad, in den meisten Fällen die Hauptmanns-, zuweilen 
auch die Leutnantscharge verliehen ; doch bekleideten auch einige den 
Oberstleutnantsrang, ja selbst den eines CJenorals. Mit zu den Dienstes- 
obliegenheiten dieser Insenieurofliziere gehörte der Entwurf von 
Schlachten- und Gefechtsplänen, die zumeist in perspektivischer Manier 
ausgeführt wurden, sowie der Detailpläne und Grundrisse von Festungen, 
Städten und Verschanzungen. Auf Betreiben des Prinzen Eugen 
"wurden, um dem Mangel an geeignetem Nachwuchs abzuhelfen, im 
Jahre 1717 zwei Genieakademien, u. zw. zu Wien und Brüssel errichtet. 
Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoven, I, 178, 217. i 

«) K. A , H. K. R. 1703, Prot. Reg., 558. 

3 ) K. A., H. K. R 17(13. Prot. Reg., 1092, 

•) K. A., H. K. R. 1701, Prot. Exp., U>, 487, 532, 739; Prot. Reg., 
436, 937: H. K. R 17<>7, Prot. Exp., 870. 

8 ) Ferd. Ainad. Graf Harrsch nahm als Generalfeldwachtmeister 
an dem Kampfe in Italien unter Prinz Eugen im Jahre 17' 15 teil, 
kämpfte bei Pontoglio und wurde in der Schlacht bei Cassano d'Adda am 
16. August 1705 verwundet. (Feldzü^e des Prinzen Eugen von Savoven, 
VII.) Harrsch war 1701 Generalquartiermeister, 1703 Generalfeld Wacht- 
meister, 1707 Feldmarschalleutnant und 1711 Feldzeugmeister. Sein 
Leben boschreibt P fister in den Württemb. Neujahrsblätt., 12 BL, lb95. 

«) K. A., H. K. R. 1705, Prot. Exp., 476. 




lö 



P a 1 d u s. 



Im Jahre 1706 ward er durch ein hitziges Fieber gezwungen, 
in Nürnberg Erholung zu suchen, wo er am 20. Juni ankam. 

Nach seiner Genesung ging Müller wieder nach Wien, 
wo er dem Prinzen Eugen eine sorgfältig auf 24 Blätter 
Pergament gezeichnete Karte der Grenzscheidung 1 ) des Karlo- 
witzer Friedens 1699 überreichte. 2 ) 

Er verwertete das unter dem Grafen Marsigli ge- 
sammelte reiche Material an Vermessungen und Beobachtungen 
zu einer großen Karte von Ungarn, welche im Jahre 1709 
über Veranlassung der ungarischen Stände herausgegeben 
wurde. Sie ist, wie Müller selbst berichtet, die erste Karte 
des Landes, in welcher der Lauf der Donau von Gran abwärts 
in richtiger Lage eingezeichnet erscheint. 

Dieses im Vergleich zu seinen Vorgängern meisterhafte 
Werk bildete die einzige brauchbare Karte in den späteren 
Feldzügen gegen nie Türken in Ungarn und der Name 
Müller wird in der Geschichte der Kartographie dieses 
Königreiches immer einen Ehrenplatz einnehmen. Den Glanz- 
punkt seiner Leistungen bildeten jedoch die nun beginnenden 
Ausmessungen der kaiserlichen Erblande, von welchen er 
einen Atlas Austriacus" zusammenstellen wollte. 5 ) 

Im Jahre 1708 langte sein diesbezügliches Ansuchen 
beim Hofkriegsrat ein, mit der Bitte um Anschaffung der 
nötigen Instrumente und Requisiten, Erhöhung seiner monat- 
lichen Bezüge von 75 auf 100 Gulden, damit er sich einen 
Gehilfen halten könne, und um die Erwirkung eines kaiser- 
lichen Befehles, daß ihm die Landstände und Laudesinwohner 
mit Wegweisern, Vorspannen und etappemnäßigeni Service 
an die Hand gehen sollen. 4 ) 

y j Doppelmavr, Hi<t. Nachricht, v. d. Nürnb. Mathem. u. Künstl. 
Die Angaho in G. A. Wills Nürnberg. Gelehrtenlex. I7ü(i, 2. T., aut" 
Seite i '.<:"."». dali Müller einen Plan der Festung Nürnberg auf 24 Blätter 
Pergament zeichnete und denselben dem Prinzen Eugen in Wien über- 
reichte beruht otfenbar aut* einein Irrtum. 

") Es gelang dem Verfasser, diese Karte, die allerdings 40 Blätter 
enthält, in der k. k. Hof -Bibliothek ausfindig zu machen, wo sie als 
Cimehc aufbewahrt wird. (VergL Karte Aber die Grenzscheiduug im 
Earlowitzer Frieden 1699.) 

8 > K. A., H. K. ß. 1708, Prot. Exp.. 116. 

*> Ebenda. 




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Ein Beitrag cur vaterländischen Kartographie. 



17 



Im Sommer desselben Jahres begann Ingenieur Müller 
seine erfolgreiche Tätigkeit in Mähren. l ) 

Der Plan, nach welchem er die Mappierung dieses Landes 
durchführen wollte, ging im allgemeinen dahin, die sechs 
Kreise, in welche das Land politisch zerfiel, einen nach dem 
anderen zu bereisen und aufzunehmen, sodann aus der Ver- 
einigung dieser Kreiskarten ein Bild des ganzen Landes her- 
zustellen. Auch alle Straßen- und Privatmauten sowie die 
Verteidigungsinstandsetzung der Pässe und Grenzposten sollten 
angemerkt werden. 

Den Kostenaufwand für die Karte, welcher auf mindestens 
1000 Gulden veranschlagt wurde, hatten die Mautinhaber des 
Landes zu bestreiten. 2 ) 

Nach Regelung seiner finanziellen Angelegenheiten 3 ) 
begab sich Müller, ausgerüstet mit einem kaiserlichen Patent 
ddto. Wien, am 13. Juni 1708 4 ) in den Znaimer Kreis, dessen 
Aufnahme er mit tätiger Unterstützung des Kreishauptmannes 
Eichbiegel noch im Jahre 1708 beendete. 

Nach Zulässigkeit trigonometrische Vermessungen vor- 
nehmend, ermittelte er die Entfernung der Orte von einander 
mit Hilfe eines an seinem Reisewagen angebrachten MeUrades, 
dessen Umdrehungen abzählend. 6 ) 

') ,J)er Hotkriegsrath verwilligt, mit dor Entwerfung des Mark- 
grafthuins Mähreu noch diesen Sommer den Anfang zu machen, im 
übrigen aber solle er von allen 3 Ländern Böhaimh, Schlesien und Mähren 
eine Carte und dann von jedem Lande wioderumb eine besondere Carte 
verfassen und dem Hofkriegsrathe einhändigen ; auch dabei anmerken, 
wo die PäÜ- und Granitz Posti durch Iledouten und audere Werke in 
Defensionsstand gesetzt werden können. iK. A., H. K. ß. 1708, Prot. 
Heg., 561.) 

? ( d'Elvert, Gesch. d. Landkart. v. Mähron und Österr.-Schlesien 
etc. Schriften d. hist.-statist. St-kt. der k. k. m. schl. Gesellsch. d. Acker- 
baues etc. Brünn 1851, 5. Heft, 79. 

s ) Müllers Bosoldungsausstand von der Zeit seiner Aufnahme 
bis Ende April 1708 betrug '2727 Gulden, indessen wurden ihm vom General- 
kriegszahlamt 300 Gulden ausgefolgt, — das übrige solle ihm, wenn 
Mähren so suftizient ist, auf die Milttärrepartition von Mähren ausge- 
folgt werden. (Arch. im k. u. k. Reichs-Fiu.-Mstm. [Hof-Kammer- Archiv] 
6. Juni 1703.) 

•) Archiv d. k. k. Minist, d. Innern, 1703, IIA 2, 12. 

■j Diese Methode wurde schon von Johannes Fernelius im Jahre 
1528 angewendet, als er einen Breitengrad zwischen Paris und Amiens 

Mitteilungen des k. und k. Krieg*urchivg. Dritte Folge. V. Md. 2 



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18 



P a 1 d u s. 



Eine Beschreibung der Instrumente, welche Müller bei 
seinen Ausmessungen verwendete, ist nicht auf uns gekommen, 
doch dürfte die von Gabr. Doppel mayr vermehrte dritte 
Auflage von Nicol. Bions Mathematischer Werkschule etc., 
Nürnberg 172G, über die in damaliger Zeit gebräuchlichen 
Instrumente für die Landesvermessung genügende Auskunft 
gewähren. *) 

Welche Sorgfalt Müller auf die richtige Schreibweise der 
Ortsnamen verwendete, beweist der Umstand, daß er sich im 
Jahre 1709 ein Verzeichnis aller Ortsnamen Mährens aus der 
Landtafel in deutscher und böhmischer Sprache erbat, da 
ihm die von den Wirtschaftsämtern übermittelten Ortsver- 
zeichnisse keine Sicherheit in bezug auf die Korrektschreibuug 
der Namen boten. 

Fünf Jahre angestrengter Arbeit bedurfte es, bis 
Müller seine große Aufgabe vollendet hatte. 

Sein Werk hatte eine mehrfache Revision zu über- 
stehen. Im Jahre 1714 wurde eine bessere Kreiseinteilung 
angeordnet und mit Reskript befohlen, daß jeder Kreis 
eine genaue Konsignation seiner Herrschaften und Güter, 
Städte, Märkte und Dörfer mit der Zahl der Häuser, wie sie 

maß. (Peschel-Ruge, Gesch. d. Erdkunde, 394.) Ebenso maß der 
Kurfürst August von Sachsen im XVI. Jahrhundert auf seinen Reisen 
mittels eines Kompasses und eines au seinem Reisewagen angebrachten 
Instrumentes die Lage und Entfernungen aller Orte und verfertigte daraus 
kleine Spezialkarten. (Rüge, Gesch. d. sächs. Kartogr. im XVI. Jahrh. 
Zeitschr. f. wissensch. Geogr. 1881, II, 92.) Übor Ferneis Messungen 
der Distanzen mit dem Meßrad bemerkt Pesch el in seiner Geschichte 
der Erdkunde auf Seite 394, daß er uns völlig im Dunkeln läßt, auf 
welche Art er die Wirkung der wagrechten, wie senkrechten 
Krümmungen der Straße aus dem Ergebnis beseitigte. Dasselbe gilt 
nun auch für Müllers Distanzermittlungou. Auch der österreichische 
Kartograph G.M. Vischer (1628—1696) bediente sich eines Eiseninstru- 
mentes, Viatorium genannt, ,.so die klalTter in wehrendeu Fahren zahlt". 
Er verkaufte dasselbe 1696 dem Abte des Klosters von Kremsmünster 
um 8 Gulden, wo es auch noch vorhanden sein soll. (P. Altmann- 
Altinger, Des österreichischen Geographen Georg Matthäus Vischer 
letztes Lebensjahr. Mitt. d. k. k. GeogT. Gesellseh.. Wien 18^8, 3S4.) 

') In der Karte : Mappa Hungariae inferioris districtus cis- 
danubiani von Mikoviny (1:320.000) 1 gez. Blatt 1739, findet sich 
eine Abbildung von Ingenieuren in Arbeit mit dem Viertelzirkel 
Quadranten). (K. A., Kartenabt. BIXa 537.) 



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Ein Bditrag zrxr vaterländischen Kartographie. 



19 



die neue Einteilung ergab, einzusenden habe. Strenge Strafen 
wurden auf die Nichteinhaltung dieses Befehles gesetzt. Die 
Obrigkeit sollte für jeden nichtangegebenen Ort 400 Dukaten 
Strafe zahlen, der schuldtragende Beamte mit öffentlicher 
Arbeit auf dem Spielberg bestraft werden, der Denunziant 
das Drittel der Geldstrafe als Belohnung erhalten. ') 

Im Jahre 1716 wurde eine endgültige Revision der 
Karte von einer Hauptkommission vorgenommen und nach 
erfolgter Verbesserung der Fehler und unterlassenen Zeichen 
durch Müller 2 ) der Stich und Druck derselben auf Kosten 
der mährischen Stände vom Brünner Kupferstecher Joh. 
Christ. Leidig ausgeführt. 

Am 2. Mai 1713 wurde dem „Ingenieur Joh. Christ. 
Müller auf sein gehorsamstes Bitten und in Ansehung seiner 
in der Ingenieur-Kunst erworbenen trefflichen Erfahrenheit, 
auch dermalen untern Hand habend mühesamben Mappierung 
der Königl. Böheimb. Erblanden der Hauptmanns Character 
conferirt ,r . 3 ) 

Ingenieurhauptmann Müller überreichte seine prächtig 
in Farben gezeichnete Karte von Mähren 4 ) im Jahre 1716 
dem Kaiser Karl VI., der ihm als Belohnung sein mit Edel- 
steinen besetztes Porträt im Werte von 1300 Gulden schenkte. 5 ) 
Ein kaiserliches Patent sicherte die Karte Müllers gegen 
Nachstich auf zehn Jahre 6 ) und die Stände Mährens ge- 
währten dem Ingenieur eine Rekompens von 1000 Talern. 7 ) 

Nach der Ausmessung der Mark<;rafschaft Mähren schritt 
Müller im Mai des Jahres 1712 an die Vermessung des 
Königreiches Böhmen, 8 ) welche er unter namhaften Schwierig- 

') Reskr. 12.Juli 17U. (d'El vert, Gesch. d. Landkart. v. Mähren etc.) 
■) Matzura, Die ältest. u. alter. Landkart. v. Mähren. Museum 
Francisc. Annales 1S%, 305. 

l ) K. A., Bestallungen 1713, 41114. 
*) K. k. Hofbibl. 22 (7). 

B ) d'El vert, Gesch. d. Landkart. v. Mahren etc., 87. 

•) „Müller konnte daher solche Landt Charten in offenen Kupfer- 
stich und Druck hin und wieder außgeben, verkaufen und feil haben 
lassen." (Archiv d. k. k. Minist, d. Innern. 1712, IV D, 7.) 

T ) Dvorsk^, Sbornik historick? 1884, II, 330. 

•) Kayl. Patent für den Joh. Christ. Müller, Kayh Ingen. Haupt- 
mann etc. : „Wir Karl entbietheu allen, Undt Jeden Untieren Landes 

2* 



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20 



Pal das. 



keiten mit großem Fleiße in acht Jahren (1712 — 1720) 
durchführte. 

Der Kostenaufwand dieser Aufnahme wurde schon im 
Jahre 1709 mit 2500 Gulden bemessen und sollte wie bei Mähren 
aus den Mautgeldern bestritten werden. Da sich jedoch die 
Aufnahme in die Länge zog, wuchsen die Kosten allmählich 
auf 3240 Gulden an. 

Am 8. November 1712 wurde erst von Seiten der 
böhmischen Statthalterei den Kreishauptleuten die Spezi- 
fikation der Mauteinuahmen aufgetragen. l ) Mittlerweile war 
Müller schon fleißig an der Arbeit. 

Im Jahre 1712 wird der Bechiner Kreis, der größte 
de3 Königreiches, nach der in Mähren angewendeten 
Methode vermessen, ihm folgt 1713 der Prachiner und der 
Pilsner Kreis. 

Inwohnern Undt Untorthanen. Geist- Undt Weltlichen, Craißhaubtleuth, 
Obrigkeiten, Abbteu, Praelathen, Grafen, Freyherrn etc. Untiere Kayh 
Undt Königl. Gnade. Undt geben denenselben gdist zu vernehmen, 
sowie dali wir ad normam anderer frembden Länder über Unser Erb 
Königr. Böheiinb Undt die darinnen ligeude Städte, Vestungen, Märkte, 
Dorfsehaften etc. eine vollständige und verläßliche Laudt Charten, 
damit man über des Landes eigentliche Beschaffenheit vollkhommeue 
Cognition haben möge, entwerten undt verfertigen zu laßen gdist 
resolvirt haben, gleich wie zu dem Ende Unßern Kayl: Ingenieur 
Johann Christ. Müller den gdisten Befehl aufgetragen sich ehestens 
dahin zu begeben, alles wohl zu besichtigen und in richtige, undt 
zihrliche mappas zu entwerten etc. Alß Botehlen wir allen, und Jeden 
obgedachten Unßern Craißhaubtleuth, Landes Inwohnern, undt Untor- 
thanen, Geist undt Weltlichen Obrigkeiten. Abbten, Praelathen, G taten, 
Frevherrn, Bittern, Geist- und Weltlichen Stuft >. undt anderen 
Herrschafts Verwalthern und Beambten, wie auch denen Stadt Magi- 
straten in erwehuten Unßern Erl». Königr: Böhrimb gdist, undt Wullen 
denen selben hiemit ernstlich eingebunden haben, daß Sie mehr betnelten 
Ingenieur Müller auf Sein anmelden allerorthen eine ordentlich Speci- 
likation. aller undt joder, auch der geringsten zu jeder Herrschaft, u-tdt 
gutt gehörigen Dorfsehaften, undt Marktflooken mit Benennung dos 
Teutsch. und Böhmischen nahmens einhändigen »'tc. Zu Lhrkuud Wien 
den 4. May 1872." Abschritt. (Archiv d. k. k. Minist, d. Innern., Hr. hin. 
Abt. 1712, IIA 2. 19.) 

•) Über kaiserl. Befehl vom Dezember 1712 waren dem Karto- 
graphen Müller zur Bestreitung seiner Auslagen Vorschüsse von 
:>00 Gulden vorläufig aus anderen Fonds auszuzahlen. (Dvorsky, 
Sbornik historicky, II. SM Note 21.) 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



21 



Die Städte, Herrschafts- und Gutsverwaltungen standen 
dieser Landesaufnahme mißtrauisch gegenüber und ignorierten 
die voti den Kreishauptleuteu angeordnete Einsendung von 
Ortschaftsverzeichnissen, so daß mit Geldstrafen gedroht 
werden mußte. ') 

Auch die Ausstellung des für die Bereisungen not- 
wendigen Kreispatentes unterlag seitens mancher Kreishaupt- 
leute Schwierigkeiten. 

Als Müller im Jahre 1714 an die Ausmessung des 
Egerer Distriktes schritt und den Stadtrat von Eger um die 
Zuweisung eines Wohnzimmers, sowie um die Beistellung 
eines Reisewagens ersuchte, hatten die Egerländer noch 
keine Instruktion von der böhmischen Statthalterei erhalten. 

Es mochte nun für den schaffensfreudigen und fleißigen 
Ingenieur, der sein ganzes Können für die übernommene 
Arbeit einsetzte, ein harter Schlag gewesen sein, als ihn ein 
Schreiben des Hofkriegsrates vom 12. Dezember 1714 er- 
eilte, worin ihm die Unzufriedenheit bekanntgegeben wurde, 
weil er von der in Arbeit befindlichen Landkarte von Böhmen 
noch kein „Dissegno'' eingesendet habe, trotzdem er eine 
jährliche Besoldung von 900 Gulden aus der militärischen 
Repartition beziehe. -) 

In welcher Weise sich Hauptmann Müller dem Hof- 
kriegsrat gegenüber rechtfertigte, zeigt der nachstehende sehr 
interessante Bericht über seine bisherige Tätigkeit in Böhmen : 

,, Aus dero untern 12. Hujus an mich erlaßenen, und den 
20. dito mit unterthänigsten respect erhaltenen gnädigsten 

') Kreishauptleute von Kaufim an die Statthalterei : ..Wir 
haben .... aller in uns der Zeit allergnädigst anvertrauten Kreise 
situirten Städten. Herrschaften, Guetter und hierzue gewidmeten 
Märkten .... eine verläßliche Specifikation von denen saminentlichen 
Herrn Kreisesin wohnern oder deren Wurthschaftsbeamten etc. ab- 
gefordert, wie nicht minder bei merkenden Saumseligkeit bereits 
öftersmahlen sothane Verordnung wiederholet uud nun auch jüngsthin 
bei Straf 20 lith. solch abgeforderten Specirikationes ohne geringsten 
Zeitverlust zu erlegen i terato anbefohlen.*' (Dvorsky, Sbornik histo- 
rick-y, II, 323, Note 1«.) 

*> lugenienrhauptm. Müller biieb während seiner Aufnahme im 
Königreich Böhmen beständig in kaiserlichem Solde. Archiv d. k. k. 
Minist, d. Innern, 1788. Bericht der schleichen Stände an den Kaiser, 
IIA 2, IV 



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22 Pttldm. 

• 

Schreiben habe nicht ohne Bestürzung vernommen als ob 
Euer Durchl. Exellenc. u. Gnaden absonderlich in regard der 
aus der militärischen repartition p: 900 fl. jährlich genießenden 
Besoldung, mit mir nicht wohl zufrieden wären, aus Ursachen 
weilen kein Dissegno von der in Böhmen bishero von mir 
verrichteten Land-Charten- Arbeit bis dato eingesendet. Worauf 
ich in schuldigster Antwort gehorsamst diene, wie daß ich 
nicht weniger als ein jeder rechtschaffener Officier mein point 
d'honneur in unterthänigster gehorsam — Leistung und Voll- 
ziehung derer Befehle Eines Hochlöbl. Kaysl. Hof Kriegs 
Raths, als meiner nächsten und Gnädigsten Instantz und 
eo ipso diese meine vorhabende mappirungs Arbeit, welche 
ich auf vorhergegangene Intimation Einer Hochlöbl. Böhm. 
Canzley und mit darauf erfolgten Consens u. Befehl Eines 
Hochlöbl. Hof Kriegs Raths, vorgenommen, nach allen 
Kräften und mit möglichster Beschleunigung bis dato pro- 
sequirt habe. Wie ich dann den Disegno von den allbereit 
von mir ausgemessenen Markgrafthum Mähren in 4 großen 
Sectionibus Euer Durchl. Exellenc. u. Gnaden vor 2 Jahren 
unterthäuigst eingerichtet. Gleichwie ich aber mit der 
Mährischen Mappa nicht eher erscheinen können noch sollen, 
bis ich gänzlich mit der ausmessung ermehleten Markgraf- 
thums fertig worden, auch deßwogen mir niohts dagegen erinnert 
oder eingesendet worden ; Also habe auch gleichergestalt 
mit dem Königreich Böhmen zu verfahren nöthig gefunden, 
damit ich, nach dessen gänzlich absolvierter Übermessung 
(welche aber, weilen Böhmen 3 mahl so groß als Mähren, 
auch nach proportion so viel mehr Zeit erfordert) selbiges in 
einer vollständigen großen Mappa, oder nach gnädigsten 
Belieben u. Befehl, in so oder so viel Sectionibus gehorsamst 
exhibiren thäte. 

Sollte ich aber Befehl bekommen, sowohl was ich bis 
dato in Böhmen ausgemessen als hinfüro ausmessen werde, 
entweder nach den Creyßen, oder sonst in genauen particular- 
rißen vorzustellen, so werde ich zwar sothanen gnädigsten 
Befehl mit der größten Freude und Begierd wissen zu er- 
füllen: hingegen wäre es klar, daß ich entweder von der zum 
Land-ausmeßen benöthigt und tauglichen Sommerszeit, nach 
proportion so viel als nöthig zum Zeichnen einployren, oder 



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Ein Beitrag sar vaterländischen Kartographie. 



23 



der Arbeit für Eine Hochlöbl. Böhmische Canzley so viel ab- 
brechen müßte. Indessen wird alle Zeit genugsam abzunehmen 
seyn, daß ich bei denen täglichen Strappazen durchs ganze 
Jahr, die jährliche Gage der 900 fl. doppelt und mehrfach 
verdiene. 

Nun aber auf die speciele relation meiner bißherigen 
Verrichtungen, und wie weit ich darinnen avancirt, zu kommen, 
so berichte hiemit gehorsamst, daß ich in verwichenen 
1712. Jahr den Bechiner-Creyß, als den größten im ganzen 
Königreich Böhmen; 1713 aber den Prachiner- und Pilsner 
Creyße, so gleichfalls ziemlich groß: und letzthin in diesen 
nunmehro im End stehenden 1714. Jahr, den kleinen 
Egerer-Bezirk, den Elnbogner-Creyß, (welcher aber nunmehro 
reducirt und den Saatzer-Creyß incorporirt worden) und den 
halben vorhin proprio sie dictum Saatzer-Creyß, wie auch den 
völligen Distrikt, wo die Neu einzurichtende beständige march- 
route von Eger biß an die Scbleßische und Glatzischo Granitzen 
durchgehen soll, welcher Distrikt oder Tractus in der Länge 
mehr als 30 böhmische Meilen, in der Breite aber 2, 3 auch 
4 Meilen wegs in sich hält, nach allen partikularitäten aus- 
gemeßen. 

Gleichwie auch Eine Böhmische Hof-Canzley die völlige 
Granitze um das ganze Königreich Böhmen, nach allen ge- 
nauesten Specialitäten, insonderheit aber nach denen qualitäten 
der Waldungen ob es Eichen- Buchen- Fichten- Birken- 
Föhren- Tannen etc. Wälder seyen, nebst allen Granitz- oder 
Marksteinen, und wie sie in rechter Tour nach der Boussole 
gehen, nach einer besonderen weit größeren Skala, in vielen 
specialischen Sectionibus will entworfen wissen; also habe 
auch von dieser ganz besonderen Ausmessung schon einen 
ziemlichen anfang gemacht, nehmlich von den Egerer-Bezirk 
inclusive, bis an die kayserl. Herrschaft Presnitz gleichfalls 
inclusive; welche Granitzen die Pfalz, das Markgrafthum 
Bayreyth, Voitland und Meißen in Sachsen berühren. 

Von allen diesen könnte ich nun Euer Durchl. Exellence 
u. Gnaden auf dero gnädigst. Befehl, und gegebener erforder- 
lich-genügsamer Zeit, ganz genaue Special-Disegni einreichen. 
Weilen aber diese particularitäten alle eine ziemliche Zeit er- 
fordern, und Eine Hochlöbl. Statthalterey die march-route, 



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24 



P a 1 d u s. 



so durch den Pilsner, Prachiner, und Bechiner Creyß gehen 
soll, gerne möchte elaborirt wissen, wie ich denn deßwegen 
vor etlichen Tagen expresse von derselben, aus meiner der- 
mahligen Aufenthaltung zu Commothau, bin hieher berufen 
worden; so erwarte nur gnädigst. Befehl, was ich unter ob- 
gemeldten verrichteten Arbeiten am erst einschicken soll; 
da ich unterdessen ein Exemplar von meiner bereits verfertigten 
Arbeit, nur in kleiner Form, dero gnädigst. Befehl gemäß, zu 
elaborieren und gehorsamst einzusenden nicht ermangeln 
werde, der ich im übrigen, nebst unterthänigster Appellirung 
eines Hochbeglückten Neuen Jahres, mich zu besonderlichen 
hohen Gnaden in tiefster Submission empfehle Euer Hoch- 
furstl. Durchl. Exellence u. Gnaden. — unterthänig-gehor- 
samster Joh. Christ. Müller Ingenieur Hauptmann. 
Prag, den 25. December 1714." 1 ) 

Aus diesem Bericht ist ersichtlich, daß die böhmische 
Statthalterei den Hauptmann Müller mit der genauen Dar- 
stellung der Grenzen des Königreiches, samt Angabe der 
Waldgattungen längs derselben, beauftragt hatte. 2 ) 

Die Vermessung des Landes erfolgte im allgemeinen in 
derselben Weise wie in Mähren, kreisweise, so daß alle diese 
Aufnahmen zu einem Gesamtbild vereinigt werden konnten. 
Die während der Sommerszeit vorgenommene Ausmessung 
wurde im Winter ins reine ausgearbeitet und ein Exemplar 
dem Hofkriegsrat nach Wien zur Einsicht übersendet. 

Im Jahre 1715 wandte sich derselbe mit der Anfrage 
an Müller, ob er auch das Herzogtum Schlesien ..abzumessen 
willens sei, wenn er daran Hand anlegen wolle und wannen 
er damit fertig zu werden gedenke". 

Gewiß mutete sich der Ingenieurhauptmann M ü 1 1 e r 
hohe Leistungsfähigkeit und Ausdauer zu, wenn er im März 
desselben Jahres nach Wien berichtet, er werde mit den 



») K. A., Mein. 1714, XI, 49. 

! ) Nach dem Tode Mullers in Wien wurdo die böhmische Statt- 
halterei verständigt, daß alles, was sich in Wien über die Müllerschen 
M:ippen von Böhmen vorfindet, dorthin übermittelt wird. (Archiv d. k k. 
Minist, d. Innern, 1721, II A 2. lU» Darunter befand sich nach einer 
Spezifikation auch die „March Rnuta". 

■) K. A., H. K. R. 1715, Prot Rep., 215. 




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Ein Beitrag rar vaterländischen Kartographie. 



25 



Ausmessungen von Böhmen und Schlesien wohl noch sechs 
Jahre zubringen müssen. ') 

Fleißig oblag er den Vermessungsarbeiten, so daß er im 
Februar des Jahres 1716, gelegentlich der Übersendung der 
Mappen des Saazer Kreises und des Egerischen Distriktes 
zur Einsichtnahme nach Wien, melden konnte, er gedenke viel- 
leicht noch in diesem Jahre die Ausmessung des Königreiches 
Böhmen zu beenden.*) 

Im Jahre 1717 hielt seine kartographische Tätigkeit 
eine besonders reiche Ernte. 

Im Februar übersandte er dem Hofkriegsrat die Karte 
des Caslauer Kreises, im März folgte der Kaufimer Kreis 
und im November meldete er die Vollendung der Ver- 
messungsarbeiten in Böhmen und erbat sich weitere Befehle. 3 ) 

Im Jänner 1718 folgten noch die Mappen des Bunzlauer 
und Berauner Kreises nach. 4 ) 

Die Aufnahmen der einzelnen Kreise wurden den be- 
treffenden Kreishauptleuten zur Revision zugestellt, welche 
zum Leidwesen Müllers nicht immer auf wissenschaftlicher 
Basis erfolgte. *) 

Diese mit den fehlerhaften Korrekturen versehenen 
Elaborate mußten wiederholt an die betreffenden Kreis- 
behörden rückgeleitet werden, was natürlich eine Verzögerung 
der ganzen Arbeit zur Folge hatte. Es war für den ständischen 
Ausschuß in Prag ein denkwürdiger Moment, als zu Beginn 
des Jahres 1720 die Karte des Königreiches Böhmen in 
25 großen, vollkommen adjustierten Blättern zur Vorlage 
gelangte. 

') K. A., H. K. R, 1715, Prot. Exp., 255. — Ingenieurlent. Wieland 
brauchte zur Ausmessung des Herzogtums Schlesien 10 Jahre (1722—1733). 
(Bericht d. Ob. Amtes an den Kaiser. — Archiv d. k. k. Minist, d. Innern. 
Mii.hr. schles. Abt. 1733, IIA 2, 15. i 

») K. A., H. K. R. 1716, Prot. Exp., 123. 

») K. A., H. K. K. 1717, Prot. Exp., 209, 471, 1601. 

*) K. A., H. K. R. 17 1K. Prot. Exp., 129. 

•) 1714 achreibt Müller an ein ungenanntes Mitglied des stän- 
dischen Ausschusses : ,,Es ist auch in dem Punct der richtigen Distanz 
aller Örter untereinander wohl zu merken, daß die Herrn Revisores. 
wenn sie etwas corrigiren oder ausstellen wollen, wohl behutsamb 
darinnen zu verfahren belieben möchten, damit man nicht, indem man 



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26 



P a 1 a u 9. 



Ein hervorragendes Werk auf dem Gebiet der Karto- 
graphie, die Leistung eines Mannes, der allerdings für Zirkel 
und Maßstab geboren schien, wie der Maler für Pinsel und 
Palette, war vollendet. Böhmen hatte eine auf trigonometrischer 
Vermessung basierende Karte erhalten. 

Der ständische AusschuU beschloß, die Karte sofort in 
Kupfer stechen und veröffentlichen zu lassen. Die Suche nach 
einheimischen Kupferstechern im Lande ergab kein Resultat; 
man sah sich gezwungen, mit dem renommierten Kupfer- 
stecher Michael Kau ff er aus Augsburg zu verhandeln, der 
i zu diesem Zweck eigens nach Prag kam. 

Am 11. April wurde mit ihm ein Vertrag abgeschlossen, 
demzufolge die große Karte in 25 Blättern in längstens 
drei Jahren, die Übersichtskarte in einem Blatte in sechs 
Wochen rein und zierlich zu gravieren war : die Kupferplatten 
hiezu sollten von dem Kupferstecher beigestellt werden. 

Die Entwürfe für die allegorischen Nebenwerke in der 
Karte würden ihm von Prag eingesendet werden und da er 
in solchen Arbeiteu nicht so bewandert war, so hatte er sie 
auf seine Kosten künstlerisch gravieren zu lassen. 

Der ständische Ausschuß zahle ihm für jedes Blatt 
1U() Gulden, ') doch hafte er mit seiner Ehre und Reputation 
dafür, daß kein Xachstich und keine Reproduktion erfolge. 

Kaiser Karl VI. interessierte sich lebhaft für die neue 
Aufnahme seiner böhmischen Erblande. Hauptmann Müller 
wollte ihm das fertige Elaborat der Karte von Böhmen 



etwas verbessern will, eben erst dadurch einen großen Fehler macht 
(wie mir solches bei der Revidirung meiner mährischen Landtkarten 
geschehen) dann gleich wie ich diese Distanz und Situation aller Örter 
untereinander nicht etwa nach der bloßen Kelution der Bauern oder 
der Wirtschaftsbeamten (als woraus schlechte Mappen entspringen) 
sondern wie ich es nach eingenommenen persönlichen Augenschein und 
Perlustrierung des Landes durch grundinaßige geometrische Aus- 
messung befunden, angesehet ; also pr«-testire ich wider eine solche 
Correctur, die nicht eben dergleichen Ausmessung sondern etwan nur 
eine bloße Meinung zum Grund hat, BUmahlen es mit dem Meilenmaaß, 
wann man sie nicht an eiu richtiges geometrisches Maaß von Klaftern, 
Ellen und Schuhen bindet, eiue ganz, unrichtige und betrugliche Sach 
it." (Dvorsky, Sbornik historickv, 82 b. Note 17.) 
l ) Dvorsky, Sbornik historickv, 380. 



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Ein Beitrug zur vaterländischen Kartographie. 



27 



persönlich vorlegen und erbat sich zu diesem Zwecke von 
der böhmischen Statthalterei die Beistellung eines mit drei 
Pferden bespannten Leiterwagens für den Trausport seines 
voluminösen .Werkes nach Wien. 

Der ständische Ausschuß beschloß in Anerkennung 
der Verdienste, die sich Müller durch sein Werk um das 
Land erworben, ihm eine Remuneration von 1000 Gulden l ) unter 
der Bedingung angedeihen zu lassen, daß er die sich er- 
gebenden Korrekturen und Zusätze auf den Probedrucken 
durchführe und zur Zusammenstellung der Karte nach Prag 
komme. Ferner wurden ihm statt des angesuchten Leiter- 
wagens 40 Gulden und für seine Einquartierung DO Gulden 
angewiesen. 

Mit hohem Interesse und großer Anerkennung wurde 
das Werk vom Kaiser und der böhmischen Hofkanzlei in 
Wien aufgenommen. 

Angespornt durch seine Erfolge, trieb es den uner- 
müdlichen Mann, dessen Schaffenskraft mit dem Gelingen 
seiner Arbeiten zu wachsen schien, zu neuer Tätigkeit. 

Am 31. Oktober 1720 legte er sein Gesuch wegen der 
Mappierung des Herzogtums Schlesien vor, worin er um die 
erforderlichen General- und Spezialpatente und um die nötigen 
„Geld Eequisita" bat. 2 ; 

Doch es sollte anders kommen. Inmitten von Plänen 
und Entwürfen ging sein Leben einem raschen Ende entgegen 
und bald setzte der Tod seinem rastlosen Schaffen ein Ziel. 

In Wien, wo er die Vollendung seines Kartenwerkes 
abwartete, die Revidierung der von dem Augsburger Kupfer- 
stecher fertiggestellten Blätter an der Hand der Original- 
entwürfe vornahm und die korrigierten Sektionen 3 ) wieder 
nach Augsburg sandte, warf ihn ein Leiden, 4 ) das er sich bei 
seinen Arbeiten zugezogen, auf das Krankenlager. 

') Außer den ihm zugeflossenen 3420 Gulden während seiner 
Arbeitszeit. (Dvorsky, Sbornik historicky, 330.; 

■) .Arohiv d. Minist, d. Innern, Mähr.-schles. Abt. 1720, IIA 2. 

•) Bereits 12 Sektionen waren, in Kupfer gestochen, dem Iugenieur- 
hauptm. Müller zur Revision eingesendet worden. 

*) Hauber in seinem Versuch einer umständl. Hist. d. Land- 
Charten, 1724, gibt S. 180, Anhang, au, „daß Müller lauge Zeit mit 
Glieder-Krankheiten bebaft gewesen". 



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28 



Pul du •. 



Am 4. Juni 1721 übernahm der Referendarius v. D eblin 
die bei dem erkrankten Ingenieurhauptmann befindlichen 
böhmischen und mährischen Kartenelaborate, ') welche die 
böhmische Hofkanzlei in Verwahrung nahm. -) 

Am 5. Juni 1721, um 2 Uhr nachmittags, legte der 
Ingenieurhauptmann J. Chr. Müller in seiner Wohnung in 
Wien, im Burgischen Hause Am Hof, seinen letzten Willen 
in die Hände des kaiserlichen Notars J. Georg Pürckhauer 
im Beisein von sechs Zeugen nieder. •) Er verschied am 

') „Specifikatiou der von mir verfertigten Mährischen und 
Böhmischen Landkarten, welche (Tit.) Herrn Referendario v. Deblin 
eingehändigt habe : 1. Von den Mährischen = der Znaymer. Brünner, 
Iglauer, Olmützer, Preraurer und Hradischer Creyss. Ferner die 
General Mappam des ganzen Markgraftlium Mähren. 2. Von der 
Böhmischen = der Bechiner, Prachiner, Kaurzimer, Chrudimer, Czaslauer, 
Rakonitzer, Berauner. Königgrätzer und der Leitmeritzer Creyss — und 
solche habe auf gnädigen Befehl des böhmischen Herrn Obrist-Kanzler 
Grufen von Schlik Exellence mit eigenhändiger Unterschrift und 
Petschaftsfertigung unterthänigst errichten sollen. Wien, 4. Junv 1721. 
J. Chr. Müller. Obenstehendo Copie collationirt G. P. Urbani Rpgistr. 
Cancellaria Regia Bohemica. (Archiv d. Minist, d. Innern, 1721, HA 2.) 

*) Laut Spezilikation vom Jahre 1721 befanden sich in dem 
Archiv der böhmischen Hofkanzlei folgende „Elaborationen des ge- 
storbenen Ingenieurs Haubtinanns Muller über dio Land Carlen des 
Königreichs Böheimb": 1. Das Original Projekt der großen Mappa über 
das Königreich Böhmen. — 2. Originalentwürfe von denen böhmischen 
Kreisen : Rukouitz, Königgrätz. Buutzlau, Beebin, Beraun. Czaslau, 
Kaurzim, Leitnieritz, Prachin, Pilsen, Saatz. Chrudim, Eger, Grafschaft 
Glatz— March Koutu. Dann 12 kloine Fasciculi wegen zweier Kreise in 
Böhmen und dabei gemachten Annotationen, allwo der kleine Abriß 
Ober jedes Gut und Herrschaft dabei befindlich. Item seynt in dem 
Archiv befindlich 4 Auj;sburgsche Abdrücke oder Mappa-Section VII, 
XI, XXIII, XX V. Sonst en hat auch der gest. Ing. Haubtm. Müller einige 
Mappas über nach specificirte Creyße extra völlig mit der Feder aus- 
gearbeitet, auch illuminirt und zur Sperification gebracht. — Berauner, 
Pilsner, Rakonitzer, Bechiner, Chrudimer, Prachiner, Kaurzimer, Czas- 
lauer, Königgrätzer und Leitmeritzer. (Archiv d. k. k. Minist, d. Innern, 
1721. IIA 2.) — Diese Originalkartenehiborate wurden nach Prag 
übersendet. Trotz eitriger Nachforschungen gelang es dem Verfasser 
nicht, dieselben aufzufinden. 

Müller testierte: ,. Seinem älteren Bruder J. H. Müller, 
Profess. d. Mathematik u. Physik bei der Universität Altorffein Drittel, — 
seinem jüngeren Bruder J. Math. Müller, Collegam der Schule im 
neuen Spital zum heil. Geist in Nürnberg zwei Drittel seines Ver- 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



29 



21. Juni, „seine Seele in die Hände des Allerhöchsten be- 
fehlend, seinen Leib aber der Erden, als unser aller Mutter 
bis an den lieben jüngsten Tag" und wurde auf dem Schotten- 
friedhof in Wien zur ewigen Ruhe bestattet. J ) 

Ein Gefühl der Sympathie und Bewunderung erfüllt 
uns am Grabe dieses pflichtgetreuen Offiziers und hervor- 
ragendsten Kartographen Österreichs aus der ersten Hälfte 
des XVÜI. Jahrhunderts. 

Bahnbrechend auf wissenschaftlichem Gebiet, durch 
Fleiß und Tatkraft Werke schaffend mit den unzulänglichen 
Mitteln seiner Zeit, ging er ganz in seinem Beruf auf. 

Die Erinnerung an ihn, der sich so große Verdienste 
erworben für die vaterländische Kartographie, wird weiter 
leben in seinen Werken, die sein Denkmal bleiben für alle 
Zeiten. 

(i renzkarte des Karlowitzer Friedens 109». 

Am 26. Jänner 1699 wurde der Friede zwischen Kaiser 
Leopold I. und dem Sultan Mustapha II. geschlossen und 
der seit 16H3 andauernde Krieg Österreichs und seiner 
Alliierten Rußland, Polen und Venedig gegen die Türkei 
beendet. 

Die Friedensgesandten kaiserlicherseits waren Wolfgang 
Graf von (Dettingen, kaiserlicher Kammerherr, Geheimer Rat 
und Reichshofratspräsident und Leopold Graf Schlik zu 
Bassano und Weiükirchen, kaiserlicher Kammerherr, Tra- 
bantenhauptmann und Generalfeldwachtmeister. Ihnen bei- 
geordnet war der Obrist Graf Marsigli als Botschaftsrat und 



mögens, — dem Netten Peter Müller alle seine Mobilia u. Gerätschaft, 
als Gewehr, Instrumente Mathematieu, Uhr, Bücher, sowohl hier als 
anderswo befindliche Kleider u. Weißgezeug, weiters ein Federbett 
so in Brandeis in Böhmen ist, die Chaise so in Wien in dem Arsenal 
steht und überdies an haaren Gelde zu einer Reiß 500 Gulden Rh.. — 
ferner dem G. L. Will Medicinae Pratico .")»> Gulden Rh. weil er ihm 
in seiner Krankheit und s<>nsten mit Rath und Tath treulich gedient — 
und schließlieh seinem alten Bedienten Sebast. Regele 20 Gulden Rh." 
(K. A., Verlaasensch. 1721, .'127. ) 

•) Pfarrkirche d. Benediktinerabtei Schotten in Wien. Sterbematr. 
1719-1725, Tom. 4, 95. 



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30 



P a 1 d n 8. 



Grenzscheidungskommissär, der Legationsrat Til als Protokoll- 
führer und der Dolmetsch Talman. 

Als Friedensgesandter der Pforte fungierte Reis 
Effendi Rami mit dem Pfortendolmetsch Scarlatsade 
M aurocordato. 1 1 

Zum Konferenzort wurde das Dorf Karlowitz 2 ) in Syrmien 
bestimmt. Die Konferenzen begannen am 13. November 1698 
und schlössen am 26. Jänner 1699'); die Ratifikation des 
kaiserlichen Friedensinstrumentes erfolgte in Wien am 
16. Februar 1699. Es enthält 20 Artikel, in welchen die 
Grenzen zwischen den kaiserlichen Ländern und dem Otto- 
manischen Reiche, im allgemeinen folgenderweise festgesetzt 
wurden : 

Siebenbürgen bleibt im Besitz des Kaisers nach den 
alten Grenzlinien von der Grenze Podoliens längs der Gebirge 
bis an die Maros, das Temesvärer Gebiet bleibt im Besitz 
der hohen Pforte, die Bäcska, das Land zwischen Theiß und 
Donau bleibt im Besitz des Kaiser*. 

Von der Theiß, Titel gegenüber, führt die Grenze in 
gerader Linie an die Donau, weiter an den Bosutfluß bei 
Morovic und von dort bis zu dem Punkte, wo dieser Fluß 



Feldzüge dos Prinzen Eilsen von Savoyen, II, 295. 
*) Ein Plan des Lagers der Kaiserlichen und der Alliierten 
befindet sich im k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Turcica, 
Oktober 1696. 

3 > Das k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien besitzt 
folgende Staatsvertrage über den Karlowitzer Frieden: Karlowitz, 
20. Januar lti99. Friede zwischen Kaiser Leopold L und Sultan 
Mustapha LL auf 25 Jahre. Ratifikation Kaiser Leopolds I. 1699, 
Fobruar 1(5.. Wien (Konzept», Sultan Mustaphas 11. 1699, März 2., 
Adrianopel (Original). — Salankemen, 23. April 1699. Präliminar- 
grenzvcrtrag zwischen Kaiser Leopold L. und Sultan Mustapha II. 
(Original). — Kloin-Popina, 15. August 1(599. Konvention zwischen den- 
selben und der Republik Venedig über die Grenzen zwischen Öster- 
reich, der Türkei und Venedig i Original i. — Bro i. 1* August Hi'»9. 
(iren/. vertrag zwischen Kaiser Leopold I. und Sultan Mustapha II. 
(Original). — Ad turrim Sotiae. 25. Juli 1700. Vertrag zwischen den- 
selben betreffend die Gronzen in Bosnien, Kroatien und Slavonien 
(Original). — (Siehe: Bittner, Chronolog. Vera. d. öaterr. Staatsverträge, 
Wien 1903. 1, 115, 110.) — Außerdem noch (> Fase. Turcica 1698-1699 
über den Karlowitzer Frieden, Öl a— 83b. 



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Ein Boitrag zur vaterlün<1ischon Kartographie. 



31 



mit seinem Hauptarm in die Save fällt. Von hier bildet die 
Save bis an die Mündung der Una die Grenze. Der Lauf des 
Unaflusses schließt die Besitzungen „Seiner kaiserlichen 
ottomanischen Majestät" gegen Bosnien ab. 

Novi, Dubica, Jasenovac, Doboj und Brod auf bosnischer 
Seite mußten von den kaiserlichen Besatzungen geräumt 
werden. Kostajnica und die Inseln unterhalb des Gebietes von 
Novi gegen die Save zu bleiben im Besitz des Kaisers etc. 1 ) 

l ) Die Grenzen zwischen «lern Königreich Ungarn und dem 
türkischen Reich nach dem Friedensschluß von Vasvar 1664, zeigt 
die Karte des kais. Oberingenieurs Murt. Stier aus dem Jahre 1664 
(sowie Ausgabe 1684), durch die Angaben folgender Grenzposten: 
„Croatische und Meer Grentz Posten, Windische und Banatische Grentze, 
Graff Serinische Grentz Plätzo. Battianischo Grentz Plätze, Raberische 
Grentz Posten, Bergstatterische Grentz Platze, Ober UngarischeGrentz 
Plätze und Türkische Grentz Posten." iK. A.. Kartenabt., B IX a 488.) 
Was die Grenzen betrifft, diente dieselbe für folgende Karte 
als Grundlage: „Ungefähre Demarkationslinie des österr. u. türk. Besitz- 
standes in Ungarn nach dem Vasvärer Waffenstillstände (Ki(i4; etc." 
iFeldzügedes Prinzen Eugen von Savoyen, I., Taf. IV ..Der Kriegsschau- 
platz in Ungarn und der nördlichen Türkei.") Als Kuriosum sei 
noch eine Ilandzoichnung des kais. <*L. und KM. Fürsten Raimund 
Montecuccoli über Ungarn aus dem Jahre 1664 mit der Demarkations- 
linie des Vasvarer Friedenschlusses erwähnt. (Ausgewählte Schriften des 
FM. Montecuccoli, I, CXX1I. Narraziono della Campagna doli' Anno 1668 
in IJügberia.) Im Frieden von Passarowitz (Pozarevac) 1718, in welchem 
Kaiser Karl VI. Serbien und einen Teil der Walachei gewann, ver- 
schoben sich die Grenzen im Osten an die Aluta und südlich der Save, 
Serbien einschließend, bis Dubica. Im Frieden von Belgrad 1731) gingen 
dem Kaiser diese Erwerbungen wieder verloren. Ein Vergleich der heutigen 
südlichen Grenze der österr. -Ungar. Monarchie mit jener aus dem 
Jahre 1699, ergibt eine Verschiebung derselben an die untere Donau bis 
Orsova. Ausgenommen das kleine Gebiet am Bosutfluß decken sich 
diese beiden Grenzlinien längs der Save und Una bis nach Uncani 
vollkommen. Das damals strittige Territorium von Novi, welches 1703 
den Türken zurückgegeben wurde, gehört heute zum Königreich Kroatien. 
Vom M. Klepala (nordwestlich Dobretin bei Novi) decken sich beide 
Grenzen wieder bis an den Oberlauf der Glina. Während die Grenze vom 
Jahre 1699 das Gebiet von Cetin den Türken überläßt, gehört dieses 
heute zu Kroatien. Von den Plitvicer Seen ersteigt die Grenzlinie des 
Karlowitzer Friedens die PljeSevica planina und hält sich im allgemeinen 
bis an das Triplex coutinium bei Knin auf den Höhen, während sie 
heute weiter östlich führt und sich in die Flußtäler der Una und des 
Tiskovac, einem Xcbentluß der Kerka, hinabsonkt. 



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32 



P a 1 d u a. 



Der Artikel XVIII des Friedensinstrumeutes enthält die 
Bestimmung, daß die beiderseitigen Grenzkommissäre am 
22. März 1699 an einem vereinbarten Orte zusammenkommen 
und innerhalb eines Zeitraumes von zwei Monaten oder, wenn 
es möglich ist, schneller, die Grenzen, wie sie in den früheren 
Artikeln des genannten Instrumentes festgesetzt wurden, durch 
Marken und deutlich wahrnehmbare Grenzzeichen ersichtlich 
machen, scheiden und abgrenzen. 1 ) 

Dem kaiserlichen Grenzscheidungskommissär Obrist Graf 
Marsigli wurde der Hof kriegssekretär Ehrmann, der 
Kanzlist Sebast. Karg, der Dolmetsch Talman und der 
Sprachknabe Gekelsky zugewiesen. Für die Unterscheidung 
der Grenze war der Obristleutnant und Oberingenieur Joh. 
Friedr. v. Hol Ist ein 2 ) tätig. 

Als türkischer Grenzscheidungskommissär fungierte 
Ibrahim Effendi. Außerdem wohnten der Grenzscheidung 
noch bei: eine von der österreichischen Geheimen Hofkanzlei 
ernannte Innerösterreichische Kommission, — der kais. General- 
feldwachtmeister Baron de Nehem, Kommandant der Donau- 
grenze zu Peterwardein, — der kais. FML. Fr. Karl Graf 
Auersperg, Kommandant der Karlstädter Grenze, — der 
Pascha von Belgrad etc. 

Nach der Instruktion für die Grenzscheidungskornmissiun 
vom 14. März 1699 3 ) sollte sich Graf Marsigli mit der 
Innerösterreichischen Kommission und den banalischen Offi- 
zieren, wegen Siebenbürgen jedoch mit dem Grafen Kabutin 4 ) 

l ) Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen, II, 311. 

») Den Obristentitcl erhielt er am 2-1. Juni 1703. „Das Wir unsem 
Obristlieut. u. Ober Ing. Holstein in gdster. Ansehung seintr durch 
28 Jahre von der Piquen an, sowohl unter des Seren. Hegt, zu Fues, 
als nachgehend» bey d. Ingenieur u. Artigl. Functions in Rom-Reich, 
und Königreich Hungarn u. denen vorgewesteu Belagerung«, auch 
lezthin bey der Türkisch Granizschaidung u. and. ihm öfters auf- 
getragenen Commissions geleist. trou eifrigen Dienste, u. in d. Ingenieur 
Kunst Ihme beywohnenden besonderen Experienz zu Unsern Kays. 
Obristen gdst aufgenohmen, gewirdiget und erhebt haben etc." (K. A., 
Bestallungen 1698, 2068.) 

3 K. A., H. K. R. 1699, 95/12. 

*) Der kais. (i. d. K. Joh. Ludvv. Graf Rabutin (Bussy-) war 
Kommandant in Siebenbürgen. (Feldzüge des Prinzen Eugen von 
Savoyen, II, 13.) 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie, 



33 



und den „von ihm zu und an die Hand gegebenen treuen 
land Offizieren" ins PCinvernehmen setzen und „alles und 
jedes mit ihnen concertieren'*. Ferner sollte er über alle 
Grenzdistrikte und Orte eine ausführliche Landkarte mit allen 
Pässen, Wegen, Flüssen, Morästen, Gebirgen und Waldungen 
,,zu künftig vollständiger Wissenschaft" verfassen. 

Bis zum August 1699 wurden die Grenzen an der Donau 
und Save festgelegt, im November Kroatien abgegrenzt, im 
Mai 1700 rückte die Kommission an die Theiß und im 
Dezember 1700 war die Grenzscheidung in Siebenbürgen 
beendet. Im Jänner 1701 erfolgte die Auflösung der Kom- 
mission, wobei die türkischen Grenzkommissäre ein Regale 
von 500 Dukaten erhielten. 

Am 5. März 1701 wurde an der Bistra ein Vertrag 
zwischen Kaiser Leopold I. und dem Sultan Mustapha II. 
betreifend die Exekution der vereinbarten Grenzregulierungen 
abgeschlossen 1 ) und auf Grund desselben nach den vor- 
handenen Originalkarten'- und eigenen Beobachtungen von 

l ) Bittner. Chronolog. Verz. d. österr. Staatsverträge. I, 117. 

-') In den Kaitenbeständen des k. u k. Kriegsarchivs sind folgende 
Originalzeichnungen über einzelne Teile der Grenzlinie des Karlowitzer 
Friedens vorhanden: .,Mappa Geographica Lineae Limitaneae ParticnlarLs 
utriusq ; Siriniensis, a Salankemen, usq ad Confluxum Bozut, fl.; et 
Savensis inde ad Confluxum Unnae, rl." Mit der Bemerkung: „Quöd 
praesens ista Mappa Geographica, Lineae Limitaneae, a Nobis duobus, 
utriusq Impeni Lommissariis, Conclusae, Tractum ä Salankemen, usq 
Jessenovitz, sive Contiuxum Unnae, FL, verum, et prout. in ipsa terra 
existit, generaliter exbibeat, reservatä tarnen Clausula Iusulae Br«>densis." 
1 : 1ÜS.OO0. 'S gez. Blatter, mit Siegel und Unterschrift des Graten 
Marsigli. Enthält die Grenze von Slaukamen bis Jasenovac an der 
Einmündung der Una in die Save. (K. A T Kartenabt. H IX c KiO.) — 
„Mappa Geographica Lineae. inter utrumq Imperium, Limitaneae, partiin 
jam coinpo*itae, partim adhuc indecisae. Tractum. ä Continio Triplici, 
usq ad Szluin; exä titudine plane Naturab. exhibens. Quöd Mappa 
isthaec. Genuinam regionis Figuram referat. Textur Luigi Marsigh. M 
1:115.200. 3 gez. Blätter, mit Siegel und Unterschrift des G raten 
Marsigli. Enthalt die teils feststehende, teils unbestimmte Grenze 
zwischen Sluiu und dem Triplex Conliuium bei Knin. ;K. A., Kartenabt. 
B IX c 832.) — ,,Mappa Geographica, Transylvaniam k Banatu Temis- 
variensi separantes Limites exhibens. Qtt-'.d isti Limites, genuin ae regionis 
situatioui respomieaut. Aftirmo Luigi Marsigli." 1 : 43._'iM). J> gez. 
Blätter, mit Siegel und Unterschrift d> s Grafen Marsigli. Enthalt die 

Mitteilung- u «Iii k. und k Kriegsarohivs. Dritt»- Kol-e. V. BJ 3 



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34 



PftUus. 



dem Ingenieur Joh. Christ. Müller eine Karte der ganzen 
Grenzscheidung verfaßt. 

„Mappa geographica in qua universus tractus Limitum 
immediatorum caesareo-ottomannicorum prout nimirum in Alma 
pace Cariovitzensi sunt conventi et ab ambobus utrinq ad id 
deputatis commissariis Ludovico Ferdinando Com: Marsigli, 
Caesareo et Ibrahim Erlendi Kapigi Bassi, Tnrcico, statuti 
erectoq, snper hoc, Instrumente-, eoq 5. Martii A. 1701. in 
Castris Caesareis subscripto et solenniter publicato, confirmati, 
ostenditur. Joh: Christ: Müller, Ingen: fecit." 



Grenze zwischen dem Triplex Confinium in Siebenbürgen und der Maros. 
Dieses wertvolle und interessante karthographische Dokument be- 
zeichnet aucb die von den Türken vorgeschlagene Grenzlinie über das 
Eiserne Tor (Porta ferrea) in Siebenbürgen, enthält die Militärdörfer 
(Pagi Militares) an der Grenze, die Fußwege über das Gebirge sowie 
die Grenzhunken. Die Zeichnung stammt aus anderer Quelle als die 
beiden vorgenannten. Die eigenartige Terraindarstelluug mit den flach- 
gedrückten Formen erinnert an die veuetianische Aufnahme von Morea 
aus dieser Zeit, wie sie uns die Van i ejkischen Originalzeichnungen 
vor Augen führen. (K. A. Kartenabt. B IX c 743.) — „Mappa Geographica, 
Unnae fluvii, tractum, a Kastanovitz, USq ad Monasterii rudera, item, 
Controversum adhuc Territorium Novense, exhibens. Qu6d praesens 
Mappa. genuinae ac Naturali situationi respondeat, Testor Luigi Ferd. 
Marsigli.*' 1:23.SUÜ. G gez. Blätter, mit Siegel und Unterschrift des 
Grafen Marsigli. Enthält die Grcnzstreitigkeiten über das Territorium 
von Novi. (K. A., Kartenabt. B IX c S29— 1.) — Karte von Croatien, den 
I>istrict von Ogulin. Ottochacz und der Licca umfassend i, enthält 
Grenzlinien (,,Linea Militari* et Gameralis 'l sowie Siegel und Unter- 
schriften der Grenzkomtiusaion: Johann Ferdinand Graf von Herber- 
stein, Octavius Fieih. von Terczy, Johann Wilhelm von Kuschlan 
ese parte Generalutus, Hanß Friedr. von llol Istein (k. k. Obristleut. 
u. Ob. Ingen.). 1 gez. Blatt. (K. A , Kartenabt. G la 2.) — „Mappa 
geographica Limitum luterioris Austriae Caesarem inter et Por- 
tarn Ottoinanieatn, ab, Ostio Fluminia Unnae ad Triplex Confinium. 
Anno 1 ('»'.»'.» Designatonem se extendens Joannes Friedr. ab Hollstein 
S. C. M. Proto Architect Militari fecit." 1 : 693.000.) 1 gez. Blatt. (K. A., 
F. A. ltlOt», XIII. 4 a.) — Die einzige türkische Grenzzeichnung über 
den Karlowitzer Frieden, welche das k. u. k. Kriegsarohiv besitzt, 
ist die Kopie eines aus Konstantinopel eingelangt 60 Planes der 
Grenze an der Una zwischen Novi, Dubica und Gradiska, in Beiolg d»*s 
Karlowitzer und Passarowitzer Friedens. Das Kärtchen stammt aus der 
Verlassenschaft des FM. Graf Khevenhüller. (K. A., Kartenabt. 
B IX c S.J5.) 



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Ein Beitrag mr vaterländischen Kartographie. 



35 



Mit Anmerkung: .,In Mappam animadversiones. Limitum 
horum tenninus ä quo, est mons Murarul, qui in Comitatu 
Sövrinensi situs, Transylvaniam et Valachiam a Banatu 
Temisvarinensi sejungit. Et ab hoo monte, secundum ductum 
lineae, luteo-rubrue continuö pergunt Limites tarn Naturales, 
quam Artificiale8, ad terminum usque ad quem, cacumen scilicet 
montis Velikoberdo, Medvidia Grlavitza dictum, in Croatia, 
super quo utriusq Imperii Confinia cum Dominio. quod nunc 
a Serenissi: Republa: Venetä possidetur, concurrunt. Quod 
Limites Mediatos, eos scilicet, qui Transylvaniam a Valachia 
et Moldavia separant, concernit, ii, notas ob oausas in veteri 
suo statu permanent. 

Notandum porro: primo, quod Gradüs ad margines 
Mappae adscripti ex propriis nonnullis in Commissione habitis 
Observationibus Coelestibus sunt desumti; deinde, quod rluvii 
majores, nempe Unna ä Novi usq ad sum ostium; Savus ab 
Agram usq Mitrovitz ; Tibiscus, a suo ostio usq Segedinum ; 
Marusius, Devam usq, nVxibus suis naturalibus, ad acüs 
Magneticae inclinationem observatis, hic repraesententur. 

Quod Mappa isthaec circa Confinia, regioni naturali, 
ipsique adeu Limites Instrumenta Limitaneo ') exacte corre- 



*) Aktenmaterial über die Grenzscheidung nach dem Karlowitzer 
Frieden im k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv : ,.Traduzione doli' 
Istromento partieolare dei Liraiti della Transilvania, ed il Hanatu di 
Temesvar, Campo di Faget, 2. Dez. 1700. Ibrah. Capigi bassi Coinmiss. 
di Confini del Sultauo. — Instrumentum Liiniturn Partis Sirmij, vom 
12. Mai 1699. I b r. Eflendi Capigi Baschi. Copia Mandati Imperatoris 
Ottomannia Sultani Mustapha pro Ibrahim EtTcndi. — Anmerkung über 
das mit dem türkischen Commissario Ibrahim ESendi, wegen der 
disseits der Donau gezogenen Gräniz-Linea autgerichteten Instrument. 
Luig. Mars ig Ii (Orig.). — Formulare Instrumentorum Particularium 
pro diversis Lineis quae sunt sectiones totius Lineae Limitaueae Instru- 
menturn Lineae Sirmien*is. — Anmerkung über den Sau Fluti. — 
Stabiliertes Formular. Das Prothocollum über die ganze Granzscheidungs 
Litica von beiden: Deti Kays: und Türkischen Reichen nach dem zu 
Carloviz geschlossenen Frieden zu führen, nmb sich darnach sowohl 
de praesente, als pro futuro zu richten. (Enthält Anordnungen, was bei 
der Anlage der Greuzscheidungsliuio in den Karten zum Ausdruck 
gelangen soll. — Instrumcntum Limites Cesan'o : Ottomannicos nempe 
mter Transylvaniam. Marusium. Tibiscum rluvios, ex Cesarea et Banatum 
Temisvanenseui, ex Ottomannica parte, concornens ab utriusque Imperij 

3* 



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86 



Fuldas. 



spondeant, Testor Aloysius Ferdinandus Marsigli." 1 : 450.000 
6 gez. Blätter. (Ohne Siegel und Unterschrift des Grafen 
Marsigli. l ) 

Nach dem auf der Karte angegebenen Maßstab sind 
20 Stunden = 22 7 an. Sie ist 1*54 m lang und 0 72 m hoch, 
verkehrt orientiert, besitzt eine Gradeinteilung, nach welcher 
sie einen Raum zwischen 39° 15' — 48° östlicher Länge und 
43° 45' — 46° 30' nördlicher Breite umfatft. 



Vergleich der geographischen Positionen einiger 

Orte. 





Orte 


II üller 


Geueralkurtc von 
Mitteleuropa!: 200 U10 










Östliche 
Lüne« 
! v. Ferro 










Östliche 
Liitigi» 


Js'uriUiche 
Breite 


Nördliche 
Breite 








4(j° 8' 


4G° 10* 


38° 5<V 


46° 10' 








40° 13' 


44" 57' 


33° 32' 


44« 49' 








42° 10' 


45° 10' 


35« 41' 


45° 9' 








4o° 8' 


40° 10' 


38« 59' 


40° 10« 





Die mit den heutigen besten Karten bis auf die Breiten- 
minute übereinstimmende Lage der Orte in der Karte 
Müllers liefert einen Beweis der genauen Bestimmung seiner 
Polhöhen. 



ad id deputati ambubos Commissarijs ereetum. In Castris penes Fadzet 
2. Dec. 1700. — Traduttione dello Stromento Generale delli Contini 
del Sirmio, Bosnia, e Temesvar, 4. Marzo 1700. Ibr. Canigi Bassi Coiniss. 
— InstruiiH'ntum Limitum iuU'.v ambo lmperia Cae-areum et Ottoman- 
nicum, juxta Pacis Carlovitzensis lnstrumentum statuornm. Dabantur 
in Castris ad Pistram p<»sitis 5. Martij 17<>1. L. Ferd. Coim-s .Marsigli 
(Gmie). Aktenraaterial über die Grenssekeiduug im Karlowitzer 
Frieden im k. u. k. Kriegsarchiv: Kaiserin he Resolutionen, und 
Relationen der nach dem Carlowit/.er Flieden dtto. 2G. .Jänner 1U99 
zur Berichtigung der Grenzscheidung zwischen ÜMcrreieh und der 
Pforte bestimmten k. k. Bevollmächtigten Komissaire Ferd. Graf von 
Herberstein, Joseph Graf von Kabatta und Job. Jos. Graf von 
Wildenstein über dickfällige Unterhandlungen mit dem Türkiseben 
Bevollmächtigten Comis>aire Ibrahim EffvudL (>. Juni bi> S. I>ezemb. 
1(199." (K. A., F. A. 1099, XIII, 1-23.) 
') K. A., Kartenabt. B IX c 632. 



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• 



Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 37 

Anders verhält es sich jedoch mit den Längengraden 
in der Karte. Während die Entfernungen der Orte unter- 
einander im Vergleich mit den heutigen Karten richtig sind, 
ist die Gradeinteilung in bezug auf die geographischen 
Längen etwas zusammengedrückt und in der Zählung des 
Anfangsmeridians von Ferro um beiläufig sieben Grade 
gefehlt. ') 

Nach der Projektion gehört die Karte zu den recht- 
eckigen Plattkarten. Die Größe eines Längengrades beträgt 
17 5 cm, die eines Breitengrades 24 7 cm. 

Als Grenzkarte verlegt sie das Schwergewicht auf die 
richtige Darstellung des Grenzzuges zwischen den Ländern 
des Kaisers und jenen des Ottomanischen Reiches, doch 
kommen auch die anliegenden Landstrecken recht interessant 
zum Ausdruck. 

Sie enthält : Transylvaniae Pars, das Banatus Temes- 
variensis, Partes Regni Hungariae mit der Bacska, Sirmium 
sowie die der Grenze anliegenden Teile von Slavonia und 
Croatia mit der Licca und dem Corbavia Com., ferner Bosnae 
Pars mit Partes annexae Bosnae, der Szerp Provincia (zwischen 
der Una und dem Unac, südlich der Unaquelle liegt heute 
das Dorf Srb) und der Katna Provincia (am Ramiluß im 
Innern Bosniens gelegen). Zu Servia gehört Macsva Banatus 
(die heutige Maöva bei &abac). 

Von einer Erläuterung der eingezeichneten Grenzlinie 
muß hier abgesehen werden, da sich für eine eingehendere 
Besprechung derselben die später angeführte interessante und 
kostbare Detailkarto Müllers "über diese Grenzscheidung 
besonders eignet. 

Das Terrain ist entsprechend der damals üblichen Manier 
in Maulwurfshügeln dargestellt. Deutlich unterscheidet man 
die langgestreckten Rücken des Vellevics (Velebit), des 
M. Medius zwischen der Lika und Krbava, der Capella 
fKapela), die^ die Grenze bildende Plessivitza (Pljeäevica) 
und dio Züge der Dinarischen Alpen mit dem Koszovo 
polje bei Knin. Die von Biliar' und dem Bjelajsko polje an die 

') Es ist dem Verfasser nicht bekannt, daß Müller einen anderen 
-Meridian als den von Ferro für den Beginn seiner Zahlung der geo- 
graphischen Längen annahm. 



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38 



P ■ 1 .1 U 9. 



Quellen des Ram und an das Dunko (Duvanjsko) polje führende 
Gebirgswelt ist mit Czerna M. bezeichnet und hat heute 
verschiedene Namen wie Grmie, Srnetica planina etc. Bei 
Banjaluka befindet sich die Koszara M. (Kozara planina) mit 
dem Livcse polje bei Karaizovac und dem Posaj polje, deren 
Name jedoch verschwunden ist. 

Im Siebenbürgischen Randgebirge erscheint der Redjezat 
(Retyezat), am Monte Sarkü (Tarcul) vereinigen sich die 
den Lauf der Flüsse Hidjegul (Riu Hidegu), Fenesu (Riu 
albu) und Sebes begleitenden Höhenzüge des M. Zerni verutu, 
Kornutz^l und Mörülü, Namen, welche schon längst der 
Vergangenheit angehören, ebenso wie der Zogilor (Sosilor?) 
und die Magura bei Rikitova (Rakitova). Die Namen der 
zahlreichen Berge, welche die Grenzlinie überschreitet, 
werden gelegentlich der Beschreibung derselben erwähnt 
werden. 

Eine Unterscheidung des Hügellandes, des Mittelgebirges 
oder die Darstellung des Karstterrains ist nicht einmal 
versucht worden. 

Das Tiefennetz ist längs des Grenzzuges reich und sorg- 
fältig ausgeführt. 

Dem .,Notandum porrö", der Zeichenerklärung, zufolge 
ist der Lauf der größeren Flüsse, wie «der Una von Novi 
bis zur Mündung, der Save von Agram bis Mitrowitz 
iMitrovica), der Theiß von ihrer Mündung bis Szegedin (Szeged), 
der Maros von Deva an, mit der Bussole aufgenommen 
worden. Die übrigen, oft reich verzweigten Flußgebiete, wie 
das der Temes, der Una, der Kulpa, des Vrbas, der Bosna etc. 
sind, da sie einer genauen Vermessung entbehren, als 
minderwertig aufzufassen. Die Kerka und die Zerraanja 
(Zrmanja; schließen die Karte gegen das venetianische Dal- 
matien ab. 

Von den stehenden Gewässern enthält die Karte den 
Jeszera (Plitvicer Seen). Südlich von Koreniea, wo sich heute 
das Bilopolje ausdehnt, ist ein See namens Krapatzitz lacus 
eingezeichnet. Ebenso ist das Gebiet an der Mündung des 
Sunjaflusses in die Save nordwestlich von Jasenovae, als See 
dargestellt, welcher auf Müllers Karte von Ungarn 1709 den 
Namen Jastravitza Lac. führt. 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



39 



Das Weichland ist als Sumpf im Temesvarer Banat be- 
sonders stark vertreten. 

Eine interessante Erscheinung sind die an der Theiß 
und besonders an der Save so zahlreichen Baras, eine Art 
versumpfter Flußläufe, welche Gestalt und Namen im Laufe 
der Zeit so völlig verändert haben, daß man sie in den 
heutigen Spezialkarten kaum mehr wiederfinden dürfte. 

An Flußübergängen finden sich nur an der Maros bei 
Zobotal (Szabadhely) zwei Furten als Vadum eingezeichnet 
und benannt. 

Am linken Theißufer gegenüber Sablia (Zsablya, Josefs- 
dorf) erhebt sich eine höhere Fläche als „Unuth, terra eleva- 
tior v bezeichnet, welche sich auf dem rechten Ufer der Theiß 
fortsetzt und die Bacska durchzieht. 1 ) 

Von den Kulturen enthält die Karte nur die Wälder in 
den Niederungen der Maros und Save. 

Nach dorn „Notarum Explicatio" enthält die Karte außer 
der Bezeichnung der Grenzlinie: „Est ipsa linea Limitanea, 
quae vel naturaliter, per fiumina, montes, vel artificialiter, ab 
uno cumulo ad alium dueta intelligitur" noch 12 verschiedene 
Zeichen für das topographische Detail, und zwar „Cumuli, 
ad signanda Confinia, alii terra, lapidibus alii congesti. Viea 
et passüs ita dicti. Commissionis Limitaneae Castrametationes 
(die Lager der beiderseitigen Grenzkommissionen sind ohne 
Unterschied als rote Rechtecke eingezeichnet). Urbes muro 
circumdatae et fortalitia (die Festungen sind im Grundriß 
dargestellt). Arces et Castella. Urbes apertae et sine muris. 
Opidula, Vici. Palanka, sie dicta loca aggere et sudibus cineta. 
(Alle diese Signaturen sind Turragruppen. ) Pagi. Pagi deserti 
(rot ausgefüllte Ringelchen). Loca murata olim, sed ä longo 
tempore jam destrueta et deserta. Loca muro und Loca 
aggere, antehac munita, sed jam ex pacto Pacis, solo aequata. 
(Von den befestigten Orten, welche infolge des Friedensver- 
trages aufgelassen wurden, sind die einst mit Mauern um- 
gebenen rot, die bloß von Wällen eingefaßten schwarz 
bezeichnet.) 

1 In der Karte Lipszkys ,,Mappa rogni Hungariae 180(5" ist 
diese Hochfläche als „Notabilis ElöVatio Terreni Telocska nuneupati" 
benannt. (K. A., Karteiiabt. B IX a 618.) 



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40 



Paldus. 



Die längs der Save eingezeichneten Wachhäuser sind in 
der Zeichenerklärung nicht berücksichtigt. Das längs des 
Grenzzuges in der Karte enthaltene Kommunikationsnetz be- 
schränkt sich zumeist auf solche Bewegungslinien, welche die 
Grenzkommissionen in der Erfüllung ihrer Aufgabe be- 
nutzten; sie sind jedoch nicht charakterisiert. 

Ingenieur Müller arbeitete während seines Aufenthaltes 
in Nürnberg eine Karte über die Grenzscheidung im Karlo- 
witzer Frieden 1699 in trefflicher Akkuratesse und großer 
Schönheit im kleinen Maße auf 24 Blätter t?) Pergament ins 
reine, wolohe er dem Prinzen Eugen in Wien überreicht 
haben soll. *) Tatsächlich gelang es dem Verfasser, dieses 
prachtvoll ausgeführte Kartenwerk Müllers, welches eine 
Reduktion seiner Grenzscheidungskarte bildet, im Original 
aufzufinden. -) 

Das gewiß einzig in seiner Art vorfindliehe Werk einer 
Grenzscheidung aus der damaligen Zeit besteht aus einem 
gezeichneten Übersichtsblatt im Maße 1 : 500.000 und 39 ge- 
zeichneten Sektionen 1 : 37.500 und führt den Titel : „Mappa 
Geographico-Limitanea in qua Imperiorum Caesarei et Otto- 
manici Confinia in almae pacis Carlovitzensis congressu de- 
creta et a duobus utriusque imperi commissaria instituta so- 
lenni expeditione partim nattiraliter per montes rlumina et 
fluviolos partim artificialiter erectis suo luco terrae lapidumque 
cumulis stabilita atque statuta exceptis iis quae Transylva- 



') Doppelmayr, Uist. Nachricht, v. d. Nürnb. Mathein. u. 
Künstl. etc. 

-) Das Original befindet sich als Cimelie in der k. k. Hof- 
Bibl., C. P. Min. 85, wohin es offenbar im Jahre ITHS gelangte, als 
Kaiser Karl VI. die kostbare Bibliothek des Prinzen Eugen nach 
dessen Tode von der Erbin Viktoria von Savoven, vermählten 
Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen, gegen eine jährliche Rente 
von 10.000 Gulden erwarb und der k. k. Hof-Bibliothek überwies. 
(Mosel, fteoch. d. k. k. Hot-Bibliothek, Wien 1835, 137.) — Die einzig 
bekannte Kopie beiludet sich im k. u. k. Kriegsarchiv, i K. A., 
Kartenabt. B IX c 034.) Dieselbe stammt von den Leutnants Andraides, 
Feigel i. Heilborg. Hirheuhann, den Kondukteurs Kuutzl, Lackrer 
und Mazurides, ferner A. Buxbaum und Stift. Sie trägt auf der 
Rückseite die Jahreszahl 1751. 



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41 



niam a Valachia et Moldavia distinguunt iam antea notis et in 
antiqno suo statu permanentibus generali delineatione ex- 
hibentur in subsequentium sectionum mappis topographicis 
qaibus heic lineolae transversales iisque interpositi numeri 
corespondent multo specialissime repraesentando. Joh: 
Christoph: Müller Norimbergens fecit." 

Die Karte ist in folgenden Farben ausgeführt: Die per- 
spektivischen Bergformen in Tuschlavierung, Flüsse, Seen 
und Sümpfe blau, Rohrwuchs gelb, Wege braun. Die kaiser- 
liche Grenze ist gelb, die türkische rot, die Befestigungen 
sind im Grundriß gezeichnet. Besonders in die Augen fallend 
ist die hübsche, in Rot gehaltene perspektivische Darstellung 
der Ortschaften, 1 ) durch Kreuz und Halbmond unterschieden, 
sowie die der einzelnen Gehöfte, Burgen und Ruinen längs 
der Grenzlinie, welche für das historische Studium dieser 
Gebiete von Wert sind. 

Eine interessante und wichtige Vervollständigung der 
Karte bilden zwei Tafeln mit der Darstellung und Erklärung 
der Grenzzeichen unter dem Titel: „Signa limitanea ad vivum 
delineata ; sive, terrae -cumulorum, quos, hunka, vocant in- 
colae, in confinium signa erectorum, plerorumq, ratione 
eorundem situationis, arborum vel eos circumstantium proxi- 
marum vel circa quas ipsi sunt congesti, aliarumque ejus- 
modi minutissimarum observationum, specialissima repraesen- 
tatio.'' 

Die Grenze war teils eine natürliche, den Flußläiifen 
folgend, teils eine künstliche, durch Aufwerfen von Grenz- 
haufen, Hunken genannt, oder durch günstig gelegene Bäume 
gebildet. An besonders wichtigen Punkten, z. B. beim Triplex 
Confinium, wurden auch Grenzsäulen geherzt. 

Die beiden Tafeln enthalten auch 92 kleine Ansichten 
und Profile von einzelnen Punkten der künstlichen Grenze, 
die in den Sektionen der Karten nicht mit wünschenswerter 
Präzision zum Ausdruck gelangten und einer näheren Er- 
läuterung bedurften, u. zw. zu den Sektionen III, IV, 
XV-XXIV, XXVI-XXIX. 



») In ganz ähnlicher We'se, wie sie der österreichische Karto- 
graph G. M. Vischer (1628—16%) in seinen Karten darstellt. 



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42 Pal du«. 

Die Grenzscheidung, in einer Breite von 4 Stunden ge- 
führt, 2 Stunden auf kaiserlichem und 2 Stunden auf türki- 
schem Boden l ), beginnt auf Sektion Nr. I bei Slankamen 
an der Donau als ,,Pars Confinium artificialium, seu, erectis 
terrae cumulis signatorum facto initio ad Slankamen, per 
planitiem Sirmiensem" und führt in gerader Linie an die 
Save bis Mitrovitz (Mitrovica) „Urbs destructa Romanorum 
Antiquitatibus abundans". Diese gegen 59 Am lange Strecke 
enthält 213 Grenzhunken und durchläuft drei Sektionen der 
Karte ; die Lager der Grenzkommissionen sind in Slankamen, 
Besko (Beska), Tsatrinatz (Satrinci), Ruinen (Ruma) und 
Wisnistzi (Vi§njevci). 

Die Sektion IV zeigt die Ausbiegung der Grenze an 
den Boszut-(Bosut-)Flul3 bei Morovig (Morovic) „arx destructa" 
an der Einmündung der Studva mit 30 Grenzhaufen und 
2 Lagern der Grenzkommissionen. 

Von hier bilden der Bosut, die Save bis Jeszenovitz 
(Jasenovac) als : ,,Pars Confinium quae Savus Fl : efficit" und 
die Una bis Umcsan (Uncani) als: .,Pars Confinium quae 
Savus Fl. et pars, quae Unnae Fl. ripa orientalis efficiunt", 
sowie: „Pars Confinium quae Unna Fl. ripa meridional efficit" 
die Scheidungslinie, welche die Sektionen V — XIV umfaßt. 

Diese ganze Strecke enthält nur die Lager der kaiser- 
lichen Grenzkommission, u. zw. bei Trosnitz (Strosinci), an 
der Save beim heutigen Rajevoselo, bei Snpanja blata 
(Zupanje- bei der Sikirovatz Strasa — gegenüber der Ein- 
mündung der Bosna in die Save — bei Klakar, Brod, Kobats 
(Kobas , Svinjar und Gradisca (Gradiska.) Die Lager der 
beiderseitigen Grenzkommissionen beginnen bei Dubitza (Du- 
bica). Auf der Sektion XV endet bei Umcsan (Uneani) die 
Scheidungslinie, wo das dubiose Gebiet von Novi beginnt, 
„Pars territorii circa Novi, quod notas ob Controversias, 
apertu adhuc, et Limitibus non dum signatum est." Iiier 
steht auch der letzte der 39 an der Save und Una aufge- 
stellten, Strasa genannten Waehttürmo. Die Grenzlinie be- 
ginnt wieder am M. Klepala (bei Novi, nordwestlich Dobre- 



') Stabiliertes Formular. Aktenmaterial über dm (ironzscheid. 
im Karlowitzer Frieden lu'.ty. (K. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv.) 



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43 



tin) als: „Pars Confinium artificialium sive ereetis terrae 
cumulis signatorum, in Croafcia/' 

Die Sektionen XV— XXIV enthalten die kroatische 
Grenze bis an das Triplex confinium bei Knin. Vom M. Klepala 
überschreitet die bis an die Glinica künstliche Grenze das 
Gebirge. Die Berge, über welche die Grenzlinie führt, haben 
ihre Namen im Laute der Zeit geändert, so daß sie in den 
jetzigen Spezialkarten zumeist nicht mehr zu finden sind. 
Ebensowenig deckt sich ihre Position in der Karte mit der 
heutigen. Es sind die Radonisca Glava, Jabnitza M., Jelona 
gora M., Mediatz M., Babicsa Glavitza M., Recsepovatz 
M., Gerlevetz (Grgljevaci M., Boinik, arx destructa, Csehaja 
kosza M. und Csatznitzka Kosza M. Zur Festsetzung der 5U 
Grenzpunkte dieser Strecke lagerten die Grenzkommissionen 
bei Jabnitza (Jamnica) „arcis rudera" — am Fuße des Radatz 
(Radoe) — an der Dabrina, einem Nebenfluß des Csemer- 
nitza r. (Cemernica) — und in der Nähe der Einmündung 
der Glinitza i Glinica) in die Glina ; dieser Fluß bildet von 
hier bis unterhalb Klokotz (Klokor die natürliche Grenze. 
„Pars Confinium quam Glina Fl. efficit." 

Von der Glina überschreitet die Grenzlinie in 13 Grenz- 
hunken das Gebirge, das heute den Nnmen Cvianovic brdo 
trägt und senkt sich oberhalb Sluin und Kremen in das Tal 
der Korana, welche nun bis in die Nähe von Furian (Furjan) 
die natürliche Grenze bildet. „Pars Confinium circa Korana 
torrentem." Sektion XVIII und XIX. 

Sie verläßt diesen Fluß und steigt Tersatz iTrzac) 
westlich umgehend, mit hl Grenzzeichen, über das Masviua 
(Masvina)- und Plisnitza (Bliznica)-Gebirge zu dem zerstörten 
Schloß Dresnik (Drezniki, von wo sie wieder die Korana 
bis zu den Jeszera Lacus (Plitvicer Seen) begleitet. Von hier 
ersteigt sie die Höhen der kroatischen Kalkgebirge, welche 
sie bis zu ihrem Endpunkt nicht mehr verläßt und als „Pars 
Confinium super Alpibus Croatiae" die Sektionen XVIII— XXIV 
der Karte durchzieht. 25 künstliche Grenzzeichen trennen auf 
diesen einsamen Höhen kaiserliche und türkische Lande. 
Bald nach dem Verlassen der Plitvicer Seen übersetzt dio 
Grenze den Weg von Sellave (der heutigen Karstlandschaft 
Zeljava Baljevac) nach Priboj und Korenica und führt 



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44 



Paldnä. 



auf die steilen Höhen der Plissivitza (PljeSevica planina); 
das Lapatzka polje vallis (Dl. Lapac) den Türken überlassend, 
kreuzt sie hierauf den Weg von Gm. Lapac über den 
Lubardenik (Lurabardenik) nach dem Mazin polje, seit dem 
Ubergang von Sellave die fünfte Verbindung über das Gebirge. 
Nach Passiernng des Lumbardenik streicht sie über den 
Debelo berdo (Ondina?) an der Unaquelle vorüber, auf den 
Popistak iPostak* Müntes. Weiter über felsige Höhen 
zwischen dem Tiskovac p. und dem Blavna (Plavno) polje 
im Osten, dem Popinska polje (Mala Popina) und der Zermanja 
(Zrmanja) im Westen, führt sie über den Kita berdo ihrem 
Ende zu. 

Die Lager der beiderseitigen Grenzkommissionen waren 
bei Sluin, Dreznik, Bihac, im Korenicatal, bei Lapac und in 
der Ebene von Popina. 

Der Punkt in Sektion XXIV, wo sich die Grenzen 
dreier Reiche berühren, ist folgend beschrieben: „Veliko 
berdo, M., cujus Sumraitas Medvina Glavitza, id est Caput 
Ursinum, dicitur: Super qua, erectus, e petra Cumulus, Triplex 
Confinium. Ciesareo Turcico Venetum, denotat". Es war dies 
der heutige 740 m hohe Medvedjak im Debelo brdo, von wo 
die Grenzkommissionen hinunterschauten in das romantische 
Kerkatal, vor sich den 1148 m hohen Promina, zu ihren 
Füßen Knin. Im Osten türmten sich die Denara M. (Dinarische 
Alpen) auf und im Westen schweifte der Blick über die 
Zrmanja zum Velebit. 

Hier wurde zum Zeichen, daß sich die kaiserlichen, 
türkischen und venetianischen Grenzen vereinigen, eine 
steinerne Grenzsäule errichtet. 

In der Sektion XXV beginnt die detaillierte Darstellung 
des Grenzzuges in Siebenbürgen bei dem ., Triplex Confinium, 
sive Extremus Valachiae terminus, quo antiqui Limites Tran- 
sylvanico- Valaehk-i, cum Temisvarinis se conjungunt, et novi 
Limites inehoant." Dieses Triplex Confinium befindet sich 
auf dem Murarul M. (dem heutigen 2231 »i hohen Murariu). 
Von hier führt die (Grenzlinie über das Gebirge an die Maros 
als „Pars Confinium Transylvaniam ä Banatu Temisvarino 
separantium" ; sie enthält 70 künstlich markierte Grenzpunkto, 
und durchläuft in der Karte die Sektionen XXV bis XXIX. 



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4J> 



Vom Murarul (Murariu) übersteigt sie den Branul (Bra- 
nuluii M., führt in das Tal des Riul mare am Fuße des 
felsigen Retyezat, erklimmt den Kapnl kostura (Vrf. Custurei), 
geht über den Pissinaga (Verfu Petri), längs dem Felsen- 
kamm über den Morgauul (Verfu Murgani), Lulaya (Vrf. 
Lolaia), die Buscumilor Berge (Vrf. Modusului) in das Margatal 
(Niermesul, später Valea mare genannt) und folgt diesem 
Flusse bis an seine Einmündung in die Bistra (Bisztra). 
Nach Passierung derselben steigt die Grenze sofort wieder 
auf die Kosta Mare (D. Cruci), führt über die Losnizori 
(LosDisiorai, Pojana alunulor (Fata alunnlui), Gicsora Miclau- 
sului (Miklös), Curnu ruski (Ruszka), Pojana Lotrilor (Vrf. 
Lotrului), Pojana zalatrucului 'Vrf. Salatrucu), Zlotoronia 
(Slatariania), zur Pojana Frazinolui iFrasinul). Sie begleitet 
auf steilen Bergrücken den Oberlauf des Riu (Bega Fl. 
zwischen Poien und Krivina), geht an Lapus sus (Lapugin de 
sus [Felsö Lapugyj) vorüber, über zahlreiche Berge, deren 
Namen wie Irregerulni, Facsa kremeni, Hodarul Maldiest, 
Jalul seszului etc. die heutigen Spezialkarten nicht mehr 
aufweisen und erreicht die Maros gegenüber von Szam 
(Zäm> 

Nun bildet das linke Ufer der Maros bis an ihre Mündung 
in die Theiß bei Szeged als „Pars Confinium quae Marusii 
Fl. ripa meridional eflicit" und von hier das östliche Urer der 
Theiß bis zu ihrer Einmündung in die Donau gegenüber von 
Slankamen, als ,.Pars Confinium quae Tibisci Fl. ripa orientalis 
ef'ficit", die natürliche Grenze zwischen dem Königreich Ungarn 
und der Türkei. 

Das Detail hierüber enthalten die Sektionen XXIX bis 
XXXIX, welche die Grenzkai te beschließen. 

Wie schon erwähnt, bildete die Festlegung der Grenz- 
linie in Siebenbürgen den Schluß der gesamten kaiserlichen 
Grenzscheidungsarbeiten gegen die Türkei. Nach Bestimmung 
der Grenzpuukte in Kroatien begab sieh die kaiserliche Grenz- 
kommission, wie die Ubersichtskart»' zeigt, über Brod, durch 
Slavonien und die Bacska, nach Szeged. Die an der Maros 
und im Temesvärer Bannt eingezeichneten Lager der kaiser- 
lichen und der türkischen Grenzkommissinn geben den AVeg 
an, den diesclbo zur Regelung der Grenzlinie wiihlu-. 



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46 



P « 1 d o ■. 



In der Zeit vom März 1699 bis zum Schluß des Jahres 
1700 wurde die Abgrenzung der kaiserlichen Länder gegen 
die Türkei nach den Bestimmungen des Karlowitzer Friedens 
bis auf das unbedeutende dubiose Gebiet von Novi durch- 
geführt. Vom Fuße des felsigen Retyezat in Siebenbürgen 
bis an die Dinarischen Alpen in Dalmatien führte die Grenz- 
linie über hohe Gebirge, weite Ebenen und entlang von mäch- 
tigen Strömen, nicht weniger als 398 künstliche Grenzzeichen 
in der Form von Hunken oder Grenzbäumen enthaltend. 

War dieses Werk unter der umsichtigen Leitung des 
Grenzscheidungskommissärs Graf Marsigli im Einvernehmen 
mit den türkischen Grenzkommissären und unter eifriger 
Mitwirkung der kaiserlichen Ingenieure zu stände gekommen, 
so ist die Wiedergabe der ganzen Grenzlinie im Zusammen- 
hang, in der vorliegenden detaillierten und prächtigen 
Zeichnung, das Verdienst Müllers. 

Obwohl der Friede von Karlowitz der Republik Venedig 
mit Rücksicht auf deren ausgedehnten faktischen Besitz große 
Opfer auferlegte, so erlangte dieselbe dennoch durch diesen 
Frieden gewichtige Vorteile. *) Sie behielt Morea und ganz 
Dalmatien mit Ausnahme der Adelsrepablik Ragusa, auch 
Castelnuovo und Risano mit ihren Territorien blieben 
venetianisch. Das Gebiet zwischen der Kerka und der Narenta, 
mit den untereinander verbundenen Festungen am Fuße des 
begrenzenden Gebirges trennte das türkische Reich vom 
Meere ab, so daß die Republik Venedig ausschließlich den 
Handel beherrschte. 

Bei der Grenzscheidung zwischen Venedig und dem 
Ottomanischen Reich fungierten als Grenzkommissäre 
Gio. Grimani venetianischer- und Osman Aga türkischerseits. 
Venetianische Ingenieure brachten dieselbe zu Papier. 
Von ähnlicher Bedeutung wie der Ingenieur Friedr. von 
Hollstein für die kaiserliche Grenzregulierung, war der 
venetianische Ingenieur G. E. Alberghetti in bezug auf die 
Darstellung der Scheidungslinie des venetiauischen Gebietes 

') Venedig ratifizierte am 7. Februar lti'JS» den von den Kongreß- 
mäohten projektierten Friedon. (Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen, 
II, 321.) 



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Ein Baitrag snr vaterländischen Kartographie. 



47 



gegen die Türkei. Von einer zusammenfassenden Darstellung 
derselben, in der Form, wie sie Müller für die kaiserlichen 
Lande ausführte, ist dem Verfasser bis jetzt nichts bekannt. 

Von den im k. u. k. Kriegsarchiv aufbewahrten Original- 
karten über die venetianische Grenzregulierung nach dem 
Karlowitzer Frieden sind folgende von Interesse : „(Grenz- 
bestimmungskarto zwischen Croatien. Dalmatien und dem 
türkischen Gebiete) Giust. Emilio Alberghe tti." 1 : 5G.000. 
1 gez. Blatt. ') — „(Grenzkarte zwischen dem venetianischen 
Dalmatien und der Türkei von Citluk [Gabela bei Metko- 
vic) bis Vrlika, südlich von Knin) von Giust. Emilio 
Alberghetti." 1 : 115.900 und 33.435. 5 gez. Blätter. 2 ) — 
Ebenso sind die Grenzen in den Territorien von Castelnuovo, 
Risano und Cattaro dargestellt unter dem Titel : „Dissegno 
topografico del Canale di Cattaro, con il confine delle terre 
di Castel-Novo, e Risano Stabilite dagl' III.™ et Ecc. mi Sig. ri 
Gio. GrimaniP. la Ser. mR Rep. 0Ä di Venetia ed' Osmaii Aga 
P. V Ecc. Ba P. ta Comissarii. Li 20. Febraro 1700. Giust. 
Emilio Alberghetti V." 1:35.000. 2 gez. Blätter. 3 ) Auch 
die Darstellung der Grenze zwischen Venedig und der Türkei 
in Morea stammt von diesem Ingenieur: „Dissegno di aviso 
delli Monti che dividono L' Istmo di Corinto dalla Livadia, e 
dal Territorio di Megara distrutta. Giust. Emilio Alberghetti." 
1 gez. Blatt. 1698. 4 ) 

Die Umgebung von Zara ') aus dem Jahre 1707, die Terri- 
torien von Scardona und Sebenico c ) aus dem Jahre 1709 mit 
den neuen Erwerbungen zeichnete Gius. Juster P. co Perito 
im Maße 1 : 42.600. 

Diese und andere, zumeist aus dem venetianischen 
Archiv stammenden, die Grenzen des venetianischen Dalmatien 
behandelnden handschriftlichen Karten sind mit Sorgfalt aus- 
geführt und bilden wichtige Behelfe für das Studium der 
Besitzverhältnisse jener Zeit. 

') K. A., Kartenabt. B IXc 581. 
») K. A., Kartenabt. B IXe 585. 

3 ) K. A., Kartonabt. B IXc 588. 

4 ) K. A.. Kartenabt. B UIc 82. 
8 ) K. A., Karteuabt. B IXc 5S6. 
°) K. A., Kartenabt. B IXc 5*7. 



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48 



P R 1 d u s. 



Karte von Ungarn. 

Über die ältesten Landkarten Ungarns gibt die anläßlich 
der Feier des 50jährigen Bestandes der k. k. geographischen 
Gesellschaft in Wien erschienene Festschrift „Karten des 
Wolfgang Lazius 1 )" eine fesselnde Darstellung. Die 
kartographische Leistung des Lazarus und Tannstetter 
(Collimitius), ..Karte von Ungarn 1528" herausgegeben 
von Joh. Cuspinianus — die große Karte des König- 
reiches Ungarn von Wolfg. Lazius 1550 (1552) und des 
ungarischen Kriegsschauplatzes 1506 — die Karten Ungarns 
von Matth. Zyndt (Nürnberg 1566)-) und des Joh. Sambucus 
(Wien 1571)*) weiden in Wort und Bild meisterhaft vor 
Augen geführt. 4 ) Im besonderen wird der Einfluß des hervor- 
ragendsten österreichischen Kartographen des XVI. Jahr- 
hunderts W. Lazius auf die Entwicklung der Kartographie 
von Ungarn gezeigt. Der Einfluß dieses Mannes auf diesem 
Gebiet blieb zu Recht bis auf J. Chr. Müller am Beginn 
des XVIII. Jahrhunderts. 

Vor der näheren Würdigung der Arbeiten Müllers, 
welche in die Periode einer systematischen Landesvermessung 
hinüberleiten, mögen noch einige im Zeitraum von Lazius 
bis Müller entstandene kartographische Werke kurz erwähnt 
werden. 

„Volustissimi potentissimujue Hungaria Regni Trans- 
sylvaniae quo Principatus post varias editiones deiineatio ut 
compendiosa sie et vera ac perspicua ; aeri exarata 1506. 
Francof. ex Officina Theod. de Bry/' (l : 1,330.000) 1 gest. 
Blatt. : ') 

l ) Eng. Obern ummer und Fr. R. v. Wies er, Wolt'gang Lazius 
Karten der Österreichischen Lande, und des Königreichs Ungarn aus 
den Jahren 1545—1563. Innsbruck 1906. 

! ) K. A., Kartonabt. B IX a 487. 

y ) Ortelius. Theatrum Orbis 15t>2, enthält die Karte von Ungarn 
von Sambucus, 1571). 

4 ) Auch ein böhmischer Pädagog. Martin Bachäeek, zeichnete 
eine Landkarte von Ungarn und schenkte sie dem Prager Eizbischof 
Zbvnek Berka z Dube im Jahre 151)5. (l)vorsky, Sbornik 
historicky. 325.) 

*) Landkartenkabinett der Erzherz. Kunstsammlung Albertina in 
Wien, 179—1. 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



49 



„Vermehrte und Verbesserte Landkarten des König- 
reichs Ungarn und deren andern angrentzenden König- 
reiche, Fürstenthumen und Landschafften etc. Martin 
Stier 1 ) Kay. Ober Ingenieur delineavit A. Baener scul- 
psit. In Verlegung Martin E n d t e r Kunst- und Buch- 
händlers. 1 : 567.000. Cum Privilegio Sacrae Caesareae 
Maiestatis." 12 gest. Blätter mit einem Ortsverzeichnis. Nürn- 
berg 1684.*) 

„Nova et accurata totius superioris maiorisq, partis 
inferior: Regni Hungariae delineatio A. 1682 Corneo 
fecit." 3 ) 1:600.000. 1 gez. Blatt Pergament. 

■ 

„Regni Hungariae Superioris, et maximae partis Inferioris, 
Austriae, et Moraviae, cum confinijs Silesiae, Poloniae, et 
Transilvaniae novissima, et accuratissima descriptio Joannis 



') Martin Stier, 1630 geboren, war Generalquartiermeisterleutnant 
in der kaiserlichen Armee. Am 11). Juli lH.~il wurde ihm als 
Hauptmann die Hundsteinische Kompagnie des Oberst Ranfftschen 
Regiments zu Fuß verliehen, welche im Oktober 1651 in» Knittelfeld in 
Steiermark lag. 1654 zeichnete er als Ingenieur die Fortitikation von 
Eger. 1658 besichtigte er die Innerösterreichischen Grenzposten, wofür 
er 200 Gulden Abfertigung erhielt. 1660 war er in Wien tätig. 1662 
Oberingenieur, besichtigte er 1668 die Befestigung von Prag und 
berichtete über diese sowie über die Befestigung von Eger. wobei ihn 
Oberst Priami beschuldigte, den ..Dissegno der Fortifikation von Prag" 
von seinem Abriß kopiert zu haben. Oberingenieur Stier erhielt 
im Juli 166S den Befehl, die Prager Befestigungen zu rekognoszieren 
und die Fehler am Plane zu berichtigen, starb jedoch schon im 
Februar 1669 in Wien. Er hiuterließ 1200 Gulden dem Servitenkloster 
in der Roßau. 

-*;■ K. A., Kartenabt. BIXa 488. Die erste Ausgabe der Karte 
vom Jahre 1664 führt den Titel: „Landkarten des Königreichs Ungarn 
und dennen andern angräntzenten Königreichen, Fürstenthümern und 
Landschafften etc. Martin Stier, Kay- Ober Ingen, delineavit. M. Lang 
sculpsit. Yiennae 1664." (K. u. k. Famil.-Fideikomm'.ß-Bibl. „Samm- 
lungen der vereint. Familien- und Privat-Bibl. Sr. M. des Kaisers in 
Wien" 1873. Karten Nr. 2004. C61 - sowie im British Museum, 
welches nobat der Karte von 1664 J. Blaeu excudit. Amstelod., auch 
die Ausgabe Nürnberg 1687 aufweist. Vergl. Catalogue of printed 
Maps. 1885. — Im British Museum befinden sich noch Karten von 
Ungarn von Sandrnrt, Nürnberg 1664" und ^ 1670 , von Sanson. 1664, 
und P. Coronelli. 1687. (Catalogue of printed Mups. 1805.) 

3 ) K. A., Kartenabt. B IX a 487—1. 

Mitteilungen des k. und k. Kricgsarcliiva. Dritto Folge. V. Bd. ^ 



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50 



Paldui. 



Alexander Reiner S. C. M. Ingenieur Viennae 1682. Matthias 
Greischer sculp." *) 1 Ungar. Meile = 1-4 cm. 3 gest. 
Blätter. 

„Theatrum Belli -') inter magnos duos Imperatores 
Romanorum et Turcarum Auetore G. M. Visoher, 3 ) Schau- 
platz des Khriegs zwischen den Großen zwei Keiseren 
den Römischen und den Turckischen 1685." Das Ungarische 
Wappen ist von folgendem Titel umschlossen: Charta Ungaria, 
Slavoniae, Transilvaniae, Croatiae, Wallachiae, Bosniae, 
Moldaviae, Dalmatiae, Podoliae, Serviae, Voliniae, Bulgariae, 
Tartariae, Thraciae, Romaniae. Maßstab : 1 kleine meill von 
lVi Stunden — 1 cm, 1 mittelmäßige meill von 2 Stunden 
= 1*3 cm, 1 große meill von 2 X I% Stunden = 1*5 cm. 
(1 : 570.000.) Notatio Civitatum et Fortalitorum. (Zeichen der 
Stätte und Vöstungen.) 

Die Karte besteht aus 15 gestochenen Blättern. In der 
linken oberen Ecke ist Kaiser Leopold I. zu Pferd an der 
Spitze seiner Armee, in der rechten oberen Ecke der Sultan 
im Kriegszug gegen den Kaiser dargestellt. Die Karte ist 
ohne Gradeinteilung, ohne Angabe des Stechers, in einem 
Blatte auf Leinwand gespannt, 1-58»// lang und 90 cm hoch. 
Sie beruht wahrscheinlich auf der Karte von Ungarn des 
Oberiugenieurs M. Stier, sowie auf anderen Hilfsquellen. Von 
den obderennsischen ständischen Verordneten erhielt Vischer 4 ) 

') K. k. Hof-Bibl. 

*) Ein Exemplar der schon sehr selten gewordenen Karte befindet 
sijh in der Haust abschen Kartensamnilung des Fürsten Liechten- 
stein in Wien. Nach der gütigen Mitteilung des Herrn Hofrat D. Fr. 
v. Wiese r besitzt auch die Bibliothek des Ungarischen Nationalmuseums 
in Budapest ein Exemplar, ebenso fand v. Wies er in der K. Hof- und 
Staats-Bibliothek in München ein vorzüglich erhaltenes Exemplar 
dieser Karte. 

3 ) Georg Matthäus Vischer (1028—1696). Über ihn siehe: J. Feil, 
Über das Leben und Wirken des Geographen Georg Matthäus Vischer 
(Berichte u. Mittl. d. Altert.- Vereins zu Wien. Bd. 11, 1857, 7-86.) und 
P. Altmann Altinger, Des österreichischen Geographen Georg 
Matthäus Vischer letztes Lebensjahr. (Mitt. d. k. k, Geogr. Gesellseh., 
Wien 1808, 380 -9a) 

4 ) Feil, Über das Leben und Wirken des Geographen G. M. 
Vischer. Berichte u. Mittl. d. Altei-t.- Vereins zu Wien, 36 und Nach- 
träge zu 35—36.1 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



51 



im Jahre 1687 für 50 Exemplare dieser Karte 30 Reiohstaler 
ausgezahlt. l ) 

„LT Ungaria nuovamente descritta, et accresciuta di 
Varie Notizie da Giacomo Cantelli da Vignola suddito, 
e Geografo dell' Altezza Serenis. di Francesco II. Duca di 
Modena etc. e data in Luce da Gio. Giac. Rossi in Roma 
1686. Vin. Mariotti sculp. Romae.' ? (1:825.000.) 2 gest. 
Blätter. Die Karte enthält eine Gradeinteilung und Komitats- 
grenzen. -') 

„Theatre de la Guerre en Hongarie, Transilvanie etc. 
Dresse sur les Memoires le plus Recens par M r Sanson. 
A. Amsterdam. Chez J. Cövens et C. Mortier. Avec Privi- 
legie.'' 1:1,300.000. 4 gest. Blätter. 3 ) 

Die in der reichen Kartensammlung des k. und k. 
Kriegsarchivs aufbewahrten, zumeist handschriftlichen K arten 
einzelner Teile Südungarns aus der Zeit der Türkenkriege 
am Ende des XVII. Jahrhunderts sind für das Studium der 
historischen Kartographie jener Zeit von Bedeutung. Haupt- 
sächlich Kriegszwecken dienend und kriegerische Ereignisse 
festhaltend, bieten manche als Muster leistungen kaiserlicher 
Ingenieure viel des Interessanten, wiewohl sie, zumeist nicht 
für die Öffentlichkeit bestimmt, einen Einfluß auf die Ent- 
wicklung der Kartographie nicht haben konnten. Einige der 
interessanteren Karten mögen hier angeführt werden : eine 
Darstellung des Kriegsschauplatzes in Südungarn vom Jahre 
1697. „Modernum Panonici Martis Theatrum. Sive Delineatio 
Geographica totius Regionis quam Danubius et Tybiscus ad 
Marusium etc.", von den Wiener Universitätskupferstechern 
Jac. Hoffmann und Jac. Hermund. (1:308.000.) 1 gest. 
Blatt mit Städteplänen. { ) — Über denselben Kriegsschauplatz 
eine gezeichnete Karte. J. H. S. fecit 1697. 5 ) — Der kaiser- 



') Nach einer Anmerkung auf der Karte war ihr letzter Preis 
10 Gulden Konventionsmünze. 
*) K. k. Hol-Bibl. 
s ) K. A., Kartenabt. B IX a 490. 
♦) K. A.. Kartenabt. H Ille 101. 
») K. A., Kartenabt. H lilc 101—1. 

4* 



52 



P a 1 d u s. 



liehe Ingenieurhauptmann Stephan Wallner 1 ) lieferte 1699 
eine meisterhaft ausgeführte handschriftliche Karte von 
Ungarn östlich der Theiß bis Siebenbürgen und von Tokaj 
bis Nagybecskerek 2 ) im Maße 1 : 256.000, mit der Darstellung 
der kaiserlichen und türkischen Lager etc. Es sind sechs 
gezeichnete Blätter in Farben mit einer Gradeinteilung. Die 
östlichen Längeu wurden von den Kanarischen Inseln ge- 
rechnet. (Von der Cornariae insulae.) Die kartographischen 
Leistungen des kaiserlichen Ingenieurobristen Morando 
Visconti sind für Siebenbürgen von Bedeutung. 8 ) 

Eine interessante Ansicht der Belagerung von Ofen 1686*) 
zeichnete der kaiserliche Ingenieur Joh. Dom. Fontana, 5 ) eben- 
so stammt von ihm eine perspektivische Ansicht der Schlacht 
von Härsany (Mohacs) ti ) am 12. August 1687, dem Grafen 
Anae Sylvio Piccolomini gewidmet. Er entwarf ferner den 
„Plan von Breisach, der Landt- und Neustatt-Insul sowie 
des Forts Mortier' (1:4.000), 1 gez. Blatt (1699) 7 ) und den 
„Plan des neuen Projects über die Statt Costantz (Konstanz; 
am Boden See'', 1 : 3.800, 1 gez. Blatt. *) 

Der kaiserliche Ingenieur Karl Josef de Juvigni 1 ') 
entwarf einen Grundriß von Ofen mit der Belagerung vom 

') Wurde im Mai 1687 als Ingenieur in kaiserliche Dienste mit 
monatlich 30 Gulden Gage aufgenommen (K. A., H. IC. R. 1687, Prot, 
lieg.. 243) und starb 1709. 

*) K. A., Kartenabt. H IIIc 103. 

3 i Näheres siehe bei Siebenbürgen. 

*) K. A., Kartenabt. H IIIc 151, Faksimile. Vergl. auch Veress 
Endre, Gr6f MarsigU Alajos Ferdinand jelentesei es terkepei Budavar 
1684— ItiHG-iki ostro-mairöl. Budapest 1907. 

*i Joh. Dominikus Fontana wurde mit Dekret vom Mai 1687 als 
kaiserlicher Ingenieur mit 30 Gulden monatlicher Gage, in Anerkennung 
seiner im venvichenen Feldzug geleisteten guten Dienste, angestellt. 
1701 war er Ingenieurobristleutnant bei der kaiserlichen Armee im 
Reiche, leitete 1702 die Belagerung von Landau, wo er am 4. September 
schwer verwundet wurde. 17<>3 war Fontana im Hauptquartier bei der 
kaiserlichen Armee im Reiche und starb als Direktor der Festungen 
im Reiche und am Rhein im Jahre 170.*». 

c ) K. A.. Kartenabt. H IIIc 121. 

') K. A., Kartenabt, (i Ic 62. 

•} K. A., Kartenabt. G Ic 2>s. 

•) "Wurde mit Mai 1687 als kaiserlicher Ingenieur mit 50 Gulden 
monatlicher Gage angestellt. (K. A., H. K. R. 1087, Prot. Exp.. 243.) 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



53 



Jahre 1686. l ) Juvigni zeichnete auch einen Plan von Genua: 
„Genes ditte la süperbe etc." 1 : 20.000. 2 ) 

Die erste moderne Karte von Ungarn schuf der kaiser- 
liche Ingenieur Joh. Christ. Müller. Sie führt den Titel: 
„Augustissimo Romanor. Imperatori Josepho I. Ilungariae 
Regi invictissimo mappam hanc Regni Hungariae propitiis 
elementis fertilissimi cum adjacentibus regnis et provinciis 
nova et accuratiori forma ex optimis schedis collectam 
D. D. D. ejusdem S. Majestatis Camera Regia Hungarica 
A. C. 1709 operä J. C. Mülleri. S. C. M. Ingen. J. A. 
Pfeffel et C. Engelbrecht 3 ) sculp." 1:550.000. 4 gest. 
Blätter.*) 

Die Karte ist 1-54 m lang, 1-14 m hoch und hat zwei 
Maßstäbe. Der eine enthält Milliaria communia quorum 
15 in uno gradn, wovon 12 = 16*1 cm sind, der andere 
enthält 8 Milliaria Hungarica = 16-1 rm. Der Wert der 
geographischen deutschen Meile, wovon 15 auf einen 
Grad gehen, beträgt nach E. Behms geographischem 
Jahrbuch (1866, 1. Bd., Hilfstabellen, VI) = 7420.438 m. 
Der Wert der ungarischen Meile ist verschieden an- 
gegeben; bei Erber 5 ) „in parte Regni inferiore" mit 10, 
„in parte Regni superiore" mit 15 auf den Äquatorgrad. 
Nach Berechnungen aus der Karte hat sie einen Wert 
von 11.130 m. Ein Breitengrad hat etwas mehr als 10 un- 
garische Meilen. 



>) K. A., Kartenabt. H III c 152, Faksimile. Der Originalkupt'er- 
9tich ist im k. u. k. techn. Militärkomitee. 
*) K. A., Kartenabt. Gif 156. 

s ) Johann Andreas Pfeffel, Kupferstecher von Bischoftlngen, 
bildete sich auf der Akademie in Wien und wurde da zuletzt kaiser- 
licher Hofkupferstecher. Er ließ sich später in Augsburg nieder, gründete 
eine blühende Kunsthandlung und starb 1750 im 76. Lebensjahr. 
Christian Engelbrecht, Kupferstecher in Augsburg, Schüler des 
J. G. Bodenehr und J. v. Sandrart, errichtete später eine Kunst- 
handlung, stach teils allein, teils iu Gemeinschaft mit seinem Bruder 
Martin und J. A. Pfeffel. Er starb 1753 im 63. Lebensjahr. 
•(Magier, Künstlerlex., 11. Bd., 2u7 und 1. Bd., 125.) 

•) K. A., Kartenabt. B IX a 491. 

•) Erb er, Notitiao Illustr. ftegni Bohemiae 1700, 53. 



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54 



P a 1 d u s. 



Die Karte besitzt ein trapezförmiges Gradnetz und am 
Rande eine Gradeinteilung, mit einer Unterteilung bis zu 
fünf Minuten. Die natürliche Größe einer Breitenminute beträgt 
1892 Meter. In der Gradeinteilung sind große und kleine 
Buchstaben eingesetzt, welche offenbar den Zweck haben, 
das Auffinden der Ortsnamen zu erleichtern oder ihre genaue 
Bestimmung nach Kolonne und Zone zu ermöglichen. Ein 
zur Karte gehöriges Ortsregister ist in der Kartenabteilung 
des k. und k. Kriegsarchivs nicht vorhanden. l ) 



Geographische Lage von Ungarn. 



Nach Müller 


Nach der Generalkarte von 
Witteleuropa 1 : 200.000 




Östliche Länge von Fiume bis zum Ojtoz-Paß 




37° 45' — 48° 40' 


32° 7' - 44° 7' (Ferro) 




Nördliche Breite zwischen Medvedjak nordwestlich Knin und der 

Babia Göra 




44° P - 49° 37' 


U" 5' - 49« 34' 





Die Ausdehnung des Landes von Osten nach Westen 
beträgt nach der Karte von Müller 11 Längengrade, nach 
der neuen Generalkarte von Mitteleuropa 12 Längengrade, 
ist daher bei Müller um 1 Längengrad (gegen 15 geogra- 
phische Meilen) zu klein angegeben. Die Ausdehnung von 
Norden nach Süden stimmt mit den neuesten Karten sehr 
gut überein. In der Karte Müllers beträgt sie 5° 29', in der 
neuen Generalkarte von Mitteleuropa 5° 28'. Sanson-; und 



*) Von den Landkarten des Königreiches Ungarn vorder Müll er- 
sehen besitzt, soweit dem Verfasser bekannt ist. nur die Karte von 
Stier 16G4 eine Ortstabelle. — Die Karte Sansons: „Theatre de la 
Guerre en Hongarie etc." 1:1.300.000 besitzt wohl die Bezeichnung der 
Kolonnen und Zonen mit Buchstaben, doch entbehrt sie eines Orts- 
registers. 

2 ) Theatre de la Guerre en Hongarie etc. 1:1.300.000 etc. 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 55 

Delisle 1 ) geben die Längenausdehming Ungarns um einen 
Grad zu groß an, Müller dagegen um einen Grad zu klein. 



Vergleich der geographischen Positionen einiger 

Orte. 2 ) 









Angaben des k. n. k. 




Müller 


militärgeogr. 


Orte 






Institutes in Wien 




















Östliche 


Nördliche 


Östliche 
Länge 
(Ferro) 


Nördliche 




Länge 


Breit« 


Breite 




44° 39' 


46" 3' 


38° 59' 


46° 10' 


Carlstadt (Karlovac) . . . 


38° 59' 


45° 50' 


33» 13' 


45° 30' 


Caschau (Kassa) 


44° 9' 


48° 26- 


38° 56' 


48° 43' 


Clauaenburg (Kolozsvar) 


46° 6' 


46° 55' 


41° 16' 


46° 46' 




42° 5' 


45° 37' 


36° 23' 


45° 34' 




42° 


47° 43' 


36° 24' 


47° 48' 


Hermannstadt (Nagyszeben) 


46° 57' 


46° 14' 


41° 49' 


45° 48' 




42° 43* 


47° 41' 


36° 44' 


47° 30' 


Preßburg (Pozsony) .... 


40° 58' 

1 


48° 12' 

1 


34° 46' 


48° 9*" 



Der Ingenieur Müller verlegt seinen Anfangsmeridian 
zirka 6° westlich von Ferro 3 ). Dieser Fehler in der un- 
richtigen Zählung des Anfangsmeridians von Ferro begleitet 
seine sämtlichen "Werke, nimmt jedoch in der Folge an 
Größe ab. 

In der interessanten Legende der Karte gibt er 
wertvolle Aufschlüsse über die Entstehung und das Quellen- 
material seiner Karte. Sie lautet wörtlich : „Ut aequum de 
praesenti Hungariae Mappa feras Judicium, pauca haec te 
monendum esse duxi. Vides eara ab omnibus aliis hactenus 



l ) Carte de la Hongrie etc. 1 : 2,500.030. 

s ) Die Positionen sind von der Ortsmitte gemessen, die Sekunden 
vernachlässigt. 

3 ) Delisle rechnet den Meridian von Ferro 20° 5' westlich von 
Paris, setzt ihn jedoch der Einfachheit halber auf 20°, während die 
Sansons 23 l /j° annehmen. Sandler. Reform, der Kartogr. um 1700, 10.) 
Der Anfangsmeridian, nach dem Mercator rechnete, liegt 14°, der des 
Hondius 7° westlich von Ferro, während Xik. Vi ss eher seinen 
Anfangsmeridian 2° östlich von Ferro verlegt. 



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56 



P » 1 d u • 



editis et Magnitudine et Figura multum discrepare. Ulam 
quidem vastissimi Regni extensio requirebat: haec ex accura- 
tiori ejus perlustratione prodiit. Cum enim principaliorum 
fluminum Danubii, Tibisci Savi, Marusii, curvaturae, ad 
acus magneticae normam explanatae ftierint, deprehensum est, 
illoruni cursum multo rectius Meridie petere, quam Mappae 
vulgatae docent, in quibus Danubius, ubi maxime Meridiem 
versus tendit obliquo inter hanc et Ortum meatu defluit, cum 
in häc nosträ, atque adeo in ipsa natura a Strigouio (vulgo, 
Gran :) usqu. ad confluentes Dravi (neglectis curvaturis:) directe 
Meridiem respiciat; eoque fit, ut lotius Hungariae figura alia 
facio prodeat. Nec minus accuratam habitam esse rationem 
distantiae locorum inter se, Montium, Sylvarum, Paludum, 
Lacuum, distinctionis Comitatuum, praecipue autem Confiniu 
Turcicorum juxta Pacem Carlovitzensem confide ; cum ista 
omnia ex Mappis Mptis. specialissimis pariter et accuratissimis 
sint desumta." 

Nach der Angabe Müllers ist die Karte des König- 
reiches Ungarn die erste, welche den Lauf der Donau von 
Gran bis zur Einmündung der Save in der richtigen meri- 
dionalen Lage wiedergibt. Es ist demnach Müllers Verdienst, 
den Fehler der schrägen Richtung des Donaustromes abwärts 
von Gran, welcher allen Karten schon seit Lazius an- 
haftet, beseitigt und dadurch dem Bilde des Landes die 
richtige Gestalt und Ausdehnung gegeben, zu haben ob- 
wohl ihm Delisle, mit Benützung der Aufzeichnungen 
Mars ig Iis, in der Veröffentlichung der Richtigstellung zu- 
vorkam. ') 

Durch sehr genaue Bereisungen wurde der Lauf der 
Donau, Theiß, Save und Maros festgestellt; die Biegungen 
der Flüsse sind mit der Bussole aufgenommen. 

In der Legende wird die richtige Lage der Orte unter- 
einander sowie die der Berge, Wälder, Sümpfe und Seen 
betont. Insbesondere wird die genaue Einzeichnung der Grenze 
gegen das türkische Reich nach den Bestimmungen des 

l ) Im Jahre 1703 erschien von Delisleeine „Carte de la Hongrie 
etc. recti0ez par les Observation» du O» Marailii". 1:2,500000, 
welche schon den Lauf der Donau von Gran abwärts in die meridionale 
Richtung verschiebt. 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 57 

Karlowitzer Friedens 1699 hervorgehoben, welche nach de- 
taillierten handschriftlichen Karten erfolgte, womit offenbar 
die früher erwähnten Karten der Grenzscheidung ge- 
meint sind. 

Für die Darstellung von Siebenbürgen stand ihm die 
bereits 1699 erschienene, auf Autopsie beruhende Karte dieses 
Landes vom kaiserlichen Ingenieur V i s c o n t i zur Verfugung, 
welche Müller auch fleißig benützte. Der gleiche Maßstab, 
der so auffallend nach Norden gebogene Lauf der Maros, die 
übereinstimmende Lage der Städte untereinander, lassen 
deutlich erkennen, daß dem Ingenieur Müller die sogenannte 
„Viscontische Kriegskarte von Siebenbürgen" als Hauptquelle 
für die Darstellung dieses Landes diente. 

Die Karte führt den Titel: „Mappa della Transilvania 
e Provintie contigue nella quäle si vedano Ii Confini dell' 
Ongaria, e Ii Campam" fatti dall' Armate Cesaree in queste 
ultime guerre dedicata all' Aug 1 » Regia Maesta di Gioseppe 
Primo, Re de Romani, e d'Ongaria, da Gio. Morando Vis- 
conti Sup. mo Ingegniere per S. M. Oes. in Transilvania. 
In Hermanstadt 1699. Stephan Welz er de Corona fecit. 
J. C. Predtschneider de Norimberga sculp. in Cibinio." 
1:500.000. 4 gest. Blätter. 1 ) Anmerkung: „Die gegenwärtige 
Karte ist nicht nach den vier Weltgegenden, wie es bei den 
Geographen Gebrauch ist, 2 ) konstruiert, indem es nur die Ab- 
sicht war, die Grenzen von Ungarn, Siebenbürgen und Syr- 
mien vor Augen zu führen, damit man besser den Besitz des 
Großsultans gegen die genannten Grenzen unterscheiden könne. 
Was man unvollendet sieht, habe ich nicht gesehen, kann es 
mit der nötigen Genauigkeit nicht angeben. Die Abgrenzung 
der Komitate in Siebenbürgen kann nicht angegeben werden, 
nachdem die Städte des einen, in den andern Komitaten 
liegen, ebenso die Komitatssitze." Die Karte ist italienisch 
beschrieben ; am Rande befindet sich eine Gradeinteilung. 
Ohne auf diese interessante Karte näher einzugehen, sei nur 
noch bemerkt, daß nicht weniger als 15 verschiedene Zeichen, 
darunter 6 für militärische Zwecke, das topographische Detail 



«) K. A., Kartenal.t. H III c 99. 
*i Norden ist links. 



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58 



Paldu». 



derselben erklären. Von Visconti 1 ) stammt auch ein 
gezeichneter Plan der Schlacht bei Tuschiava (Grabovac an 
der Morava) 1689 8 ) zwischen der kaiserlichen Armee unter 
dem Kommando des Prinzen Ludwig von Baden und 
den Türken, welcher der Ingenieur selbst beiwohnte, ebenso 
ein in Farben gezeichneter Plan von Hermannstadt: ,.Pianta 
di Hermannstadt con sua giusta situatione. 1702." ■) 

Die im Vergleich mit den früheren Karten Ungarns 
auffallend richtige Lage des Flußnetzes von Oberungarn in 
der Karte Müllers läßt auf eine Benützung guter Quellen 
schließen. Der beinahe geradlinige Lauf des Drauflusses, 
welcher um beinahe 20 Breitenminuten zu groß angegeben 
ist, dürfte aus älteren Karten übernommen worden sein und 



•i Morando Visconti wurde im Mai 16S7 über Empfehlung des 
Generals Jon. Jos. Graf Rabatta mit Rücksicht auf seine im ver- 
gangenen Feldzug geleisteten guten Dienste als Ingeniour mit monatlich 
30 Gulden Gage in kaiserliche Dienste genommen und war in der 
Festung Ofen tätig. 1689 machte er den Feldzug der kaiserlichen Armee 
unter Kommando des Prinzen Ludwig von Baden gegen die Türken 
mit. Am 2"). September 1693 erhielt er für seine guten Dienste in der 
Ingenieurkuust und im Feldzug gegen die Türken sowie für die durch 
einige Jahre in Siebenbürgen geleisteten Arbeiten den Titel oines Ober- 
ingenieurs. 1 «>i*.~> wurde sein Gehalt auf 100 Gulden monatlich erhöht. 
Wegen seines hervorragend tapferen und umsichtigen Benehmens bei 
Fjpalanka 1697 wurde er von G. d. K. J. Graf Rabutin vorzugs- 
weise der kaiserlichen Gnade empfohlen. Am 26. Juni 1699 wurde ihm 
in Ansehung seiner im Kriege geleisteten vorzüglichen Dienste, ferner 
wegen Verfassung der zum Fortifizieren entworfenen Zitadellen und der 
gemachten siebenbürgischen Landkarten der Titel eines k. k. Obrist- 
leutnants verliehen. In den Jahren 1709 und 1710 war er bei der 
Armee in Ungarn als General<|uartienneisterleutnant eingeteilt. -'S.A., 
H. K. R. 1712, Prot. Reg., 257. Der Generabpuartiermeisterleutnant 
war der Stellvertreter des Generalquartiermeisters der Armee und zählte 
zum kleinen Goneralstab. , Am 4. April 1711 erhielt er das Obersten- 
patent. In Siebenbürgen wurde der Ausbau des schon unter Kaiser 
Leopold I. aufgestellten Befestigungssy^tems in den Jahren 1713 und 
1714 in Angriff genommen, wobei Prinz Eugen den Plan des Ingenieur- 
obristen Visconti, den Hauptpunkt Karlsburg ehemals "Weitfenburg, 
jetzt G vulafehervär besser dem Terrain anzupassen« genehmigte. Im 
Jahre 1716 leitete Visconti den FeBtungsbau von Karlsburg Gyula- 
fehervan und starb im Mai des Jahre- 1717. 

») K. A., Kartenabt. H III c 130. 

»> K. u. k. Techu. Militärkomitee. 



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Ein Baitrag zur vaterländischen Kartographie. 



59 



ist einer der schwachen Punkte der Müll ersehen Karte 
von Ungarn. 

Dieselbe umfaßt folgende Länder: Hungaria, in Hun- 
garia Superior und Inferior geteilt, mit dem noch im 
Besitz der Pforte befindlichen Temesvarer ßanat, Princi- 
patus Transylvaniae, Croatiae Regnum und Slavoniae 
Regnum. 

Grenzen im Norden: Silesiae Pars und Poloniae Pars, 
im Süden : Valachiae Princip., Serviae Regnum, Bosniae 
Regnum und Dominii Veneti Pars, im Osten: Moldaviae 
Pars, im Westen: Carniolae Pars, Stiriae Pars, Austriae 
Inferioris Pars und Moraviae Pars. 

Das Königreich Ungarn ist in Komitate eingeteilt, 
deren Abgrenzung 1 ) ebenso wie die Bezeichnung des Amts- 
sitzes in denselben leider vermißt wird. 

Die Namen der Komitate, von denen einige ihre 
Benennung im Laufe der Zeit geändert haben, sind: Com: 
Abauyvariensis (Abauj Torna), Albensis (Fejer), Aradiensis 
(Arad), Arraviensis (Ärva), Baraniensis (Baranya), Barsiensis 
(Bars), Bathiensis (Bäcs-Bodrog), Beregiensis (Bereg), 
Bikariensis (Bihar), Bodrogiensis (Bäcs-Bodrog), Borsodiensis 
(Borsod), Castriferriensis (Vas), Comaromiensis (Komärom), 
Csongradiensis (Csongräd), Gömöriensis (Gömör und Kis- 
Hont), Hevesiensis (Heves), Hontensis (Hont), Javriensis 
(Györ) Krasnensis (Szilägy), Liptoviensis (Lipt6), Marma- 
rosiensis (Maramarosi, Mosoniensis (Mosony), Neogradensis 
(Xogräd), Nitriensis (Nyitra), Pesthiensis und Pilisiensis (Pest- 
Pilis-Solt-Kiskun), Posoniensis (Pozsony), Sarosiensis (Saros), 
Scepusiensis (Szepes), Simgiensis (Somogy), Soproniensis 
(Sopron), Strigoniensis (Esztergom), Szolnok Exter, (im Süden 
von Pest-Pilis-Solt-Kiskun), Tolnensis (Tolua), Tornensis (Abauj 
Torna), Torontaliensis (Jäsz-Nagykun-Szolnokj, Trencsiniensis 
(Trencseu), Turocziensis iTuröcz), Ugocziensis (Ugocsa), Ung- 
variensis (Ung), Vespriniensis (Veszprem), Zabolczensis (Sza- 
bolcs), Zaladiensis (Zala), Zaramliensis (teils Arad, teils 

') Eine Komitatseinteilung mit den Komitatsgrenzen gibt die 
Karte von Sanson: „Theatre de la Guerre en Uongario etc. 
1 : 1,300.000 etc. und von C a n t etil da V ig HO 1 „L'LJngaria 
nuovamente descritta etc." 



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60 



P a 1 d u s. 



Hunyad), Zatmariensis (Szatmär), Zempliniensis (Zemplen) 
und Zoliensis (Zölyom). 

Im Temesvärer Banat *) sind die Komitate Csana- 
diensis (Torontäl) und Temesienais (Temes) angeführt. 

Ungarn enthält ohne Siebenbürgen 49 Komitate. s ) Das 
mineralreiche ungarische Erzgebirge weist zwei Gruppen von 
Bergstädten auf, die eine im Komitat Zolyom gelegen, führt 
die Bezeichnung „Septem Civitates Montanae", und enthält 
folgende Städte: 1. Schemnitz (Selmecsbänya), 2. Altsol 
(Zölyom), 3. Neusol (Beszterczebänya), 4. Libeten (Libetbanya), 
5. Vigles (Vegles an der Szalatna), 6. Korpona, 7. Bukans 
(Bakabänya) ; die andere Gruppe heißt „Civitates Montanae 
minores" und umfaßt folgende Städte: 1. Swedler (Svedler), 
2. Einsidl, Remete, 3. Smelnitz (Szomolnok), 4. Stois (Stösz), 
5. Gölnitz (Gölniczbänya). Am Oberlauf der Theiß bei 
Debreczen liegt der seit 1613 mit einer eigenen Verwaltung 

l ) Über das Temesvärer Banat nach der Besitzergreifung durch 
Kaiser Karl VI. besitzt das k. und k. Kriegsarchiv folgende Ori- 
ginalzeichnung: „Der Temesvärer Bannat. Abgetheilet in seine Districte, 
aufgenommen und abgemessen auf hohen befehl Ihrer Hochfürst liehen 
Durchleucht des Printzen Eugenii von Savoyen Ihro Rom. Kays, 
und Catbol. May. Generul-Lieutenanten unter dem Gouvememeut .Seiner 
Excellonce des Grln. Feld-Marschallen Grafen Claudii von Mercy 
durch Ihro allerhöchst gedachten Römisch Kayserlichen Majestät 
Ingenieurs Obristwachtmeister D. Haring, Lieutenant C. J. Kays er, 
Fähnrich D. Hautenont vom Xeipperg Rgt. 1 : 255.000. 1 gez. Blatt 
(1723 bis 1725). (K. A., Kartenabt. B IX a 554.) Diese Karte fällt 
durch ihre nette Zeichnung und durch die Terraindaretellung, als 
Tuschla vierung in Raupenfonn, auf. Sehr interessant ist die 
Einteilung in Distrikte, außerdem sind die bewohnten Dörfer, neue 
deutsche Dörfer, Praedien od. verlassene Dörfer, Silber-, Kupfer- und 
Eisenbergwerke angeführt, auch enthält sie die 5 inkorporierten 
Distrikte, die zum Königreich Serbien gehören. Für das Studium der 
politiseben Einteilung jener Zeit ist sie von hohem Werte. 

*) Nach der Hatte von Ungarn von Lipsz ky „Mappa Generalis 
Regni Hungariae" etc. 1 : 475.000. 1806, hat Ungarn 46 Komitate ohne 
die privileg. Paitikular-Distrikte >, Slavonien 3, Kroatien 3 (ohne die 
Militärgrenze i und Siebenbürgen 11 (ohne die Distrikte Fogaras und 
Kövär sowie die Stühle in der Terra Siculorum und Saxonum). Nach 
dem Hof- und Staats - Ilandbuch der österr.-ungar. Monarchie 11106, 
zählt das Königreich Ungarn und die damit verb. Teile 71 Komitate. 
Hievon entfallen auf Ungarn 48, Siebenbürgen 15, Kroatien und 
Slavonien H Komitate. 




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Ein Beitrug *ur vaterländischen Kartographie. 



61 



versehene Haydukendistrikt l ) mit den Haydukenstädten 
„Septem Civitates Heydonicae". 1. Polgar (Tisza-Polgär), 2 ) 
2. Nanas (Hajdunänäs), 3. Dorog (Hajdudorog), 4. Hathaz 
(Hajdnhadhaz), 5. Böszermeny (Hajduböszörmeny), 6. Soboslo 
(Hajdu8zoboszl6), 7. Varaospircz iHajduvämospercs). 

Zwischen der Donau und Theiß im Heveser Komitat 
liegt das „Jazygum Regio", der Distrikt der Jazyger (Jaszsäg), 
welche sich durch lange Zeit besonderer Vorrechte erfreuten 
und in eigenen Bezirken mit einem Oberkapitän an der Spitze 
die ungarische Tiefebene bevölkerten. 8 ) 

Das Gebiet der Kumanen in Ungarn besteht aus zwei 
selbständigen Distrikten. Im Osten der Theiß, südlich der 
Jazyger, liegt „Cumanorum Regio" 4 ), Großkumanien, mit dem 
Hauptort Kartzag uiszalas ( Karezag), zwischen der Donau 
uud Theiß der Distrikt „Cumani minores", Kleinkumanien, 
mit dem Hauptort Kiskunfelegyhäza. 5 ) 

Mit dem „Bacsensis Regio" im Com: Borlrogiensis be- 
zeichnet die Karte die im südlichen Teile des Bäcs-Bodroger 
Komitats gelegene Landschaft Bäcska. 

An der ungarisch-siebenbürgischen Grenze finden sich 
die Namen von folgenden vier Komitatsbezirken, welche 



») Gehört seit 1876 zu dem neugebildeten Hajdukenkomitat. 

*) Im Jahre 1806 erscheint in vorgenannter Karte von Lipszky 
Tisza-Polgär nicht mehr im Hajdukendistrikt. in der politischen Ein- 
teilung heißt es: „Privileg: Oppidor: Hajdonical: sub Excelso Consil: 
Reg., Oppida 6, Praedia 4, Mill. geonr. Quad. 178." 

*) Sie wurden 1876 in das neugebildete Komitat Jäsz-Nagy-Kun- 
Szolnok eingeteilt. — Nach Lipszkys Karte von Ungarn 1806 hatte 
der sub: „Palatino ßegni" stehende ..Distrietus Jazygum" B Städte, 
8 Dörfer und Weiler, 5 Landgüter und 17 6 geogr. Quadratmeileu 
Flächeninhalt. 

*) Im Jahre 1876 wurde Großkumanien in das Komitat Jasz- 
Nagykun-Szolnok und Kleinkumanien in das Komitat Pest-Pilis-Solt- 
Kiskun eingeteilt. — Nach Lipszky hat das sub „Palatina Regni" 
stehende „Cumaniae majoris" (Nagy Künsäg) 1 Stadt, 5 Dörfer, 16 
Landgüter und 20 geogr. Quadratmeilen Fläche, „Cumaniae minoris" 
(Kis Künsäg) 8 Städte, 5 Dörfer, 37 Landgüter und 47-8 geogr. Quadrat- 
meilen Fläche. 

•) Dieser Ort kommt in Müllers Karte uicht vor. wohl aber 
die Orte Hailas Kiskunhalas), das ganz verzeichnete Philipp Szalas 
(Fülöpszälläsi und Szabat Szalas (Szabadszällas). 



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62 



Paldui. 



offenbar für die politische Einteilung in Siebenbürgen von 
Bedeutung waren, da sie, als die einzigen in der ganzen 
Karte, angeführt sind : „Processus l ) Kövar" 2 ) im Norden 
von Siebenbürgen mit dem Schlosse Kövar, im Westen 
„Processus Desnensis" (Dezna) sowie „Processus Almagy'' 
mit dem Orte Almagy i Nagy-Halmagy) im heutigen Arader 
Komitat und „Processus Brad' ? mit dem Orte Brad (Brad) 
im heutigen Hunyader Komitat. 

Im Komitat Ung ist das Quellgebiet des Latorcza- 
(Laborc-)Flusses mit Kreyna superior und dasjenige der Ung 
mit Kreyna inferior bezeichnet. 

Principatus Transylvaniae. 3 ) Das im Karlowitzer Frieden 
in den endgültigen Besitz Kaiser Leopolds I. gelangte 
Fürstentum Siebenbürgen war in der Zeit, als die Karte 
von Ungarn entstand, der Schauplatz kriegerischer Ereignisse. 
Franz R ä k 6 c z y, vom ungarischen Adel und den Szeklern 
zum Fürsten des Landes ausgerufen, trachtete dasselbe 
gegen den Kaiser zu behaupten und erst im Frieden von 
Szatmar 1711 wurde die Ruhe wieder hergestellt. 

Eine Regelung der politischen Einteilung 4 ) des Landes 
war daher offenbar unmöglich und tatsächlich enthält die 

') Processus Järas) Bezirk einer Gespanschaft in Ungarn. 

*) Im heutigen Komittit Szatmär und Szolnok-Doboka gelegen. 
In Lipszkys Karte von Ungarn ist Districtus Kövar und Fogaras 
außer der Komitatsointeilung als „Districtus Hungarorum" bezeichnet. 
Kövar hat 4 Processi : Berkesiensis, Bunviensis, Nagy-Somkütensis 
und Vaadiensis. — Processus Desnensis liegt im Komit. Aradiensis, 
und zwar im Processus Boros-JenÖiensis, dagegen Processus Almagy 
und Brad in Siebenbürgen, im Komit. Zarändiensis als Processus 
Halmagyiensis und Bradiensis. 

3 ; Im „Theatrum Orbis Tcrrarum" von O r t e 1 i u s 1592 ist 
die Karte „Transilva niu Haue ultra vel Trausilvaniam. quae et Pano- 
Dacia, et Dacia Ripesis, vulgo Sibemburge dicitur, edidit Vienne A. 1566 
Nobili-s. atqu. Doctiss. Jü-s Sabucus Pannonius*' (i : 470.O00) ent- 
halten, welche nach H a n t z s c h (Sebast. Münsters Leben etc., Leipzig 
1898) eine peinlich genaue, ganz unselbständige Nachahmung der 
Reichersdorfer Karte von Siebenbürgen 1541 sein soll. Über dio 
älteste Karte von Siebenbürgen von Joh. Honter aus dem Jahre 1682 
vergl. Dr. Siegm. G ü n t h e r, Johannes Honter, der Geograph Sieben- 
bürgens. Mitt. d. k. k. Geogr. Gesellsch. i. Wien 1S9S, 643—63.) 

*) Eine Einteilung Siebenbürgens in Komitate enthält vor 
Müller die Karte S a nsons „Theatre de la (xterro en Hongarie, 



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Ein Beitrag aur vaterländischen Kartographie. 



63 



Karte Müllers keine Komitatsbezeichnungen mit Ausnahme 
des an der ungarischen Grenze gelegenen Komitats Zolnok- 
interior. Anstatt einer politischen Einteilung trägt die Karte 
folgende Inschriften: im Nordosten: ,,Sedes Seculicae'', als 
Sitz der den Urtypus des Magyarentums tragenden Szekler, 
welche lange Zeit als Verteidiger der Grenze sich freiheit- 
licher Rechte erfreuten. Im Süden : „Sedes Saxonicae", als das 
Land der eingewanderten Deutschen, der meist gewerbe- 
treibenden Sachsen. Im Quellgebiete der Maros liegt das 
reizende Tal Giergio (Gyergyö). 

Bei Kronstadt ist die zumeist von Sachsen bewohnte 
fruchtbare Gebirgslandschaft „Bortzerland*' (Burzenland) ihren 
Namen von dem in die AI ata mündenden Burzenbach 
(Burza) tragend, mit dem Burzenländer Gebirge im Süden. 
Nördlich davon breitet sich die von der Aluta durch- 
flossene, größte und anmutigste Ebene Siebenbürgens, die 
,.Haromszek'' aus. 

Am Westfuß der Transylvanischen Alpen steht „Vallis 
Haczeg"', das malerisch-schöne Hätszeger Tal, in dessen 
Hintergrund sich der gewaltige Retvezat erhebt. 

Croatiae Regnum. ') Das Königreich Kroatien scheidet 
sich in der Müll ersehen Karte von dem Königreich Sla- 



Transilvanie" etc. Nach Müller enthalt die politische Einteilung des 
Landes die interessante Karte: „Xova et accurata geometrica Alappa 
Daciae Mediterraneae seu moderni Principatus Transilvaniae etc. cura 
Architecturae Militaris Protribuni Joli. Conradi de Weiß commensurata 
et delineata" Lutsch delin : 1:180.000. 12 gez. Blätter mit 1 Band 
Beschreibung. 1735. (K. A.. Kartenabt. B IX a 718») Die beste Karte 
von Siebenbürgen nach Müll e r im XV r Ill. Jahrhundert ist die große 
Aufnahme des Landes zur Zeit Kaiser Josefs LI., die sogenannte 
Josefiiiische; sie führt den Titel: „Original-Aufnabms-Karte des Groß- 
fürstenthums Siebenbürgen, geometrisch aufgenommen und bearbeitet 
in den Jahren 1 7G1> — 1773 unter der Direction des Obristen von 
Fabris" etc. 1:28.800, 280 gez. Blätter mit4Bd Boschreibung. (K. A., 
Karteuabt. B IX a 715.) 

') Ortelina, Theatrum Orbis Terrarum 1592, bringt auf 
S. 88 eine Karte von: ,,Schlavoniae Croatiae, Caruiao, Istriae, 
. Bosniae, finitimarum(jue regionum nova descriptio, Auetore Augustino 
Hirsvogel io". 1 gest. Blatt, nicht datiert ; sowie auf S. 87, eine 
Karte von ,.Ul\Ticum", von Joan. Sambucus. 1572. 1 gest. Blatt. 
Selbstän-Jigo kartographische Arbeiten über Kroatien und Slavo- 



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64 



P a 1 d u •. 



vonien durch eine Linie, die von Jasenovac an der Ein- 
mündung der Una in die Save stromaufwärts der letzteren 
an die Lonja führt, welche wieder mit ihrem linksseitigen 
Nebenfluß, der Öesma, bis H. Creutz (Kriz) die Grenze 
bildet. Von hier übersteigt sie die Claudius sive Garievitza M. 
(Moslavaöka pl., Garjevica Wald), führt im Bogen, östlich von 
"Welovar (ßelovar) das Bilogebirge querend, an Xovigrad 
vorüber nach Sigetl (Sigetec) an die Drau. 

Die Grenzlinie nach dem Karlowitzer Frieden trennt 
Kroatien vom ottomanischen Reiche. Eine Linie längs des 
Verbas-( Vrbas-)Flusses die nördlich Knin die kaiserliche 



nien beginnen erst mit den militärischen Aufnahmen unter Kaiser 
Josef II. Ein genaueres Eingehen in dieses großartige Denkmal 
vaterländischer Kartographie überschreitet weit den Rahmen dieser 
Studie, doch mag ein kurzes Anführen der, so lange Zeit als Staats- 
geheimnis betrachteten, bis jetzt beinahe unbekannten kartographischen 
Werke einen kleinen Einblick in die im k. und k. Kriegsarchiv auf- 
bewahrten Schätze gewähren: „Militärische Mappa von Provincial- 
Croatien (aufgenommen unter der Direction des Obristlieut. Jene y)". 
1:28.800. 71 gez. Blätter mit 1 Bd. Beschreibung. 1783—1784. (B IX a 
766.) — „Militair Charte der Banal Gränitz. von Obristwachtmeist. 
v. B r a d v". 1 : 28.800. 25 gez. Blätter mit 2 Bd. Beschreibung. 
1774 bis 1775. (B IX a 771.) — ( t .Aufnahm*karte der Banal-Grenze. ver- 
bessert von Obristlieut. Jeney.") 1:28.800. 19 gas. Blätter mit 1 Bd. 
Beschreibung. 1780. (B IX a 772.) — I '..Aufnabiuskarts des Carlstädter 
Generalats. von Maj. Jeney. 1775 bis 1770, nebst dem zufolge des 
Sistower Friedens im Jahre 1791 acqiürirten Districts an der Una, von 
Maj. Boxich.i 1791-1794." 1:28.800. »0 gez. Bätter mit 1 Bd. 
Beschreibung. (B IX a 78b.) — ..Aufnahmskarte des Warasdiner 
Generalats, von Obristlieut. Jeney.". 1:28.800. 20 gez. Blätter mit 
1 Bd. Beschreibung. 1781-1782. (B IX a 870.) — „Militair Mappa des 
Sclavonischen Generalats." 1:28.800. 51 gez. Blätter mit 1 Bd. Be- 
schreibung. 1780—1781. (B IX a 878) und die ..Große Sclavonische 
Provincial-Charte." 1 : 28.800. 66 gez. Blätter mit 1 Bd. Beschreibung. 
1781 — 1782. (B IX a 870.) sowie die ^Ökonomischen Aufnahmen des 
Broder Grenzinfanterieregiineuts Nr. 7." 300 gez. Blätter mit 16 H. Be- 
schreibung. (B IX a 887.) — ,.des Gradiscaner Grenz - Regiments." 
300 gez. Blätter mit 8 H. Besehreibung. (B IX a 807.) — ..des Peter- 
wardeiner Grcnz-Infanterie-Hegiraents." 424 gez. Blätter mit 18 H. 
Beschreibung. (BIXaOO ;.) — und des ..Czaikisten-Bataillons." 10P> gez. 
Blätter mit 3 H. Beschreibung. (B IX a 916.) Die ökonomischen Auf- 
nahmen sind im .Maße 1 : 7.2'J0 und 1:3.600 gehalten und 1780—17^2 
ausgeführt. 




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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



65 



Grenze trifft, scheidet das Bosnae ßegnum von dem soge- 
nannten Türkisch-Kroatien. 

Die Grenze gegen Venetianisch-Dalmatien bildet zum 
großen Teile die Zermania iZrmanjaj. 

Was die politische Einteilung von Kroatien betrifft, 
enthält die Karte 6 Komitatsbezeichnungeu : Comitat Licca 
und Corbavia (Lika-Krbava), Zagrabiensis (Agram), Crisien- 
sis ( Belovar- Kreutz), Sagoriensis und Varasdinensis (Warasdin). 

Slavoniae Regnum. Das zwischen der Donau, Drau und 
Save liegende, von Kroatien durch die früher angegebene 
Grenzlinie getrennte Königreich Slavonien besteht aus dem 
Com: Possigieusis (Pozegai, Valponensis (teils Virovitica 
[Veröcze], teils Syrmiem, Veroczensis (Virovitica [Veröcze]) und 
dem Sirmium Ducatus 1 ) iSyrmier Komitatj. 

Das Terrain in der Karte ist in der Hiigelmmier dar- 
gestellt und weist einen Fortschritt im Vergleich zu anderen 
zeitgenössischen Werken nioht auf. Dort, wo die Gebirge in 
gewaltigeren Dimensionen auftreten, wie in den Karpaten, 
zeigt die Karte eine etwas dichtere Anhäufung von Kuppen- 
formen. Einen Unterschied zwischen Hochland, Karstterrain 
oder Bergland macht die Karte nicht. Die große ungarische 
Tiefebene, das Alföld, ist von ausgedehnten Sumpfstrecken 
bedeckt, die besonders häufig an der Donau und Theiß sowie 
im Temesvärer Banat vorkommen. 

Die Karpaten tragen in ihrem westlichen Teile, den 
Westkarpaten, keine Gebirgsbezeichnungen, mit Ausnahme 
der Babahora M. (der heutigen Babia Gora in den Beskiden) 
und der westlich davon gelegenen Katzka M. (?). Der reich- 
bewaldete Grenzkamm des karpatischen Waldgebirges von 
Poprad bis an das Siebenbürgische Hochland wird als 
Montes Carpathici bezeichnet. Am Ursprung der Latorcza 
steht Beskit M. und westlich von 6-Radna an der sieben- 
bürgischen Grenze Hagytnas M. (Lapos Hegyseg). Vom 
inneren karpatischen Bergland ist die wildromantische, dunkel- 
blaue Seen, die sogenannten Meeraugon bergende Hohe Tatra 
mit Carpathici Montes, und darin nur der Kriwany M. (Krivan) 

') Im Frieden von Karlowitz vom Kaiser Leopold I. zum 
großen Teile erworben. Die Familie Odescalchi erhielt kievon die 
Herrsckaft lilok mit dem Titel eines Herzogs von Syrmien. 

Mi teilungen des k und k Kriogäa chivs Dritte Fo'.ge. V. Bd. 5 



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66 



P a 1 d n f. 



benannt. Das an Edelmetallen so reiche ungarische Erzgebirge 
oder die Ostrowsky-Gruppe ist durch die Angabe der früher 
erwähnten Bergstädte gekennzeichnet. 

Dem Siebenbürgischen Hochland mangelt auf der Karte 
jede Beschreibung, nur an seinem Südrand, in den Transyl- 
vanischen Alpen, dem höchsten und wildesten Teile des 
Landes, ist im heutigen Fogaraser Gebirge der Name 
Kertz M. zu finden. Westlich von Abrudbänya, l ) im gold- 
reichen siebenbürgischen Erzgebirge, ist eine Gebirgsgruppe 
mit Vulkan M. benannt und an den Quellen der Maros steht 
Tarkü M. 

An die kahle Platte des liburnischen oder kroatischen 
Karstes schließen sich in der Karte folgende Gebirge an. 
Die Capeila M. (heute in die große und kleine Kapela unter- 
schieden) mit dem Kiek M. südlich von Ugolin (Ogulim, dem 
Hum M. (Humac) und dem Pratsanatz (Brocanska kosa\ 
die Pljessevitza M. (Pljesevica planinai mit dem Vratsar M. (?), 
Tschemernitza M. (Cemernica ? f , Popina M. (heute ein Orts- 
name, Popina vk. und ml.), sowie dem Kom M. und endlich 
das Küstengebirge der Velevics M. (Velebit). 

Die Greuzscheide zwischen der kleinen und großen 
ungarischen Tiefebene, der Bakonyer Wald, ist in der Karte 
Bacon sylva benannt. 

Das Tiefennetz der Karte muß als ein reiches bezeichnet 
werden: vom fehlerhaften Verlauf der kleineren, meist 
schematisch gezeichneten Flüsse abgesehen, zeigt die Dar- 
stellung des Flußnetzes einige gröbere Mängel. Vor allem 
fällt dessen fehlerhafte Anlage in Siebenbürgen auf. Da 
ist es der steif nach Nordost gerichtete, weit über 47° n. Br. 
reichende Oberlauf der Maros und der etwas deformierte Lauf 
der Aluta, welche die Form des Landes verändern und seine 
Lage zu Ungarn etwas nach Nordosten verschieben. Ebenso 
in die Augen fallend ist der stark nach Südost gerichtete ge- 
radlinige Lauf der Drau von Le'grad bis zur Mündung. So 
fehlerhaft auch das Flußnetz Oberungarns im Vergleich mit 
den jetzigen Karten erscheinen mag, so groß ist der Fort- 

') In Lazius, Karte von Ungarn 1556, findet *ich bei Offenburg 
(Offenbänya bei Abrudbänya) das Zoicben eines Bergwerkes. Die Karte 
Müllers entbalt keine auf den Bergbau bezüglieben Daten. 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



67 



schritt gegen die Karten des Landes aus dem XVII. Jahr- 
hundert. 

An stehenden Gewässern findet sich der Balaton 
Lacus (Plattensee^ der Peiso Lacus ' Neusiedlersee, Fertö tava) 
mit dem großen Sumpfe Hansäg, der Krapatzitz Lac. (bei Kore- 
nica, heute ausgetrocknet), der Jastravitza Lac. (heute Savska 
suma bei Jasenovac. die Plitvicer Seen etc. 

Von den Kulturen sind die Wälder durch Baumgruppen 
dargestellt. 

In bezug auf das topographische Detail unterscheidet 
die Karte noch folgende Bezeichnungen : Fortalitium ^Festun- 
gen und feste Plätze) ; a) In Ungarn : Arad, B&cs, Boros Jenö, 
Caschau (Kassa), Comorn (Komärom), Csakaturn (Csäktornja) 
Debreczin (Debreczen), Edenburg (Sopron), Eisenstatt (Kis- 
märton), Etsed (Nagy-Ecsed), Giula (Gyula, Komitat Bekes), 
Groswardein Nagy-Värad), Gran (Esztergom), Kiswarda (Kis- 
Värda, Komitat Szabolcs), Leopoldstadt (Lipotvar), Neuheusel 
(Ersekujvar), Ofen-Pest (Budapest), Patak (Särospatak), Pres- 
burg (Pozsony), Raab (Györ), Sarvar, Seret (Szered), Stul- 
weissenburg (Szekesfehervär), S. Job (Szent-Jobb), Tokay, 
Udvarhely t.Szekelyudvarhely), Ungar. -Altenburg (Magyar- 
Övar), Ungvär, Zatmar (Szatmar - Nemeti) und Zegedin 
(Szeged); b) Im Temesvärer Banat: Temesvar (Temesvar); 
c) In Siebenbürgen : Bistriz (Beszterce), Clausenburg (Kolosz- 
var), Cronstat (Brassö), Fogaras, Hermanstadt (Xagyszeben), 
Medies (Medgyes), Millenbach (Szasz-Sebes), Szamosuivar 
(Szamos-Ujvär), Schesburg (Segesvar) und Weissenburg (Karls- 
burg, Gyulafehervär) ; d) In Kroatien: Carlstadt { Karlovac), 
Ivanits (Ivanic), Kastanovitz (Kostajnica), Petrinja, Siszek 
(Sisak) und Varasdin (Warasdin); c) In Slavonien: Brod, Eszek 
(Esseg), Gradisca (Gradiska), Illok (Ilok), Kraljova velika 
(Kraljeva vk.) und Peterwardein. 

Urbs, Opidum, Arx seu Castellum, Pagus, Archi- 
Episcopatus. Abbatia, Monasterium, Monasterium majus et 
Graecum, in Yalachia tantum. 

Durchgehende Kommunikationen sind in der Karte nicht 
enthalten, nur an den Grenzen von Siebenbürgen werden die 
Gebirgsübergäuge als Straßen bezeichnet. Von Barina (Ü-Radna) 
führen zwei Übergänge über das Rodna-Gebirge (Rodna 

5* 



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68 



P a 1 d u s. 



hegyseg) nach Ungarn und einer nach Polen, von Felsöborgo 
(Borgö-Prund) ebenfalls zwei Übergänge nach Polen. Fol- 
gende Pässe (Portas) überschreiten die Siebenbürgischen 
Karpaten: Ghemes (G} r imes), Oitos (Ojtoz), Busa (Bodza), 
Themes (Tomas), Törzburg (führt nur den Namen Porta), 
Porta iuris rubra (Rothenthurm) und der Vulkan Paß. Von 
Hätszeg fuhrt der Eiserne Tor-Paß (Porta ferrea) in das 
Temesvarer Banat. In den "Westkarpaten bezeichnet eine Ver- 
bindung von Csacza nach Jablunkau den heutigen Jab- 
lunka-Paß. 

Die Schrift, ist klar und deutlich, die Namen der 
Festungen und befestigten Plätze sind hervorgehoben, auch 
die ungarische Benennung ist den bedeutenderen Städten 
beigesetzt. 

Die Karte Ungarns von J. Chr. Müller 1 ) war für jene 
Zeit eine musterhafte kartographische Leistung. Obwohl noch 



•) Nicht unerwähnt können hier die Karten üher Ungarn bleiben, 
welche in dem vom Grafen Marsigli im Jahre 1726 herausgegebenen 
"Werke über die Donau „Dauubius Pannonico-Mvsicus" erschienen. 
Die Zeit ihrer Entstehung fallt ollenbar in den Aufenthalt Marsiglis 
in Ungarn am Ende des XVII. und am Anfang des XVIII. 
Jahrhunderts. Sie sind nicht als topographische Karten im Sinne 
der Müller sehen aufzufassen, sondern behandeln die hydrographi- 
schen und montanistischen Verhältnisse sowie die römischen Alter- 
tümer des Landes. Die große Karte über die Donau ist als ein 
erstklassiges Werk der damaligen Zeit zu betrachten und führt den 
Titel ..Mappa generalis in qua Danubii, Fl. Caetium Montem inter et 
Bulgariae Humen Jautram. intereepti tractus integer in subsequentibus 
XVIII. Sectionibus divisim specialissinie exhibendus repracsentatur. 
Notandum sectionibus illis lineolas per transversum secantes danubium 
iisque interpositos numeros respondere item per signa urbem munitam, 
aut arcem, opidum, pagum indicari". Sie besteht aus 18 gest. Sektionen 
im Maße 1 : 100.000 und einem Übersichtsblatt 1:850.000. Die Grad- 
einteilung der Karte ist nicht im Einklang mit den Entfernungen der 
Orte untereinander, welche vielfach für den Maßstab 1 : 7't.OOO passen. 
Die Biegungen der Donau von Budapest bis zur Mündung der Drau 
sind stark verzeichnet, was in Müllers Karte vermieden ist. Auch die 
Breite de< Stromes ist besonders in seinem Unterlauf über das Maß 
gehalten. Die beinahe übereinstimmende Gradeinteilung mit dor großen 
Müll ersehen Karte von Ungarn, die Gleichheit in der Darstellung der 
Ortlichkeiten mit der von Müller gezeichneten Grenzkarte des Karlo- 
witzer Friedens 10'JO, die für Müllers gezeichnete Karten beinahe 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 69 



mit zahlreichen Fehlern und Mängeln behaftet, enthält sie 
doch eine Darstellung des Landes, welche zum ersten Male, 
wenigstens teilweise, auf Vermessungen beruht. 

Am 27. August 1716 gab die ungarische Hofkaramer 
dem Begistrator Puch berg den Auftrag, von den nach dieser 
Originalkarte gestochenen Kupferplatten sofort 200 ungarische 
Landkarten auf Papier und 10 auf Atlas oder gutem weißen 
Taffet drucken zu lassen 1 1, die für den beginnenden Feldzug 
gegen die Türken als Operationskarte dienen sollten. Obwohl 
die beste Karte über Ungarn in damaliger Zeit, war sie doch 
für die Postierung der kaiserlichen Armee in Serbien 1717/18 
wegen zu geringer Aufklärung der topographischen Ver- 
hältnisse nicht ausreichend. 

Die vom Ingenieurobristwachtmeister Cyriacus Blödtner 
gezeichnete Karte des ungarischen Kriegsschauplatzes vom 
Jahre 1716, wo er in der kaiserlichen Armee als General- 
quartiermeisterleutnant in Verwendung stand, beruht in ihren 
Grundzügen ganz auf der Müll ersehen Karte von Ungarn. 
Sie führt den Titel: „Carte Über Dero Rom: Kayserl: 
u. Cathol. Myt. Haubt Arm^e Gloriosen Feldzug in dem 
Königreich Ungarn A° 1716. Unter Glorreichster Regierung 
Sr: Rom. Kayserl: und Cathol: Majestät Caroli VI. und unter 
Commdo Sr. Des Herrn Prinzen Eugeny von Savoyen H. F. 
Dl. Rom: Kayserl: und Cathol: Mayt. Hoff- Kriegs -Raths- 
Praesidenten und General Lieut. gegen Der Fried -Brüchigen 
Türckischen Armee unter Regierung Des Gros Sultan Achmet III. 
uud unter Commdo Dessen Gros-Veziers Ali Pascia, worinnen 
alle gethane Marches und Contre Marches beyder Seits Armeen, 
wie auch Schlacht und Belagerungen sambt andern vorge- 

typische Windrose mit der Angabe der magnetischen Deklination, sowie 
das soinerzeitige dienstliche Verhältnis Müllers zum Oralen Marsigli, 
legen die Vermutung nahe, daß Ingenieur Müller der. Zeichner dieser 
Karte gewesen, ohne ihr Autor zu sein. Leider ist auf den Sektionen 
der Stecher nicht angegeben, auf dem TiU-lkupiVr des "Werkes steht : 
,,F. Ottens delineavit et fecit 1725." (Frederik Ottens lebte in Üelft, 
stach und zeichnete Titelblätter und Vignetten. Naglers Künstler-Lew i 
Sollte sich diese Annahme als richtig erwei*en, so wäre die>e Karte 
eine bisher unbekannte Arbeit Müllers. 

') Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen, XVI, G9. 



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70 Paldus. 

fallenen Kriegs-Expeditionen wie Solches in der beygefügten 
Relation mit mehrern zu ersehen angezeiget seyud. Sr. Des 
Herrn Prinzen Eugeny von Savoyen Hochfürstl : Durehleucht 
übergiebt aus untertänigster Devotion Ew. Hochfürstl. Durchl. 
unterthanigst gehorsambster C. Blödner K. G. Qm. Lieut." l ) 
1 : 383.000. 4 gez. Blätter Pergament. 

Die Karte umfaßt das südliche Ungarn östlich der Donau 
ohne Siebenbürgen, hat keine Gradeinteilung und enthält 
keinerlei wissenschaftliche Verbesserungen. Obwohl streng auf 
Müller füüend und insoferne keine selbständige kartographische 
Arbeit repräsentierend, gewinnt diese Karte, abgesehen von 
ihrer eleganten Ausfuhrung, durch die Menge der Nachträge 
sehr an Interesse. Unter diesen sind besonders die Straßen mit 
den Poststationen sowie die Marschlinien der Truppen hervor- 
zuheben. Freilich passierte es dabei dem Verfasser, daß er 
die Orte Szabadszalläs mit Fülöpszällas (Philip Szalas) ver- 
wechselte. Die Karte ist eine prächtig in Farben und Gold 
ausgeführte Zeichnung auf Pergament, mit einer schönen 
Titelvignette und Erklärung geschmückt. Sie bildet den 
Schluß der vom vorgenannten Ingenieur kunstvoll auf 
Pergament in Farben gezeichneten Operationskarten zu den 
Feldzügen des Prinzen Eugen von Savoyen und zählt zu 
seinen besten Leistungen. Das k. und k. Kriegsarchiv besitzt 
eine türkische Originalkarte, welche in der Schlacht bei Peter- 
wardein am 5. August 1710 von den Kaiserlichen erbeutet 
wurde. *) Sie umfaßt die europäische Türkei und die an- 
grenzenden Länder mit Ausnahme Griechenlands 1:1,100.000 
und besteht aus vier gezeichneten Blättern in Farben. Ungarn 
östlich der Donau heißt ,.Memleket magyar", westlich der 
Donau „Aschagia magyar" (Nieder -Ungarn), Siebenbürgen 
führt den Namen „Memleket Irdal" etc. Die Karte besitzt eine 
Gradeinteilung, welche annähernd mit der in Müllers Karte 
von Ungarn übereinstimmt. Der Lauf der Donau ist von 
Gran abwärts richtig gestellt und die Beschreibung in türkischer 
Sprache. 

Sehr gut wurde die Karte Müllers von Ungarn von 
J B. Humann nachgestochen „Regnorum Hungariae. Dal- 

») K. A.. Kartenabt. H III d. 
») K. A., Kartenabt. B lila 41. 



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Ein Beitrag znr vaterländischen Kartographie. 71 

niatiae, Croatiae, Sclavotiiae, Bosniae et Serviae cum Prin- 
cipatu Transylvaniae, maximaque Parte Valachiae nova et 
exacta tabula ex Archetypo Mülleriano, S. C. M. Capit. et 
Ingen, desuinta viisq Veredariis ac Novissimae Pacis Passaro- 
vicensis Confiniis aucta a Jo. Bapt. Horn anno S. C. M. 
Geographo Norimbergae." l ) 1 : 766.000. 4 gest. Blätter. Sie 
enthält die Grenzen nach dem Passarovitzer Frieden 1718 
und die Postrouten. 

Die besten Karten von Ungarn nach Müller, bis zur 
regelrechten Triangulierung des Landes am Beginn des 
XIX. Jahrhundertes , bildeten die unter Kaiser Josef IL 
durchgeführten militärischen Aufnahmen, *) welche jedoch als 
Staatsgeheimnis der wissenschaftlichen Verwertung verschlossen 
blieben. 

Karte von Mähren. 

Die älteste Karte der Markgrafschaft Mähren 5 ) hat Paul 
Fabricius, Mathematicus und Leibmedicus Kaiser Ferdi- 
nands I. im Jahre 1570 herausgegeben. Nachdem die Kupfer- 
platten derselben in Verlust gerieten, erschien im Jahre 1575 
eine kleinere Karte von ihm unter dem Titel : „Chorographia 
Marchionatus Moraviae. Die Landtschafit des Marggrarltumbs 
Marhern etc. Paulus Fabricius Caes - Math -Mo - Do." 1575 

• 

(1 : 380.000). Sie wurde von einigen mährischen Baronen neu auf- 
gelegt unter dem Titel: „Moraviae, quae olim Marcomannorum 
Sedes, Corographia, A. D. Paulo Fabritio Medico et Mathe- 

') K. A., Kartenabt. B IX a 493. 

*) (Original- Aufnahmskarte von Ungarn. Aufgenommen unter der 
Direction des Obristen Neu und Ohristlieutenant Baron Motze] des 
Generalquartiermeisterstabes in den Jahren 1782-17^5.) 1 : 28.800. 96.") gez. 
Blatter mit 7 Bänden Beschreibung. (K. A., Kartenabt. B IX a 527.) 
Das Temesvärer Banat wurde für «ich mappiort. (Original-Aufnahmskarte 
des Temesvärer Banats. Aufgenommen in den Jahren 17(59 — 1772 unter 
der Direction des Obristen Elmpt des Generah juartiermeisterstabes. 
1:25.2(K).) 208 gez. Blätter. (K. A., Kartenabt. B IX a 577.) 

J ) Vergl. d'Elvert, Geschichte der Landkarten von Mähren und 
Österr.-Schlesieu". Schriften der hist.-statist. Sektion Brünn 1853, V. 
H.. 79. — J. Matzura, Die ältesten und älteren Landkarten von 
Mähren. (Museum Francisceum Auuales Brunae 1890, 2G5--324) sowie 
die Arbeiten des Prof. Heinr. Metelka im „Casopis Musea Krälovstvi 
(Vskeho 1892" etc. 



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72 



Paldns. 



raatico descripta: et a generosis Moraviae Baronibus quibusdam 
correcta." *) (1:450.000.) 1 gest. Blatt — und vom Leib- 
arzt des Kaisers Maximilian EL, Dr. Joh. Crato, an Abr. 
Ortelius übersendet. 

Es folgt nun die Karte des berühmten Joh. Arnos 
Comenius, eine Verbesserung des Fabricischen Kartenbildes 
von Mähren unter dem Titel -) : „Moraviae Nova et Post 
Omnes Priores Accuratissima Delineatio. Auetore J. A. Co- 
menio. A. Goos sculpsit." 3 ) 

Von Comenius bis auf Müller soll nur noch, von den 
vielen Nachstichen niederländischer Kartographen abgesehen, 
der großen, schön ausgeführten und selten gewordenen Karte 
des berühmten G. M. Vischer*) gedacht werden. Sie führt 
den Titel: „Moravia Marchionatus Perlustratus & Delineatus 
a G. M. Vi scher Tyrolensi Mathematico Caesareo. Johannes 
Tscherning sculpebat Brigae/' 12 gest. Blätter (1:185.000), 
mit den Ansichten von „Ollmütz" und „Brünn mit der Vöstung 
Spilberg". Ober dem Maßstab befindet sich das Porträt 
Vi schers mit der Inschrift: „Aetatis suae 64 comp. A. 1692, 
April 22.", darunter eine Magnetnadel und ein Wappen 
mit der Inschrift: „Vates Obtemperat Fatis." Das Wappen 
enthält einen Fisch und darüber einen Lorbeerkranz. 5 ) Sie 
ist eine ganz artige Karte, ohne jedoch die auf Messungen 
beruhende Karte des Joh. Christ. Müller annähernd zu 
erreichen. 

,, Tabula Generalis Marchionatus Moraviae in sex circulos 
divisao quos Mandato Caesareo accurate emensus hac mappa 

l ) Ortelius, Theatrum Orbis Terrarura l.i9*2. 

*) Matzura, Dio ältest. u. alt. Landkart, v. Mähren, 287. 

•) In dem Atlas Mercator-Hondius 1(533 erscheint sie unter 
dem Titel: „Marchionatus Moraviae." Auct. J. Comenio. Amstelodami. 
Excudit ITenricus Hondius (1 : 405.000). 1 gest. Blatt. In dem Werke: 
„Mars Moravicus. Sive Bella horrida et cruenta etc. descript, ä Th. J. 
Pessina de Czechorod" 1G77, ist die Kopie der Karte de9 
Comenius als ..Moraviae olim Regnum nunc Marchionatus?. Sam. 
Dwörzak sc". 1077, 1 : 470.QOO, 1 gest. Blatt, auf S. 61 beigegeben. 
Sie besitzt eine Kreiseinteilung. 

4 ) Das Landkartenkabinett der erzhorzogl. Kunstsammlung Alber- 
tina in Wien besitzt ein Exemplar. 

6 ) Vergl. Matzura, Die ältest, u. alt. Landkart. v. Mähren, 299. 



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Ein Beitrat; znr vaterländischen Kartographie. 



73 



delineatos exhibet Joh. Christoph Müller S. C. M. Capitaneq. 
1:180.000. 4 gest. Blätter. 1 ) 

Hauptmann Müller schuf die Karte in den Jahren 
1708 bis 1712. Der Kupferstecher J. Christ. Leidig in 
Brünn stach sie auf Kosten der mährischen Stände im 
Jahre 1716. 2 ) 

Das k. und k. Kriegsarchiv besitzt ein auf Seide ge- 
drucktes Exemplar dieser sogenannten „ständischen Karte von 
Mähren". Das nordöstliche Blatt weist bei Ratibor Ergänzungen 
auf, welche nach der Art ihrer Terrain darstellung auf eine viel 
spätere Zeit hinweisen. Es handelt sich hier wahrscheinlich 
um die iin Jahre 1790 3 ) neu aufgelegte und auf dieser Kupfer- 
platte ergänzte Karte des Landes. Diese spätere Auflage 
hat auch eine quadratische Einteilung zum Aufsuchen der 
Ortsnamen, 4 ) wozu das aus zwei Bogen bestehende „Register 
über die große Mährische Landt-Karten" dient. Der Maßstab 
der Karte zeigt 4 mährische Meilen, die Meile zu 2 Stunden 
= 5 cm. Der Wert einer mährischen Meile ist nicht angegeben, 
nach d'Elvert betrug er 5000 Klafter"'). Ein Gradnetz fehlt 
auf der Karte, dagegen ist am Rande eine Gradeinteilung mit 
einer Unterteilung von 2 zu 2 Minuten angebracht. 

Sie ist eine rechteckige Plattkarte, 95-5 cm hoch und 
136 cm lang, mit einer Fläche von 1*3« ! , der Längengrad 
hat die Größe von 37 cm oder 7-5 mährischen Meilen, ein 
Breitengrad mißt 59 5 cm und enthält 12 mährische Meilen. 

») K. A., Kartenabt. B IX a 152. 

*) Nach Vollendung der Karte im Jahre 1716 gelangten 50 Ab- 
drücke derselben an den mährischen Landeshauptmann Graf Coli oredo 
(Resk. 13. Aug. 1716). — (D'Elvert, Gesch. d. Landkarten v. Mähren 
u. Österr.-Schlesien, 86.) 

3 ) „Im Jahre 1710 wurden wegen der damaligen Kriegsanständo 
neue Abdrücke der mährischen Landkarte, da in der ständischen Regi- 
stratur kein Exemplar mehr vorhanden war, von den Kupferplatten 
gemacht. Die Auflage sollte bei dem Brünner Buchhändler Joh. Gastl 
gegen 1 fi. 30 kr. per Exemplar gedruckt und der Verschleiß der stäu- 
dischen Registratur gegen bare Bezahlung von 3 fl. per Exemplar über- 
geben worden." (Archiv d. k. k. Minist, d. Innern, 1790, 55 ex Majo. — 
IIA 2.) 

*) Bei den übrigen im k. und k. Krieg-archiv befindlichen nicht 
ergänzton Exemplaren erscheint eine solche Einteilung nicht. 

*) D'Elvert, Gesch. d. Landkarten v. Österr.-Schlesien, 86. 



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P a Idas. 



Geographische Lage von Mähren. 



Nach Müller 



K 



ach der Generalkarte von 
Mitteleuropa 1 : 200.0« M > 



Östliche Länge 



Östliche Länge von Ferro 



35°- 38° 43' 



32° SO' - 36° 9' 



Nördliche Breite 



43° 33' - 50° 10' 



43° 07' - 50 -13'. 



Die Ausdehnung des Landes in der Länge beträgt nach 
Müller 3° 43', nach der neuen Generalkarte von Mittel- 
europa 3° 19'; in der Breite nach Müller 1°37* und nach 
der genannten Generalk irte 1° 36'. Die ständische Karte 
von Mähren gibt daher die geographische Lage des Landes, 
soweit das Papier eine genaue Messung zuläßt, um ungefähr 
20 Minuten in der Länge und um 1 Minute in der Breite 
zu groß an. In der Zählung, vom Anfangsmeridian Ferro 
gerechnet, differieren die geographischen Längen Müllers 
gegen die der Generalkarte um mehr als zwei Grade. 

De Ii sie in seiner Karte: „L'Allemagne etc." Paris 
1701, kommt in der Zählung der östlichen Längengrade 
von Ferro der Wahrheit sehr nahe, er rechnet für Mähren 
33° 20' — 3U°20', verkürzt jedoch die Länge des Landes um 
zirka 20 Minuten. Sanson in seiner Karte: .,Estats de la 
Couronne de Boheme etc.'' Paris 1703, setzt Mähren zwischen 
37°30' — 40°55' östlicher Länge. 1 ) Die Längenausdehnung 
des Landes ist hier richtig, der Anfangsmeridian um 5 Grade 
über Ferro hinausgeschoben. 

In den Längenbestimmungen ergibt sich ein konstanter 
Unterschied zwischen beiden Karten von mehr als zwei 
Graden, welcher auf eine Verlegung des Anfangsmeridians 
westlich von Ferro deutet. Weniger Schwierigkeiten verur- 

J ) Ist dem Anschein nach der Karte von Mähren von Couaenius 
entnommen. ..Noviter edita, a Nie. Joh. Piscatore. A. D. 1645." 
(Matzura, Die älu-bt. und alt. Landkarte von Mauren, 2\S.) 




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Ein Beitrag aar vaterländischen Kartographie. 75 

sachten dio Breitenbestimniungen, welche den heutigen sehr 
nahe kommen. Die Gradeinteilung von Mahren deckt sich 
jedoch nicht mit jener, in der von Müller später aufge- 
nommenen Karte von Böhmen. 



Vergleich der geographischen Positionen einiger 

Orte. 1 ) 





Orte 


j Müller 


Generalkarte von 
Mitteleuropa 
1 : 200.000 


östliche 
Länge 


nördliche. 
Breite 1 


östliche 
Länge 
(Ferro) 


nördliche 
Breite 






36« 38' 


49° 7' 


34° W 


49° 12' 




Hradisch :Uugarischi . . . 


37« 37' 


48° 56' 


35° 7' 


49« 4' 






35° 28' 


49" 23' 


33" IS' 


49° 25' 


■ 


Kremsier 


37° 32' 


49° 10' 


35° 2' 


49° 18' 






37" 22' 


49° 29' 


34 0 55' 


49° 86' 






35° 59' 


48" 47' 


83« 43' 


48° 51' 



Die Markgrafschaft Mähren ist politisch in sechs 
Kreise eingeteilt:-) Circulus Brunuensis, Hradistiensis, Igla- 
vieusis, Olomucensis, Preroviensis und Znoimensis. Von dem 
Prerauer Kreis, der auch eine Unterteilung in seine Herr- 
schaften enthält, was bei den übrigen Kreisen aus Besorgnis 



') Die geographischen Positionen sind von der Ortsmitte ge- 
messen, Sekunden mußten vernachlässigt werden. 

•) ..Der Autor war gesonnen, die Spezialkarten in die unter- 
schiedenen Stände abzuteilen, welche sich im Markgraftum befinden 
etc." (Hau her, Versuch 1724, Anhang, 181.) — Der böhmische Püdagog 
Martin Bachaeek zeichnete eine Landkarte von Mähron und schenkte 
sie dem Prager Erzbischof Zbvnek Berka z Dubc. Im März 1595 
schreibt er dem Erzbiscliof darüber: ,,In der Landkarte der Markgraf- 
schaft Mähren geruhen Sie zu erblicken, wo der Herr Bruder Euer 
Fürstlichen Gnaden seine Güter zu haben geruht, auch der Herr Bischof 
von Olmütz und auch andere Freunde Euer Fürstlichen Gnaden. Die 
Landkarte sollte auch illuminiert sein, aber weil es nicht sein konnte, 
schenke ich eine nicht illuminierte etc." Dvorskv, Sbornik hist., II. 
323.) Ein Ungenannter führte auf Müllers Karte die Einzeichuuug 
sämtlicher Herrschaften und Güter im Jahre 17."),') durch. Hiezu gehörte 
auch ein Register. (D Elvert, Gesch. d. Landkarte v. Mahren u. 
Österr.-Schlesien, 88.) 



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7l> 



Pa ldua 



vor entstehenden Verwirrungen unterlassen wurde, liegen 
einzelne Gebietsteile des Prerauer Kreises als Exklaven im 
Herzogtum Schlesien; so das Gebiet von Hotzenplotz nördlich 
von Jägerndorf, das Gebiet von Katscher östlich von 
Ratibor, die Herrschaften Mlatetzko (Mladetzko), Leitersdorf, 
Berkhof (Berghof), Schonstein (Schönstein), Stablowitz, 
Schlakau und Jaktar, an den Olmützer Kreis angrenzend, 
und die Gebiete von Schlatten und Goldenseiferkof nördlich 
von Fulnek. 

Das Terrain ist in der Hügelmanier dargestellt, die 
westlich beleuchteten Bergkuppen sind naturalistischer auf- 
gefaßt. Im Vergleich zur Karte von Ungarn ist ein Fortschritt in 
der plastischen Darstellung des Bodenreliefs zu bemerken. 
Eine Unterscheidung von Mittelgebirge, Hügel- und Flach- 
land war dem Autor nicht möglich. Die höheren Erhebungen 
des Bodens sollen durch größere und zahlreichere Hügel zum 
Ausdruck gebracht werden. Benennungen der Berge finden 
sich in den Sudeten, als: Schnee-Berge, der Vater M. (Alt- 
vater), Peterstein M. und Prand M. (bei Brandseifen). An der 
ungarischen Grenze ist bei Alt-Hrosinka (Althrosenkau) der 
Hroziukauer Paß angegeben. 

Das Tiefennetz der Karte ist in großen Zügen richtig, 
die Darstellung des kleineren Flußnetzes eine schematische. 
Hie und da sind die steileren Flußufer durch eine Art von 
Schraffen kenntlich gemacht. Die Karte führt folgende Fluß- 
namen an : die Morawa seu March mit der Mährischen und 
Teutschen Taya, die Zwittawa, Teß (Theß), Zosawa (Sazawa) 
und Frisawa (Friese i. Im Oberlauf der March der Bord Fl., 
Miter Bord i Mittelbord) und der Rausch Bord (Rauschbord) 
endlich die Oskawa, Fistritz iBistrica), Mora (Möhra), 
Oppawitza (Oppa) und der Becum Fl. (Beczwa). Die Benennung 
der Schwarzawa und Iglawa ist weggelassen. Von den 
stehenden Gewässern sind die Teichgebiete an der March 
nördlich von Olmütz und bei Göding sowie an der Thaya 
und südlich von Brünn hervorgehoben. 

Die Wäl l er sind durch kleine Baumzeichen ersichtlich 
gemacht, die Weinkulturen recht deutlich dargestellt. 

Das topographische Detail wird durch 20 verschiedene 
Zeichen veranschaulicht: 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie 



77 



Urbes muro cinetae: Austerlitz, Auspitz, Brinn (Brünn), 
Budwitz (Mährisch Budwitz), Eybenschitz (Eibenschitzi, Ful- 
nek, Gaya (Zeichen unkenntlich), Gewicz (Gewitsch), Groß* 
Meseritsch (Großmeseritsch), Gros Bitesch (Großbittesch), 
Bohenstat (Hohenstadt), Hotzenplotz, Hof, Hradisch Ungarisch 
Hradisch), Iglau, Jamnitz, Kruraau (Mährisch Kromau/, Kostel, 
Kremsir (Kremsieri, Littau, Leipnik, Müglitz, Mährisch Neu- 
stadt, Mährisch Tribau (Mährisch Trübau), Meseritsch (Walla- 
chisch Meseritsch), Nicolspurg (Nikolsburg), Neu Titschein 
(}seutitschein), Olmütz, Prostnitz (Proßuitz), Prerau, Stern- 
berg, Schömberg (Mäbrisch Schönberg), Straraberg, Teltsch, 
Trebitsch, Tobitschau, Ungarisch Brod ; Weiskirchen (Mährisch 
Weißkirchen ), Wischau, Zlabings, Znaym (Znaim) und 
Zwittau. 

Urbes apertae, Oppidae et Vici, Arces mnnitae, Palatio 
Magnatum et Nobilium, Monasteria, Pagi cum et sine templo, 
Villae, Templa solitariae, Acidulae, Diversoria, Arces destruetae, 
Viae Regiae, Viae Postarum, M. Möns, Fodina Ferri, Thcrmae 
und Alumnis Fodina. 

Die mit Mauern umgebenen Städte sind im Grundriß, 
der von einer starken Linie eingefaßt ist, dargestellt. Die 
Städte Austerlitz, Auspitz, Brünn, Fulnek, Kostel, Leipnik, 
Meseritsch (Wallachisch), Nikolsburg, Weiskirchen (Mährisch) 
und Wischau besitzen an ihrer Umfassung ein Zeichen, 
welches man wohl für irgend eine Befestigungsanlage halten 
könnte, das aber oifenbar allen mit Mauern umgebenen 
Städten zukommt. ') Die offenen Städte und die größeren Ort- 
schaften sind durch Turmgruppen, die Dörfer durch Ringe 
bezeichnet. Die Poststraßen unterscheiden sich von den 
königlichen Straßen nur durch das beigesetzte Posthorn. 

Das Kommunikationsnetz ist ein dürftiges. Von Brünn 
aus führen vier Straßenzüge ins Land. 2 ) 

l ) Kine Erklärung hiefur wird in der Karte nicht gegeben. In 
dem später angeführten Widmungsexemplar an Kaiser Karl VI. ist 
allerdings dieses Zeichen bei allen mit Mauern umgebenen Städten 
angeführt: ebenso sind in dem Kai-erexemplur der Mü lierschen Karte 
von Böhmen alle mit Mauern umgebenen Städte mit diesem Zeichen 
an ihrer Einfassung versehen. 

*) Der nach Osten fuhrende dürfte bis Rausnitz in der Kupfer- 
platte ausgeblieben sein, Human ns Nachstich enthält ihn. 



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78 



P a 1 d u ». 



Nach Böhmen führen folgende Verbindungen: über 
Iglau nach Teutsch Brod | Deutschbrod), über Zlabings nach 
Königseck. über Zwittau nach Leitomischl und über 
Mährisch Tribau (Mährisch Trübau) nach Leitomischl und 
Lands^ron (Landskron). Ferner über Altstadt ins Glatzische 
nach "Wilhelmsthal. 

Nach Schlesien führen Straßen: über Sternberg nach 
Zuckmantel, über Hof nach Troppau und über Neu Titschein 
(Neutitschein) nach Fridek (Friedek). 

Nach Ungarn führt eine Straße von Hradisch | Ungarisch 
Hradisch ) nach Werbowtze | Verbocz). 

Nach Niederösterreich führen Verbindungslinien: über 
Göding nach Unter Demenau i Unterthemenau I, über Brinn 
(Bitinn i nach Dirnbach | Wildendürnbach) und über Znaym 
iZnaim) und Zlabings nach Ober Hollabrun i Oberholla- 
brunn >. 

Die Karte wurde im Laufe der Zeit vielfach durch 
Nachträge auf den Kupferplatten ergänzt, was aus der ver- 
schiedenen Beschreibung der Orte und ihrer Anzahl zu er- 
sehen ist. Das nachfolgend besprochene Kaiserexemplar gibt 
3022 Orte für Mahren an, das Ortsregister der früher 
erwähnten Ausgabe der Karte aus dem Jahre 1790 enthält 
•4071 Ortsnamen, wovon 3096 auf Mähren entfallen. Die 
Weinkulturen sind in der Zeichenerklärung nicht angegeben. 
Bei Koritzan (Koritschan), westlich Hradisch, und bei 
Nedwiesditz (NedwSditzj sind Marmorbrüehe (Lapidicina 
Marmore ,, bei Stupawa und Ober-Beczwa (Oberbecwa) Glas- 
hütten lOrfic. Vitraria i angeführt. Südlich von Iglau ist 
ein Silberbergwerk und bei Saruschitz Zaroschitz i ein Bad 
nachgetragen ; bei Sloup, nordöstlich Brünn, steht : „Hic sunt 
istae mirabiles meatüs terrae subterranae" etc. 

Auch durch Grüße und Schriftgattung sind die Städte 
und größeren Orte von den Dörfern und anderen Siedelungen 
unterschieden. Die Orthographie der Ortsnamen l ) weicht 

') Müller legte großes Gewicht auf" «lio richtige Schreib- 
weise der Ortsnamen; er erbat sich 17* i'.* ein Verzeichnis aller Orte 
Mährens aus der Landtat'el in deutlicher Schrift, in deutscher und 
böhmischer Sprache. iD'Elvert, <Je>ch. der Landkarlen v. Mähren u. 
Österr.-Schlesien, 86.) 



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Ein Beitrug zur vaterliindiacheD Kartographie. 



79 



natürlich von der heutigen ganz bedeutend ab, häufig ist den 
deutschen Ortsnamen die slavische Benennung beigefügt. 

Das dem Kaiser Karl VI. vom Hauptmann Müller 
überreichte handschriftliche Widmungsexemplar seiner mäh- 
rischen Landkarte, welches die k. k. Hof-Bibliothek l ) in 
ihrer Kartensammlung aufbewahrt, gibt wichtige Aufschlüsse, 
insbesondere in bezug auf die Topographie, ohne welche die 
ständische Karte vielfach unverständlich und unvollständig 
bleibt. Bei der gestochenen Karte wurden in der Erklärung 
manche Zeichen weggelassen, in der Karte jedoch beibehalten. 
So fehlt in der Erklärung das Zeichen für die Weingärten, 
Marmorbrüche, Fischteiche etc. Die Bezeichnung: Signum 
Urbium Regiarum, Pagi longiores und Aqua salsa ist in der 
ständischen Karte ganz weggeblieben. -) 

Das Kaiserexemplar 3 i führt den Titel: „Augustissimo 
Romanorum Imperatori Carolo VI Mappam hanc choro- 
graphicam Moraviae institutis passim (ieographicis dimen- 
sionibus uovissime ä se elaboratam Atlantis Austriaci Primi- 
tias humillim«' offert Joh. Christ. Müller. (1:115.000.) Der 
Maßstab der Karte enthält zwei mährische Meilen — 4 Stunden. 

Die mährische Meile mißt 7 8 cm } ihr Wert ist nicht 
angegeben. Die Karte besteht aus zehn gezeichneten Blättern 
stark getonten Papiere*, hat eine Länge von 2*36 m und eine 
Höhe von 1/65 m. Die Gradeinteilung, welche sich mit der 
in der gestochenen Karte nicht deckt, reicht von 34° 2' bis 
38° 49' östlicher Länge und von 48° 21' bis 50° 29' nördlicher 
Breite. Den Titel umschließt eine mit dem mährischen Adler 
geschmückte Vignette, welche die Jagd und den Fischfang 



•) K. k. Hof-Bibl. 22 (7). 

») Offenbar hat Müller die Fehler und Ausladungen nicht mehr, 
wie er es vorhatte, auf den Kujiferrdatten richtigstellen und nachtragen 
lassen : vielleicht war er Jamals (171ÖJ durch die Aufnahme von Böhmen 
zu .sehr in Anspruch genommen. 

*) Es ist dies offenbar das Exemplar, welches er dem Kaiser vor- 
legte und das ihm die schon erwähnte Belohnung eintrug. Von dem 
Verbleib der gezeichneten Karte v«m Mahren in 4 Sektionibus, welche 
Müller, wie er in seinem Schreiben bemerkt, dem Hofkriegsrat ein- 
sendet, ist dem Verfasser nichts bekannt. Vergl. auch Matz ura, Die 
ältest. u. alt. Landkarten v. Mahren, 3U5.J 



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80 



P a l d u s. 



allegorisiert. Das Terrain ist laviert, die Flüsse sind schwarz, 
die stehenden Gewässer blau, die Ortsringe mit Gold gefüllt 
und die Ortsnamen nur in deutscher Sprache angeführt. Im 
Prerauer Kreise fehlt die Einteilung in Herrschaften und 
Güter. Eine Anmerkung enthält die magnetische Abweichung 
für Wien aus dem Jahre 1703. (Declin. Magnet. Viennae 
10 grad Anno 1703). Von Interesse ist die nachstehende 
Tabelle mit der Anzahl der in jedem Kreise des Landes 
befindlichen Städte, Marktflecken und Dörfer. 

Enumeratio quot in quolibet Circulo atque adcö 
in universa Moravia, Urbes, Opida, Pagi etc. conti- 

neantur. 





In Circulo 


1 
1 


Hrunn : 


Oloiuuc : 


Prerov : 


Hradist: 


Znoym i 


Igla- 

viensis 


Urbs muro cinctae : 














non Kegiao .... 


i 


2 

13 


9 


2 

9 


1 

4 


1 

3 


ürbes apertae, Opida 


74 


88 


23 


29 


33 


17 


Pagi et reli.jua loca 


743 


698 


418 


323 


310 


271 






751 


450 


357 


848 


202 



** ■ * Regiarum < 

Ijrbium muro cinctarum | t) Q - , 

( non Kegiarurn 3m) 

Urbium apertarum, Opidorum, Vicorutn 214 

Pagoruin et reliquor: locor: habitator . . 27m 

Summa omniutn locorum per totam Moraviam . . 3J22 
a) Soll ft s«in. 



Notatum in hac Mappa explicatio : Urbes muro cinctae 
et Fortalitia. Signum Urbium Regiarum. ' Urbes apertae et 
Opida. Arces et Palatia Magnatum et Nobilium. Pagi cum 



*) Als königliche St ielte sind in der Karte bezeichnet : Brünn, 
Gava, Hradisch (Ungarisch Hradiach . Igl iu, Mahrisch Neustadt. Olmätz 
und Znavm (Znaim). 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



81 



templo. Pagi sine templo. Pagi longiores quorum aliqui ad 
integrum milliare se extendunt. Monasteria. Templa solitaria. 
Villae. Diversoria solitaria. Arcium antiquarum rudera. Pisciniae. 
Vineta. Ferri fodinae. Thermae. Aquae salsa. Acidulae. 
Lapidieinae Marmoris etc. ipsis nominibus indioantur. Viae 
regiae. Viae Postarum. 

Nach einem Briefe an den mährischen Historiographen 
Joh. Georg Strzedowsky wollte Müller die Naturselten- 
heiten des Landes in einer eigenen Karte darstellen. 
Sein Bruder Joh. Heinr. Müller besaß, wie Hau b er 
versichert, tatsächlich ein gezeichnetes Kärtchen von Mähren, 
worin die ,,Curiosa naturalia" des Landes behandelt waren. 
Hauber berichtet über den Inhalt dieser nicht im Druck 
erschienenen und unvollendeten Karte von Mähren folgendes: 1 ) 

„Sie begreift nur den Iglauischen, Znoymischen und 
Brinnischen Kreis. Der Titel lautet: »Mappa chorographica. 
Pars Moraviae Physicocuriosae, eorum Index, quae vel curiosa 
vel utilia in regno Minerali ibi reperiuntur.« 

1. In den Znoymischen waren ehemahls Vi Stunde von 
.Tamnitz gegen Norden, an denen Gräntzen des Iglauischen 
Kreyses, deßgleichen oberhalb Eibenschütz an denen Brini- 
schen Gräntzen, bei Oslawan, Gold-Gruben die aber jetzo 
eingegangen. Eisen-Gruben seynd an 7 unterschiedenen Orten 
in diesem Kreyß. Medicati fontes. Einer unter tieff Maspitz 
(Tiefmaispitz) gegen Parditz(?), welcher sehr berühmt ist. Ferner 
V* Stunde von Gräfendorf! in der Ecke zwischen dem Brinni- 
schen und Oesterreichischen, deßgleichen ob dem ersten See 
bey oder oberhalb Grußbaeh gegen Hostelitz (Hosterlitz). 
Zwischen Jamnitz und Yottau (Vottau) fließet ein Bächlein, 
an deine Pullitz lieget, welches auch in der äussersten Kälte 
nicht zufrieret. 

2. In dem Brinnischen Kreyß. Eisen-Gruben und Wercke 
seynd unterschiedene in dem Land, gegen oder über 20 an 
der Zahl. Besonders seynd die mehrste an dem Fluß Schwartza 
herunter. Glaß-Hütten finden sich zu Heralez (Heraletz) und 
zu Frischau. Deßgleichen zwischen Kinzauow (Krizinkau?) und 
Ossava (Ossowa), au denen Iglauischen Gräntzen. Wie auch 

') E. D. Hauber, Versuch einer uinst Hist. d. Land-Charten, 
Anhang, 18j— 187. 

Mitteilungen des k. und k. K riegsjirchivs. Dritte Folg«. V. Bd. 6 



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82 Paldu b. 

zu Olomuczany (Olomucan), so jenseits der Zwittawa lieget. 
Fontes medicati zwischen Austerlitz und Gaya, gleich an 
S. Mariae oder B. Virginis und New Urschitz (Uhrzitz) einer. 
Rechter Hand von Auschwitz, gleich bey Kobyly ein anderer, 
so vornehmlich Schweffel führet, und in den darbey gelegenen 
See fliesset. Und drittens der Voitels-Brunn (Voitelsbrunn). 
Unter-Irdische Höhlen finden sich zwischen Sloup und Holstein 
zwey, oben an denen Olomutzischen Gräntzen. 

Zwischen Sloup und Olomuczan (Olomucan) ein Hiatus 
Terrae, Prostap genennet, und gleich darbe}' gegen Süden 
eine Unter-Irdische Höhle, und zwischen Olmutz und Kyritein 
(Kiritein), jenseit der Zwittawa noch zwey andere, neben 
einander. Marmor-Brüche findet man vurnehmlich in dem Berg 
bei Csebin (Oebin), so nicht weit von Tisehnowitz jenseits 
der Schwartza lieget. Dergleichen Vi Stunde oberhalb Ned- 
wiesditz (Nedweditzl an der Schwartza. Und jenseits derselben 
nicht weit von Brinn, bey Mokra (Mokrau) an dem Ursprung 
eines FlüUleins. Zwischen Lyssitz (Lissitz) und Dobrawitz 
(Doubrawitzi an der Swittawa und denen Olmutzischen 
Gräntzen grabet und bereitet man Alaun. Der Berg aber be}' 
Tisehnowitz an der Schwartza heisset Kwietnitz, und ist voll 
von falschen Diamanten und Amcthvsten. Nicht weit von der 
Stadt Brinn, jenseits der Schwartza, zwischen Lesch (Lösch), 
Posoritz (Posoritz) und Rausnitz (Neuraußnitz) werden glosso- 
petrae curiosae argilla gegraben. Der Berg unter Niccolsburg 
(Nikolsburg) an der Oesterreichischen Gräntze, Mayberg 
genannt, ist voll von denen herrlichsten und heylsamsten 
Kräutern. Ferner seynd zu merken die Madonna Miraculosa 
zu Kyritein. Und der Ort Dubnian, der erst seit wenigen 
Jahren her durch eine neue Erscheinung der heiligen Jungfrau 
berühmt wird." 

Joh. Bapt. Homann in Nürnberg hat später Müllers 
Karte von Mähren nachgestochen und dieselbe als General- 
karte in einem Blatte sowie als Spezialkarten der einzelnen 
Kreise in acht Blättern herausgegeben. ') Die Generalkarte 

') Auch für kirchliche Zwecke wurde später die .ständische Karte 
von Mähren verwendet. In der bischöflichen Bibliothek zu Leitnieritz 
befindet sich ein Exemplar der weniger bekannten Diöce<ankarte von 



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Ein Beitrag aar vaterländischen Kartojrniphie. 



83 



heißt : Tabula Generalis Marchionatüs Moraviae in sex circulos 
divisae quos Mandato Caesareo accurate emensus hac mappa 
delineatos exhibet Job. Christoph Müller S. C. M. Capitan. 
Editore Joh. Bapt. Homanno, Noribergae", 1 : 490.000. 1 gest. 
Blatt. >) 

Homanns Kreiskarten von Mähren 2 ) sind in acht 
Blättern angeordnet und behalten den Maßstab der ständischen 
Karte des Landes 1 : 180.000 bei. Die Aufschritten der 
einzelnen Blätter lauten : „Marchionatüs Moraviae Circulus 
Brunnensis quem Mandato Caesareo accurate emensus hac 
mappa delineatum exhibet J. C. Müller S. C. M. Capit. et 
Ingen. Editore Joh. Baptista Homanno Noribergae. Cum 
Privilegio Sac. Caes. Majest", s ) 2 gest. Blätter. ..Marchionatüs 
Moraviae Circulus Hradistiensis etc./' 1 gest. Blatt, ..Marchionatüs 
Moraviae Circulus Olomucensis etc.," 2 gest. Blätter. ,, Marchio- 
natüs Moraviae Circulus Preroviensis etc.," 2 gest. Blätter. 
,. Marchionatüs Moraviae CirculiZnoymensis et Iglaviensis etc.," 
1 gest. Blatt. *) 

Ein Vergleich der ständischen Karte von Mähren mit 
dem Nachstich Homanns zeigt, daß derselbe, offenbar in 
der Absicht, die Gradeinteilung Müllers zu verbessern 5 ), die 
Längengrade seiner Karten um 7 4 cm verkürzte. Der Längen- 
grad Müllers in der ständischen Karte beträgt 37-4 cm, 
Homann gibt ihn unter Beibehaltung desselben Maßstabes 
mit 30 cm an, drückt daher das Gradnetz seiner Karten um 
nahezu einen ganzen Längengrad zusammen. Dadurch wurden 



Olmütz unter dein Titel : Tabula almae dioecesis Amplissimi Episcnpatus 
Olomucensis in LXII Decanatus divisae etc. dedicat Joan. Wonc. 
L. B. de Freyenfels, Cath. Eccel. Olom. Canonicus etc. Excudentibus 
Haeredibus Homannianis Norimbergae". 1 1 : ISO.m.H).) 4 gest. Blätter 
1762, mit 1 Ortsregister. Dm Darstellung der Städte ist von der 
Müll ersehen verschieden. Sie enthalt: Sedes Deeani, Parochi, Capellani. 
localis und Pagi cum et sine Templo. H. K. 3.j 

>) K. A., Kartenabt. B IX a 148. 

*) K. A., Kartonabt. B IX a 153. 

•) Das k. und k. Kriegsarchiv besitzt auch Ausgaben, welchen 
diese Klausel fehlt. 

•) Alle diese Kreiskarton, welche Homanns Atlas enthält, waren 
auch einzeln käuflich. 

i j Müller fehlte in der Zählung des Anfangsmeridians von Ferro. 

6* 



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84 



Pal du s. 



freilich die Karten Homanns nicht besser und weil der 
Fehler scheinbar auf Müller zurückfiel, mußte eine spätere 
Wertung seiner kartographischen Leistung 1 ) ungünstig aus- 
fallen. Nachdem in den zahlreichen Nachstichen der Karte 
von Mähren während der nächstfolgenden Jahrzehnte die 
Homann'sche Gradeinteilung beibehalten wurde, so haftet 
ihr Fehler auch allen jenen späterer Autoren, wie Li dl. 
Lotter, Covens et Mortier*), Seutter 3 ) etc., in gleichem 
Maße an. Selbst eine nahezu richtige Zählung des Anfangs- 
meridians von Ferro, wie sie Covens et Mortier in ihren 
Nachstichen anwenden, änderte nichts daran; der Fehler blieb 
bestehen, bis ihn eine spätere Zeit beseitigte. 



Von den kaiserlichen Erbländern war das Königreich 
Böhmen 4 ) das erste, welches ein selbständiges Kartenbild 5 j 
aufzuweisen hatte. Schon während der Regierung Ludwigs II. 

') J. Chr. Sandler über die Karte Müllers von Mähren: „Das 
Ergebnis dieser Vermessung ist kein sehr günstiges gewesen, denn 
Mähren ist wohl relativ richtiger geworden .... aber die mathematische 

Genauigkeit läßt noch mehr zu wünschen übrig so daß man 

versucht ist zu glauben. Ho mann habe bei Eintragung des Karten- 
netzes einen falschen Maßstab zur Anwendung gebracht (Zeitschr. 

d. Gesellsch. f. Erdkunde, 374.) 

*) Carte generale du Marquisat de Moravie etc. A Amsterdam. Chez 
Covens et Mortier. J. Condet sculpsit. 1:410.000. 1 gest. Blatt. 
(K. A. f Kartenabt. B IX a 149.) 

3 ) Monivia Marchionatus in sex Circulos divisus etc. a Matth. 
Seutter S. C. M. C. Augustano (1 : 640.000) mit der Ansicht von Brünn 
und einem quadratischen Netze zum Aufsuchen der Ortsnamen ohne 
Register. 1 gest. Blatt. 

*) Uber historische Kartographie von Böhmen vergl. Erber. 
Notitiae illustris Regni Bohemiae etc., Vindobonae 1760. — Riegger, 
Materialion zur alten und neuen Statistik von Böhmen, 17S7. 1.. 
2., 3. Heft. — Erben, HistorickV- pfebled kartografie zeme ceske. 
(Pamatky nrcheologicke, IV. dil, oddeleni 2, 1861, 136.) - Dvorsky, 
Historicke zpravy o kartografii tfeske. (Sbornik historickf, Rodnik IL 
1884, 321—331.) — Schneider, Uber die Entwicklung des Kartenbildes 
von Böhmen. Mit drei Kartenheilagen. (Mitteilungen des Vereines für 
Geschichte der Deutschen in Böhmen, XLV. .Jahrg., Nr. III, 11107, 321—367. 

•) Im Jahre 1501 erscheint Böhmen auf der Karte „das heilig 
Römisch reich mit allen laudtstrassen etc. Gedruckt von Georg 



Karte von Böhmen. 




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Ein Beitrag xur vaterländischen Kartographie. 



85 



gab Nikolaus Klaudian l ) im Jahre 1518 über Auftrag 
der böhmischen Stände eine Karte des Landes in Holz- 
schnitt heraus. 

Das Original dieser seltenen Karte, *) welche überhaupt 
zu den ältesten Landkarten einzelner Länder gehört, befindet 
sich in der bischöflichen Bibliothek zu Leitmeritz, 3 ) ein 

Glogkendon zu Nürnberg 1501" mit folgenden Orten: Prag, Leit- 
meritz, Laun, Sotz, Elepogen, Beron, Newhaus, Kutenberg, Spibra, 
Hudweiß, Weisswasser, Neweburg, Barwicz, Dachaw und den Flüssen 
Elb, Multa und Eger. 1 gest. Blatt. Verkehrt orientiert. (Hauslabsamml. 
iL Fürsten Liechtenstein, Wien.; Die Straßburger Ausgabe des 
Ptolemäus, 1513, enthält unter den Karten, welchedem Waldsoemüller 
(Walzenmüller, Ilacomilus) zugeschrieben werden, auf Tafel Nr. 6, „Tabula 
Modernä Germaniae" (1 : 3,000.000), Böhmen als „Boemia" mit den Orten: 
Braga, Egra, Harwitz (?), Laun, Leutmeritz, Neuhans, Nimburg, Pudwitz 
(Budweis ), Pautebertz (Pardubitz), Pilsen, Pruga (Brüx), Seilama ?), 
Spibrain (Pribram), Sotz, Winasset ("VVeisswasser ?). Ein Holzschnitt, 
richtig orientiert. 

') Klaudian (Claudiauus) Nikolaus, war ein böhmischer Arzt 
und Buchdrucker in Jungbunzlau. Er erscheint zu Heginn des 
XVI. Jahrhunderts in der Verbindung der böhmischen Brüder als 
gelehrter und unternehmender Mann, dem wichtige Aufgaben anvertraut 
wurden. Im Jahre 151s hatte er in Jungbunzlau, wo er begütert war, 
eine Buchdruckorei gegründet und gab eine Karte von Böhmen heraus, 
die er im Jahre 1517 in Nürnberg in Holz schneiden ließ. 1521 weilte 
er in Angelegenheiten der Buchdruckerei in Leipzig und dürfte um 
1522 gestorben sein. In den städtischen Büchern in Jungbunzlau wird 
er nur Meister Nicolaus genannt. iSlovuik Naucny. V Praze, 6. Bd. 
1893, 4. und 14. Bd. 1899. 320.) 

-\ Verkleinert reproduziert in den Mitteil. d. Vereines f. Gesch. 
d. Deutschen in Böhmen. Jhrg. XLV. (zu Schneider, Entwickl. d. 
Kartenbild. v. Böhmen.) 

3 i P. Gelas. Dobner beschreibt sio in den „Annales Bohemorum 
W. Hagek", Pragae 1763. Pars II. 88, wie folgt : „Antiquissima enim 
tabula Bohemiae, quae hactenus in manus meas pertigit illa est. quae 
Ludovici Kegis nostri tempore Pragae 1518 forma m utcunque magna 
excusa est; sed ea, si rem Geographicam spectes, adhuc tarn rudis, ac 
informis, ut neque cooli plagis, neque mensurae ullt respondeat. Ceterum, 
si typum picturamque spectes. plane elegans, ut etiam aevum, it 
admireris. E «pia praeterea discimus ; cousuetudinem hoc saeculo fuisse, 
ut mappa ha^c Priraoribus regni instar strenae otYerotur; eam enim 
undiquo variae imagines, clypeique Procerum tarn vivis coloribus. ut 
si hodie pictoris manum deservissent etc. Antiquitatis hoc, quanquam 
non postremao. iuonumoiitum servutur in Bibliotheca Koverendissimi 
ac Excelentissimi Domini Domini Episcopi Litomerioensis." 



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86 



Pa 1 d u s. 



handschriftliches Faksimile im Museum des Königreiches 
Böhmen. 1 » 

Die Karte Klaudians gelangte wiederholt in den 
Werken Seb. Münsters*) zum Abdruck. Der verdiente 
Kartograph und Kanonikus F. J. Kreybich 3 ) ließ diese erste 
Landkarte Böhmens in Kupfer stechen und verwendete sie 
als Beilage in der zweiten Ausgabe der Kirchengeschichte 
von Bilejovsky. Neu herausgegeben von Jos. Dittrich 
(Skalicky) Prag 1816. Auch in Frinds „Kirchengeschichte von 
Böhmen 1872" ist dieser Kupferstich verkleinert reproduziert. 

Den böhmischen Städtenamen wurden später die deutschen 
Benennungen beigesetzt. Das Original ist 126 cm hoch und 
64 cm breit, ohne Maßstab, verkehrt orientiert, ohne wissen- 
schaftliche Ausgestaltung; an den Grenzen hört jedes Detail 
auf. Sie enthält folgende Signaturen : eine Krone als Zeichen 
für die königliche Stadt, ein Schild für die Herrenstadt, ein 
halber Zirkel bezeichnet den Marktflecken, der Turm ein 
festes Schloß, auch mit Mauern umgebene Klöster, ein 
Schlüssel den Sitz der katholischen Partei und ein Kelch 
einen von Utraquisten bewohnten Ort. 4 ) Aus der Karte sind 
die Verteidigungsanstalten des Landes, die alte böhmische 
Benennung mancher Orte, sowie die konfessionellen Ver- 
hältnisse des Königreiches zu ersehen. 5 ) 

») Nach der gütigen Mitteilung des Herrn Dr. V. Noväcek, 
Direktor des künigl. böhm. Landesarchivs in Prag. 

*) Über Münster vergl. Hautzsch, Set». Münster, Leben, Werk, 
wiss. Bedeutung, 181)8 und Norden skiöld, Facsiniile-Atlas, 1881). In 
den Ptoleraäus-Ausgaben von Seb. Münster erscheint sie 1545, in 
seinen Kosmographien in den Ausgaben von 155t) bis MU4. In der 
böhmischen Ausgabe vom Jahre 1554 nähert sie sich am meisten dem 
Original „Kosmograffia (V.eska 1654 od Jan z Puchowa, Kaplan arcy- 
biskupstwy etc. a Zygmund mladssy z Puchowa, v Praze vitistiena 
etc. 1554, Jan Kosorsky z Skosofe. Der Kartenrand ist in dieser 
Ausgabe mit 15 Wappen böhmischer Herren und Ritter t;oschmückt, 
welche zur Auflage dieses Buches etwas beigetragen zu haben scheinen. 

i Von F. J. Kreybich erschien auch ein Kreisatlas des Königreichs 
Böhmen, nach zuverlässigen astronomischen Ortsbestimmungen ent worfen, 
etc., 1:248.000, i6g«8t. Blätter, Prag 1820-1834. K.A.. Kartenabt. BIXa 85.) 

•i Riegger, Materialien. 1787, 1. H., 191. 

,J \ Nordenskiöld. Facsimile-Atlas, lsS9, sagt auf S. 108: „Is 
remarkable as the tirst printed map illustrating the distribution of ditferent 



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Ein Beitrag zar vaterländischen Kartographie. 



87 



Im Jahre 1568 gab der Marienberger Pfarrer Joh. 
Criginger 1 ) eine Karte von Böhmen -) heraus, welche leider 
in ihrer ursprünglichen Gestalt verloren gegangen ist 

Ortelius „Theatrum Orbis Terrarum, Antverpiae 1570", 
führt sie an im „Catalogus Auctorum" unter dem Titel 
„Joannes Crigingerus Bohemiae, Missniae, Turingiae, 
collateratium regionu tabulam; Pragae 1568." Das Original 
stellt also nicht Böhmen allein, sondern auch Meißen und 
Thüringen dar. Das abgesonderte 3 ) Böhmen ließ Ortelius 
in einem vergrößerten Maße zeichnen und fügte es seinem 
Sammelwerk ein. 4 ) Criginger benützte für sein Werk, das 

religions and mny as such be rogarded as the hrst Statistical map." Eine 
ausführliche Beschreibung der Klaudianschen Karte gibt Schneider, 
Über die Entwicklung des Kartenbildes von Böhmen. 326—332. 

*) Criginger wurde zu Joachimsthal in Böhmen wahrscheinlich 
1521 geboren. Im Jahre 1535 kam er nach Marienberg in Sachsen, wo 
er dann seit 1549 als Geistlicher fungierte. Er befaßte sich mit der 
Idee, ein Werk nach dem Vorbild des goldenen Tisches Karls des 
Großen, auf dem eine Weltkarte eingegraben war. zu schaffen. Bald 
sah er ein, datf ihm zu solch großen Plänen die Mittel und Kräfte 
mangelten und er beschränkte sich auf die Herstellung einer Karte 
von Sachsen und den angrenzenden Ländern. Nach der Erklärung 
Crigingers ist diese Karte ..nur allein, ohne einiges manchen Hülff, 
dazu daheim ohne alles wandern und besichtigen, ohne einiges menschen 
unkost und Vorlegung zusammen bracht*'. Im Hinblick auf die Art 
der Herstellung dieser Karte ist es erstaunlich, daß sie trotz aller Mängel 
noch so erträglich ausfiel. Kurfürst August von Sachsen, der erkannte, 
daß die Karte „viel großen lrrthumb" enthalte, verlangte, daß „seine 
Wappen und Titel davon bleiben'*, sandte jedoch später 50 Gulden als 
Beisteuer und Criginger ließ sie 1568 in Prag drucken. Rüge, 
Geschichte d. sächs. Kartographie im XVI. Jahrhundert, 94, 228. Zur 
Biographie vergl. auch Allgem. deutsche Biogr., XL VII. 559. i 

*J Der Norden und Nordwe.sten von Böhmen erscheint in der 
Karte des schmalkaldischen Kriegsschauplatzes il546 bis 155öi, von 
Wolfgang Lazius auf Pergament gezeichnet : „Mappa sive chorograpliia 
castrametacionum et profectionum longe invictis. Caesaruni Caroli V 
et Ferdinandi Primi In bello adversus Joannem Fridericuni Exelectorem 
in Misnia Saxonia deinuiiKjue adversus conspirationem quorundam in 
Bohemia gesto." lEug. Oberhunnner und Er. R. v. Wieser, Wolfg. 
Lazius Karten der österr. Lande 1545—1563, Innsbruck 1906, IG. i 

*> Vergl. Schneider, Über d. Entwicklung d. Kartenbildes v. 
Böhmen. 336. 

*) In Ortelius ,.Tlieatrum Orbis Terrarum. Antverpiae 1092" 
kommt die Karte unter dem Titel „Regni Bohemiae descriptiu" als 



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- 



88 



P • 1 d o «. 



nicht auf Vermessungen beruht, nebst den Karten Münsters 
wahrscheinlich auch die Karte über das Fichtelgebirge von 
Kasp. Brusch. l ) Sie enthält viele Mängel und Fehler. Inwie- 
weit die zahlreichen Namensentstellungen auf Kosten der 
Nachsticho zu setzen sind, kann, nachdem das Original in 
Verlust geraten ist, nicht mehr konstatiert werden. Was die 
Unterscheidung der Siedelungen anbelangt, war die Karte 
Klaudians vollkommener. 

Crigingers Karte von Böhmen, 2 ) welche einen Fortschritt 
im Vergleich zur Karte Klaudians bedeutet, wurde häufig 
abgedruckt; 3 ) so in den zahlreichen Auflagen des Ortelius, 
„Theatrum Orbis", in „Speculum orbis terrae von Ger. de 
Judaeis, Antverp. 1593', in ,,Europae descriptio*' von 
M. Quad, 1594, in der Kosmographie des Joh. Ravius, 
Frankf. a. M. 1597 und 1624 und in der Hondschen Aus- 
gabe des Mercator 1605 etc. 4 ; So zehrten eine Reihe von 



Blatt Nr. 57 vor. In der zugehörigen Beschreibung heißt es am Schlüsse: 
„Hanc typicam delineationem sumpsiinus ex tabula Joannis Crigin- 
geri, Pragae anno 15t>8 edita." 

*) Ortelius führt sie an im ..Catalogus Auctorum" des Theatr. 
Orbis: „Caspar Bruschius Egranus. Montis Piniferi quem Fiechtel- 
berg vulgö nuncupant i Tabulam ; Ulme apud Seb. Francum." — Caspar 
Bruschius (1518—1559) war geboren zu Schlackenwald i Schlaggen- 
wald i in Böhmen. iNordenskiöld, Facs.- Atlas, 12(J.i 

*) Ausführliche Beschreibung gibt Schneider, Über die Ent- 
wicklung d. Kartenbildes v. Böhmen, 334 — 844. 

^ Die Lafrer i- Sammlung Atlas: in Rom besitzt ein Exemplar 
der Karte von Böhmen unter dem Titel : „Bohemiae nova et exacta 
deseriptio etc.'' Bolognini Zalterij forniis. Nordenskiöld, schreibt in 
.seinem Facs. -Atlas, S. 1 19 : „The map is drawn in a manner deviating 
considerablv from tho style of drawing of other maps in Lafreris 
collection." Auch die H.iuslabsamml. des Fürsten Liechtenstein 
in Wien besitzt ein gleiches Exemplar dieser Karte, welche ein 
Cr i ginger ist. 

«i Ki egger. Materialien, 17S7, 1. IL, <>3. 1S)S. - Eine kleine auf 
Silber gestochene und vergoldete Landkarte von Böhmen ,,Bohemia 
1031', welche als Grundlage die Karte Crigingers hat, befindet i-ich 
in den Kunsthi.st. Sammlung, d. Allerhöchst. Kaiserhauses in Wien. 
(Mathematisch, u. goometr. Instrument von Hans Melchior Volckh- 
maier. Cammer Golisehmid et Math. Geometr, 164"J. Außerdem ent- 
halt dieses Instrument noch die Landkarten von Österreich, Deutsch- 
land, Ungarn, Spanien, Portugal und Palastina. 




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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



89 



Autoren an der Arbeit des Marienberger Pfarrherrn, bis die- 
selbe im Jahre 1619 durch eine neue und bessere Darstellung 
des Landes Böhmen verdrängt wurde. 

Paul Aretin von Ehrenfeld war der Schöpfer eines 
neuen Kartenbildes von Böhmen im Jahre 1619, welches die 
Grundlage aller anderen bis zum Jahre 1720 erschienenen 
Landkarten des Königreiches wurde. 1 1 

„Regni Bohemiae nova & exacta descriptio. Patriae 
Honori, & Utilitati D. Cons. Paulus Aretinus ab Ehren- 
feld Civis Antiq. Urbis Pragensis Anno exulcerati seculi 
MDCXIX Paulus Bayard sculpsit Pragae. Cum Consensu 
Superiorum. Ab Auetore recognita e aueta anno saluti 1632." 

Sie beruht teils auf Autopsie, teils, wie die ziemlich 
richtige Lage der Orte beweist, auf guten Nachrichten. Die 
Städte, Marktflecken, Dörfer, Schlösser etc. sind durch ver- 
schiedene Zeichen dargestellt. Je sechs Personen beiderlei 
Geschlechtes, verschiedenen Ständen angehörig, sind auf der 
Karte in ihren Trachten abgebildet. Sie ist die erste Karte 
Böhmens mit einer Kreiseiuteilung. Im Riesengebirge steht: 
„Krkonosse vel Montes gigantum, in quibus daemon, quem 
incolae Ribeuzal vocant, mirabilem Dei potentiam monstrat." 
Bei Wysoky (Hochstadt) ist ein Hirt eingezeichnet, welcher 
einen Stein nach einer Kuh wirft mit den Worten „pretiosior 
vacca*', um anzuzeigen, dali sich hier Steine finden, die den 
Wert einer Kuh übersteigen. 



') Aretin von Ehrenfeld war in seinen jungen Jahren Kats- 
schreiber in Klattau: dort heiratete er die Tochter des Bürgers 
Matth. Jehla, verblieb daselbst bis zum Jahre 1609 und kam 1612 
nach Prag. 1615 erhob ihn Kaiser Matthias wegen ersprießlicher 
Dienstleistung und ehrenhaften Betragens in den Adelstand mit dem 
Prädikat von Ehreufeld. Im Jahre 1618 war er Sekretär beim Appel- 
lationsgericht in Prag unter dem Präsidenten Wenzel Budovec von 
Budov und dessen eitriger Anhänger. Aus diesem Grunde mit in die 
Stürme der nächsten Jahre verwickelt, wurde er nach der Schlacht 
am Weißen Berge seines Amtes entkleidet, jedoch gegen die Zahlung 
einer nicht unbedeutenden Geldsumme an die böhmische Kaimiker 
pardoüiert. Im Jahre 1»>1 ( J gab er die Landkarte von Böhmen heraus, 
welche er 1632 verboserte. i Erben, Historicky prehled kartogr. zemu 
Ceske und Casopis Musea krälovstvi cesktho, Ihss. 15'.) und lbVJ, 2b'i.) 



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uo 



P a 1 d u s. 



Ein Gradnetz fehlt. Dagegen ist die Karte von einem 
quadratischen Meilennetz umgeben ijede Meile in 8 Teile 
geteilt), welches zur Bestimmung der Ortslagen dient. In der 
Merkatorausgabe des Hondius 1623 erscheint sie das erste 
Mal, auch in den Blaeuschen Atlanten und bei anderen 
Verlegern kommt sie vor. 1 ) 

Ägidius S a d e 1 e r -) benützte die Ar etinsche Karte zur 
Anfertigung einer neuen Zeichnung der Landkarte von 
Böhmen, die er in Kupfer stach und welche Jansson 
herausgab. Im Atlas Gerardi Mercatoris et J. Hondii, Amster- 
dam, J. Jansson und Henricus Hondius 1633 3 1 erscheint sie 
als Blatt Nr. 313 unter dem Titel: ,,Bohemia in suas partes 
geographica distincta. Petrus K a e r i u s Caelavit. Egidius 
S adeler deline: Joannes Jansso nius excu: Anno 1630/' 
(1 : 765.000.) Scala milliarum continens Magna, comunia et 
parva. Gradeinteilung: 2U° 30' bis 34° 28' östl. Länge und 
48° 16' bis 50° 56' nördl. Breite. Xotaram explicatio : Civitas 
Regia libera, Oppidum Regis Bohemiae, Oppida Baronum et 
Nobilium, Pagus, Arx, Castellum, Monasterium, Oppidum 
cum Arce, Pagus cum Arce, Fodine (Auri, Argenti, Stanni, 

1 Der Titel und die Beschreibung der Karte wurde entnommen 
den „Materialien z. alten u. neuen Statistik von Böhmen des k. Guber- 
ninlraths von Riegger", 3. H.. 615. 

Die Karte A retin 9 1632 erscheint reproduziert in : Schneider, 
„Über die Entwicklung des Kartenbildes von Böhmen", mit Beschreibung. 
S. 347—^51. 

*) Sadeler Egidius (Agidius\ geboren zu Antwerpen 1570. 
Maler und Kupferstecher, hielt sich einige Zeit in Frankfurt a. M. und 
München auf, ging dann nach Italien, erregto die Aufmerksamkeit 
Kaiser Rudolfs II., der ihn nach Prag berief. Später trat er in die 
Dienste des Kaisers Matthias und Ferdinand II. und starb P>29 
zu Prag. Die von ihm 1603?l gezeichnete und gestochene Karte von 
Böhmen erregte großes Aufsehen. N agier. Kiinstler-Lex., 14. Bd.i 

*l Auch Matth. Merlau bringt die Karte Are t ins in seiner 
..Topographia Bohemiae, Moraviae, et Silesiae, das ist Beschreibung 
und eigentliche Abbildung der Vornehmsten und bekandtisten Stätte 
und Plätze in dem Königreich Böheira und einverleibten Ländern 
Mähren und Schlesien. An Tag gegeben und verlebt durch Matthaeum 
Merian zu Franekfurt 1»m0". Die in dem Werke enthaltene Ansicht 
von Prag ist von ..Wenceslaus Hollar, a Lewerigrün et Bareyt, hanc 
Regni Bohemiae Metropolim Patriam suam, ex Monte St. Laurentiy 
A* Kl'Mi exaetissime delineavit". 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 91 

Fern), Therme, Officina Vitraria, Nomina quae habent trian- 
gulum in fine sunt Bohemica. Die 15 Kreise des Landes sind 
deutsch und böhmisch beschrieben. Der Löwe oben rechts 
ist nicht doppelt geschwänzt ; auch hiedurch unterscheidet 
sich diese Karte von der Ar et in sehen, ferner fehlen die 
Dämonen im Riesengebirge und der Hirt bei Wysoky. An 
Kommunikationen ist nur der goldene Steig im Böhmerwald 
gezeichnet. 

Im Jahre 1665 stach Daniel Wussim iWussin) aus Prag 
die Karte Aretins getreulich nach: „Prostat apud Daniel 
Wussim Civem Neopragensem qui pro honore et Utilitate 
Patriae opus hoc renovavit et exeudit An. MDCLXY." Die 
Ortsnamen sind böhmisch, auch ein Ortsregister ist bei- 
gegeben. 1 ) 

Der Prager Bürger Jaroslaus Cztibor von Low, 
Schreiber bei dem Archiv der Altstadt Prag, verfertigte 1661 
einen Meilenraesser zu der Karte Aretins unter dem Titel: 
„Tabella Cosmographica prineipaliorutn Civitatura et locorum 
in Regno Bohemiae", zur Bestimmung der Entfernung der 
Orte voneinander. 2 ) 

Den besten Nachstich der Karte Aretins lieferte im 
Jahre 1666 Jakob Sandrart 3 ) in Nürnberg. ,,Bohemia in 
suas partes geograph. distinc. Imp. Caes. D. Leopoldo Pio. 
Felici Inclito Victori et Triumphatori P. P. Augusto Regnorum 
Suorum Germaniae Pacitico Conservatori. Hungariae Contra 
Turcas Assertori. Bohemiae inter Austriacos Regi. Undecimo 
Austriae quod vovemus et speramq Propagatori sunt, quae 



•) Rieggers Materialien, H. H., (',16. Vergl. Na gier. Küustler- 
Lex., 22. Bd. 

*) Rieggers Materialien, H., (518. 
■) Ri eggers Materialien, 3. H.. 621. 

Jakob von Sandrart, hervorragender Kupferstecher, geboren 
1630 zu Frankfurt a. M., übte sich seit 1610 bei seinem Vetter Joach. 
v. Sandrart in Amsterdam im Radieren, lernte bei Corn. Danckert 
das Kupferstechen, ging nach Danzig zu dem k. polnischen Hofkupfer- 
stecher Hondius, kam wieder nach Regensburg und 1056 nach Nürn- 
berg zurück. Er war Mitdirektor der seit 16(52 errichteten Maler- 
akademie, stach besonders Porträte (gegen 400); er starb 17(>S. 
(D o pp e 1 m a yr, Hist. Nachricht v. d. Nürnberg. Mathemat. u. KünstL; 
Vergl. Nagler, Künstler-Lex.. 14. Bd.'i 



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92 



P a 1 d u s. 



dorsa tument, Boiemi lustra Leonis: Haeo Habsburgiacus 
tesqua cubile legit. En Sceptris, Leopolde, Tuis Leo gaude* 
uterq. Optat uterq Tua Posteritate frui. Humill. et Subjectiss. fte 
Devotionis studio D. D. D. Jacobus Sandrar t. Anno 1666. 
Jacob Sandrart sculpsit et excudit Norimbergae." l ) 2 gest. 
Blätter (1:515.000 . Die Karte besitzt eine Gradeinteilung. 
35° 30' bis 39° 40' östl. Länge und 48° 20' bis 50° 50' nördl. 
Breite ; außerdem umgibt die ganze Karte ein Meilenmaß - 
stab, jede Meile in 8 Teile geteilt. Die Größenverhältnisse 
der Karte sind 60*8 X 53 cm. Zum Aufsuchen der Ortsnamen 
dient ein „Register an die Böhmisch Land Charten des König- 
reichs Böhmen gehörig. Nürnberg, zu finden bei Jacob 
Sandrart, Kunsthändler und Kupferstecher. Gedr. bei 
Christ. Gerhard. Im Jahre 1666." Nach diesem Register 
beträgt der Umkreis des Landes 124 Meilen, vom Orient 
zum Okzident sind 40 Meilen Länge, von Mitternacht bis 
gegen Mittag 35 Meilen Breite. Das ganze Land enthält 
860 Quadratmeilen. Die Projektion ist eine trapezförmige. 
Notarum explicatio : Civitas, Oppidum, Pagus, Arx, Castellum, 
Monasteriura, Fodinae (Auri, Argenti, Stanni, Ferri), Thermae, 
Oificina vitraria, Vinetum. Eine Zierde der Karte bilden die 
Ansichten folgender Städte: Prag, Kuttenberg, Jungbuntzl, 
Königingrätz, Crudim, Kaurschim, Tschaslaw, Pilsen, Selt- 
schan, Tabor, Kolin, Poln, Konietitzerberg, Bechin, Eger, 
Saatz, Leuttmeritz, Schlan, Rakonickh, Beraun, Prachatitz, 
Laun, Commütaü, Carlsbad, Schlaecowerdt, Büglitz < Krziwo- 
klat). Das Terrain ist iu Maulwurfshügeln dargestellt, die 
Wälder durch Baumzeichen. Kommunikationen fehlen, nur 
der Goldene Steig im Böhmerwald ist ersichtlich gemacht. 
Die 15 politischen Kreise des Landes sind deutsch und 
böhmisch beschrieben. Die Anzahl der Städte und Ortschaften 
beträgt nach dem Register 1424. 

P. Maur. Vogt, Zisterzienser aus Plaß in Böhmen, 
benützte die Karte Ar et ins als Grundlage für seine im 
Jahre 1712 erschienene Landkarte von Böhmen. Sie zeichnet 
sich durch den reichen Inhalt au Denkwürdigkeiten aus. -) 
„Nova totius Regni Boemiae tabula reverendissimis, celsis- 

») K.k. Hof-Bibl. 55 A 13. 

*) Erben, Kistorickv pfehled karto^r. zemö ceske. 137. 



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Ein Beitrat; aar vaterländischen Kartographie. 



93 



simis, illustri9simis et excellentissimis, illustrissimis perillus- 
tribus et praenobilibus Dominis Dominis Inclyti Regni 
Boemiae Statibus Dominis Dominis suis gratiosissimis, 
beningnissimis colendissimis 'et honorandissimis data, dicata, 
et consecrata ab infimo Servo Joann Fried. Rüdiger 
Bibliopol. Norimb. Fecit et delineavit P. Mauritius Vogt 
Regis curianus in Graabfeld S: 0: Cist: Plaßy. Prof. 
Joannis Leon Blanck sculpsit." 1 1 1:400.000, 1 gest. Blatt. 
Hat 3 Maßstäbe Milliaria Germanica 15 ab gradum, Milliaria 
usitata Boemica 12 ad gradum, Leuca gallicae 20 ad gradum; 
enthält ein Gradnetz und eine Gradeinteilung, 35° 28' bis 40" 
östl. Länge und 48° 34' bis 50° 58' nördl. Breite. Projektion 
trapezförmig. Die Zeichenerklärung ist reich: Urbs Munita, 
Civitas, Oppidum, Arx, Monasterium, Pagus, Capeila, Arx 
ruinata, Monasterium ruinatum, Mola, Posta, Archip., Episc, 
Studium, Aurifodinae, Argen tifodinae, Stanifod., Cuprif., 
Uniones, Thermae, Officinae Vitr., Vineae, Fodinae Ferri, 
Telonium. Die politische Einteilung des Landes enthält 
folgende Kreise: Circulus Bechinensis, Boleslaviensis. Chrudi- 
mensis, Czaslaviensis, Cubitensis, Egranus, Kurimensis, 
Litomericensis, Moldaviensis, Pilsnensis, Podberdensis, Prachi- 
nensis, Raconicensis, Reginohradecensis, Satecensis, Slanensis 
und Pragensis, ferner Comitatus Glacensis. Das Terrain ist 
in Maulwurfshügelmanier gezeichnet: die linke untere Ecke 
enthält eine allegorische Darstellung der Flüsse mit dem 
Riesengebirge, wo wieder Dämonen abgebildet sind. Die 
Ortsnamen sind deutsch, einige Orte tragen auch die böhmische 
Benennung. Das eingezeichnete Straßennetz mit den Post- 
stationen sowie die Angabe der Zoll- oder Mautstationen 
bilden eine interessante Bereicherung und Verbesserung 
der Karte. 

Böhmen verdankt seine erste auf Vermessungen be- 
ruhende Karte dem Ingenieurhauptmann Joh. Christ. Müller. 
Sie führt den Titel: 

„Mappa geographica Regni Bohemiae in duodecim 
circulos divbae cum comitatu Glacensi et districtu Egerano 



») K. A., Kartenabt. H IX a «SO. 



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94 



Pal aus. 



adiunctis circumiacentium regionum partibus conterminis ex 
accurata totius Regni perlustratione et geometrica dimensione 
omnibus, ut par est, numeris absoluta et ad usum commoduui 
nec non omnia et singula distinctiüs cognoscenda XXV. 
Sectionibus exhibita ä Joh : Christoph: Müller, 8. C. M. 
Capitan: et Ingen: A: C: MDCC XX. Michael Kauffer Sculp- 
sit. Augusta Vind:" 1 ) 1:137.500. Das Verjüngungsverhältnis 
ist auf der Karte nicht angegeben, wohl aber zwei Maßstäbe. 
Der eine enthält böhmische Meilen, der andere Stunden. Die 
Meile hat zwei Stunden, mißt ü*8 cm und hat somit einen 
Wert von 9370 m. Nach der Triangulierungsinstruktion, Wien 
1845, gehen 1 6*2 auf 1 Aquatorgrad = 6871 m. Tilka, 
Unterricht für Ingenieuroffiziere 1787, setzt die große 
böhmische Meile gleich 7777 */», die kleine gleich 6542 mi. 
Dr. Rieger gibt im Slovnik Naucny die böhmische Meile 
mit Vi Aquatorgrad = 9276 m an, was mit dem Maßstab 
der Müll ersehen Karte gut übereinstimmt. 2 ) 

Die Karte besteht aus 25 Blättern, 11 ) deren Stich von 
dem als Schrift- und Landkartenstecher ausgezeichneten 
Michael Kauffer in Augsburg besorgt wurde. Prachtvolle 
Allegorien von künstlerischem Werte schmücken dieselbe. 
Obstbau und Weinkultur, Ackerbau und Viehzucht, Jagd 
und Forstwirtschaft, Bergbau und Glaserzeugung gelangen in 
meisterhaften Bildern zur Darstellung. Schöne Frauen- und 
Männergestalten, die Flüsse des Königreiches personifizierend, 
umgeben in malerischer Gruppierung den von einem ge- 
krönten Aar gehaltenen und von der Kette des Toisonordens 
eingefaßten Schild mit dem böhmischen Löwen. Man sieht 
den Albis Fluß von den Höhen des Riesengebirges kühn zu 
Tale stürzen, sowie seine Nebennüsse, die Aupa, Cydlina, 
Orlyce und die Isara, ferner die aus den Tiefen des Böhmer- 

1 K. A., Kartenabt. B IX a 91. 

'-! Ilartl, Das Verjüngungsverhaltins der Yischerschen Karte 
von Niederösterreich und der MülWsehen Karte von Böhmen. 
(Mitteil. d. k. k. Milit.-geogr. Institute, Wien 1884, 183.) 

3 ) Nach der gütigen Mitteil, des H. Dr. V. Novaeek befinden sich 
die Kupterplatten der Mül 1 ersehen Karte, und zwar '25 der großen und 
25 der kleineren Ausgabe .Wieland) iu der Registratur des k. böhmischen 
Landesausschusses in Prag und dürtteu spater in die Verwahrung des 
k. böhm. Landesarchivs übergehen. 



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Ein Beitrag mr vaterländischen Kartographie. 



95 



waldes kommende fischreiche Moldava mit der perlenreichen 
Ottava, der Zazava, der Luschnice und der Berauna. Der 
Fluß Egra schließt das ganze Bild. Eine Ansicht von Prag, 
mit der steinernen Brücke über die floßbare Moldau und mit 
der alten, ehrwürdigen Königsburg am Hradschin, wird von 
dem Bilde des böhmischen Herzogs Wenzel des Heiligen 
gekrönt, welcher die Landeshauptstadt dem Schutze der 
Madonna empfiehlt. 

Diese figurale Ausstattung der Karte wurde von dem 
Maler Wenzel Lorenz Reinner 1 ) entworfen und gezeichnet. 
,,Wenceslaus Laurentius Reinner inventor et delineavit Prag." 

Nach den Vorlagen dieses Künstlers führte der Augs- 
burger Kupferstecher Joh. Daniel Herz (1693 — 1754) 2 ) den 
Stich dieser Nebenfiguren aus. „Johann Daniel Herz sculpsit 
Aug. Vindelicorum." 

Jedes Kartenblatt ist am inneren Rande gemessen 
54*7 CM lang und 40*5 cm hoch. Die Länge der ganzen Karte 
beträgt 2*73 m, die Höhe 2*32 m, die ganze Fläche 6*8 W*. Sie 
besitzt kein Gradnetz, am Rande ist eine Gradeinteilung 
mit Angabe der Minuten angemerkt. Die Karte ist als recht- 
eckige Plattkarte konstruiert. Die Rechtecke betragen nach 
den Breiten- und Längengraden gemessen im Mittel 13*54 cm 
Höhe und 8*7 cm Länge, die Breitenminuten 1"3 cm, die 
Längenminuten 0*9 cm oder 1874 m und 1171m im Werte. 

Die an Böhmen angrenzenden Länder sind: Im Norden: 
Saxoniae Superioris Pars mit Circul. Voitlandicus, Circul. 
Mineromontanus, germanice Erzgebürgische Creys und Circul. 
Misniacus. Lusatiae Superioris Pars. Ducatus Silesiae Pars 
mit Ducatus Javariensis, Swidnicensis, Mönsterbergensis und 
Krotkaviensis. 

Im Osten : Marchionatus Moraviao mit Circul. Igla- 
viensis, Brunnensis und Olomucensis. Im Süden: Archiducatüs 
Austriae Pars. Im Westen: Bavariae Pars und Palatinatus 



') Geboren in Prag 1686, widmete sich unter der Leitung 
Schweigers der Landschafts- und Schlachtenmalerei und sein Hu t" 
verbreitete sich weithin. Seine Bilder wurden hochgeschätzt und teuer 
bezahlt. Er starb 174:J noch nicht .">(] Jahre alt und wurde bei 
St. Ägidius in Prag begraben. N agier, Künstler-Lex., 12. Bd.i 

•j X agier, Künstler Lex., G. Bd. 



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06 



Pa ld n s. 



Superior, Marchionatus Culmbacensis und Pars Di9trictüs 
Passaviensis. 

Das Königreich Böhmen ist politisch in 12 Kreise ein- 
geteilt. Außer diesen Kreisen gehört noch der Distrikt von 
Eger und die Grafschaft Glatz zu Böhmen. Die alte ad- 
ministrative Einteilung Böhmens zu Anfang des XV. Jahr- 
hunderts läßt sich, nach Palacky s „Geschichte von 
Böhmen", nicht mehr genau ermitteln, da die administrative 
Gewalt der 12 Landeskmeten sich mit der Kreiseinteilung 
nicht genau deckte. Nur die kirchliche Einteilung in 10 Archi- 
diakonate erhielt sich unverändert. Es waren Prag, Kaufrm, 
Bechin, Saaz, Leitmeritz, Bilin, Jungbunzlau, Pilsen, Horsow 
und Königgrätz. 1 ) In der Zeit Karls IV. und seines Sohnes 
Wenzels IV. teilte sich das Land in 13 Kreise: 2 ) Bechin, 
Bunzlau, Chrudim, Caslau, Eibogen, Kaufim, Königgrätz, 
Leitmeritz, Pilsen, Pisek, Prachin, Saaz und Schlan. Palacky 
gibt die Einteilung des Landes bezüglich der Verwaltung 
sämtlicher königlichen Lehen im Lande unter Wenzel IV. 
in 13 Provinzen an: Provinz Gräz und Hohenmauth. Prag, 
Bunzlau, Nimburg und Melnik. Rakonitz und Beraun. Bechin 
und Cheynow. Bozensko und Prachin. Wltawsko und Kamyk. 
Pilsen. Pisek und Dautleb. Caslau. Saaz, Leitmeritz und Brüx. 
KauHm. Chrudim. Schlan. 3 ) Doch führt er auch eine Ein- 
teilung in 12 Kreise an. Nach Baibin soll König 
Wladislaw II. noch den Podbrader und Moldauer Kreis 
hinzugefügt haben. In einem allgemeinen Landtag 1569 und 
1579 wurde die Stadt Prag vom Kaufimer und Schlaner 
Kreise getrennt und erhielt eigene Hauptleute. 4 ) 

Die erste Karte von Böhmen, welche eine Kreis- 
einteilung enthält, ist die Aretinsche 1619, verbessert 
1632. Die Sad eler- Aretinsche Karte vom Jahre 1630 
gibt 15 Kreise an. Der Bezirk Eger ist fälschlich in den 
Pilsener Kreis einbezogen. Der Nachstich von Sandrart 
1666, behält die 15 Kreise bei. Die Karte des Zisterzienser- 
Paters M. Vogt vom Jahre 1712 rechnet offenbar irrtümlich 

») Palacky, Gesch. v. Böhmen. HL Bd., 2. Abt., 20. 

*) Schlesinger, Gesch. v. Böhmen, 245. 

3 ) Palacky, Gesch. v. Böhmen, 21. 

*) Büsch ing, Erdbeschreibung, 5. T., 168— 169. 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



97 



den Egerschen Distrikt und ebenso die Landeshauptstadt 
Prae als Kreise, so daß 17 Kreise entstehen. Nach dem 
Landtagsbeschluß vom Jahre 1714 wurde mit Genehmigung 
des Kaisers Karl VI. vom August desselben Jahres die 
Anzahl der Kreise auf 12 reduziert. Nach dem Entwurf 
dieser neuen Einteilung blieben der Königgrätzer, Buuzlauer, 
Pilsner, Prachiner, Bechiner, Öaslauer, Chrudimer und Leit- 
meritzer Kreis im alten Umfang, der Elbogner ist in den 
Egerschen Bezirk, die Herrschaft Falkenau in den Saazer, 
der Schlaner aber in den Rakonitzer Kreis einbezogen 
und die königl. Stadt Rakonitz zur Kreisstadt erhoben, 
ferner der Moldauer mit dem Podbrader Kreise vereinigt 
und für diesen die königliche Stadt Beraun zur Kreisstadt 
eingesetzt. Ebenso bleibt der Kaufimer Kreis in seinem 
alten Stande, mit Ausnahme einiger Dörfer, welche von dem- 
selben getrennt und in den Bunzlauer Kreis eingeteilt wurden; 
auch die im Leitmeritzer Kreise gelegene Herrschaft und 
Stadt Melnik sowie auch Schopka wurden in den Bunzlauer 
Kreis transferiert. 1 ) In der Karte Böhmens von Müller 
aus dem Jahre 1720 erscheint die neue administrative Ab- 
grenzung in 12 Kreise bereits durchgeführt. 

Der Bechiner Kreis, Circulus Bechinensis, mit den 
königl. Städten: Budweis, Neuhaus, Pilgram und Tabor. Der 
Berauner Kreis, Circulus Beraunensis, mit der königl. Stadt: 
Beraun. Der Bunzlauer Kreis, Circulus Boleslaviensis, mit den 
königl. Städten: Jung Buntzel (Jungbunzlau), Melnik und Him- 
burg. Der Chrudimer Kreis, Circulus Chrudimensis, mit den 
königlichen Städten: Chrudim, Hohemauth (Hohenmauth) 
und Policzka iPolicka). Der Caslauer Kreis, Circulus Czasla- 
viensis, mit den königl. Städten: Czaslau (Öaslau), Teutsch 
Brod (Deutschbrod) und Kuttenberg. Der Kaurimer Kreis, 
Circulus Kaurzimensis, mit den königl. Städten: Böhmisch 
Brod, Kaurzim (Kaurim) und Kolin. Der Königgrätzer Kreis, 
Circulus Reginohradecensis, mit den königl. Städten: Königin- 
gratz (Königgrätzi, Königshof (Königinhof a. d. Elbe), 
Jaromirz (Jaromer i, Neu Biczow (Neubydzow) und Trautenau. 
Der Leitmeritzer Kreis, Circulus Litomericensis, mit den 



») Erber, Notitiae illustris Regni Bohemiae etc., 1760, 59 u. 59. 
Mitteilungen des k. und k. Kriogiarchivs. Dritte Folge. V. Bd. 7 



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98 



P a 1 d u t. 



königl. Städten: Aussig und Leitmeritz. *) Der Pilsner Kreis, 
Circulus Pilsnensis, mit den königl. Städten: Klattau, Mies, 
Pilsen und Rokitzan. Der Prachiner Kreis, Circulus Prachi- 
nensis, mit den königl. Städten: Pisek, Schiit tenhofen und 
Wodnian (Wodnan). Der Rakonitzer Kreis, Circulus Rakoni- 
censis, mit der königl. Stadt Rakonitz. Der Saazer Kreis, 5 » 
Circulus Satecensis, mit den königl. Städten: Brix (Brüx), 
Elenbogen (Elbogen), Joachimsthal (Set.), Caaden (Kaadent, 
Carlsbad (Karlsbad), 3 ) Commotau iKomotau), Lauu und 
Saatz (Saaz). 

Der Distrikt Eger, Districtus Egeranus, mit der königl. 
Stadt Eger 4 ). 

Das k. und k. Kriegsarchiv besitzt eine interessante, 
aus der Verlassenschaft des Prinzen Karl von Lothringen 
stammende, handschriftliche Karte über den „Districtus 
Egeranus" von J. Chr. Müller. Diese Zeichnung ist die 

J ) Zum Leitmeritzer Kreise gehören offenbar die in der Ober- 
lausitz gelegenen Exklaven Unt.-Leitersdorf (Leutersdorf; und Schürgs- 
wald (Schirgiswalde). 

*) Joachimsthal und Karlsbad sind Städte ohne Ringmauern. 

3 ) Über Karlsbad und den Elbogner Kreis stammt eine Karte von 
Zurner 1715. »Sie führt den Titel „Geographischer EntwurlV der Stadt 
und Gegend des Welt berühmten Kaeyser Carlsbades in Königreich 
Böhmen, vorstellend den Ellenbognischen Creiß sambt denen hie mit 
vermengten und angräntzenden Gegenden, so theils mit Instrumenten 
ein gehohlet theils aus erhaltenen Nachrichten zusammen getragen und 
nach gegen über stehendem Schlüssel sonderlich für die Reisenden und 
fremden nützl. zu gebrauchen eingerichtet von M. A. F. Zurner 
P. S. M. gestochen von Peter Schencken jun. mit königl. und 
churf. Sächß. Priv. 1715". (1:166.000), 1 gest. Blatt. 

*) Das Egerland war einst Hausgut der Vohburger Grafen und 
der Staufischen Kaiser. Nach dem Untergang der Staufer zerfiel das 
Ländchen in einen westlichen oberpfälzischen oder oberfränkischen | 
und in einen östlichen Teil. Letzterer kam unter Johann von Luxem- 
burg, der ihn nach der Schlacht bei Mühldorf l'M2 von Ludwig dem 
Bayer zum Pfände erhielt, zu Böhmen. Das Egerland besaß eine autonome 
Stellung und besorgte seine Angelegenheiten auf eigenen Kreistagen. 
Seit dem XVI. Jahrhundert hatte es sich nur in Steuersachen nach dem 
ganzen Lande zu richten. Es verhielten sich Eger und Elbogen zu 
Böhmen, etwa so wie Vorarlberg zu Tirol. Unter Maria Theresia und 
Josef IL verlor das Egerland seine Autonomie und wurde dem 
damaligen Elbogner Kreise einverleibt. Schlesinger, Geschichte, v. 
Böhmen, i 





Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 99 

einzige, welche von den einzelnen Müller sehen Kreiskarten 
des Königreiches Böhmen im Original bis jetzt bekannt ist. 
Sie war für den Hofkriegsrat angefertigt und führt folgenden 
Titel: „Mappa distriettis Egrani cum adiacentium regionum 
partibus et locis conterminis quem accurato emensus est, et 
in usum Excelsi Consilii Aulico-Bellici delineavit Joh : Christ : 
Müller, S. C. M. Capit: et Ingen:" 1 ), 1:69.000, 1 gez. Blatt 
Pergament. Größe 40 5 cmX±S' b <>n- Das Terrain ist perspek- 
tivisch, das Flußnetz blau, Wälder grün, Ortschaften rot mit 
Gold und Straßen braun. An Signaturen enthält die Karte: Loca 
muro cineta per se, ex ichnographia sua cognoscuntur, Vici, 
seu Opida, Pagi cum et sine teraplo, Palatia Nobilium, Templa 
solitaria, Arx desolata, Officinae ferrariae, Villae, Molae, 
Pisciniae, Sylvae und Viae prineipaliores. Die Gradeinteilung 
weicht etwas von jener in der großen Karte von Böhmen 
ab, ebenso das Straßennetz, auch die Schreibweise der Orts- 
namen ist verschieden. 

Asch * ist auf dieser gezeichneten Karte nicht zu 
Böhmen gehörig dargestellt, hingegen das Gebiet von Alben- 
reuth gegen Bayern abgegrenzt. 

Die Grafschaft Glatz, 3 ) Comitatus Glacensis, ist in sechs 
Distrikte eingeteilt: Der Neuroder Distrikt, der Wünschel- 

») K. A., Kartenabt. B IX a 102. 

•) Das Gebiet von Asch ist auf der Müller schon Karte irrtüm- 
lich nicht zu Böhmen gerechnet. In der spateren großen Aufnahme 
des Landes unter Kaiser Josef II. aus den Jahren 1704-1783 ist das 
Gebiet von Asch, sowie jenes von Albenreuth und Mugl nach Böhmen 
einbezogen, jedoch vom Egerland abgegrenzt. » K. A., Kartenabt. B IX a 
92.' Mit dem Egerland kam durch die Heirat Friedrich Barbarossas 
mit Adelheid von Vohburg auch das Gebiet von Asch an die Hohen- 
staufen. Friedrich II. gab dem benachbarten Vogte Heinrich von 
Planen die Gerichte von Asch und Selb. Johann von Luxemburg 
erwarb Asch mit dem Egerland dauernd der böhmischen Krone. Bis 
zum Jahre 1770 hatte es als Lehen der Krone Böhmens eine besondere 
staatsrechtliche Stellung Slovmk Xaucn^. 2. Bd. 1HS9, 934.) 

*) Die Provinz Glatz wurde vom Herzog Bfetislaw II. von 
Böhmen an Boleslaw. Sohn des Königs Wladislaw I. von 
Polen. (1093 als böhmisches Lehen übergeben. Im Sedletzer Vertrag 
1278 erhielt sie Heinrich IV. von Breslau zum NutzgenuU. nach dessen 
Tode fiel sie wieder an Wenzel II. zurück. 1453 gelangte Glatz in den 
pfandweisen Besitz des damaligen Statthalters von Böhmen, Georg 
von Podiebrad Sohlesinger, Gesch. v. Böhmen. 1402 wurde Glatz 

7* 



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■ 



100 



Pa 1 d u 8. 



burger Distrikt mit der königl. Stadt Wünschelburg, der 
Glatzer Distrikt mit der königl. Stadt Glatz, der Humblischer 
Distrikt mit der königl. Stadt Reinertz fReinerz), der Habel- 
schwerder Distrikt mit der königl. Stadt Habelschwerd (Habel- 
schwerdt), der Landeker Distrikt mit der königl. Stadt 
Landek (Landeck). 

Im Böhmerwald, südöstlich von Taus, liegt das Gebiet 
„Königisch Waldhwozd", der Sitz von königlichen Frei- 
bauern. Es besteht aus zerstreut liegenden Bauernhöfen und 
ist in acht Gerichte eingeteilt: Catharinagericht, Hammer- 
gericht, Eisenstrassergericht, Seewiesner Obergericht mit dem 
Sitze des Oberrichters, Haydlergericht, Kochetergericht. 
Stadlergericht und das im Prachiner Kreise liegende Stachauer- 
gericht. ') 

Geographische Lage von Böhmen. 



Nach Müller 


====== 

Nach der Spezial- 
karte 1:144.01)0 
(1847—18601 


Nach der General- 
karte von Mittel- 
europa 1 : 200.UOO 


östliche Länge 


Östliche Länge (Ferro) 


32" 46' - 37° 29' 


29° 53< - 34° 29' 


29° 53' - 34o 20' 


Nördliche Breite 


48° 29' - 51° 5' 


j 48° 33' - 61« 3' 


48° 33' — 51° 4' 



durch Kaiser Friedrich III. zur Grafschaft erhoben und den Söhnen 
Georgs von Podiebrad das Recht verliehen sich als Graten von 
Glatz zu unterzeichnen. 1472 gab sie Wladislaw II. von Böhmen 
dem Fürsten Heinrich dem Alteren, dem Sohne Podiebrads als 
Lehen. Die Söhne des Fürsten Heinrich verkauften die Grafschaft 
im Jahre 1501 dem Grafen Ulrich v. Hardej,'^, dessen Hruder Johann 
sio im Jahre 1534 dem König Ferdinand I. käuflich überlieU, welcher 
sie wieder dem Johann v. Peru st ein 15)7 als Pfaud gab. Im Jahre 
1541» verkauften sie dessen Söhne dem Ernst v. Bayern, Erzbischof 
von Salzburg. 1624 brachte sie Kaiser Ferdinand II. wieder an sich. 
Seitdem blieb Glatz bei der Krone von Böhmen bis zum Frieden von 
Breslau 1742, in welchem es Maria Theresia an den König Fried- 
rich II. von Preußen abtrat. 1 Slovnik Naucny, 14. Bd. 

1 Diesen Freibauern war von altersher die Bewachung und Ver- 
wahrung der Laudesgrenze und der sie bedeckenden Walder anvertraut. 




Dl 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



101 



Die Ausdehnung des Landes in der Länge ist nach 
Müller 4° 43', nach der neuen Generalkarte von Mittel- 
europa 4° 27'; die Breitenausdehnung beträgt nach Müller 
2° 36', nach der neuen Generalkarte 2° 31'. 

Demnach ist diese von Müller ohne Triangulierung 
aufgenommene Karte gegen die mit den neuesten Hilfsmitteln 
verfertigten Karten um 16 Längen- und 5 Breitenminuten 
zu groß. 

Im Gegensatz zu den bis auf Minuten richtigen Pol- 
höhen differieren die geographischen Längen Müllers in 
bezug auf die Zählung des Anfaugsmeridians von Ferro um 
2° 53' im Mittel, d. h. der Anfangsmeridian Müllers liegt 
ca. 2° 53' westlich von Ferro. 

Das Terrain ist in der Hügelmanier gehalten. Es weicht 
von der konventionellen Darstellung insofern ab, als es sich 
mehr der Natur anpaßt. Der relative Höhenunterschied des 
Gebirges ist durch etwas höhere Kuppenformen ange- 
deutet. Die Gebirgszüge sind in ihrem Verlauf durch 
hintereinander gestellte Bergkuppen ersichtlich gemacht. Itn 
allgemeinen haften alle Fehler und Mängel der damaligen 
Terraindarstellung auch der Müll er sehen Karte von Böhmen 
an, obwohl sie im Vergleich mit seiner mährischen Land- 
karte einen Fortschritt im Ausdruck der Bergformen aufweist. 

Von Interesse ist die Nomenklatur der Gebirgswelt 
Böhmens aus dieser Zeit, um so mehr, als es die erste Karte 
des Landes ist, welche auf die Bergnamen näher eingeht. 



In diese Aufgabe teilten sie sich mit den Choden zu Taus, Pfraumberg 
und Tachau. Diesen Choden (Chodovi), von ihrer Fahne mit einem 
Hundskopf auch Psohlavci genannt, oblag der Schutz der Grenze gegen 
feindliche Einfalle in Kriegszeiten und Beschädigung der Wälder im 
Frieden. Die Choden waren vor der Schlacht am Weißen Berge, respektive 
vor ihrer Verptanduncr an die Herren von Sch Wamberg mit den 
Freibauern im k. Waldhwozd offenbar gleichgestellt, da sie dieselbe 
Aufgabe hatten. Sie verfielen in Leibeigenschaft, während die Bewohner 
des „klinischen Gebirges", das königliches Eigentum war, freie Leute 
blieben. Vergl. Holfert, Die ehemalige Wald-Veate Böhmen. [Mitteil, 
d. k. k. geogr. Gesellsch., Wien 1S7<>.] — Dr. J. A. Gabriel, D. königl. 
Waldhwozd 1864. — Pangerl, Choden zu Taus. [Mitteil. d. Verein, f. 
Gesch. d. Deutschen i. Böhmen, 1*75.] — Erben, Dejiny Chodu ; 
Kvetv 1808.) 



102 Pal da 8. 



Vergleich der geographischen Positionen einiger 

Orte, »i 



Orte 


Müller 


Spezialkarte 
1 : 144.000 
(1847-1860) 


Angabe des 
i k. u. k. railitär- 
geographischen 
Instituts 


Östl. 
Länge 


Nördl. 
Breite 


Östl. 
Länge 
(Ferro) 


Nördl. 
B reite 


, Östl. 

1 Lange 
(Ferro) 


Kördl. 
Breite 


Budweis .... 

Chrudim .... 

Czaslau (Caslau) 

Eger 

Jung Buntzel 
(Juugbunzlau) . 

Kaurzim (Kauf im | 
Königingrätz 

(Königgrätz) . 
Leitmeritz . . . 
Pilsen 

Kakonitz .... 
Saatz (Saazi . . 


34° 37' 
34° ÖG' 
36° 23' 
35« 48' 
32« 54' 

35° 31« 
35" 33' 

36° 2G' 
34° 44' 
33° 53' 
34» 58' 
34° 21' 
34" 5' 

1 


49° 57' 
48° 56' 
49* 51' 
49« 51* 
50° 5* 

50° 23' 
49° 57« 

50° 8' 
50 u 30' 
49° 45' 
50» 3' 
50° 5' 
50° 19' 


| 31° 44' 
32° 8' 
33° 27' 
33° 3' 
30° 3' 

32° 34' 
32" 33' 

33° 30' 
! 31° 47' 
31° 8' 
32° 5' 
31° 24' 
31° 12' 

1 


49» 57' 
48° 58' 
49° 57' 
49" 54' 
50" 4' 

50» 25' 
50" 

50» 13' 
50" 32' 
49» 45' 
50» 5' 
50° 6' 
50» 2t»' 


1 

31» 44' 

32° 9' 
33» 23' 
33° 3' 
30» 2' 

32" 34' 
32» 39' 

33° 30' 
31» 4,' 
31» 2' 
32» 5' 
31» 24' 
31" 13' 


49" 58' 
48» 58' 
49" 57' 
49» 55' 
50» 5* 

50" 25' 
50* 

50» 13' 
50» 32' 
49» 45' 
50» 5'j 
50° 6* 
50» 2(V 



In dem ,,Riesengebürg Montes" mit der Schneekappe (Schneo- 
koppe) findet sich das sagenumsponnene ,,Riebenzahlsrevier" 
mit , .Riebenzahls lustgarten", der Ziegenruken m., die sieben 
gründe, südlieh davon die Schwartzeberg (Schwarzenberg) 
und die Rühren m. (?) Westlieh der Schneekoppe folgen die 
kleine und grotfe Sturmhaube, der griiulichteberg m. (?) bei 
Neuwelt, der Iserkamm montes mit dem nördlich von 
Antoniwald alias Wurtzelsdorf liegenden Keuliehten buchberg 
(Buchberg). Dem Jeschkengobirge mit dem Jeschkenberg m. 
folgt in seinem Verlauf das Lausitzergebirge. welches eine Fülle 
von Hergnamen aufweist, als da sind: Nesselberg m. (Lausche), 
Falkenberg m., Hirschenstein, Kleis m. (KleiÜ-B.), Urthels- 
berg (Orteisberg bei Zwickau), Laufberg m. (bei Brims), 
Tanneberg m. (Tannenberg bei Kreibitz), Rauchberg m. (bei 

•) Die Positionen sind von der Ortsmitte gemessen, die Sekunden 
wurden vernachlässigt. 



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Ein Beitrag zur vaterländiachen Kartographie. 



103 



Rumburg). Pötzen m. (Botzen-B. bei Schluckenau), Plissen- 
berg (bei Nixdorf), Irigberg (Iricht-B. bei Daubitz) und der 
Kaltenberg (südlich Kreibitz>. Für das Elbesandsteingebirge 
ist keine Bezeichnung vorhanden. Arm an Bergnamen ist das 
Erzgebirge. Hier finden sich auf der böhmischen Seite der 
Haßberg und Spitzberg m. (bei Preßnitz), der Pleßberg, Spitz- 
berg und Glasberg (?) m. (bei Joachimsthal Set.), der Spitz- 
berg und Hirschberg (?) m. (nördlich Graslitz) und der Hohen- 
stein m. (Hohe Stein-B. bei Kirchberg). In dem schwach an- 
gedeuteten Fichtelgebirge erscheint nördlich von Hochberg 
(Hohenberg) der Platten m. Deutlich tritt auf der Karte der 
Kaiserwald bei Königswart hervor, wogegen das Tepler- 
gebirge ganz unbekannt ist und auch das Duppauergebirge 
sich von den anliegenden Höhenformen kaum unterscheidet. 
Im waldreichen Böhmerwald erhebt sich bei Taus der Groß- 
und KJein-Czerchow (Cerkov-B.) und der zweigipflige Osser, 
ihm folgen südlich von Eisenstein der Aidwaich m. (?) See- 
wänd m. (Seewand), Gros-Küheberg (Hoch-B?) und der 
Falkenstein m. Weiters der Rächl m. (G. Rachel), Lüsen m., 
der Tusetberg (?) m. (bei Bhm. Röhren), der Dreysessel m. 
(Dreisessel-B.), der Hohestein m. (?) der Plökenstein m. 
(Blöckenstein B.) und der Hoch fürchtet m. (Hochfichtel-B.). 
Auf der böhmisch-mährischen Höhe fehlen Gebirgs- und Berg- 
namen gänzlich, erst wieder im Glatzischen sind im heutigen 
Rc-ichensteinergebirge der Vogelberg und Spitzberg m., sowie 
bei Wünschelburg die Heuscheune m. (Heuscheuer) benannt. 
Deutlich kennzeichnet sich der langgestreckte Bergrücken 
Brdy sylva (Brdy Wald) mit der Trzemoschna (Tfemosna bei 
Pribram). Der Zbän-Wald nördlich Rakonitz ist als Schwan 
sylva, der Plansker-Wald bei Krumau als Blansko sylva 
bezeichnet. Westlich des Zbän- Waldes bei Flöhau wird der 
Rotheberg und Kirchberg m. (?) genannt. Bei Wodnan führt 
der heutige Haniberg den Namen Freygebürg. Nördlich von 
Bischofteinitz sind die „sieben berge" erwähnt. Das böhmische 
Mittelgebirge, als „mittelgebürg montes" bezeichnet, weist nur 
bei Kletschen den Kletscheni?) und den großen Frantz m. 
(Donnersberg) auf. Östlich vom Mittelgebirge ragt der Roll- 
berg bei Niemes, der Pösig (Bösig) bei Hirschberg, der Göltsch 
m. (Geltsch B.l bei Auscha hervor. Südlich Raudnitz erhebt 



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104 



P a 1 d u s. 



sich ein weit hinausgeschobener Ausläufer des böhmischen 
Mittelgebirges der wuchtige S. Georgenberg (Georgsberg, fiip). 

Das hydrographische Netz der Karte ist ein reiches. Der 
Lauf der bedeutenderen Flüsse ist in großen Zügen richtig, 
die Darstellung der kleineren Flüsse und der Bäche schema- 
tisch. Die Benennung der Flüsse deckt sich nicht immer mit 
den heutigen Flußnamen, so heißt z. B. die Stfela oder 
Schnella, ein Nebenfluß der Beraun, in der Karte Müllers 
Schalotka, die Strobnitz Danko Fl., die Luznitz, südlich von 
Wittingau, Altbach, die Angel Bradlanka, die Mrdlina 
Drnawa Fl. etc. Flußübergänge und Uberfuhren sind in großer 
Anzahl angegeben. Von den stehenden Gewässern treten die 
Teichgebiete im südlichen Böhmen bei Wittingau mit dem 
Rosenberger Teiche, sowie bei Wodnan, Blatna und an der 
Elbe bei Pardubitz stark hervor. Die Teiche von Haid, See- 
stadtl und der Pfreimtsch-Weyer im Böhmerwald liegen heute 
ganz oder zum Teil trocken. 

Wein- und Waldkulturen beleben das Bild des Landes. 
Die Weingärten des Moldautales unterscheiden sich in der 
Darstellung jedoch nicht von den Hopfenpflanzungen bei 
Saaz. Der Wald ist durch die üblichen Baumzeichen zum 
Ausdruck gebracht. Bei Königinhof steht ,, Königreich sylva", 
nordöstlich Schönau bei Oberplan „Lyssi sylva", bei Wallern 
,.Hum sylva", nördlich Basberg (Sebastiansberg) „Stokraum 
sylva", bei Auwal ,,Fiderholtz sylva" und bei Böhm. -Wiesen- 
thal Sommerleiten und Winterleiten sylva". 

Die reiche Topographie des Landes wird durch 46 ver- 
schiedene Zeichen 1 ) ausgedrückt. 

Nach der Zeichenerklärung gibt es: Mit mauern umgebene 
Königliche Städte. (Bei der Kreiseinteilung genannt, im 
ganzen 46). Mit mauern umgebene gemeine Städte: Arnau. 
Ausche ' Auscha), Bechin, Bilin, Böhm. Aycha (Bhm. Aicha), 
Böhm. Leypa (Bhm. Leipa), Braunau, Budyn (Budin), Falkenau, 
Gabel, Gitschin (Jiein), G ratzen, Hayd (Haid, Bor), Horazdio- 
witz (Horaid'owitz), Kamenitz (an der Linde), Kosteletz 
(Elbekosteletz), Krumau, Landscron (Landskron), Leutomischl 



') Die SpesiaOcarte der österr .-ungarischen Monarchie 1 : 75.000 
arbeitet mit 252 konventionellen Bezeichnungen. 





Ein Beitrag «ur vaterländischen Kartographie. 



105 



(Leitomischl), Laditz, Neu Fiatritz (Neubistritz), Neustatt 
(Neustadt an der Mettau), Pardubitz, Plan, Potschaken 
(Pocatek), Prachatitz, Rabenstein, Raudnitz, Rosenberg, 
Sobieslau (Sobeslau), Schlakenwerth (Schlackenwerth), Schlan. 
Strakonitz, Tachau, Teusing (Theusing), Teinitz (Bischofteinitz), 
Töpl (Tepl), Töplitz (Teplitz), ') Wittengau (Wittingau), 
Welwarn und Winterberg. 

Städte ohne ringmaueren: Barau, Buchau, Brzeznitz 

Bleznitzj, Eule, Herzmanmiestetz (Hermanmestetz), Hohen Elb 
iHohenelbe), Hostomitz, Jörkau (Görkau), Kamnitz (Bhm. 
Kamnitz), Landek Landeck >, Neu Paka (Neupaka;, Nettolitz 

Netolitzi, Neu Rode rNeurode), Pantzen (Bensen), Petschau, 
Polna, Przelautsch (Prelauö), Przymysl | Pribyslauj, Przibrani 
(Pfibram), Reinertz Reinerzi, Seitschan (Selöan), Sobotka, 
Schlaggenwald, Tetschen, Teyn < Moldauthein i, Turnau und 
Weypert | Weipert). 

Marknecken, Schlösser, Herrn-palläste und Rittersitze, 
Markflecken mit Schlössern, Dörfer ohne kirchen, Dörfer mit 
kirchen, Dörfer mit einem Schloß, Dörfer mit kirchen und 
Schloß, Lange dörfer, einschichtige Mayerhöfe, hin und 
wieder zerstreueto bauernhöfe, Bisthümer, wunderthätige 
gnadebilder. Alte verödete Schlösser, wo vor alters dörfer 
gestanden, Einsiedeleyen, Glashütten. Bergwerke : Gold, Silber, 
Zinn, Kupfer, Eisen, Bley, Vitriol, Zinober, Alaun, Schwefel. 
Clöster, einzeln stehende kirchen, einzeln stehende Wirts- 
häuser, Post Wechsel, Warme bäder, Sauerbrunnen, Messing- 
werke, Kupferhämmer, Eisenhämmer, Dratmühl, Alaun- 
siedereyen, Sallitereyen, gemeine mühlen, Jägerhäuser, Wein- 
gärten, Überführten und Landstrassen. 

Bei Neurode im Glatzisehen sind auch Kohlengruben 
eingezeichnet, wofür in der Erklärung das Zeichen ausblieb. 
Die Städte und Marktflecken sind durch stehende Schrift 
von den Dörfern in kleinerer, liegender Schrift unterschieden, 
ebenso sind die Marktflecken mit Schlössern, Dörfer mit 
Schlössern, Klöster und einzeln stehende Kirchen etc. durch 
verschiedene Schriftgattuug ausgedrückt. 

') ,,Die Herschaft Toeplitz im Leutmeritzer Creiße des König- 
reichs Boehmen entworffen von M. A. F. Zurner, gestochen in Arnstel- 
dam von P. Schenk"', 1 gent. Blatt. (1715). 



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100 



Pal d us. 



Das Kommunikationsnetz in der Karte ist ein sehr 
dürftiges und besteht nur aus Landstralien. Die Verbindungen 
nach Sachsen und in die Lausitz sind : von Eger über Asch, 
Adorf, sowie über Wildstein, Adorf nach Plauen, über 
Maschau, x ) Heinrichsgrün nach Klingenthal, über Caaden 
(Kaaden) nach Annaberg, über Commotau (Komotau ), Bas- 
berg i Sebastiansberg i nach Marienberg. über Aussig, Peters- 
wald nach Pirna, über Rumburg nach Loebau iLöbau), über 
Olschwitz (Oschitz), Krottau (Grottau) nach Zittau, über 
Reichenberg, Friedland nach Görlitz. 

Nach Schlesien: über Trautenau, Schatzlar nach Lands- 
hut, über Nachod, Reinertz i Reinerz i, Glatz nach Frankstein 
i Frankenstein ). 

Nach Mähren: über Dirnberg | Dürrenberg bei Wilhelms- 
thal im Glatzischen ) nach Altstadt, über Teutsch-Brod «Deutsch- 
brodi nach Iglau, über Neuhaus, Königseck nach Rudoletz 
(Böhmisch Rudoletz). 

Nach Niederösterreich: über Wittengau (Wittingaut nach 
Schwartzbach i Schwarzbach;. 

Nach Oberösterreich: über Budweis, Kaplitz nach 
Walowitz (Wullowitz). 

Nach Bayern: die Straße von Passau nach Böhmen 
teilt sich in Freyung in drei Teile. Die nördliche Verbindung 
führt nach Berg Reichenstein (Bergreichenstein) und ist als 

') Was die Bemerkung des Herrn Dr. Karl Sehneider (Ober 
die Entwicklung des Karten bildes von Böhmen, S. 364 anbelangt, daß 
es eine direkte Straße von Saar nach Maschau nicht gegeben habe, so 
findet sich eine solche in der Sektion Nr. 69 der Kriegs-Karte des 
Königreiches Böhmen aufgenommen auf Befehl eines hochlöblichen kais. 
königl. Hof-Kriegs-Raths in den Jahren 1764. 176.">. 1766 und 1767 etc. 
unter der Direktion des Obristen von Fabris etc. reetiticiert im Sommer 
1780. 17S1, 1782 und 1783 ui.t r der Leitung des General-Feldwacht- 
meisters Preih. v. Elmpt, l:2s.S(X>. 273 gez. Blätter mit 19 Banden 
Beschreibung" (K. A.. Kartenabt. B IXa 92). In der zugehörigen 
Sektionsbeschreibung heißt es S. 343 bei Saar: ,.Die durchgehende 
Landstraße von Trag ins Voigtland hat sowohl von der Seite von 
Maschau her, als auch gegen Rodistort in Sect. 68 leimig und mit 
Sand gemischten Boden, und verbleibt wie wohl in naßen Zeiten etwas 
beschwerlich, jedannoch jederzeit vor Artillerie practicable." L>iese 
Sect. Nr. 69 wurde aufgenommen von Jos. deMatzko Oberleut. v. 
Prunken. Anno 1782. 



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Ein Beitrag sur vaterländischen Kartographie. 



107 



,,der güldene Steig" ') bezeichnet, die mittlere Straße über 
Kuschwartahaus (Kuschwarda) nach Ober Woldau (Ober- 
moldau) und die südliche Verbindung führt über Häusler bey 
der böhm. röhren (Böhmisch Röhren, nach Wallern. Weitere 
Verbindungen von Böhmen nach Bayern sind über Teinitz 
| Bischofteinitz) nach Waldmünchen der Paß von Taus), 2 ) 
über Mies, Hayd (Haidi, Frauenberg (Pfraumberg), Roßhaupt 
nach Waidhausen, endlich über Eger nach Waldsassen und 
über Eger nach Schirnding. 

Die Größe und Unbequemlichkeit der Karte veranlaßten 
Müller, sie in ein kleineres Format von Blattgröße zu 
bringen und herauszugeben. Diese hat folgenden Titel: „Regni 
Bohemiae in duodecim Circulos divisae cum Comitatu 
Glacensi et Districtu Egerano conspectus generalis cujus 
sectiones XXV. uti junctim hic minori forma repraesentantur 
ita singulae seorsim totidem laminis aeneis insculptae 
Tabulaeq praesentis magnitudinem habentes specialissima 
quaeque totius Regni accurate et distincte oculis spectanda 
exhibent. Opus ex geometricis dimensionibus, et accurata 
totius Regni perlustratione concinnatum ä Joh. Christoph 

*) Der Goldene Steig ist die bekannteste und berühmteste Ver- 
bindung von Passau nach Böhmen, auf der durch Jahrhunderte das 
fehlende Salz nach Böhmen eingeführt wurde. In der vorgenannten 
militärischen Aufnahme des Königreiches Böhmen unter Kaiser 
Josef II. ist der Weg von Freyung über Böhmisch Röhren nach 
Wallern als der „güldene Steig" bezeichnet. In der Spezialkarte des 
Königreiches Böhmen etc. von dem k. k. milit.-geogr. Institute in Wien, 
1:144.000, 39 gest. Blätter, 1847—1800 i K. A., Kartenabt. B IX a 96), 
führt wieder der Weg nach Bergreichenstein den Namen des Goldenen 
Steiges. — J. Alex. Freih. v. Helfert führt in seinem Aufsatz „Die 
ehemalige Wald-Veste Bjhmon" i Mitteil. d. k. k. geogr. Gesellsch., 
Wien 1870) aus, daß die Verbindungen nach ßergreichenstein und 
Winterberg iin Müllers Karte von Böhmen bloß bis Ober Woldau 
[Obermoldau] eingezeichnet) als Abzweigungen des nach Wallern 
führenden Goldenen Steiges zu betrachten sind. 

*) Die Pässe von Taus und Frauenberg ( Pfraumberg | dienten 
vornehmlich Verteidigungszwecken. In der Karte Müllers ist bei 
Rosshaubt (Roßhaupt i, westlich von Frauenberg i Pfraumberg!, das „Alte 
trenchcment", an der Straße von Plan nach Ober Sandau (Obersandam 
bei „Gros sih' dich für" (GroBsiehdichfür), die „Alte Schantz" und bei 
Ratzen (Hradzen) an der Radbusa südwestl. von Pilsen ein „doppeltes 
altes Retrenchement" eingetragen. 



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108 



P a 1 d u ■. 



Müller, S. C. M. Capitan et Ingen.", 1 ) Michael Kauffer 
sculpsit Augusta Vindelic, 1 : 673.000, 1 gest. Blatt. Größe 
54-5 cm X 46 an. Ohne Gradnetz, am Rande eine Gradein- 
teilung bis zu fünf Minuten, rechteckige Plattkarte. Ein 
Längengrad = 10'3 cw, ein Breitengrad = 1 6*3 an. In der 
linken oberen Ecke ist der böhmische Löwe, rechts oben 
eine Ansicht von Prag. Sie enthält eine Einteilung in 
25 Blätter und hat zur Erklärung der Details 12 Zeichen. 
Im Jahre 1787 kostete sie in Prag einen halben Reichstaler. 

Das vom Ingenieurhauptmann Müller dem Kaiser 
Karl VI. gewidmete Exemplar der großen Karte von Böhmen 
befindet sich in der k. k. Hof-Bibliothek in Wien. Es sind 
21 in Farben ausgeführte Blätter mit einer schönen, über 
1 ni großen Titelverzierung geschmückt. Das Kaiserexemplar 
hat eine Höbe von 3*34 in und eine Breite von 2*89 m. Das 
Flußnetz ist blau, teilweise schwarz, stehende Gewässer sind 
blau, Ortschaften rot, die Ortsnamen nur deutsch und die 
Längendörfer mit einem grünen Untergrund. Die Grade 
stimmen mit denen in der gestochenen Karte nicht überein; 
Egor hat in der gestochenen Karte 50° 5' n. Br., in dem 
Widmungsexemplar 49° 58' u. Br. etc. Der Maßstab ist 
1 böhm. Meile = 8-7 an oder 1 : 107.700. Sie wurde, wie 
es in der Inschrift der Magnetnadel heißt, im Jahre 1718 
begonnen und enthält eine kurze geographisch-politische 
Beschreibung des Landes sowie eine Bemerkung über die 
alte und neue Einteilung desselben in Kreise. Titel und Be- 
schreibung lauten wie folgt : 

Mappa geographica totius Regni Bohemiae in duodecim 
circulos noviter divisae cum comitatu Glacensi et districtu 
Egerano quam Augustissimo In victissimoque Principi ac 
Domino Domino Carolo VI. Romanorum Imperatori Semper 
augtteto Germaniae Hispaniarum Hungariae Bohemiae Regi 
propagatori rei ohristianae publicaeque felicitatis optimo 
maximo summa cum pietato dedicat Maiestatus ejus infimus 
servus Joh : Christoph: Müller, S. CM. Capitan: et Ingen: 
Author. *) 

») K. Ä., Kartenabt. B IX a 61. 
*) K. k. Hof-BibL 55A 1*. 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



109 



ßrevissima Regni Bobemiae descriptio geographico- 
politica. 

Bohemiae Regnum medias inter Germanicas provincias 
situm, cum comitatu Glacensi et districtu Egerano ab Oriente 
versus Occasum ad 37. milliaria Bohemica, seu 50. circiter 
Germanica; a Meridie autem Septentrionem versus ad 
30. Bohemica, seu 40. Germanica extenditur, ambitu 115. Bohe- 
micorum, seu 153. Germanicorum miliiarum cinctum. Latitudo 
et Longitudo ejus Geographica, si, dato sufficiente Instru- 
mentorum apparatu et tempore, proprias instituere licuisset 
Observationes Coelestes, etiam certa hic assignari posset ; 
cum interim ab aliorum saltem traditioue utraque sit mutuö 
desumta: atque hoc modo inter grad : 48. min: 38, et Grad: 
50. min: 47. latitud : nec non inter Grad: 32. min: 12, et 
Grad: 36. min: 15 longitud. Bohemia interjacet. 

Confines Uli provinciae sunt, ab Ortu : Sile9ia et Moravia ; 
a Meridie: Austria superior, Districtus Passaviensis et Ba- 
varia; ab Occasu: Palatinatus superior, Marchionatus Culin- 
bacensis, Voitlandia, Saxoniae pars ; a Septentrione denique : 
Saxoniae regiones, Misnia, et Lusatia superior, ut et pars 
Silesiae. 

Distinguebatur antehäc Bohemia, praeter Glacensem et 
Egeranum supra nominatos districtus, non ita proprio ad 
E<m spectantes; in partes, seu Circulos quatuordecim. qui 
erant nominatira. Bechinensis, Prachinensis, Pilsnensis, Elen- 
bogenais, Satecensis, Schlanensis, Podberdensis, Moldaviensis, 
Kaurzimensis, Czaslaviensis, Chrudimensis, Regino-hradecensis, 
Boleslaviensis et Litomericensis. Duravit liaec distinctio ad 
novissima usque tempora nostra. Sed, cum hi circuli, seu 
partes Regni nimiä iniqualitate inter so discreparent : hinc 
Clementissimum Mandat um emanavit Imperatorium, ut ad 
majorem reducerentur aequalitatem, ita ut, qui erant omnium 
minimi, aut duo in umim coalescerent, aut unus alteri, 
extincto pristino nomine, accumularetur. Ita factum est, ut 
Circuli Podberdensis et Moldaviensis, utpote sibi mutuö 
contigui, in unum, qui nunc, a Regia urbe Beraun, Beraunensis 
vocatur; concreverint ; Elenbogensis verö, amisso nomine, 
Satecensi sit unitus ; Schlanensis denique, mutato nomine ä 
Regia urbe Rakonitz, nunc Rakonicensis audiat. Atque hoc mo- 



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110 



P a 1 d u •. 



do ex quatuordecim antehac Circulis nunc duodecim sunt enati, 
insimulque major inter ipsos aequalitas introducta. 

Quot numero urbes tum Regias, tum subditas; oppida 
item et pagos unusquisq horum Circulorum contineat, 
adeoque quod consequenter in univer9 Bohemia summatim 
dentur, sequens Tabula ostendit: 

Tabula omni um tarn in sing u Iis Circulis, quam 
in universa Bohemia, Urbium Oppidorum. atq. 

P a g o r u m. 



Numerum recensons: In Circulo 



■ — • 



Urbs Regiae . . . 
., subditae . . 

Oppida 

Pagi 



3 
11 



- 

- 

- 



= 

■ — 

- 

- 

1 



I 



i S 



j. 



5 



I 



48 22 
13991663 



10 

42 13 



8*) 
9 
41 



1087 483 831 



2 
7 



o 
- 



o „ 



24 31 



5 
— 

- 



- 

- 



v 
u 

3 



46 25 34 2.") 



M)li *!»6 noT hOl 705 6tfH;03 



1 

5 
22 



Summe 



1461 



ii n 



:»02 



SV» 



S35 



937 



1167 



637 



805 



722 



691 



Summa omnium in tota Bohemia: Urbium Regiar: 39 (40), 3 ) 
Urbium subditar: 85 (81), Oppidorum : 377 (373), Tagorum : 10235 

(9989). 

Summa Summarum: promiscuo omnium in universa 
Bohemia Communitatum : 10.736 10.4S3i. 



') Soll offenbar 3 heißen : Pisek. Sobüttenbofen nnd Wodnan. 
*) Bt i den königl. Städten Karlsbad und Joacbimsthul itt das Zeichen 
hiefür. die Krone, irrtümlich weggelassen. 

*) Die eingeklammerten Zahlen Bind die richtig addierten Rubriken. 

Districtus Egeran : continet Urbom Regiam unam et 
Pagos 100. 

Gomitat: Glacens : numerat Urbes Regias 5, Oppida 4, 
Pagos 192 — Summe 201. 

Characterum in hac Mappa Explicatio : , .Urbes moenibus 
cinetae: Regia, Communes, Urbes absq. moenibus, Oppida, 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



111 



seu vici, Pagi cum templo, Pagi longi, Pagi 8ine templo, 
Arces, seu Palatia et sedes Nobilium, Arces montanae, Templa 
solitaria, Villae et Ovilia. Diversoria solitaria, Antiquar : 
arcium rudera, Viae regia, Postarum stationes, OfFicinae 
vitrariae, Acidulae, Thermae, Fodiuae (Auri, Argenti, Stanni, 
Ferri, Cupri, Plumbi, Aluminis, Sulphuris, Vitrioli), Oifi- 
cinae ferri." 

Das Blatt Nr. 14 enthält eine Magnetnadel mit folgender 
Inschrift: „Declinatio Acüs Magneticae. 12. Grad: a Septen- 
trioue vers: Occas : A° 1718. Et tanta fuit etiam initio statim, 
quo opus hoc Geographicum coeptum est, adeoq per sex 
annos et ultra quasi invariabilis permansit." 

Anmerkung: Lips : Not. ad 1. Lib. Polit:p. 222 Prorsus 
ad consilia facit, situs terrarum et magnitudines atq. inter- 
valla nosse; tum etiam portus atq. aditus, flumina, maria, 
montes, deniq. praecipua opida, et munitiones. et si quid 
aliud eximium Deus in machina ista inferiore ostendit. 

Als Nebenkarten sind die Pläne von Prag, Pilsen und 
Budweis. „Praga Regni Bohemiae Metropolis ichnographice 
delineata in quatuor divisa Civitatis, quae sunt Germano 
nomine sequentes : Kleine Seiten, Altstadt, Neustadt, Juden- 
stadt." Maßstab = 700 Prag. Ellen = 5 cm 1 : 8.300. „Ichno- 
graphia duarum inter primarias regni urbes post pragam 
principaliorum Budweis et Pilsen.'' Maßstab = 100 Wien. 
Klafter — 4 4 rm, 1 : 4.300. 

Nachdem die gestochene große M ü 1 1 e r sehe Karte sehr 
hoch im Preise stand — sie kostote noch 1787 12 Gulden 
Rhein. — auf der kleinen Karte jedoch viele Orte ausfielen, so 
brachte sie der Ingenieurleutnant Joh. Wolfg. W i e la u d mit 
Beibehaltung der Einteilung in 2o Blätter auf ein kleineres 
Maß. Sie kostete 1787 b\ t Gulden Kaisergeld. 1 ) Der eben- 
falls von Michael Kauffer in Nürnberg ausgeführte Stich 
dieser Wiel and sehen Redaktion ist ein sehr sauberer und 
klarer, so daß auch die zarte Nomenklatur noch gut lesbar 
ist. Hiedurch und durch das boquemere Format unter- 
scheidet sie sich vorteilhaft von der großen Karte Müllers, 

'j Die Karte Mullers s<>11 den böhmischen Stunden im Ranzen 
24ooo tl. Hhein. gekostet haben. Iliegger, Materialien. 1. II., 07. 



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112 



Paldus. 



ansonsten sind in ihr keine Verbesserungen oder Ver- 
mehrungen zu bemerken. Die Meridiane in der Karte 
Wielands konvergieren gegen Norden. Der obere Karten- 
rand enthält die Längengrade von 32° 35' bis 37° 50', der untere 
Kartenrand von 32 ü 45' bis 37° 42'. Das k. u. k. Kriegsarchiv 
besitzt Exemplare der Wieland sehen Karte von Böhmen mit 
Nachträgen auf einzelnen Blättern, welche offenbar einer 
späteren Zeit angehören. 

Der Titel der Karte lautet: Mappa chorographica 
novissima et completissima totius Regni Bohemiae in duodeeim 
circulos divisae cum comitatu Glacensi et districtu Egrano 
adiunetis circumiacentium regionum partibus conterminis ex 
accurata totius Regni perlustratione et geometrica dimensione 
mandato caesareo instituta in haue formam redacta et ad 
usum comraodum nec non omnia et singula distinetius cogno- 
scenda XXV sectionibus exhibita st Joh : Christoph : Müll er 
S. C. M. Capitan : et Ingen : A: C: MDCCXX. hanc in formam 
redueta a Joh: Wolfg: Wieland, Locumtenente et Inge- 
niario. 1726. Michael Kauf f er sculpsit Augustae Vindeli- 
corum." ') Die Nebenfiguren sind von W. L. Re inner inv. 
et del. Prag und Hieronymus Sperling 8 ) sculps. Aug. V. 
1 : 230.000. 25 gest. Blätter. Die Höhe der ganzen Karte ist 
141 m und die Länge I ßÜ m. Nachdem beim Ableben 
Müll er 8 der Stich der von ihm verfertigten großen Karte 
von Böhmen noch nicht vollendet war, wurde der Ingenieur- 
leutnant Joh. Wolfg. Wieland mit der Durchsicht der 
noch unvollendeten Sektionen derselben betraut. Im Jäuner 
1722 traf Wieland von Mantua, 3 ) wo er den „Riß" dieser 
Festung beendet hatte, in Prag ein. Die Behauptung, daß 
erst Wieland den deutsehen Ortsnamen in der Karte 
Müllers die böhmischen hinzugefügt habe, ist wenig wahr- 
scheinlich, da Müller schon in seinen Karten von Mähren 
und Ungarn den einzelnen deutschen Ortsbenennungen die 
böhmischen bezw. ungarischen Namen beisetzte. 

>) K. A„ Karteuabt. B IX a 80-1. 

'-' Hieron. Sperling. Kupferstecher, geb. zu Augsburg 1695, 
gest. daselbst 1777, hatte zu seiner Zeit den Ruf eines vorzuglichen 
Künstlers in seinein Fache. Magier, Kunstler-Lex.. 17. Bd.* 

>} K. A., H. K. Ii. 1721. Prot. Kxp., 1890. 



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Ein Beitrag *ar vaterländischen Kartographie. 



113 



Die Würdigung der Müller sehen Karten als Kriegs- 
karten für die Operationen der kaiserlichen Armeen in Böhmen 
in der Zeit der großen Kaiserin Maria Theresia bleibt 
einer späteren Arbeit über die großen militärischen Auf- 
nahmen unter Kaiser Josef II. vorbehalten. 

"Wie hoch das Werk Müllers noch nach den Kriegs- 
epochen der Theresianischen Zeit militärischerseits bewertet 
wurde, geht daraus hervor, daß die Punkte l ) aus seiner Karte 
den militärischen Aufnahmen des Königreiches Böhmen in 
den Jahren 1764 — 1783 zu Grunde gelegt wurden. Selbst im 
Kriegsjahr 1809 findet sich Müllers Karte von Böhmen 
noch in den Feldarchiven der Armee, was allerdings seinen 
Grund darin haben mochte, daß die neuen unvergleichlich 
besseren Aufnahmskarten im Maße 1 : 28.800 für den Gebrauch 
im Felde zu umfangreich waren. Müller war der hervor- 
ragendste österreichische Kartograph*) aus der ersten Hälfte 
des XVIII. Jahrhunderts: seine Arbeiten bezeichnen den Beginn 
einer neuen Epoche auf dem Gebiet der vaterländischen 
Kartographie. 

Von den Nachstichen und Verbesserungen der Karte 
Müllers von Böhmen, die sich im Besitz des k. und k. Kriegs- 
archivs befinden, verdienen folgende genannt zu werden: 

,.Bohemiae Regnum in XII Circulos divisum cum Com. 
Glac. et Distr. Egerano ceterisq. circumjacentibus terris ex 

') Die Punkte der bekannten gedruckten Müller sehen Karte 
haben zu Grund dieses Werkes gedient etc. — Vergl. Beschreibung 
Band I. der „Kriegs-Karte des Königreichs Böhmen" etc. aufgenommen 
unter der Direction des Obristan Fabris etc. 17(H— 17S.'J etc. (K. A., 
Kartenabt. B IX a 92.) 

*> Ein Zeitgenosse Müllers war der k. Hofmathematicus und 
Vizedirektor der kais. Ingenieurakademie in Wien, Jakob Marino ni, der 
sich 1710 durch seine damuls mustergültige Aufnahme des Herzogtums 
Mailand abzeichnete. Auf Grund dieser Vermessung verfertigte der 
Oberingenieur und Obristwachtmeister Baron Engelhard im Jahre 
1729 die Karte des Herzogtums. Das k. und k. Kriegsarchiv besitzt die- 
selbe unter dem Titel : ..Universi Mediolanensis Dominii Tabula Topo- 
graphica Carlo VI Romanorum Imperatore Felicissimo In ea Ditione 
Censum a^ento Belli Pacisque Artium commodo Ad veram Locorum For- 
mam atque distantiam Diligenter expressa". 1 : 7*2.500, 1)2 gez. Blätter. 
(K. A., Kartenabt. B VII a 78.) 

Mitteilungen des k. uu-1 k. Kriegsarchiv s Dritte Folge. V. Bd. 8 



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114 Paldui. 

Müllerianis alysq. chorographicis subsidys delineatum per 
Hommanianos Heredes. C. Priv. S. C. M. M 1:Ü73.000. Mit 
der Bemerkung: „Longitudines a primo Meridiano qui 
a Parisiensi distat 20° versus Occidentem numeratae." I gest. 
Blatt (1742) »). 

„Regni Bohemiae, Duo. Silesiae, Marchionatum Mora- 
viae et Lusatiae. Tabula generalis ex mensurationibus geo- 
deticis Muller i, Wielandii aliorumque ad normam obser- 
vationnm astronomicarum adaptatis deprompta et designata 
a Tob. Majero Mathem. Cult. Edentibus Ho man. Herdibus 
Norimbergae 1747.'' 1:960.000. Anmerkung: „Longitudiues 
numeratae ab Ins. Ferri supposita Longitudine Parisiorum 
20 Graduum." 1 gest. Blatt. 

„Carte Chorographique de la Boheme divisee en 
12 Cercles avee le Comte de Glatz et le Territoire d'Egra 
en neuf Feuilles egalles aux vingt cinq Petitte de l'Illustre 
Muller dediee A. S. A. S. M. le Comte de Clermont Prince 
par son tres humble et tres obeissant Serviteur Le Rouge 
lng r . Geographe. A. Paris, chez rAuteur."' 1 : 230.000, 9 gest. 
Blätter (t767) s ). Nebenkarte: Vue de Prague. Anmerkung: 
„Mon premier projet etoit de prendre dans la Silesie en 
16 Feuilles de quoi remplir de Geographie la place de ce 
Cartouche mais il est impossible de coudro ces deux Cartes 
ensemble par la disproportion et le rnanque de raport qui 
regne dans ces deux Excellenis ouvrage ce qui vient de ce 
que Tun a neglig«'- la Frontiere de Tautre.'' Anstatt der 
Namen der Kreise sind Buchstaben gesetzt. Die Karte hat 
46 Zeichen. Die böhmischen Ortsnamen sind weggelassen. 

„Nouveau Theatre de Guerre ou Atlas Topographique 
et Militaire qui comprend le Royaume de Boheme, le Comte 
de Glatz, le Marquisat de Moravie, le Dache de Silesie, le 
Marquisat de Lusace, la Saxe Electorale, et les Frontieres du 
Brandebourg, de Pologne, de Hongrie, d'Autriche, de Baviere, 
et du Haut Palatinat de Baviere. Dresse sur les Cartes 



r ) Die Zählung der geograph. Längen ist korrigiert auf 2U' bis 
:U° 50*. In einer anderen Auflage „nunc uoviter revisuin et, euiondatius" 
ist das Gebiet von Asch schon zu Böhmen einhezogen. i KL A., Karten- 
abt. B IX a 02.) 

») K. A., Kartenabt. B IX a 80 -3. 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographio. 



115 



Originales de Boheme et de Moravio du Capitaine Müller, 
sur le grand Atlas de Silesie des Heritiers d'Homann, et sur 
les meilleures Cartes qui ont paru de la Lusace et de la 
Saxe Electorale. A Paris ohez R: J: Julien a l'Hotel de 
Soubise 1 758." — Ein weiterer Titel ist : ,, Atlas topographique 
et militaire, qui comprend les Etats de la Couronne de 
Boheme et la Saxe Electorale avec leurs Frontieres. Dedie 
a sa Majeste l'Imperatrice Reine de Hongrie et de Boheme. 
Par le S r Julien, a Paris." 53 gest. Blätter 1 ). 

„Militärische Marche - Route durch das Königreich 
Böheimb, die roth illuminirte Stadt und Flecken, bedeuten 
die Stationes zur Einquartirung. Die roth punctirte Linien, 
zeigen an die Marche-Strassen. Dieses ist auf Hochgnädigsten 
Befehl gemessen und in gegenwärtige Mappam eingerichtet 
worden, durch Johann Glocksperger geschwornen Land- 
Messer und Bürger der Kön. Alt-Stadt Prag 2 )." 1 gest. Blatt. 
Die Grundkarte ist die Generalkarte von Müller „Regni 
Bohemiae in duodecim Circulos divisae etc.", 1:673.000. 

Im Jahre 1760 gab P. Erber die Karten Müllers 
seinem Werke bei: ,,Notitiae Jllustris Regni Bohemiae 
collectum a Bernardino Erb er, S. J. Sacerdote, Francisci 
Rom. Imp. Aug. honoribus dicatum a Joan. Nep. Bertholdo 
Comite de Schaffgotsche, dum idem sub augustissimi auspiciis 
in Regio Theresiano S. J. Nobilium Collegio Tentamen 
Publicum etc. Vindobonae 1760." 1 Band. Das Werk 
enthält die Generalkarte von Böhmen von Müller, 1 : 660.000, 
1 Blatt, gest. von Ph. Gütl in Wien, sowie 12 gest. Blätter, 
wovon jedes einen Kreis der politischen Einteilung des Landes 
enthält 3 ). 1:230.000. Gest. von Winkler in Wien. Es sind 
dies die Reduktionen der Müller - Wielandschen Karte von 
Böhmen. 

„Totius Regni Bohemiae mappa chorographieo-minera- 
logico-hydraulico-commercialis cum comitatu (ilacensi et 
districtu Egrano. Boheinia in XVI circulos divisa, notitiis 

*\ K. A.. Kartenaht. H IX a 81. 
»j K. A., Kartenabt. B IX c 206. 

*) Die Kreise führen den Namen Provinzen, der Egerer Distrikt 
als „Region« Egrana" ist mit der Provinz Saatz uud die Grafschaft 
Ulatz int mit der Provinz Köuiggratz auf einem Blatte dargestellt, 

8* 



116 



Paldug. 



plurimis illustrata, limitibus, viis et post Milleri editionein 
exactis publicis emendatis opera Jos. Ferd. S. R. J. Equitis 
a Bock et Polach, excelsi Regirninis Austriae inf. consi- 
liarii actualis, regni Bohemiae quondam consiliarü et commercii 
inspectoris Carlo Ludovico Austriae Arciduci Iinperiali ac 
Regio Principi Aurei Vellens, et magnae Crucis Militaris Equiti, 
Supremo Exercituum Belliduci Invicto, Bohemiae Gubernatori 
et Capitaneo-Generali dicavere Artaria et Socii 1 : 340.000, 
4 gest. Blätter, 1808. Mit einer Ansicht von Prag. Diese an 
topographischen Details sehr reiche Karte enthält 160 ver- 
schiedene Zeichen und bildet den Abschluß der Nachstiche 
und Verbesserungen der Karte Müllers von Böhmen. 

Zu den bedeutenden kartographischen Leistungen am 
Beginn des XVIII. Jahrhunderts, welche sich in der Karten- 
sammlung des k. und k. Kriegsarchivs befinden, zählt unter 
andern auch eine Serie von Operationskarten aus den Feld- 
zügen des Prinzen Eugen, ausgeführt vom kaiserlichen 
Ingenieurobristwachtmeister Cyriacus Blödtner, die Auf- 
nahme von Sizilien unter der Leitung des kaiserlichen 
Generalfeld Wachtmeisters Samuel v. Schmettau sowie die 
Aufnahme von Elsali vom Ingenieur B routin. 

Die meisterhaft auf Pergament ausgeführten Operations- 
karten für die Feldzüge am Oborrhein von 1702 — 1713, die 
Operationskarte zum Feldzug 1716 in Ungarn 2 ), der Plan 
der Insel Sizilien als Operationskarte für den Krieg 1718 bis 
1720, der auf der Walstatt entworfene Plan der Schlacht 
bei Peterwardein am 5. August 1716 und der Plan der 
Schlacht bei Belgrad, 16. August 1717, zeigen den Fleiß und 
die technischen Fähigkeiten des Ingenieurs C. Blödtner 3 ) 



K. A., Kartonabt. B IX a SA. Eino frühere Auflage der Karte 
fuhrt folgenden Titel: „Bohemia sub felici Regimine Francihci II. Rom. 
bnper. etc." 1805 . 

*) Vergl. Kurte von Ungarn S. (}<>. 

s i Cyriacus Blödtner Blddner war kaiserlicher Ingenieur- 
konduktenr sowie württembergischer Ingenieurleutnunt. Er bat im 
Jahre 17(Hi, gestützt auf «eine geleisteten Dienste und die Empfehlung 
des Prinzen Ludwig Ferdinand v. Baden um die Verleihung einer 
Generalquartiermeisterstelle nebst der Gage. Im Jahre 1711 wurde er 
als Ingenieurkondukteur in Flandern verwendet und seine Gage von 



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Ein Beitrag jsur vaterländischen Kartographie. 117 



auf kartographischem Gebiet im vollen Lichte. Offenbar 
auf Autopsie beruhend, legen seine Karten das Schwer- 
gewicht auf die Darstellung der kriegerischen Ereignisse, wie 
Schlachten, Lager, Stellungen und Marschlinien der beider- 
seitigen Armeen. Prachtvolle Vignetten mit "Wappen und 
kriegerischen Emblemen zieren diese zumeist dem Prinzen 
Eugen gewidmeten Kartenwerke. Die Operationskarten zu 
den Feldzügen am Oberrhein 1704, 1707, 1708, 1710, 1711, 
1712 und 1713 sowie die Karte zum Feldzug in Ungarn 
1716 und die der Insel Sizilien besitzt das k. und k. Kriegs- 
archiv im Original; für die Feldzugsjahre 1702, 1703, 1705, 
1706 und 1709 sind Kopien nach den B lö dtn ersehen Ori- 
ginalen, von dem späteren Ingenieurhauptmann Joh. Georg 
Meichsner ausgeführt, vorhanden. Insbesondere verdient 
das Kriegstheater am Rhein vom Jahre 1713 hervor- 
gehoben zu werden : „Theatrum Belli Rhenani worinnen ent- 
halten dero Rom: Kays : und Cath: Mayst: C a r o 1 o VI. und 
des Heyl: Rom: Reichs Armee Feldzug 1 713 unter Commando 
Sr. des Herrn Prinzen E n g e n y von S a v o y e n Hochfürstl: 
Durchl: R. Kays, und Cathol: Mayt. gevollmächtigten 



42 auf 60 Gulden erhöht. 1718 erhielt er den Charakter eines kaiser- 
lichen Hauptmanns mit der Verbesserung seiner monatlichen Gage auf 
75 Gulden. Auf Grund seiner Rekognoszierung wurden 1713 15 Über- 
gangspunkte am Rhein zur Verteidigung eingerichtet. Im M-irz 1716 
wurde er aus Kirchheim mit den von ihm vollendeten Landkarten nach 
Wien befohlen und im April 1716 auf spezielles Verlangen des 
Prinzen Eugen vom Rhein, wo er bis dahin in Verwendung ge- 
standen, zur Dienstleistung nach Ungarn berufen. Er überreichte dem 
Prinzen Eugen seine verfertigten Landkarten vom Oberrhein aus den 
letzten französischen Kriegon, wofür ihm dieser 797 Gulden für die ge- 
habten Ausgaben bezahlte. Die Verleihung des Obristwachtmoisters- 
charaktors und die Erhöhung der jährlichen Gage von 900 auf 
1200 Gulden waren der Lohn für seine Verdienste. An Stelle des in der 
Schlacht bei Peterwardein gefalleneu Obriston und Generalquartier- 
meisterleutnants Chrestien de Bouchon wurde der Ingenieurobrist- 
wachtmeister C. Blödtner zum Generahjuartiermeisterleutnant er- 
nannt. Als er jodoch im März 1717 den Befehl erhielt, sich für den 
bevorstehenden Eoldzug bereit zu halten, legte er sein Amt nieder. 
Eine von seiner Hand stammende Operationskarte von Sizilien in dem 
Kriege der Quadrupelallianz gegen Spanien (1718— 1720i beweist, daß er 
sich später auch hier als Kartograph betätigte. 



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118 



Paldua. 



General-Lieut. gegen der Königlichen Franz : Armee Lucio- 
vi co des 14. unter Commando des Mareschall de France Duc 
de Vill ars, in welchen alle Marches und Postierungen beyder- 
seits. Armeen, wie auch Belagerungen, Attaquirung der 
Kaysl. Linie und andern vorgefallenen Kriegs und Friedens 
Expeditionen, wie solches in der beygefügten Relation zu er- 
sehen, angezeiget werden. Dem Durchleuchtigsten Fürsten 
u: Herrn Herrn Eugenio Francisco, Prinzen von Savoye 
und Piemont etc. übergiebt dieses aus nnterthänigster Devo- 
tion Ew. Hoch Fürstl. Durchl. unterthänigst-gehorsambster 
Cyriacus B 1 ö d n e r Ing : Haubtinann. 1 Stunde = 8*4 cm, 
1 : 110.000, 20 gez. Blätter Pergament in Farben. Sie um- 
faßt den Raum Basel, Koblentz, Biberach und Würzburg. 
Orientierung ist nach Westen. Vou diesem Kartenwerk 
existieren 2 Exemplare, das eine zeichnete Blödner als 
Ingenieurhauptmann, das andere stammt von ihm als 
Major: „Ing: Major Invenit et delineavit". 

Die Aufnahme von Sizilien führt den Titel: „Nova et 
Accurata Siciliae Regionum, Urbium, Castellorura, Pagorum, 
Montium, Sylvarum, Planitierum, Viarum, Situum, ae singu- 
larium quorumque locorum et reruni ad Geographiam per- 
tinentium Descriptio Universalis juxta regulas Astronumicas 
et Topographicas diligentissimo labore exarata, et inchoata 
anno 1719 dum Caroli VI. semper invicti Exercitus Regnum 
Aug: mo Imperatori jure quaesitum armis vindicaret perfecta 
demüm annis 1720 et 1721. Jussu Augustissimi Iiaperatoris 
S: de Schniettau 1:«0.200. — Nebenkarte: Nuova et 



J ) Samuel Br. Schmettau wurde am 22. Marz 1710 (»eneral- 
feld Wachtmeister und Genendquartiermeisterleutnant bei der kaiser- 
lichen Armeo während des Krieges auf Sizilien 1719-1720. (Vergl. 
Biogr. Lexikon aller Helden und Militärpers. Berlin, S, T. 1790, 
302.) Im Jahre 1720 wurde unter seiner Leitung von den Ingenieur- 
oftizieren Major de Monti. Hauptmann Hol/Jiauseu, Leutnant 
Blaseo senior und Beaumont. sowie Kondukteur Blasco junior und 
Friedrieh Scßlin, die Landkarte der In»el Sizilien aufgenommen und 
1721 beendet Ingenieurleutnant Blasco brachte diese Aufnahme in duplo 
ins reine. Das eine Exemplar war für den Kaiser, das zweite für den 
Hofkriegsrat bestimmt- Im Jahre 1722 war diese Arbeit vollendet und 
der Hofkriegsrat stellte im August d. J. an die k. Hofkammor in 
Wien da* Ansuchen, dem (il'WM. Br. Schmettau für die Verfertigung 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



119 



Exactissima Insularum Maltae et Gozae ac Singularium 
Quorumq: Locorum, etSituura, ad Geographiam pertinentium 
delineatio." 30 gez. Blätter, 1719 — 1721 1 ). Die Karte ist ver- 
kehrt orientiert, enthält eine Gradeinteilung und ein Grad- 
netz, hat eine Länge von 4*20 Ml und eine Höhe von 2*60 fit. 
Der Längengrad mißt 92 5 cm, der Breitengrad 110 cm. Die 
Gradeinteilung, welche eine Unterteilung von 5 zu 5 Minuten 
enthält, reicht von 29° 30' bis 33° 50' östlicher Länge und 
von 36° 30' bis 38° 45' nördlicher Breite, die Parallelkreise 
schneiden die Meridiane unter einem schiefen Winkel 2 ). Das 
Terrain ist nicht mehr perspektivisch, sondern schon in einer 
Art von Schwungstrichen dargestellt. Die Karte ist in 
Farben ausgführt, u. zw. das Terrain schwarz, die Flüsse 
und stehenden Gewässer blau, die Straßen braun, die Wälder 
grün und die Ortschaften rot. Eine Zeichenerklärung fehlt. 
Wir haben es hier mit dem vom Ingenieurleutnant Blasco 
für den Hofkriegsrat ins reine gezeichneten Exemplar zu tun. 
Von der Karte erschien unter dem gleichen Titel eine 
Reduktion 1 : 320.000 in zwei gestochenen Blättern vom 
Jahre 1720— 1721 ■). Auch für die späteren topographischen 
Bearbeitungen Siziliens diente die Schmettausche Karte als 
Grundlage. 

„Carte d'Alsace levee, reduite et dessinee par le 
Sr.Broutin. Ingenieur de S. A. R. Mgr. le Duo de Lorraine 



»lieser Landkarte 1983 Gulden und dem hiebei verwendeten Ingenieur- 
leutnant Blasco 5 — 600 Gulden als „vor Ihr. kais. Maj. resolvierten 
Recompens" auszuzahlen. (K. A., H. K. R. 1722, Prot. Bxp., 1011.) 

M K. A., Kartenabt. B VII a 470. (Vergl. auch W. Staveuhagen, 
Skizzen der Entwicklung u. d. Standes d. Kartenwesens des außer- 
deutschen Europa. Petermanns Mitt., 1W4., Erg-Bd. XXXI, H. 148, 284.) 

*) Beruht auf einer fehlerhaften Konstruktion. Die k. k. Hof- 
Bibliothek besitzt das dem Kaiser gewidmete Exemplar der Schmettau- 
schen Karte von Sizilien. Sie führt den oben angeführten Titel, i^t nach 
Norden orientiert. Jas Gradnetz ist nicht parallel mit dem Kartenrand. 
Kriegerische Embleme und Meßinstrumente zieren den Titel der 
Karte. Eine Vignette enthalt die Ansicht der Belagerung von Messina: 
..Asalto alla Controguardia della Citadella di Messina con la resa della 
medema Ii 18. Oct. 1720 alle arrai victoriose del Suo legittimo patrone 



Carl VI." 



8 ) K. A-, Kartenabt. B VII a 462. 




120 



P a 1 d u s. 



en 1710—1734", 1:21 600, 69 gez. Blätter mit 3 Bd. Be- 
schreibung 1 ). 

Diese aus drei Partien bestehende sehr interessante Auf- 
nahme von Elsaß wurde von Broutin 2 ), ehemals Ingenieur und 
Geograph des verstorbenen Herzogs von Lothringen und 
später Ingenieur für Brücken und Straßen des Großherzogs 
von Toskana, im Verein mit mehreren Ingenieuren ausgeführt. 
Die Aufnahme reicht von der Schweiz, Montbeliard und der 
Grafschaft Burgund im Süden bis an die Pfalz im Norden, 
vom Rhein im Osten bis Lothringen im Westen. Die drei 
Teile, aus denen die Karte besteht, sind in bozug auf das 
Detail verschieden; der neun große Blätter umfassende 
erste Teil derselben, von der Grafschaft Burgund bis an die 
Breusch bei Straßburg reichend und aus den Sektionen 
29 — 69 bestehend, wurde von Broutin in den Jahren 1710 
bis 1719 aufgenommen, von 1722—1734 vom großen ins 
kleine reduziert und ins reine gezeichnet (reduite de grand 
en petit et mise au net). Der zweite Teil umfaßt Elsaß von 
der Breusch bis an die Moder bei Hagenau in den Sektionen 
17 — 28 und wurde von verschiedenen Ingenieuren aufge- 
nommen, ebenso der von der Moder bis an die Queich bei 
Landau reichende dritte Teil, der die Sektionen 1 — 16 enthält. 
Eine Gradeinteilung fehlt. Die Orientierung ist nach Norden, 
das Terrain teils laviert, teils in Schwungstrichen dargestellt. 
In der Beschreibung der Karte heißt es : „Les Montagnes et 
hauteurs .... sont exactement representees et levees avec 
beaucoup d' Exactitude . . . Das Flußnetz ist blau, die 
Wälder sind durch Baumgruppen dargestellt, die Städte und 
Ortschaften im Grundriß rot gezeichnet. Das reiche Koin- 
munikationsnetz ist nach Größe und Gangbarkeit unter- 
schieden, auch die Kulturen kommen zum Ausdruck. In 
dem dieses Werk begleitenden Memoire ist eine genaue 



») K. A., Kartenabt. B IV a S76. 

*) Nach der Besitznahme Lothringens durch Frankreich 1733. kam 
er in französische Dienste. — On reprit aussi les travaux sur le cours 
du Iihin; des leves furent executes par Mareschal a ."> lignes (17.28U) et 
par Broutin ü 3 lignes (1:28.800); les reconnai.>Nances furent pousstjes 
sur les deuxrives etc. 173(3—1741. Berthaut. Les Ingenieurs (ieographes 
Militaires 1624-1831, 1902, Tome I, 19.) 



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Ein Beitrag zur vaterländischen Kartographie. 



121 



Beschreibung des Landes, der Flüsse und Bäche, Städte und 
Ortschaften etc., jedoch nur für den 1. und 2. Teil der 
Karte enthalten. 

Diese Aufnahme zählt zu den frühesten, welche die 
Kartenabteilung des k. u. k. Kriegsarchivs aufbewahrt; sie 
bildet ein interessantes Seitenstück zu den Müll ersehen Auf- 
nahmen von Mähren und Böhmen und ist von kartographischem 
und historischem Werte. 



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Die Anfänge der Militärluftschiffahrt 

und 

ihre erste Anwendung im Feldzug 1794. 

Von 

Hauptmann Peters. 
Mit zwei Textskizzen.) 



Bentitzte Quellen. 

Hofkriegsrats-, Feld -Akten und Memoiren des k. u. k. Kriegs- 
archivs. — „Gazette nationale ou le Moniteur universel" vom Jahre 1703 
und 1794. — Aventures de guerre (1792—1809); Souvenirs et röcits de 
soldats, recueillis etc. par F.Masson. — A. Chevalier Minarelli-Fitz- 
gerald, „Die Feldzügo der französischen Revolution, der Feldzug 1794." 

— Witz leben, Prinz Friedrich Josias von Coburg-Saalfeld etc. 
III. Teil. — Coutanceau colonel, La campagne de 1794 a 1' Armee du 
Nord, 1. Partie, Tome second, Paris 1905. — Revue d'histoire. redigee 
ä l'Etat major de l'Armee, Section historique, VII. annee XVII. volume, 
Paris 1905. — Revue d'histoire etc. XXII. und XXIII. volume, les 
Operations militaires sur la Sambro 1794 von Dupuis. — Schels. 
„Der Feldzug 1794 etc." öst. milit. Zeitschrift 1818—1824. — Foucard 
und Fi not, „La defense nationale dans le Nord de 1792 ä 1802", Lille 
1893. — Beihefte zum Militär- Wochenblatt 1886. „Die Verwendbarkeit 
der Luftballons in der Kriegführung" von Lavergne. — Moedebeck, 
,,Die Luftschiffahrt, ihre Vergangenheit und Zukunft", Straßburg 1906. 

— Moedebeck, Taschenbuch für Flugtechnikerund Luftschiffer, Berlin 
1904. — Erben und John, Katalog des k. u. k. Heeresmuseums, 
Wien 1903. — J. Ch. Hendel, Versuch einer historischen Beschreibung 
aller etc. Wehr- und Waffenarten, Halle 1802. — Zeitschrift für Luft- 
schiffahrt, und Physik der Atmosphäre 1HD8. — Revue du genie militaire, 
Tome XXV, Le tonne, „Les aörostiers militaires pendant les guerres 
de la rovolution", Paris 1903. — Stadelmann, „Die neuen Verkehrs- 
mittel im Kriege", Borlin 1891. — Hildebrandt, „Die Luftschillahrt 
nach ihrer geschichtlichen und gegenwärtigen Entwicklung", Berlin und 
München 1907. — L. Sazerac de Forge, ,.La couquete de l'ah", 
Paris 1907. 



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Vorgeschichte der Militäraeronantik. 

So mancher Besucher des k. u. k. Heeresmuseums in 
Wien mag sich vielleicht beim Anblick der dort (im zweiten 
Waffensaal) aufbewahrten seltenen, ja einzigartigen Kriegs- 
trophäe — eines nach der Schlacht bei Würzburg am 3. Sep- 
tember 1796 erbeuteten französischen Kriegsluftballons ') — 



') Aus mehreren Aktenstücken des Hofkriegsrates geht hervor, 
daß der Ballon nicht in der Schlacht im freien Felde erheutet, sondern 
nach der Schlacht hei der Besetzung der von den Franzosen ver- 
lassenen Stadt Wflrzburg — zusammen mit allerlei Monturssorten und 
Kirchengeriiten — in einem Depot aufgefunden wurde. Im weiteren Ver- 
lauf wurdo der Ballon mit den anderen Gegenständen von Würzburg 
nach Regensburg und weiter per Schiff auf der Donau in das Monturs- 
depot („Mouturshauptkommission") Stockerau gebracht, wo „die Sachen 
in gute Verwahrung zu nehmen" waren. Über die Axt, wie er von dort 
später in das Heeresmuseum gelangte, fohlen die Angaben. Die Be- 
schreibung des Ballons in Dr. Frbens und Dr. Johns „Katalog des k. u. k. 
Heeresmuseums" lautet: „Der seidene Ballon ist nahezu kugelförmig 
und hat 0*8 m im Durchmesser. Die Gondel, aus einem Bretterboden und 
einem mit starker, blaubemalter Leinwand überzogenen Holzgeriiste be- 
stehend, mißt samt der hölzernen Galerie 105 cm in der Höhe, 114 cm in der 
Länge, und — an den Seiren 57 cm, in der Mitte 7.') an — in der Hreite." Der 
Ballon, der einzige, der sich aus jener Kriegsperiode { I7i)0— 1 791») er- 
halten hat. soll (nach H i uterst oisser) mit dein „Intrepide" identisch 
sein, einem der vier Ballons („Celeste", „Kntrepreuant", „Intrepide" und 
,.Telemaquo"i, welche diu Franzosen schon 1 71*4 verwendeten. Neuere 
französische Forschungen über die Geschichte der Luftschiffahrt aber 
ergeben diesbezüglich ein anderes Resultat: Oberst Coutanceau 
erwähnt in seinem Werke „Ln campagne de 17*.»4 ä 1' Armee du Nord", 
1. Partie, Organisation, im Kapitel „Los aerostiers" (Paris 1905), daß 
der Ballon „Intrepide" im Winter 17U4 in Meudon konstruiert, ellip- 
soidische Gestalt und 'SA Fuß I.ängenachse, 22 Fuß im Durchmesser 
hatte. Foucard und Finot, „La defense nationale dans le Nord 17'J2 



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128 



P e t o r s. 



erstaunt seine Unkenntnis darüber eingestehen, daß schon in 
den ersten Jahren der französischen Revolutionskriege, vor 
nunmehr über 100 Jahren, dieses Kriegsmittel bestand. Ja, 
daß es damals schon eine relativ hohe Entwicklungsstufe 
erreichte und mehrfach mit Erfolg benützt wurde, dürfte 
heute, wo die Bedinguugen seiner Anwendbarkeit — 
wenigstens im Feldkrieg — noch immer nicht vollkommen 
geklärt sind, selbst in militärischen Kreisen wenig be- 
kannt sein. 

Welchen Eindruck auf die Welt und insbesondere auf 
die Heerführer jener Zeit die neue französische Erfinduug 
üherbaupt gemacht haben mag, läßt sich aus einigen Akten- 
stücken und Zeitungsberichten entnehmen. Treffend scheint er 
in dem interessanten Freskorundbild von Karl Blaas wieder- 
gegeben, welches im nordöstlichen Nebensaal der „Ruhmes- 
halle" des genannten Museums die Decke ziert. Es stellt eine 
„Episode nach der Schlacht bei Würzburg" dar und zeigt 
uns eine Gruppe höherer Generale, Erzherzog Karl, 
FML. Graf Sztaray, GM. H. v. Schmidt und FZM. Graf 
Wartensleben, die in lebhaftem Gespräch die Gondel des 
soeben „erbeuteten" Ballons besichtigen. Der Künstler hat 
hier einen kriegshistorisch und -technisch denkwürdigen 
Moment charakteristisch festgehalten. Während sich einerseits 
die begreifliche Skepsis, welche der Mensch seit jeher jedem 
verblüffenden Fortschritt entgegenstellt, in einigen Gesichtern 
spiegelt, sehen wir andererseits das Auge des jungen Erz- 



a 1802" (Lille 1893) geben (II. Bd., S. 407) an, daß der in Maubeuge. 
Charleroi und bei Fleurus 1794 verwendete, erste französische Ballon 
zwei Jahre später in Würzburg von den Österreichern erbeutet wurde. 
Demnach wäre wohl der Ballon im Heeresmuseum eher mit dem Ballon 
„Entreprenant" von 1794 identisch. Auch die Dimension des kugel- 
förmigen „Entreprenant" (10 m = zirka 30 Fuß) spricht für diese An- 
nahme. Eine andere handschriftliche Notiz im k. u. k. Heeresmuseum 
besagt: Dieser Ballon wurde gelegentlich einer Produktion des Luft- 
schillers Godard in Graz 1795, wo dessen Ballon verbrannte, durch 
Sammlungen seitens der Grazer Bürgerschaft aufgebracht. Das Jahr 
darauf (1790) rekognoszierte Godard mit demselben wiederholt die 
österreichischen Stellungen. Bei Würzburg geriet er in die Hände der 
Asterreicher." Eine Bestätigung dieser Angabe unbekannter Provenienz 
konnte nicht ermittelt werden. 



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Militärluftschiffahrt im Feldzag 17W. 



129 



herzogs in hohem Interesse aufleuchten und seine mahnend 
erhobene linke Hand scheint auszudrücken, wie er soeben 
seine Umgebung vor vorschnellem Urteil warnt. 

Waren doch im dargestellten Augenblick kaum erst 
drei Jahre vergangen, seit unter der neuen Ära in Frank- 
reich wildaufflammende und tatkräftige Begeisterung die 
jüngste technische Errungenschaft des endenden achtzehnten 
Jahrhunderts in den Dienst der Vaterlandsverteidigung ge- 
stellt hatte, und waren doch trotz dieses kurzen Zeitraumes 
die damit gemachten Erfahrungen nicht zu unterschätzen! 

Es ist bekannt, daß die Erfindung des Luftballons in 
ganz Frankreich, insbesondere aber in Paris lebhaftes Inter- 
esse hervorrief. Nach den ersten Versuchen und Aufstiegen 
der Brüder Montgolfier mit ihren Warmluftballons am 
5. Juni, der nicht minder berühmten Auffahrt in Versailles 
am 19. September 1783 und nach den Erfolgen des Chemikers 
Charles, der seine Ballons, die „Charlieres", bereits mit 
Wasserstoffgas füllte und sogar schon Ventile anwendete, 
ergriff ein wahres Luftschifferfieber alle Geister. Alle Welt in 
Paris wollte Ballons konstruieren, die verschiedenartigsten 
Stoffe, Seide, Papier, Goldschlägerhäutchen, Tuch oder Leinen, 
wurden als Hüllen versucht und in den mannigfaltigsten 
Formen, in Fisch-, Schiff- und Vogelgestalten durchfurchten 
zeitweise die abenteuerlichsten Modelle die Luft. Trotz dieses 
weitverbreiteten Interesses, welches übrigens bald wieder 
erlahmte, weil sich die utopischen Hoffnungen auf die Lösung 
des Problems der Lenkbarkeit nicht erfüllten — obwohl 
ferner die Akademie, die wissenschaftliche und praktische 
Bedeutung der Erfindung erkeunend, seit dem Jahre 1784 
mancherlei Studien und Versuche zu dem Zwecke anstellen 
ließ, die Luftschiffe nutzbar zu machen 1 ), gelangte man doch 
damals noch zu keiner irgendwie dienlichen Verwendung des 
Ballons. Er blieb lediglich ein Versuchsobjekt der Gelehrten 

') So legte am 14. Jiinner 1784 der Physiker Carra der Akademie 
das Projekt eines lenkbaren Luftschiffes vor, welches durch Schaufel- 
räder bewegt werden sollte und im nächsten Jahre schlug der Architekt 
Masse einen walzenförmigen Ballon vor, der seine Beweglichkeit und 
Lenkbarkeit durch grolJe, gegliederte Ruder erlangen sollte. ^Nach 
Sazerac de Forge. La conquote de l'air.) 

Mitteilungen des k. und k. Krie K sarchiv8. Dritte Folge. V. Bd. 9 



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130 



Peters. 



oder ein Spielzeug zur Unterhaltung der schaulustigen Volks- 
massen. 

Erst 1793, während der blutigen Staatsuin wälzung 
Frankreichs, in welcher die entfesselte patriotische Leidenschaft 
überhaupt alle nur denkbare menschliche Tätigkeit zu Kriegs- 
zwecken heranzog, fand auch die junge Luftschiffahrt, und 
zwar auf Grund verschiedener von privater Seite gemachten 
Vorschläge und eingereichten Meraoires, ihre erste militärische 
Verwertung. 

Zwar hatte schon Ende der Achtziger Jahre des 
XVIII. Jahrhunderts ein erfahrener gelehrter Militär, der am 
13. Juni 1793 gestorbene General Meusnier 1 ), der „erste 
große Techniker der Aeronautik'', eine wertvolle Denkschrift 
über den Stand der Erfindung zu Ende des Jahrhunderts 
verfaßt. In diesem Dokument ist jedoch merkwürdigerweise 
die so naheliegende militärische Bedeutung des Ballons gar 
nicht erwähnt, obwohl der genannte hochgebildete Soldat 
bei den vielen Belagerungen, die er mitgemacht hatte, am 
ehesten auf eine solche Idee hätte kommen können. 

Gerade in der verzweifelten Situation nun. da der Krieg 
im Innern und an den Grenzen tobte, die Vendee im mörde- 
rischen Aufstand begriffen war und nahezu ganz Europa 
gegen Frankreich im Felde stand, entschloß sich der an alle 
Volkskräfte appellierende Konvent zur Realisierung der 
— scheinbar — ganz neuen Idee, Luftschiffe zur Erkundung 
und Beobachtung des Feindes zu verwenden *). 



') Der erste, welcher die Einfügung von Luftsäcken „Ballonets") 
in das Innere des Ballons angab : eine Erfindung:, die auch heute noch 
bei Fessel- und lenkbaren Ballons eine grolie Rolle spielt (Nach 
Hilde brau dt, Die Luftschiffahrt. 

Daß die Idee aber schon zehn Jahre früher (zum ersten Male?i 
ausgesprochen wurde, zeigt die nachstehende Notiz in Moedebecks 
Taschenbuch etc. für Flugtechniker und Luftschifier , S. "J.">1 : 
,.Girond de Vilette steigt am i). Oktober 1788 in der gefesselten 
.Montgolfiere' der Rue de Montreuil auf und schreibt darüber am 
2D, November: >Des l'instant je fus convaincu. <jue cette machine 
seroit tr»*s utile dans une armee pour deVouvrir la position de celle de 
l'ennemi, ses manoeuvres, ses marches, ses dispositions et les annoncer 
par de signaux. Je crois. qu'en mer. il est egalement possible avec 
precuution, de se servir de cette machine. «" 



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Müitärluftscbiffahrt im Feldzug 1794. 



131 



Das Jahr 1793 kann also als das Geburtsjahr der 
Militäraeronautik gelten, welche von da an unter vielfachen, 
jahrzehntelangen Stockungen ihrer Entwicklung gleichwohl 
immer wieder die Geister beschäftigte, langsam von Fortschritt 
zn Fortschritt gelangend, nachgerade zu einem oft unent- 
behrlichen Werkzeug des Feldherrn geworden ist und in 
unseren Tagen in ein Stadium tritt *), welches uns die 
Aussicht aut die mögliche Beherrschung der Lüfte und damit 
auf eine neue Ausgestaltung des Verkehrswesens eröffnet. 

Während andere Errungenschaften der Technik, z. B. 
die Dienstbarmachung der Elektrizität, das Motorwesen, der 
Automobilismus etc. erst infolge ihrer wissenschaftlichen und 
allgemein-praktischen Verwertung allmählich im Kriege eine 
Rolle spielten und spielen, ist umgekehrt die Luftschiffahrt, 
wohl wegen ihrer Wichtigkeit im Kriege, dann aber auch 
wegen des Zeitpunktes ihrer ersten Anwendung zu Beginn 
einer langdauernden Kriegsperiode und in einem besonders 
begeisterungsfähigen Lande von vornherein kriegshistorischen, 
rein militärischen Ursprungs. Die Tatsache, daß der Krieg im 
materiellen Sinne der größte Kulturförderer ist, wird auch durch 
die ganze Geschichte der Luftschiffahrt erwiesen, in welcher 
immer nur Kriege und das Streben, sich kriegsbereit zu 
halten, den Anstoß zu Erfahrungen und Fortschritten gaben 2 ). 

') Siehe z. B. die fachlichen Nachrichten über die Fahrt des 
Grafen Zeppelin im Oktober 190ü und alle neueren Daten über Lenk- 
barkeit etc. 

Beispielsweise : Österreich-Ungarn : 1S49 Bombardement Vene- 
digs durch Ballontoq>edos Uchatius\ Deutschland: 1870 Bildung zweier 
LuftschifTordetachements, Aufstiege vor Straßburg und seit 1870 71 
fortwährende Versuche und Verbesserungen (Drachenballon Parseval- 
Sigsfeld, Benzinmotor Daimler etc.), endlich das lenkbare Luftschiff 
Oraf Zeppelin. Frankreich: 1870 Ballonpost und Ballonverkehr aus 
dem belagerten Paris vom 23. September 1870 bis 28. Janner 1871 
verließen Paris (35 Ballons mit 1b4 Personen, 381 Brieftauben, über 
10.000 kg Postsachen); nach 1871 Dupuy de Lome, Tissaudin, 
Krebs; 18*1 Autstiege in China; 1S8:> das lenkbare Modell „La France", 
seither namhafte Verbesserungen des Materials, Vergrößerung des 
Parkes und der Truppe; Julliot, Brüder Lebaudy etc. Vereinigte 
Staaten : IStll Versuche wahrend des Bürgerkrieges ; 1S9S Fortschritte 
im amerikanisch - spanischen Kriege etc. — iVergl. Moedebeck, 
Jahrbuch für Flugtechniker und Luftschiffer.) 

9* 



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132 



Peters. 



Es mag daher nicht unberechtigt sein, einen kurzen 
kriegsgeschichtlichen Rückblick auf die erste Entwicklung 
der Militäraeronautik zu werfen, einige darüber in der Literatur 
und den Akten vorkommende Daten zusammenzufassen und 
anschließend daran die spärlichen Aktenstücke mitzuteilen, 
welche zeigen, inwieweit auch unsere Kriegsverwaltung sich 
schon damals mit einer kriegstechnischen Frage beschäftigte, 
die heute erst recht aktuelles Interesse fordert und die 
besonders in Frankreich, der eigentlichen ileimat der Militär- 
luftschirfahrt, von Tag zu Tag erfolgreicher ihrer Lösung 
entgegenschreitet. 

Erste Versuche und Bildung der ersten französischen 

Luftschiffe rkompagnie. 

Es war der in diesen Zeilen noch öfter zu nennende 
Chemiker der Akademie zu Dijon, Guy ton de Morveau, 
welcher als Volksvertreter im französischen Konvent den 
Vorschlag machte, die junge Erfindung dos Luftballons zu 
Kriegszwecken zu verwerten. Der erste auf seinen Vorschlag 
während der Belagerung von Conde gemachte Versuch, 
mittels kleiner „Pilotenballons" über die Köpfe der Belagerer 
hinweg den eigenen Truppen wichtige Mitteilungen zukommen 
zu lassen, war zwar fehlgeschlagen. Denn infolge mangel- 
hafter Dichtung des Stoffes war der kleine Aerostat noch 
innerhalb der Linien des Belagerers gesunken und die 
Depeschen so in die Hände Koburgs gefallen l ). Als Mitglied 
der zum Studium der Frage zusammengesetzten Kommission, 
zu der u. a. Berthollet, Oarnot, Foucroy und Monge 
zählten, proponierte Guyton nun aber im Jahre 1793 die 
„Verwendung von an Stricken festgehaltenen Ballons, mittels 
deren Beobachter, gleich einer in den Lüften verlorenen Feld- 
wache, die Bewegungen des Feindes zu erkennen vermöchten*'. 

Augenblicklich und mit Begeisterung nahm der Wohl- 
fahrtsausschuß diesen Vorschlag an ; der Minister des Innern 
Garat wird mit der Beschaffung des Geldes und Materials 
betraut und schon am 26. Juni 1793 meldet dieser, daß er 
der Regierung einen Versuchsballon zur Verfügung stelle, 

l ) Nach liildebranclt, Die Luftschiffahrt etc. 



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Militürluftschiffahrt im Feldzug 1794. 



133 



der sich unter dem mit Beschlag belegten Eigentum des 
Emigranten l'Allemand-Saint-Croix befinde. Unverzüglich 
begannen auch die Versuche unter staatlicher Aufsicht. 

Unterdessen waren natürlich noch andere, mehr oder 
minder phantastische oder utopische Ideen aufgetaucht, welche 
einerseits die Frage der Lenkbarkeit fiir leicht lösbar hielten, 
andererseits das Problem des Vogelfluges, die Konstruktion 
von Drachen, Fallschirmen und Ballons mit Segelkombinationen 
zum Gegenstand hatten. Mit lebhafter Teilnahme verfolgte 
die Regierung alle diese Ideen und Versnobe, schließlich aber 
wurde doch die Verwendung von Fesselballons für Kriegs- 
zwecke als das einzig realisierbare Projekt erkannt. 

Die Hauptschwierigkeit blieb vorerst die Füllung des 
Ballons mit Wasserstoffgas, dessen Eignung zu diesem Zwecke 
seit Charles' Versuchen anerkannt war. Die zur Zersetzung 
des Wassers durch Eisen nötige Schwefelsäure war aber, ab- 
gesehen von der relativen Seltenheit des Schwefels in Frank- 
reich, schon deshalb nicht in genügender Menge zu beschaffen, 
weil der Wohlfahrtsausschuß früher angeordnet hatte, daß 
aller auf französischem Territorium auffindbare Schwefel aus- 
schließlich zur Pulverfabrikation verwendet werden müsse. 
Da kam dem Chemiker Guyton die Erfindung Lavoisiers. 
das Wasser durch Anwendung rotglühenden Eisens in seine 
zwei Bestandteile zu zerlegen, gerade rechtzeitig zu Hilfe, 
denn nun handelte es sich nur mehr darum, das Laboratorium- 
Experiment ins große zu übersetzen. 

Nach mehreren Versuchen gelang dies vollkommen; 
Guy ton berichtete über die Beschaffenheit und Aufstellung 
der Apparate und der Pariser Physiker C out eile wurde 
vom Ministerium des Innern beauftragt, die Details der 
Füllungsarbeiten zu leiten. Dieser begann nun mit seinem 
Freunde und Mitarbeiter Conte, einem namhaften Techniker 
jener Zeit, auf der Terrasse der Feuillants in den Tuilerien 
unter Aufsicht einer achtgliedrigen Kommission die Füllung 1 '. 

') Die Gasbereitung erfolgte in einem in einen Backstein- 
ofen eingesetzten gußeisernen Rohre von beiläutig 1 m Länge, 30 cm 
Durchmesser und zirka 30 mm Metalldicke, in welchem Blechabfälle, 
Nägel, Eisenfeilspäne etc. bis zur Kot^lut erhitzt wurden. An 
beiden calloteartig verjüngten Enden des Rohres waren kleine Eisen- 




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134 



Peters. 



Das Resultat war befriedigend und der Wohlfahrts- 
ausschuß verordnete am 25. Oktober die Herstellung des ersten 
Fesselballons zu Kriegszwecken, dessen Tragkraft und Gondel 
für zwei Beobachter und deren Instrumente sowie für den 
nötigen Ballast reichen sollten. Dieser Ballon hatte so bald als 
möglich bei der Nordarmee in Dienst zu treten. Auch der 
alte Ballon von Saint-Croix wurde repariert und voll- 
kommen equipiert. Guy ton hatte mittlerweile eine sehr 
interessante Instruktion Uber die Behandlung, Ausrüstung 
und Steigkraft des Ballons ausgearbeitet und eine Anleitung 
über die Seilmanöver und den Signaldienst vorgelegt. Die 
Signale, die weiterhin bei der ersten und (Ende 1794 auch) 
zweiten Luftschifferkompagnie gebraucht wurden, bestanden 
aus Lichtzeichen und verschiedenfarbigen Flaggen. Bei ge- 
ringerer Höhe bediente man sich eines Sprachrohrs. Durch 
entsprechend festgestellte Signalkombinationen konnte auch 
eine Art Depeschenwechsel zwischen den Beobachtern in der 
Gondel und dem betreffenden Kommandanten am Boden 
durchgeführt werden. Insbesondere für die Verständigung 
zwischen einem vom Feinde eingeschlossenen festen Platze und 
den Entsatztruppen war eine Unzahl bestimmter Feuersignale 
normiert. So bedeuteten beispielsweise vier Feuersignale 
untereinander: „Die Garnison wird einen Ausfall machen." 
Mit weiteren Feuersignalen konnte die Stunde sowie die 
Richtung desselben signalisiert werden etc. 

Im Oktober 1793 war man endlich so weit, den fertig- 
gestellten neuen Ballon an das Kommando der Nordarmee 
zu expedieren , ). Man hoffte, daß die Verwendung des Ballons 



blech-, später Kupferröhren, eingesetzt, deren eine das Wasser in das 
Kohr und über das glühende Eisen leitete, deren andere das Weiter- 
strümen des entwickelten Hydrogens vermittelte. — Eine schematische 
Darstellung und nähere Details der Konstruktion, der erzeugten Gas- 
menge und der Kosten finden sich im VIII. Kapitel der französischen 
Bearbeitung: la Campague de l7t)4 ä 1' Armee du Nord unter dem Titel 
,,Les aerostiers" von Oberst Coutanceau. XVII. Band der Bevue 
d'histoire, Paris 11)0."». ' Vorgenanntem Kapitel .sind noch andere Daten 
dieser Studie entnommen.) 

h Hilde hr and t, Die Luftschiffahrt, hebt das für die damalige 
Zeit erstaunliche technische Geschick hervor, mit welchem dieser 
Ballon konstruiert war. Insbesondere war die Dichtung des sehr leichten 



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Militürluftscbiffahrt im Feld^ug 17&4. 135 

noch in diesem Jahre beim Entsatz des von K o b u r g be- 
lagerten Maubeuge von entscheidender Bedeutung sein könne 
und der Wohlfahrtsausschuß sandte den um die aeronautische 
Sache besonders verdienten Physiker C o u t e 1 1 e, der später 
auch als erster Kommandant der Luftschifferkompagnie eine 
Rolle spielte, an den Armeekommandanten J o u r d a n, um 
diesem die Ankunft des Ballons anzukündigen, den Bau eines 
Gasbereittmgsofens, des Ballonzeltes und alle sonst nötigen 
Vorbereitungen zu leiten und zu betreiben. 

Die Reise Coutelles hatte aber nicht den ge- 
wünschten Erfolg. Die Kriegslage war den immerhin zeit- 
raubenden Vorbereitungen nicht mehr günstig. Die Armee 
stand im Anmarsch gegen Koburg bei Beaumont, fi Meilen 
von Maubeuge entfernt, in direktem Kontakt mit den Vor- 
truppen des Gegners; jeder Tag konnte die Entscheidung 
bringen und endlich war auch die vorgerückte Jahreszeit 
(Mitte Oktober) und das schlechte Wetter den Vorbereitungen 
dieses ersten und recht kostspieligen Versuches vor dem 
Feinde durchaus ungünstig. Coutelle, welcher übrigens 
auch Gefahr lief, von dem bei der Armee anwesenden 
Kommissär der Nationalversammlung zum Tode durch Er- 
schießen verurteilt zu werden, weil dieser im „absurden" Ge- 
danken eines Militärballons eine Verräterei witterte, kehrte 
also eiligst (in zweieinhalb Tagen) nach Paris zurück, um die 
Absendung des Ballons zu verhindern. Die Regierung ent- 
schloß sich, von der Verwendung desselben in diesem Jährt? 
noch abzusehen, den Saint-Croixschen Ballon ! ) aber mit 
allem Zubehör nach Meudon zu überstellen und dort die 
Versuche fortzusetzen, insbesondere aber den Signaldienst 
und das Melde wesen einüben zu lassen, damit die neue In- 
stitution auch in dieser Richtung ihre kriegstüchtige Voll- 
kommenheit erreiche. Den Bürgern Coutelle und L h o- 
m o n d, zu denen sich später auch Conte gesellte, wurde 



StotVes durch eine besondere Art von Leinöl eino wertvolle Errungen- 
schaft. Diese Dichtung war so undurchlässig, „daß das Abhanden- 
kommen des Rezeptes dafür noch heute als ein bedauernswerter Ver- 
lust beklagt" wird. 

l i Dieser Ballon erhielt, seinor nunmehrigen Aufgabe entsprechend, 
den Namen: l'Eprouveur (Versuchsballon). 



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136 Petors. 

die Leitung dieser ersten, im Parke Petit-Meudon etablierten 
„militäraeronautischen Versuchsstation" Europas übertragen. 
Sie hatte jedoch vorerst keinen militärischen Charakter, ihr 
Personal bestand aus Fachleuten und Professionisten. 

Eine lange Reihe von Detailverfugungen technischer 
Natur, betreffend die Beschaffung von Baumaterial für die 
Öfen und Gebäude, von allerlei rostfreien Eisenabfällen, von 
Seidenstoffen, Goldschlägerhäutchen, Gondelbestandteilen etc. 
geben von dem Eifer Zeugnis, mit welchen man in Meudon 
im Winter 1793 auf 1794 arbeitete. 

Cou teile, die Seele aller Arbeiten, verstand es, 
in wenigen Monaten einen kompletten Luftschifferpark zu 
schaffen. Am 27. März 1794 fand vor einer wissenschaft- 
lichen Kommission die Füllung des „Eprouveur" statt, welche 
350 Kubikmeter Gas beanspruchte und 10 Stunden dauerte. 
Die Kaptivfahrten begannen am 29. März. Bei einer derselben 
erhob sich C out eile bis über 450 m und gab begeisterten 
Bericht über den meilenweiten, klaren Rundblick, den er ge- 
nossen. Die vollkommen zufriedenstellenden Erfolge aller 
Versuche gaben den Anstoß zur Aufstellung der ersten Luft- 
schiÖerkompagnie 1 », zu deren Kommandanten C o u t e 1 1 e er- 
nannt wurde. Kaum ausgerüstet und noch nicht auf vollem 
Stande, wurde sie auch schon eiligst einexerziert und bereits 
am 6. Mai auf den Kriegsschauplatz nach Maubeuge instra- 
diert, denn die allgemeine Kriegslage schien die ehetunlichste 
Verwertung der Erfindung in einem der festen Plätze an 
der Sambre von Tag zu Tag dringlicher wünschenswert zu 
machen. 

Die ersten Auffahrten auf dem Kriegsschauplatz (1794). 

Nach langem Schwanken war der im Winter 1793 — 1794 
festgestellte Mack'sche Operationsplan von den gegen Frank- 
reich verbündeten Staaten angenommen worden. Die vom 

l } Die Kompagnie bestund aus 1 Kapitän, 1 Leutnant, 1 Sergeant- 
Major, 1 Sergeant, 2 Korporalen und 20 Mann, durchwegs Professio- 
nalen Adjustierung und Ausrüstung: Bluse und Pantalons aus blauem 
Tuche, schwarze Aufschläge mit roten Passepoils, Intauterieknöpt'e 
mit der Aufschrift „Aerostiers", Dreispitzhnt, kurzer Säbel und 2 Pistolen, 
Arbeitsmontur aus blauem oder gebleichtem Zwilch. 



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Militärluftschiffahrt im Feldzug 1791. 137 



Meere (bei Dünkirchen) bis zur Maas (Mezieres, Givet) aus- 
gedehnte französische Armeefront an der N.-O. -Grenze sollte 
so ziemlich in deren Mitte, am kürzesten Wege nach Paris, 
d. i. in der Gegend südlich von Valenciennes durchbrochen 
und nach Wegnahme der zunächst liegenden Festungen (vor 
allem Landrecies) auf Paris, den Herd der Revolution, vor- 
gedrungen werden 1 !. FM. Prinz Koburg hatte im März 
seine Hauptkräfte im Räume Quievrain, Valenciennes, le 
Quesnoy, das Korps des FZM. Fürst Hohenlohe zwischen 
Bavay und Bettignies versammelt. Am rechten Flügel hatte 
FZM. Clerfayt bei Tournai, am linken FML. Graf Kaunitz 
bei Beaumont, Beaulieu bei Namur und, als Verbindung 
mit dein preußischen Kontingent am Rhein, Blanken- 
stein bei Trier Stellung zu nehmen und feindliche Kräfte 
zu binden. 

Während im Vorfrühling an beiden Flügeln ohne eigent- 
liche Entscheidung gekämpft wurde, schob sich im Zentrum 
auf der Hachen Wasserscheide zwischen den Quollgebieten 
der Sambre und Scheide Koburg Mitte März keilförmig 
zwischen die im konvexen Halbkreis von Bouchain und 
Cambrai an der Scheide über Bohain und Guise bis Landre- 
cies und Maubeuge an der Sambre verteilten Divisionen der 
französischen Nordarmee ein und eroberte trotz hartnäckiger 
Entsatzversuche am 30. April Landrecies. 

Nach dem Falle dieser Festung sandte Koburg einen 
Teil der entbehrlich gewordeneu Truppen als Unterstützung 
nach Flandern zu C 1 e r f a y t, welcher von P i c h e g r u mit 
Übermacht angegriffen war. Das Kriegsglück blieb dort vor- 
erst schwankend. Gleichzeitig wurde auch an der Sambre 
seitens der östlichen Flügelkorps ebenso unentschieden ge- 
kämpft. Die französische ..Ardennen-Armee" griff in der Ab- 
sicht, die Sambre zu forcieren, im Mai mehrere Male vergeb- 



•i Nebenbei bemerkt, bildet dieser Operationsplan wieder ein Bei- 
spiel für die Tatsache. daU sich in dieser Übergangsperiode der Krieg- 
führung modern zu nennende, großzügige Oflensivideen mit den ver- 
alteten Prinzipien der Positions- und Belageruugskriege vermengen. 
Die Festungen bildeten eben sozusagen noch innner die Magnete, 
welche das Schwert der Staaten, die Heere, unwiderstehlich anzogen 
und oft monatelang festhielten. 



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138 



Peters. 



lieh die Aufstellung des FML. Graf Kaunitz bei Grand- 
reng östlich von Möns an; am 24. Mai ging dieser seiner- 
seits zum Angriff über und drängte die Franzosen bei 
Merbes über die Sambre zurück. Ein neuer Übergangsversuch 
der Franzosen führte am 3. Juni zur „Schlacht bei Gosselies'', 
wo der an Stelle von Kaunitz kommandierende Erbprinz 
von Oranien mit mittlerweile herangezogenen Verstärkungen 
die Franzosen neuerdings über die Sambre zurückwarf. 

Erst später, als Jourdan mit der „Moselarmee" an 
der Sambre eintraf, gelang es den Franzosen, diesen FluÜ 
endgültig zu überschreiten und in der (zweiten) Schlacht von 
Fleurus am 26. Juni den Feldzug zu ihren Gunsten zu ent- 
scheiden. 

Während am 2. und 3. Juni die beiderseitigen Truppen 
um die Palme des Sieges rangen, vollzog sich in Maubeuge 
der erste militärische Luftballonaufstieg. 

Es lag für die französische Regierung nahe, das neue, 
in Meudon mit Erfolg erprobte Kriegsmittel vorerst und so 
rasch als möglich in einem festen Platze an der Sambre ver- 
wenden zu lassen. Von einer Einteilung der Luftschiffer bei 
(ier im freien Felde stehenden Armee ließ man sich damals 
noch nichts träumen; Maubeuge aber, das sie aufnehmen 
sollte, lag Paris am nächsten und gegenwärtig vom Feinde 
frei, von Süden her ohne Gefahr zugänglich, am inneren 
Flügel der Flußstreeke, an welcher sich voraussichtlich bald 
große Entscheidungen abspielen konnten. 

Daß man bei den Aufstiegen von dort aus die nördlich 
der Sambre über das Gelände von Bavay, Bettignies, Rou- 
veroy oder über Möns und Biuche vorauszusetzenden Zuzüge 
und Verschiebungen der Alliierten hätte wahrnehmen und 
rechtzeitig den näher befindlichen eigenen Heeresteilen hätte 
mitteilen köunen, unterliegt keinem Zweifel. Denn die Kaptiv- 
fahrten in Meudon hatten ergeben, daß man bei klarem 
Wetter und bei Erreichen von Höhen bis zu zirka 500 m 
mit den damaligen Fernrohren l ) im flachen Lande auf einem 

l ) Welche übrigens, abgesehen von den neuesten Prismenbinoeles, 
mehr in Besag auf Handlichkeit und Leichtigkeit als an optischen 
Qualitäten hinter den modernen Instrumenten zurückstanden. 



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Militärlnftschiffahrt im Feldaug 1794. 



139 



Umkreise von 9 bis 10 km das Terrain ziemlich genau ab- 
suchen, auf 4 bis 5 alte französische Meilen, d. i. 17 bis 22 hn *) 
aber jedenfalls Staub- und Rauchwolken ganz wohl aus- 
nehmen und Einblicke in Terrainfalten und Deckungen ge- 
winnen konnte. 

Der Ballon hätte also bei den Kämpfen im Mai gewilJ 
sehr ersprießliche Dienste leisten können. Die Schwierig- 
keiten und die lange Dauer der technischen Vorarbeiten 
brachten es mit sich, daß der erste Aufstieg auch für die 
Gefechte bei Gosselies zu spät kam und daß sich die Luft- 
schiffer den Ruhm entgehen lassen mußten, die wichtigen 
Verschiebungen der Kräfte der Verbündeten rechtzeitig zu 
entdecken. Am 2. Juni, als der erste Aufstieg erfolgte, 
waren diese Verschiebungen aber größtenteils bereits voll- 
zogen und der Kampf tobte in einem für die Beobachtung 
zu entfernten Räume 2 ). So ergab der erste Aufstieg fast nur 
negative Resultate. Der Grund hiefür ist also in erster Linie 
in seiner Verspätung hinsichtlich der Ereignisse und nicht 
so sehr in technischen Mängeln oder in der begreiflichen 
Ungeübtheit der Beobachter 9 ) zu suchen. 

Schon am 10. Mai hatte der Divisionär und Festungs- 
kommandant in Maubeuge, General Favereau die Ankunft 
des Ballons nach Paris gemeldet. Nähere Details über den 
Ballontransport 4 ), die Installierungsarbeiten und den ersten 

l ) Diese Daten sind größtenteils der im zitierten Kapitel .,Les 
aerostiers" von Oberst Coutanceau enthaltenen „Instruction sur le 
service d'une compagnie d'aerostiers, forraee par ordre du Comite du 
salut public'' entnommen. 

s ) Maubeuge — Gosselies = ca. 39 Am, 

3 i Übrigens erfordert bekanntlich die Orientierung und Beob- 
achtung vom Ballon, insbesondere vom gefesselten Kugelballon aus, 
welcher je nach der Windstärke und Richtung nicht nur Pendel- 
schwankungen, sondern auch Drehungen um seine Vertikalachse aus- 
führt, viel Übung und Sicherheit, welche die damaligen Luft- 
schiffer nicht haben konnten. Die allgemeine Einführung des Drachen- 
ballons erfolgte ja, weil nur aus möglichst stabilen Ballons richtige 
Beobachtungen denkbar sind. Auch ist es nicht jedem Oftizier gegeben, aus 
der Vogelperspektive Truppenbewegungen und Situationen richtig zu 
beurteilen. 

*) Nach einem von Oberst Coutanceau zitierten französischen 
Archivakt bestand dieser erste Balluntrain der Kriegsgeschichte in- 



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140 



Peters. 



Aufstieg in Maubeuge enthalten die sehr lebensvollen und 
interessanten Memoiren eines Soldaten der ersten Luftschiffer- 
kompagnie, des nachmaligen Leutnants dieser technischen 
Truppe, Baron de Seile de Beauchamps l ), der unter 
anderem erzählt: 

„Vor Maubeuge angekommen, fanden wir den Platz auf 
einer Seite vom Feinde frei, wir konnten also hinein und 
man wies uns das alte Kollegiumsgebäude zu, dessen aus- 
gedehnter Garten für unsere Arbeiten dienen sollte Es 

war durchaus keine einfache Sache um die Gaserzeugung; 
unsere Vorkehrungen waren derart kostspielig, daß wohl nur 
eine Regierung damit einverstanden sein konnte, die vor 
keinem Hindernis zurückschreckte, wo es galt, die Mittel 
zur Verteidigung zu fordern. Die von Conte und Guy ton 
de Morveau eingeführte Methode der Gasbereitung (den 
Wasserstoff durch Zersetzung des AVassers mittels glühenden 
Eisens zu gewinnen) wurde auch hier angewendet. Man baute 
zu diesem Zwecke einen Reverbere-Ziegelofen mit zwei 
Schloten. Iu den solid aus Ziegeln konstruierten Ofen setzte 
man sieben aus Creuzot stammende gußeiserne Rohre ein, 
welche man vorerst mit von Rost befreitem Eisenfeilstaub 
und Eisenresten füllte. Diese Rohre wurden an beiden Enden 
verkittet derart in den Ofen eingesetzt, daß vier davon unten, 
drei oben zu liegen kamen. Mit anderen Ziegeln wurde der 
Ofen bis auf einige Sichtlöcher vollkommen gedeckt 
und geschlossen. An einem Ende desselben brachte man 
einen erhöht aufgestellten länglichen Wasserbottich an, 
welcher durch kleine Röhrchen mit jedem der Eisenrohre im 
Ofen kommunizierte und sie mit Wasser versehen konnte. Am 
anderen Ende des Ofens stellte man einen zweiten vier- 
eckigen Bottich auf, welcher mit gesättigter Kalkwasserlösung 

klusive der 2 Werkzeug- und 1 Bagage Wagens der LuftschitVerkom- 
pagnie aus 11 schweren, vierspännigen Fuhrwerken, welche 7 gulieiserne 
Keine, eine Anzahl Kaiser mit altem Ei^en und ein sehr schwere» 
Ballonzelt im Uesaratge wicht von 17. IHK» Pfund enthielten. 

1 Diese Memoiren sind iu dem. von Mvrbach illustrierten 
Prachtwerk von Frederic Masson. ,,Aventures de guerre 17'.>2 — lso9, 
Souveuirs et reeits de soldats' ? veröffentlicht und habi'ii den Titel: ,.Les 
aerostiers aux armees de la republique". D'apres les memoire de M. 
le Baron de Seile de Beauchamps. 



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Die nördliche Umgeb 




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Militürlaftscbiffahrt im Feldzug 179*. 



141 



gefüllt war. In diesen Bottich strömte das "Wasserstoffgas ein 
und wurde dort vom Kohlenstoff gereinigt". 

„Nach Beendigung dieser Vorbereitungen wurde der 
Ofen mit Brennholz geheizt und das Feuer so lange unter- 
halten, bis die Rohre weißglühend waren. Das vom oberen 
Bottich herabfließende Wasser setzte seinen Sauerstoff in den 
glühenden Rohren ab, während der Wasserstoff in den unteren 
Bottich drang, sich dort vom Kohlenstoff reinigte und weiters 
infolge des ihm innewohnenden Auftriebes durch ein Kaut- 
schukrohr in den daneben befindlichen Ballon entwich, 
welcher sich nach Maßgabe des einströmenden Gases auf- 
blähte". 

„Der ganze Vorgang erforderte die peinlichste Genauig- 
keit. Das Feuer mußte derart unterhalten werden, daß sich 
die Hitze stets gleichmäßig auf alle Eisenrohre verteilte. Man 
mußte acht haben, daß sich in keinem derselben Ritzen oder 
Ausbauchungen bildeten, damit keine Ausströmung stattfände. 
Wenn aber eine solche zu stände kam, was man am Er- 
scheinen einer kleinen bläulichen Flamme wahrnahm, dann 
hieß es, diese eiligst zu ersticken, was bei der Weißglühhitze 
nie ohne Mühe und Gefahr gelang". 

„Die Füllungsarbeiten dauerten, abgesehen von der 
Konstruktion uud Aufstellung des ganzen Apparates gewöhn- 
lich 36 bis 40 Stunden, während welcher man den Ofen keinen 
Augenblick verlassen durfte". 

„Man begnügte sich daher vorerst mit der Anwendung 
der Luftschiffe in den festen Plätzen, was ja auch der Grund 

dafür war, daß man uns nach Maubeuge gesendet hatte 

Die Oberleitung aller Arbeiten hatte sich der Kapitän 
Coutelle vorbehalten. Der erste Leutnant, den jener sich 
zugeteilt hatte, war Maurer von Profession, der wohl nur sein 
spezielles Fach verstand. Der zweite Leutnant, ein liebens- 
würdiger junger Mann, der Sohn eines namhaften Physikers 
und selbst in diesem Fache sehr unterrichtet, entsprach im 
weiteren Verlauf unserem Dienste in allen Richtungen''. 

,,Wir arbeiteten sehr hart; man mußte fast in allen 
Handwerken Bescheid wissen, als Maurer, Zimmermann, 
Schlosser, Holzarbeiter zugreifen können, wovon mancher 
bislang keine Ahnung gehabt hatte. Alles aber ward unter 



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142 



Peters. 



dem Beispiel unseres Chefs möglich und man sah ein, daß 
wahrem Eifer und reger Intelligenz nichts unmöglich ist " 

, Die Lage wurde von Tag zu Tag ernster; unsere 

Arbeiten nahmen in ihrem Fortschritt unsere ganzen Kräfte 
und Fähigkeiten in Anspruch und wir waren Tag und Nacht 
auf den Füßen; doch all unser Stolz war darauf gerichtet, 
mit unserem unermüdlichen Kapitän darin zu wetteifern, daß 
wir ein Unternehmen zu glücklichem Ende führten, welches 
bisher in Europa nicht seinesgleichen hatte. Endlich waren 
die Öfen fertiggestellt, der Ballon wurde gefüllt und man 
konnte an den ersten Aufstieg denken. Der Ballon trug mit 
Leichtigkeit zwei Personeu und 120 bis 140 Pfund Ballast. 
Dieser — Sand oder Erde — wurde in Leinen- oder Stramin- 
säcken mitgeführt, um nach Maßgabe der Verminderung der 
Steigkraft entleert zu werden . . . ." 

„. . . . Am Äquator des Ballonnetzes waren zur Fesselung 
des Ballons zwei Stricke angebracht, welche ungefähr 400 m 
Länge hatten und im Bedarfsfall bis auf 1800 Fuß ver- 
längert werden konnten . . . ." 

Am 2. Juni, kaum einen Monat nach seiner Ankunft, 
fand der erste Aufstieg des „Entreprenant" statt. Die im 
Archiv des französischen Kriegsministeriums aufbewahrte 
Meldung darüber ist, abgesehen von dem patriotischen und 
chauvinistischen Schwulste, welcher die meisten französischen 
Schriftstücke aus jener Zeit kennzeichnet, wegen der ge- 
machten Wahrnehmungen über die österreichischen Stellungen 
nördlich der Sambre ganz beachtenswert 1 ). 

Sie lautete (in Übersetzung): 

,, Meldung über die mit Hilfe des in Maubeuge eta- 
blierten Luftballons gemachten Entdeckungen. 14. prairial 
„an IL de la Republique une et indivisible [2. Juni 1794]. 

„Auf Befehl des Generals Ferrand sind wir, Etienne 
„Radet, Adjutant des Kavalleriegenerals Dubois und 
„Jean-Marie Coutelle, Kapitän der Luftschi fferkompagnie, 
„heute um 6Vi Uhr Abends bei ruhiger Luft aufgestiegen 
„und haben uns auf zirka 60 Toisen [120 m] erhoben. Da 

•) Hiczu und zu den weiteren Daten über Ballontueldungen in 
Maubeuge siehe Textskizze 1. 



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MilitäirlnfUchiffHhrt im Feldzug 1794. 



143 



„uns aber heftiger N. W. Wind zu stark schaukelte, um 
„sichere und nützliche Beobachtungen zu machen, ließen 
„wir uns vorerst wieder einholen. Nach einer halben Stunde, 
„da sich der Wind ein wenig gelegt zu haben schien, 
„stiegen wir wieder auf eine Höhe von zirka 166 t. 
„[ca. 330 mj. Der noch immer heftige N.West hat uns 
„von dem Punkte über der Schule ober unserem Aufstieg 
„pendelartig bis auf 20 t. außer die Mauern von Maubeuge 
„getrieben, wo wir, beiläufig oberhalb der Sambre so 
„ziemlich in ruhigem Gleichgewicht verblieben. In der 
„ebenso prächtigen als majestätischen Gondel machten 
„wir, inmitten des Enthusiasmus zahlreichen Volkes und 
,,der gesamten Armee, deren Freudengeschrei fast eine 
„ganze Stunde zu uns herauf tönte, viele dem Vaterland 
„nützliche Entdeckungen. Diese Erfindung, welche — wir 
„können es der ganzen Welt verkünden — von der 
„höchsten Bedeutung und über alles Erwarten nützlich ist. 
„gestattete uns, bewegungslos in den Lüften zu ver- 
bleiben. 

„Wir haben Folgendes beobachtet: 

„Vorwärts von Feignies ist gegenüber dem Gehölz 
„ein kleines Lager von ungefähr 60 Zelten errichtet, 
„welches vor sich einen sehr langen Graben mit 1 Kanone 
„hat. Wir vermuten darin höchstens 1 Bataillon Holländer 
„und 1 Pikett Reiterei, welches im Walde rechts des 
„Lagers biwakiert. 

„Im Eck des großen Waldes von Maubeuge befindet 
„sich eine gleichschenklig-dreieckige Redoute, die mit 
„2 Kanonen bestückt und von ein wenig Infanterie besetzt 
„ist . . . etc. 

„Am Rande desselben Waldes und gegenüber von 
„rOuvrage 1 1 entdeckten wir eine starke viereckige, mit 
einem Mörser oder einer Haubitze und 2 Kanonen armierte 
„Schanze. Lagerfeuer im Räume zwischen diesen beiden 
„Befestigungen lassen auf die Anwesenheit von 400 bis 
„500 Mann schließen. 

*) Alte Ortftbezeich n u n g eines Gehöftes zirka 2 km nordwestl. 
von Maubeuge. 



144 



Peters. 



„Die Vorposten, mit runden, vorn aufgeschlagenen 
„Hüten und grünen Westen dürften Holländer sein. 

„In der Mitte des genannten Waldes ist eine kreis- 
runde Befestigung mit 2 Geschützen zu bemerken. 

„Im selben Walde, und scheinbar hinter demselben, 
„gegenüber dem Gehöft Hcron-Fontaine, sind noch 2 Schan- 
den im Bau. 

„Jenseits von la Grisuelle befindet sich ein Lager 
„von 125 verschiedenartigen Zelten und Baracken; dieses 
„Lager scheint von Infanterie — vermutlich derjenigen, 
„welche die Vorposten beistellt — belegt zu sein. 

„Auf einer Anhöhe k cheval des Weges von Maubeuge 
„nach Bettignies, inmitten einer weiten Fläche, steht 
„wieder eine große Schanze ; auf der Höhe bei Rotelen 
„glaubten wir Artillerie zu bemerken. 

„Von dieser Schanze in der Richtung auf Monbason 
„jenseits einer Windmühle zieht sich ein sehr ausgedehntes, 
„3 bis 4 Zeltreihen schmales Lager hin; rechts (östlich) 
„liegt ein Kavallerie-Regiment und noch weiter östlich 
„eine Truppe mit zirka 100 Zelten. Dieses ganze Lager 
..ist zirka um zwei Drittel größer, als das vorerwähnte ; 
„über die Truppenstärke konnten wir uns kein Urteil 
„bilden. 

„Bei Mairieux (Morien) sind einige Zelte und Baracken 
„etwa für 200 — 300 Mann Infanterie errichtet. 

,, Rechts von diesem Orte vor den Gärten gegen 
„Bersilly zu scheint ein Artilleriepark etabliert, es sind 
„jedoch nur 3 — 4 Geschütze, einige Munitionswagen und 
„100 Pferde, wohl aber eine größere Anzahl Baracken und 
„Zelte zu sehen. 

„Von diesem Park führt ein Hohlweg längs eines 
,, Wäldchens zum Lager von Grand Perdu, wo der Feind 
..eine starke Schanze mit Gräben und Palisaden, Ein- 
schnitten und Schießscharten errichtet hat. Ein gedeckter 
„palisadierter Weg [Hohlweg] führt von da bis zum 
„Wäldchen und um dieses herum zu mehreren anderen 
„Schanzen. Diese Stellung ist mit Kanonen armiert. 

„Ferner bemerkten wir links des Weges von Bersilly 
„nach Villers, näher an ersterem Orte, eine große vier- 



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Militärluftaohiffahrt im Feldiug 17»4. 



145 



„eckige Schanze und vorwärts derselben etwas Kavallerie, 
,,die den Posten im Wäldchen von Ourdain unterhält. 

„Feuer uud rauchende Kamine in diesen Ortschaften 
,, lassen vermuten, daß hier Truppen kantonieren. 

„Zwischen Grandreng und Rouveroy, etwas oberhalb 
„der großen Windmühle, steht wieder eine große Schanze 
„und ein Posten von etwa 100 Mann Infanterie und 
„30 Reitern mit weißen Mänteln. 

„In einer Entfernung von etwa 5 Meilen, an der 
„Straße über Bettignies nach Möns, glaubten wir auf einer 
„ziemlich langen Strecke Geschützrauch wahrzunehmen, aus 
„dessen Mitte ein sehr hoher Turm aufragte ; trotz des 
„Nordwindes aber konnten wir keinen Kanonendonner hören. 

„Als der Wind heftiger wurde, ließen wir uns ein- 
holen, was mit größter Leichtigkeit gelang und in uns 
, y die Überzeugung bestärkte, daß der Luftballon der ge- 
schickteste, sicherste und klarst sehende Spion ist, den 
„man sich denken kann. Wir sagten uns mit Stolz, daß 
„man französischer Republikaner und vom Herrn der himm- 
„lischen Heerscharen beschützt sein müsse, um eine so 
„nützliche Entdeckung gemacht zu haben. Unsere Waffen- 
brüder, Mitbürger und unzähliges Volk sahen uns hinab- 
„kommen und eilten uns mit freudestrahlenden Gesichtern 
„entgegen. Mit dem Jubelgeschrei: Vive la republique ! 
..Vive la liberte! wurden wir am Punkte des Aufstieges 
„empfangen. 

„Wovon wir die wahrheitsgetreue Meldung er- 
statten . . . etc. etc. 

Der Konimandant der Luftschifferkoinpagnie 
Coutelle. 
Der Brigade-Oenorals-Adjutant 
Rad et. 

„Gesehen von den unterzeichneten Divisionsgeneralen 
„und nach einer zum Nutzen des Dienstes gemachten 
„Auffahrt den Bericht an den Volksvertreter Guy ton 
„überlassen. Ferrand, Alexis Dubois. 

„Für die richtige Abschrift 

L. B. Guyton." 

Mitteilungen dfS k und k. Krio^arohiva. Dritte Folge. V. Bd. 10 



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146 



Peters. 



Das österreichische Gegenstück zu diesem interessanten 
französischen Dokument ist folgende Meldung des GM. Baillet 
aus ßettignies am 3. Juni 1794 

Bericht an FML. Baron Schröder. 

„Gestern Abends zwischen 6 und 7 Uhr geschahen 
„feindlicher Seits 2 Canonen Schuß, welche ich vermuthet 
„habe 2 Signal-Schüsse gewesen zu seyn; denn gleich darauf 
„stieg aus der Festung Maubeuge ein Luftballon in die 
„Höhe und unten an war ein kleines Schiff. Anfangs 
„glaubte ich, daß es blos ein Studenten Drach wäre, aber 
„nach allem Rapport, die einstimmig sind, ist es ein wahr- 
hafter Luftballon gewesen, und in dem Schiffe will man 
„2 Menschen mit entblößtem Säbel sehr gut ausgenommen 
„haben, die eine rothe Fahne ausgesteckt hatten, welche 
„sie aber nach der Hand wieder einzogen, und statt selber 
„eine weiße Fahne wehen ließen. Dieser Luftballon war 
„durch einen Strick gehalten, wodurch er immer in einer 
„Direktion blieb, und sehr hoch gestiegen ist ; dieses dauerte 
„über eine Stunde. 

„Ich muthmaße, daß nichts anderes gewesen ist, als 
„um sich zu überzeugen, theils von unserer Stärke, andern 
„Theils zu wissen, ob das Lager bei Grand Reng und 
„Rouveroy ganz abgegangen ist. Ich habe durch meine 
„Vorposten befohlen, aufmerksam zu seyn, aber es war die 
„Nacht hindurch, wie auch heute früh alles ruhig, habe 
„daher nicht ermangeln wollen, diese kleine Geschichte, 
„die doch eine List des Feindes sein kann, zu berichten. 

„Sig. Bettignies, den 3. Juny 1794. 

Baillet GM." 

Der Vergleich der französischen Ballonmeldung mit den 
tatsächlichen Stellungen und Bewegungen der Verbündeten 
an diesem Tage ergibt, daß die Luftsehiffer lediglieh einige 
Details der damals in der Gegend zwischen Bavay und 
Rouveroy bestehenden Lagerplätze und Befestigungen und die 
Aulstellung des unter FML. Schröder, den GM. Baillet 
und Davidovich bei Erquelines und Bettignies zurück- 
gelassenen Detachements feststellten, über den erfolgten 



') K. A., F. A. 1794, Niederlande. VIII, 13. 



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Militärluftschiffahrt im Feldzug 1794. 



147 



Abmarsch der Hanptkräfte des Erbprinzen von Oranien 
nach Osten und Nordosten aber noch völlig im unklaren 
waren. 

Die Truppen, welche sie ausnahmen, waren 5 Bataillone, 
6 Eskadronen und 3 Jägerkompagnien unter GM. Davido- 
vich in der Umgebung von Erquelines und 8 Bataillone, 
8 Eskadronen, 5 Jägerkompagnien unter GM. Baillet in der 
Gegend von Bettignies l ). 

Der „Geschützrauch an der Straße über Bettignies nach 
Möns", welchen die Luftschiffer wahrzunehmen glaubten, 
kann möglicherweise mit Staubwolken verwechselt worden 
sein, die vom Train der 4. Kolonne Oraniens aufgewirbelt 
wurden, als diese Wagenkolonne (die gesamte Bagage, die 
Pontons und zehn Wagen für Blessierte) der Kolonne (des 
FML. Quosdanovich) nach Nivelles folgte. Denn ein Kampf 
im Räume zwischen Möns und Maubeuge war zur Zeit 
dieses Aufstieges völlig ausgeschlossen; nur ein Ausfall aus 
Maubeuge selbst, wie solche am 12. und 29. Mai stattgefunden 
hatten, hätte einen Kampf herbeiführen können. 

In ähnlicher Weise und mit ähnlichen Resultaten wie 
am 2. Juni, fanden von Maubeuge aus in der Zeit zwischen 
dem 3. und 21. Juni noch mehrere, etwa 13, nach anderer 
Version sogar täglich zwei solche Kaptivfahrten statt, bei 
denen Coutelle, ein gewisser Dounot, der Turmwächter 
von Maubeuge und andere die Umgebung der Festung bis 
auf 9 — 10 km im nördlichen Umkreis absuchten. Die Meldungen 
darüber sind deshalb kriegsgeschichtlich interessant, weil die 
allerdings spärlich darin vorkommenden Wahrnehmungen über 
Truppenbewegungen sich der Zeit nach vollkommen mit den 
Vor- und Rückmärschen der Verbündeten gelegentlich der 
Kämpfe um Charleroi decken. So enthält die Ballonmeldung 

l ) K. A., F. A. I7i*4, Niederlande, VIII, 4, 14. „Marschdispositionen 
zum Entsatz der Festung Charleroi dto. Rouveroy, 31. Mai 1794" und 
die „Instruktion für FML. Baron Schröder, Rouveroy, 1. Juni 1794". 
— GM. Davidovich befehligte 2 Bataillone Ulrich Kinsky, 1 Bataillon 
Hohenlohe, 2 holländische Bataillone, 4 Eskadronen Lobkowitz-Chevau- 
legers und 2 Eskadronen Barco-Husaren. Dem GM. Baillet unter- 
standen 2 Bataillone Brechainville, 2 Wartensleben und 4 holländische 
Bataillone; ü Eskalronen Kaiser-Chevaulegers, 2 holländische Eska- 
dronen und ."> Kompagnien Jäger. 



10* 




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148 



Peters. 



vom 11. Juni unter anderen die Situation der feindlichen 
Befestigungen schildernden Sätzen die Bemerkung: „Das 
Lager, welches sich von der rechten (östlichen) Seite von 
Rouveroy bis Grandreng hinzieht, ist in voller Bewegung 1 )." 
Diese Wahrnehmung entspricht den Vorbereitungen zum 
neuerlichen Vormarsch Oraniens 2 ) von Rouveroy über 
Nivelles auf Marbais, der in der Nacht zum 12. Juni begann 
und am 16. Juni zu der „ersten Schlacht bei Fleurus" führte. 

Dieselbe Tatsache wird aus der Ballonmeldung vom 
12. Juni erhärtet, wo es heißt: „. . . . Das Lager rechts und 
links von Rouveroy ist aufgelassen . . . 3 )." 

Am 18. Juni rückten die Truppen Oraniens, nachdem 
die volle Ausnützung des Sieges am 16. durch den Rückzug 
der 4. (südlichsten) Kolonne des holländischen GL. Graf 
Wartensleben vereitelt worden war, wieder ins Lager bei 
Rouveroy 4 ). 

In der Ballonmeldung vom 19. Juni findet sich der auf 
dieses Wiederbeziehen des Lagers hinweisende Satz, daß 
„hinter den Redouten und Verschanzungen viel mehr Militär 
(il y avait plus de monde) bemerkt wurde, als bei den 
Beobachtungen der letzten Tage". 

Endlich nahmen die französischen LuftschifTer teilweise 
auch jene bedeutenden Truppenbewegungen wahr, die in den 
Tagen vor der Entscheidungsschlacht des Feldzuges, der 
zweiten Schlacht bei Fleurus am 26. Juni, sowohl vom Lager von 
Rouveroy aus, als auch von Tournai über Möns gegen Nivelles 
und Charleroi stattfanden •''). In der Ballonmeldung vom 20. Juni 
ist die Rede von „einer großen Kolonne, die von Möns zu 
kommen scheint, und welche um 6 Uhr mehr als zwei Meilen 
von diesem Orte entfernt, sich in der Richtung gegen Charleroi 
bewegt". 



l > Ascension du 2U. prairial (11. Juni); bei Coutauceau. 

") K.A., F. A. 1794, Niederlande, VIII, 118. (Relation des FML. 
Baron All vin tzy.) 

3 ) Die Ballonmeldungen, aus welchen die nachfolgenden Sätze 
übersetzt sind, sind vollinhaltlich veröffentlicht im zitierten Werke des 
Obersten Coutanceau. 

«, K. A., F. A. 179-1, Niederlande, VIII, 1 i>r>. 

■) Ebenda, VIII, 142 bis 152V*. 



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Militärluftachiffuhrt im Feldzug 1704. 149 

Weiter heißt es in dieser Meldung: „Eine andere 
Kolonne, welche ungefähr eine Meile von der vorher ge- 
meldeten starken Kolonne entfernt, näher an Möns bemerkt 
wird, nimmt dieselbe Richtung." 

„Eine Truppe, die man nur schlecht ausnimmt, lagert 
nächst Givry, an der Straße Möns — Beaumont." 

„Man hört ununterbrochen Geschützfeuer, welches aus 
der Richtung von Fontaine l'Eveque zu kommen scheint." 

Letzterer Satz dürfte sich auf die heftige Beschießung 
Charlerois von Seiten der französischen Division Hatry be- 
ziehen, welche die Batterien des Verteidigers (2800 Mann 
unter Oberst Reyniac) am 25. Juni zum Schweigen brachte 
und zur Übergabe der Festung führte. 

Am 21. Juni nahmen die Luftschiffer aus einer Höhe 
von ca. 200 m unter anderem wahr, daß „eine Eskadron in 
dem gestern verlassenen Lager bei Rouveroy als Bedeckung 
eines großen Trains stehe, und daß die gestern bei Givry 
lagernde Truppe noch dort stehe. In der Schanze bei l'Ouvrage 
entdecke man nur mehr ein Geschütz" etc. 

Am 22. Juni schließlich wird aus den Lüften gemeldet, 
„daß im Lager zwischen Grandreng und Rouveroy eine 
große Menge von Trainfuhrwerken unter dem Schutze zweier 
Bataillone ständen". 

So klar nun einerseits aus diesen Ballonmeldungen 
resultiert, daß der Abmarsch der Truppen des Erbprinzen 
von Oranien aus den Lagerstellungen nördlich und nord- 
östlich von Maubeugo vom Luftballon aus wahrgenommen 
und dem französischen Kommandanten General Favereau 
gemeldet wurde, so ist andererseits nicht sicher zu 
konstatieren, ob letzterer daraus Nutzen gezogen, insbe- 
sondere aber, ob er das Resume dieser Wahrnehmungen an 
Jourdan, der als Armeekommandant vor Charleroi eintraf, 
weitergegeben hat, wie es nach heutigen Begriffen unerläßlich 
scheinen würde. Eines aber geht zweifellos daraus hervor, 
daß nämlich die Beobachter im Ballon von Tag zu Tag 
sicherer und richtiger erkannten, was sich von militärisch 
wichtigen Ereignissen innerhalb ihres Gesichtskreises ab- 
spielte und daß daher das Zutrauen zu dem neuen Kriegs- 
mittel in jenen Tagen erheblich wachsen konnte. Der Festungs- 



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150 



Peters. 



kommandant in Maubeuge, Divisionsgeneral Fav er eau, machte 
selbst einige Aufstiege mit dem ,,Entreprenant", um sich 
von der Richtigkeit der Meldungen zu tiberzeugen, und 
scheint daboi mehr und mehr für die Sache der Luftschiffahrt 
eingenommen worden zu sein. Die vielverbreitete falsche 
Meinung, daß die erste Anwendung der Luftschiffahrt im 
Kriege eine zweck- uud resultatlose technische Spielerei ge- 
wesen sei, ist durch den Inhalt der noch heute erhaltenen 
Ballonmeldungen wohl endgültig widerlegt. 

Auch der Umstand, daß man österreichischerseits 
mehrmals versuchte, den Ballon unschädlich zu machen, 
spricht dafür, daii diese Art der Beobachtung dem Gegner 
nicht mehr nur als ungefährliche Spielerei erschien. Von 
einer solchen (wahrscheinlich der überhaupt ersten) Beschießung 
des Ballons „Entreprenant" gibt die Luftschiffermeldung vom 
13. Juni dokumentarische Nachricht. Ein außerhalb der 
Schanze etwa 200 m südöstlich der Ortlichkeit l'Ouvrage unter 
Bedeckung von 20 Reitern vorgeführtes österreichisches 
Geschütz versuchte an diesem Tage die Beschießung des 
Ballons. Sie blieb jedoch resultatlos. Die Meldung Coutell es 
erzählt, daß der erste Schuß den ca. 200 m hoch gestiegenen 
Ballon um 40 bis 60 m überschoß, ein zweiter und dritter 
ihn beinahe getroffen hätte. Der Ballon aber erhob sich 
rasch und in einer höheren Schichte verhinderte dichter 
Nebel die weitere Beschießung. Bei der späteren Landung 
gab dasselbe Geschütz noch zwei Schüsse ab, die aber jetzt 
zu tief gingen. Auch Seile de Beauchamps erwähnt 
in seinen Memoiren diese Beschießung. Er schreibt darüber 
unter anderem : „Der Eindruck, den die Aufstiege im öster- 
reichischen Lager machten, war ungeheuer. Die Offiziere 
wurden bald gewahr, daß ihre Soldaten an Zauberei glaubten 
und sie beschlossen daher, diese unheilvolle Maschine, wenn 
nur irgend möglich, zu zerstören. Kaum hatten sie festgestellt, 
daß der Ballon sich täglich aus derselben Deckung erhob, 
als sie zwei Vierpfünder in einem Hohlweg vorführten, um 
ihn zu beschießen. Eines Morgens, gerade als der Ballon 
majestätisch in die Höhe fuhr, sauste eine erste Kanonen- 
kugel über die Ballonhülle hinweg und fiel ins verschanzte 
Lager nieder. Gleich darauf streifte eine zweite Kugel fast 



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Militürluftschiffabrt im Feldzug 1794. 151 

die Gondel, in der sich unser Hauptmann befand. Dieser 
aber begleitete die doppelte Detonation mit dem Rufe: Vive 
la republique !" 

So ganz unschädlich aber war das feindliche Feuer 
denn doch nicht, da es die zum Halten der Seile kommandierte 
Mannschaft stark belästigte und auch mancherlei Schaden an 
Material anrichtete. Übrigens gaben die Österreicher, welche 
von dem wenn auch geringen Erfolg ihrer Beschießung 
nichts ahnten, die letztere bald auf und zogen die Haubitzen 
aus der Stellung zurück. 

Ganz ohne Unfall kam der „Entreprenant" bei diesen 
Aufstiegen in Maubeuge aber nicht weg. Bei windigem 
Wetter prallte er einmal an den Kirchturm von Maubeuge 
an und erlitt eine kleine Havarie. Auch der Gasofen erfuhr 
durch das Schmelzen einiger Retorten eine längere Be- 
triebsstörung x ). 

Weitere Ausgestaltung des französischen Ballonwesens. 

Die in der ersten Hälfte Juni 1794 bei den Kaptiv- 
fahrten von Maubeuge aus gemachten Erfahrungen schienen 
also damals so günstig, daß die französischen Techniker, an 
erster Stelle Guyton de Morveau, nun daran dachten, die 
Verwendung von Ballons auch bei der Armee im Felde, im 
Feldkrieg, auf Märschen etc. zu ermöglichen. Die Haupt- 
schwierigkeiten, welche sich dem Transport gefüllter Ballons 
entgegenstellten, waren, wie man bei der Beförderung des 
,, Entreprenant" von Maubeuge nach Charleroi und später 
zur Schlacht bei Fleurus erkannte, in dem durch die Dimen- 
sionen der Ballonhülle bedingten großen Luftwiderstand und 
im Gewicht des Ballonzeltes gelegen. 

Ersteres Hindernis suchte man dadurch zu verringern, 
daß man in Meudon kleinere und zylindrische Ae'rostaten 
konstruierte. Diese sollten, im Gegensatz zu den Kugel- 
ballons mit 27 Fuß Durchmesser, nur 19, später 17 Fuß 
Durehmesser, 10, später 16 Fuß Länge erhalten und an beiden 
Enden (Grundflächen) durch Ilalbkugeln vom selben Durch- 
messer abgeschlossen sein. Das Ballonzelt konnte damit 

') Hildebrand t, Die Luftschiffahrt etc. 



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152 



Peter«. 



ebenfalls an Dimension und Gewicht verlieren, das Gerüst 
maß statt 55 Fuß nur mehr 26 bis 27, und es genügten fünf 
einfache, überall erhältliche Stangen zu seiner Errichtung. 
Als Begründung seiner Vorschläge zur Vereinfachung und 
kriegsmäßigen Ausgestaltung seiner Erfindung führte Guy ton 
an, daß es bei der Sicherheit, mit welcher sich die Auf- und 
Abstiege abspielten, ganz unnötig wäre, den Fesselballon 
von nun an mit zwei Personen zu belasten; die bisherigen 
Versuche hätten das Vertrauen der Leute gesteigert und die 
Gefahrlosigkeit der Luftschiffahrt derart erwiesen, daß kein 
Mensch mehr zu furchten brauche, aliein im Ballon aufzu- 
steigen. Übrigens könnten diejenigen, welche denselben von 
unten aus lenken, durch die Geschicklichkeit bei der Seilhand- 
habung für die absolute Sicherheit des Aufgestiegenen bürgen. 

Die Hauptvorteile der zylindrischen Form aber lagen 
— wie man heute weiß — in der größeren Stabilität, welche 
besonders Coutelle hervorhob 1 ). 

Ein Dekret des Comite du salut public vom 23. Juni 
befahl denn auch die rascheste Herstellung von sechs solchen 
zylindrischen Ballons, „um allen Armeen der Republik die Vor- 
teile zu teil werden zu lassen, welche die Nordarmee bisher aus 
den Beobachtungen vom Ballon in Maubeuge gezogen habe ? '. 



') Coutelle schreibt am 21. Juni an Guyton u.a.: „ Auch 

wird die Rotationsbewegung [Drehung um die Vertikalachse] bei der 
Zylinderform nahezu oder ganz verschwinden, da der Zylinder sich 
nicht seitlich zum "Winde, sondern immer so stellt, daß die Wind- 
richtung auf eine der beiden Kalotten [Hemisphären] wirkt. Er stellt sich 
also im Sinne einer Wetterfahne gegen den Wind. Das ist der größte 
Vorteil der neuen Form, denn sie bietet eben das, was man erreichen 
will." [Größere Stabilität.] ..Wenn die Luftschiffer, welche die Stricke 
von unten dirigieren, darauf acht haben, sie in der Richtung senk- 
recht zum Winde beiderseits der Vertikalen am Boden zu befestigen, 
dann wird das Luftschiff nahezu stationär bleiben, woraus sich der 
Vorteil ruhieer Beobachtung von selbst ergibt . . . ." Die späteren Auf- 
fahrten mit dem zylinderförmigen Ballon belehrten Coutelle allerdings, 
daß das nicht immer zutrifft. Trotzdem liegt es nahe genug, in diesen 
verbesserten Fesselballons des Jahres 17'.)+ die Vorläufer des von den 
deutschen Hauptleuten v. Farseval und Bartsch von Sigsfeld 
erfundenen modernen Drachenballons zu erkennen, der bekanntlich heut- 
zutage als Haupttype der Fesselballons in allen großen europäischen 
Staaten eingeführt ist. 



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Militärlnftschiffahrt im Feldzog 1791. 



153 



Es scheint jedoch aus einem späteren Dokument - — 
vom 22. September 1794 *) — hervorzugehen, daß das Eta- 
blissement in Meudon bis dahin nur die folgenden drei 
zylindrischen Aerostaten fertiggestellt hatte: 

Der „Martial", Achse 29 Fuß, Durchmesser 19 Faß, 
Kubikinhalt 6423 Kubikfuß, ist am 13. September bei der 
Sambre- und Maasarmee eingetroffen. 

Der „Emile" oder richtiger ,,Emule*' (Wetteifer er) und 
der „Celeste", in denselben Ausmaßen, sind bis Ende Sep- 
tember fertiggestellt worden. 

Außer den großen kugelförmigen und den kleinen 
zylindrischen Fesselballons erfand und konstruierte der un- 
ermüdliche Verfechter und Fachmann der Militäraeronautik 
der ersten Republik, Guy ton, auch noch kleinere Kugel- 
ballons zur Verbreitung (Ausstreuung) von Druckschriften. 
Diese unbemannten Kugelballons, mit nur 9 Fuß Durch- 
messer, erhielten die Bestimmung, Flugblätter in okkupierte 
Landstriche zu tragen *), 

In demselben Ausweis vom 22. September erscheinen 
vier solche kleine Freiballons, der ,,Precurseur , \ „Svelte'', 
„Veteran" und der ellipsoidisch geformte „Agile" 3 ; als fertig- 
gestellt. 



M Zitiert bei Coutanceau. 

-j Hecht sinnreich war die Vorrichtung, um die Flugblätter in 
verschiedenen Zeiträumen und ober mehreren Punkten zum Fallen zu 
bringen. An dem Ballon war ein leichter, herunterhängender Lunten- 
faden befestigt, der in entsprechenden, durch Stäbchen bezeichneten 
Abständen 24 Pakete Druckblättor (im ganzen 7— S00 solcher Blätter) 
trug. Wenn der Wind in der .Richtung mich den gerade mit Prokla- 
mationen oder dgl. zu versehenden Gogonden blies, ließ man den 
Ballon fliegen, indem man gleichzeitig die langsam brennende Lunte 
entzündete. Das sukzessive Abglimmen derselben bewirkte dann in der 
Höhe das Herabstürzen oder Herabrlattern je eines gelösten Sehriften- 
pakets und außerdem durch den jedesmitligen Gewichtsverlust das 
Aufwärtssteigen des Ballons. Endlich bewirkte die Lunte, wenn alle 
Pakete abgefallen waren, die Explosion des Gases und die Vernichtung 
des Ballons. 

3 ) Übrigens war der „Agile" nicht der einzige ellipsoidische 
Ballon: auch der später vollendete „Intrepide". ein größerer Fessel- 
ballon, hatte dieselbe Gestalt. (Ein Beweis mehr, daß der Ballon im 
k. u. k. Heeresmuseum nicht mit letzterem identisch sein kann.) 



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154 Peterg. 

Die rastlose Ausgestaltung des Luftschifferwesens und 
die Erzeugung immer neuer und verschiedenartiger Ballons 
bedingte nun eine Vermehrung der Luftschiffertruppe und 
erforderte eine neue Instruktion für ihren Dienst. 

Diese Instruktion 1 ) unterschied bereits drei Hauptarten 
des Ballondienstes: 

Für die erste, die Aufklärung — ,,pour eclairer les 
marches, mouvements et projets des ennemis" — und für 
die zweite, die raschere Befehlsübermittlung und den Melde- 
dienst durch vorher ausgemachte Signale — „pour porter 
rapidement des signaux convenus d*avance avec les generaux 
de division et commandants de place'' — dienten wie bisher 
die bemannten großen Fesselballons. Zur zweiten Art konnte 
man sich aber auch kleinerer unbemannter Ballons bedienen, 
von denen die Luftschifferkompagnien stets eine Reserve mit- 
führen und die, mit dem betreffenden Signal versehen, 
auf eine bestimmte Zeit hochgelassen werden sollten. 

Als dritte Art der Ballonverwendung endlich war in 
der Instruktion die vorerwähnte Verbreitung von Flugblättern 
(Nachrichten. Proklamationen. Avisos etc.) von freigelassenen, 
viel kleineren Ballons aus vorgesehen; pour repandre, 

suivant les circonstances, des avis dans le pays occupe par 
les satellites des despotes v . 

Die Schaffung einer zweiten Luftschifferkompagnie er- 
folgte mit Dekret vom 23. Juni 1794, also nur wenige Tage 
nach der ersten Nachricht von den Aufstiegen in Maubeuge. 
Der Mangel an geschultem Personal hatte sich schon früher 
bei der 1. Kompagnie fühlbar gemacht und Guyton war fast 
zur selben Zeit, am 24. Juni, beim Kommando der an der 
Sambre vereinigten Armeen um eine Standesaugmentierung 
von 1 Korporal und 10 Mann eingeschritten, worunter zwei 
zur Terrain aufnähme (Krokierung und Kartenkopierung) 
geeignete Zeichner sein sollten. 

Die zweite Luftsehitl'erkompagnie wurde mit demselben, 
nun erhöhten Stande wie die erste aufgestellt und bestand 
somit aus l Kapitän Delaunay). vorerst 1, später 3Subaltern- 

') Sach dem „Extrait de Instruction sur le service d'une com- 
pagnie d'aörostiers. lormee par ordre du Comite du salut public'', ver- 
öffentlicht bei Coutaucuau. 



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Militürlaftscbiffahrt im Feldaug 1791. 155 

Offizieren (Merle, Seile de Beauchamps und Deschaud», 
1 Sergeant, 3 Korporalen und 30 Mann. In Meudon unter 
Conte nach der neuen Instruktion ausgebildet, diente sie 
1794 vornehmlich zur Füllung der bei der 1. Kompagnie 
entstandenen Lücken, war also vorerst in gewissem Sinne 
eine Luftschifferersatzkompagnie. 

Gleichzeitig schuf man in Meudon eine ständige Luft- 
schifferschule in welcher unter Contes Leitung 60 Eleven 
in allen einschlägigen Wissenschaften sowie im praktischen 
Dienste ausgebildet wurden. Cont6 als Direktor und ein 
gewisser Bouchard als Unterdirektor hatten außerdem alle 
Neukonstruktionen imd Reparaturen des Materials zu leiten. 

Im Jahre 1795 erfuhr das Luftschifferkorps eine aber- 
malige Standeserhöhung und damit seine endgültige Organi- 
sation. Es bestand dann aus einem Bataillon (Kommandant 
der rühmlich bekannte Coutelle» a 2 Kompagnien (zu je 
4 Offizieren und öl Unteroffizieren oder Soldaten; Komman- 
danten waren Lhomond und Delaunayi und einem Ersatz- 
kader. 

Im Winter auf 1795 wurden der „Intrepide" und vier 
neue Ballons fertiggestellt, welche nach einem Regierungs- 
erlaß vom 13. Jänner 1795 bei den Armeen am Khein und 
an der Maas in Aktion zu treten hatten. 

Der Ballon „Entreprenanf iu der Schlacht bei Fleurus-. 

Gaben die Nachrichten über die auf dem Kriegsschau- 
platz gelungenen Auffahrten des Fesselballons in Paris Anlaß 
zu den eben geschilderten Verfügungen über die Ausgestaltung 
des Luftschifferwesens, so hatten bei der Armee an der Sambre 
selbst die günstigen Erfahrungen das Vertrauen in die Ab- 
wendbarkeit des Ballons mächtig gehoben. Trotz der dem 
Transport des gefüllten Kugelballons entgegenstehenden 
Schwierigkeiten entschloß man sich, ihn im freien Felde zu 

') Conti! verfaßte damals ein sehr inhaltreiches Reglement für 
die Luftschifferschule, welches unter dein Titel: „Kpveuves nationales 
aerostatiques" im französischen Kriegsrniuisterium aufbewahrt ist. 
(Letonne, Lea aerostiers railitaires pendaut los guerres de La revo- 
lution. Revue du g6nie, Paria 19u:<.) 

3 ) Hiezu Textskizzo 2. 



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156 



P e t o r g. 



verwenden, wozu die Notwendigkeit um so mehr vorlag, als 
die Kriegshandlung sich aus dem Räume nördlich und nord- 
östlich von Maubeuge nunmehr weiter nach Osten verschob. 

Jourdan war am 3. Juni in Beaumont und an der 
Sambre bei Charleroi eingetroffen. Nach seiner Vereinigung 
mit der Armee an der Sambre ungefähr 90.000 Mann stark, 
bestimmte er 15.000 Mann unter Scherer zur direkten Fluß- 
verteidigung in der Linie Maubeuge— Thuin, während 75.000 
Mann zur Erneuerung der Offensive über diesen Fluß bei 
Charleroi bereitgestellt wurden. Um den durch die bisherigen 
Kämpfe und Märsche stark hergenommenen Truppen etwas 
Ruhe zu gönnen, verschob er die Wiederaufnahme des An- 
griffes auf den 12. Juni. 

An diesem Tage überschritten die Franzosen, ähnlich 
wie bisher, ohne wesentliche Störung zum vierten Male die 
Sambre, schlössen mit einer Division (8000 Mann unter 
Hatryi Charleroi wieder ein und bezogen mit dem Gros 
eine deckende Stellung in der Linie Lambusart — Gosselies — 
Courcelles, die Flügel gegen die Sambre zurückgebogen. Aus 
dieser Aufstellung trat Jourdan am 16. Juni — wohl viel 
zu spät — den mittlerweile bereits konzentrierten Angriffs- 
staffeln der Verbündeten entgegen, welche am 12. imd 13. Juni 
neuerdings aus den Lagerstellungen bei Rouveroy auf- 
gebrochen waren und im allgemeinen über Nivelles 1 ), älmlich 
wie am 3. Juni, den Flankenmarsch aufMarbais durchgeführt 
hatten. Dort erließ der Erbprinz von Oranien am 15. die 
Dispositionen zum allgemeinen Angriff, welcher am 16. zu 
der ,, ersten Schlacht bei Fleurus" führte. 

Trotzdem die an Zahl wesentlich stärkeren Franzosen 
im Zentrum und an ihrem rechten Flügel entscheidend und 
über die Sambre zurückgesehlagen worden waren, zwang 
schließlich das Mißgeschick der Holländer am eigenen rechten 
Flügel die Verbündeten zum Rückzug in das Lager bei 
Rouveroy. Nur schwache Detachements blieben am Feinde. 

Schon am 18. Juni ließ Jourdan die am 16. verlorenen 
Stellungen neuerdings besetzen. 

') Die nicht in den TexNkizzeu ersichtlichen Ortsnamen sind auf 
der Übersichtskarte des Werkes: Krieg gegen die französische Re- 
volution 1792— 17".*7. II. Bd. zu linden. 



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Militärlaftschiffahrt im Feldzug 1794. 



157 



Jetzt sah Koburg ein, daß die Entscheidung des 
ganzen Feldzuges davon abhänge, die Franzosen endgültig 
und mit aller verfügbaren Kraft über die Sambre zurück- 
zuwerfen, denn die hartnäckige Erneuerung der Kämpfe um 
diese Flußstrecke ließ darüber keinen Zweifel mehr, daß dort 
die Hauptgefahr drohe. Trotz; dieser richtigen Erkenntnis 
zwangen ihn aber politische Rücksichten auf die Engländer, 
nur einen Teil der österreichischen Truppen heranzuziehen, 
während die Engländer, Hannoveraner, Holländer und Hessen 
sowie die k. k. Armeeabteilung Clerfayts am rechten 
Flügel zurückblieben. 

So reiften die Dinge allmählich der Entscheidung zu, 
der zweiten Schlacht bei Fleurus am 26. Juni. 

Als Jourdan den neuerlichen — fünften — Übergang 
über die Sambre einleitete, ließ er dem Kommandanten in 
Maubeuge, Favereau, den Befehl zukommen, den Ballon 
zur Armee vor Charleroi zu senden: er sollte in gefülltem 
Zustand transportiert werden, denn man mußte die um- 
ständliche Neueinrichtung aller zur Füllung nötigen Utensilien 
und Baulichkeiten schon deshalb vermeiden, weil vor Charleroi 
voraussichtlich keine Zeit dazu übrig blieb. In Erkenntnis 
der Schwierigkeiten und der Neuheit dieser Art von Orts- 
veränderung des Ballons auf größere Entfernung (Maubeuge— 
Charleroi = 3^ km), gab der bei der Armee anwesende Volks- 
repräsentant Guy ton dem Kommandanten der Luftschitfer- 
kompagnie hierüber eine Reihe von Weisungen. Diese erinnern 
vorerst daran, daß es jetzt nicht mehr am Platze sei, die 
Schwierigkeiten zu erwägen, sondern sie zu besiegen. „Dem 
Kühnen gehorcht das Glück 1 )." Ferner wurden die Marsch- 
bereitschaft der Kompagnie, die Beschaffung der Wagen und 
Pferde, dio Kommandierung eines Kavalleriedetachements als 
Eskorte und Arbeiterkominandierungeil gefordert. Nach kurzem 
Hinweis auf genaue Ermittelung des einzuschlagenden Weges 
mit Rücksicht auf die Stellung der Alliierten nördlich von 
Maubeuge und der Sambre erinnert Guy ton daran, daß der 
Transport über die Festungswälle von Maubeuge ins freie 

') Guyton an den Kapitän Coutelle, 4. messidor an 11.(22. Juni 
1794) veröffentlicht von Oberst Coutanceau. 



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158 



Peter«. 



Feld bei Nacht und daß die weitere Rcmorkierung des 
Aerostaten in ähnlicher Weise vor sich gehen müsse, wie 
die Versuche von Ortsveränderungen in Meudon es ge- 
lehrt hätten. Er macht hieboi den Vorschlag, den Ballon von 
vier, auf sicheren und schwerfälligen Pferden berittenen 
Leuten der Luftschifferkompagnie halten zu lassen imd diesen 
Leuten genügend Leine mitzugeben, die am Sattel aufgerollt 
werden könne, um fallweise Windstößen und Hindernissen, 
Häusern, Bäumen etc. ausweichen zu können. Außerdem 
müsse ein Luftschiffer in der Gondel bleiben, der durch 
rechtzeitiges Auswerfen von Ballast Havarien verhindern 
sollte. Die Offiziere der Kompagnie müßten den Ballon zu 
Pferde begleiten. Endlich wird in diesem Schriftstück die 
Voraussendung des leichteren in Meudon erzeugten Zeltes 
erwähnt. Jedenfalls hätte der Ballon am nächsten Abend, 
den 23. Juni, vor Charleroi einzutreffen, es sei also kein 
Augenblick zu verlieren etc. 

Entsprechend diesen Vorschlägen und den Verfügungen, 
welche General Favereau erließ 1 , fand der Abmarsch 
in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni statt : der Ballon 
wurde in einem Marsche vorerst nach Marchiennes au Pont 
vor Charleroi gebracht, und dort trat die Luftschifferkompagnie 
unter die Befehle Jourdans. Der Transport des gelullten 
Ballons, in der Kriegsgeschichte als ein Novum beachtens- 
wert, ist von zwei Augenzeugen geschildert worden. Der 
Kommandant der Luftschifferkompagnie Coutelle erzählt 
darüber : 

„Ich marschierte mit dem Ballon, welcher soweit über 
dem Boden erhalten wurde, daß die Kavallerie und die 
Trainfuhrwerke unter der Gondel passieren konnten; die 

>) Diese Verfügungen betrafen: 1. die Beistellung eines Kavallerie- 
detachementa von 20 Reitern (Befehl au don Kavalleriehrigadier Genoral 
Colli ny); 2. deu Befehl, dem Kommandanten der Luftschifferkompagnie 
einen Genieoffizier als Wegweiser zuzuweisen Schreiben an den Bürger 
Montfort, Ingenieur in Maubeuge ; endlich 3. die Sicherung des 
Marsches. General Scherer. dessen Division an der einzuschlagenden 
MarschstraÜe disloziert war, wurde aufgefordert, den Transport nach 
Verlangen des Komuiandauteu der Luftsehifferkouipagnie tunlichst zu 
fördern und seine unterstehenden Generale hievon zu verständigen, 
l Veröffentlicht von Oberst Coutanceau.) 



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Militüiluftscbiffahrt im Feldrag 1794. 



159 



Luftschiffer, welche die Stricke hielten, marschierten auf den 
Straßenrändern ! ). w 

..Die Gondel enthielt die zwei Fesselseile, eine Zelt- 
leinwand, einige Haken und Zeltpflöcke, um den Ballou bei 
Nacht oder starkem "Winde am Boden festhalten and ver- 
sichern zu können, sowie die Ballastsäcke und die Signale." 

Der zweite Augenzeuge, der in der Luftschifferkompagnie 
eingeteilte Baron Seile de Beauchamps, schreibt darüber 

in seinen Memoiren: Es handelte sich jetzt darum, 

den Ballon aus einer Stadt herauszubringen, die mit einem 
dreifachen Gürtel von Wällen und Gräben umgeben und an 
drei Seiten von ansehnlichen feindlichen Kräften beobachtet 
war. welche wohl den Aerostaten und seine kleine Eskorte 
beim ersten Anblick vernichtet hätten. Eine runde Maschine 
von mehr als 30 Fuß Durchmesser, die natürlich um mehr 
als dieses Maß über die Erde erhoben bleiben muß, läßt sich 
schwer verbergen. Trotzdem gelang der Transport ganz gut. 
Einen Tag und eiue Nacht brauchten wir zu den Vor- 
bereitungen. Das Ballonnetz wurde mit lß langen Stricken 
versehen, je ein Mann handhabte einen solchen und gegen 
2 Uhr begannen wir den Transport über den ersten Wall. 
Die Hälfte der lß Leute stieg, die Stricke allmählich ver- 
längernd, auf Leitern in den Wallgraben ab, während die 
anderen auf der Brustwehr warteten: hierauf erklommen die 
ersteren die Kontereskarpe und gleichzeitig stiegen die 
letzteren in den Graben hinab. Dies geschah derart, daß der 
Ballon nur um weniges höher als die Brustwehren aus der 
Festung glitt. Die drei Umfassungen wurden so in der größten 
Stille übersetzt. Vor Tagesanbruch hatten wir die Straße 
nach Namur erreicht und fühlten uns ziemlich in Sicherheit. 
Bei Sonnenaufgang jedoch erhob sich plötzlich der Wind und 
da die Chaussee von großen Apfelbäumen eingefaßt war, so 
war zu fürchten, daß der Wind den Ballon gegen die Aste 
schleudern und ihn schwer beschädigen könnte ; man mußte 
also querfeldein marschieren " 

Unser Gewährsmann verbreitet sich nun über die 
Strapazen des Marsches, die Junihitze, den lästigen Kohlen- 

>) Dio Bcrittenmachung derselben scheint also nicht durchge- 
führt worden zu sein. 



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KiO 



Peters. 



staub auf den Karrenwegen, die Ressourceniosigkeit der 
Gegend und sonstige Erlebnisse. 

Hingegen bleibt die Durchführung einer während des 
Marsches in der Gegend südlieh von Thuin befohlenen 
Auffahrt fraglich, denn außer einer Stelle in einem Schreiben 
des Volksrepräsentanten Guy ton vom 22. Juni an den 
General Favereau 1 ) gibt keine Quelle darüber Auskunft. 

Sicher ist nur, daß der Ballon am Abend des Marsch- 
tages vom Kommandanten des Belagerungskorps vor Char- 
leroi mit großer Suite und Militärniusik empfangen und 
bei Marchiennes au Pont in einem niedergebrannten Meier- 
hof eingestellt wurde 8 1. 

So kam der ,,Entreprenant" gerade zur entscheidenden 
Schlacht des Feldzuges, jener bei Fleurus am 26. Juni 
zurecht ; ihr für die Franzosen siegreicher Ausgang trug 
nicht wenig zur Popularität der Militärluftschiffahrt bei. 

Es ist heute schwer, zu einem abschließenden Urteil 
darüber zu gelangen, ob das französische Armeekommando 
aus den im Verlauf dieser Schlacht vom Ballon herab 
erstatteten Meldungen irgend einen auf den Gang der Ereig- 
nisse oder gar den Ausgang der Schlacht Einfluß nehmenden 
Nutzen gezogen hat. Denn diese Meldungen sind leider 
später verloren gegangen und die über den Wert des 
Aufstieges erhaltenen Anhaltspunkte. Äußerungen imd Auf- 
zeichnungen von Augenzeugen und Beteiligten widersprechen 

') Diese Stelle lautet: „ Der General en chef Jourdan» 

mit welchem der Ballontransport vereinbart ist, wünscht anch, 

daß der Ballon in der Höhe von Herbes oder an einem für die Beob- 
achtung besonders günstigen Punkt eine Auffahrt mache. Du wirst 
also dem Hauptmann [der LuftschirTerkompa^uiej den Auftrag dazu 
geben " ^ Veröffentlicht von Oberst Coutanceau.) 

*) Von einem Aufstieg vor Charleroi, der den Zweck haben 
konnte, Einblick in die Maßnahmen der belagerten Österreicher zu 
gewähren, spricht nur ein mündlicher Bericht Guyton de Morveaus 
im Wohlfahrtsausschuß. „Coutelle stieg am 23. Juni mit dem General 
Morlot auf und blieb unter lebhaftem Feuer der Österreicher aclit 
Stunden lang in der Luft." — Auf Grund der Wahrnehmungen der Luft- 
schitTer soll der französische Kommandant den Sturm beschlossen 
haben, der aber nicht mehr stattfand, da die Festung Charleroi während 
des Beginnes der Schlacht bei Fleurus kapitulierte. 




« 




Militiirluftsobiffahrt im Feld«* 1794. 



161 



einander. Während jene Organe, die an der Sache der Luft- 
schiffahrt im Kriege direktes und persönliches Interesse 
hatten, begreiflicherweise behaupten, daß der französische 
Erfolg bei Fleurus zum größten Teile den Wahrnehmungen 
und Meldungen vom Ballon aus zu danken sei, lautet das 
Urteil der beteiligten französischen Generale wesentlich 
anders. Letztere äußerten sich skeptischer oder auch ganz 
absprechend über den Wert des Ballons, ja man kann sagen, 
daß Jourdans später, im Jahre 171)9 abgegebenes Urteil viel 
zur Auflassung der Luftschiffertruppe beitrug l ). Da die 
Generale sehr wohl erkannten, daß sie den Erfolg des Tages 
nicht so sehr den französischen Waffen oder gar der besseren 
Aufklärimg, als vielmehr dem Abbrechen des Gefechtes und 
dem — vorschnell — anbefohlenen Rückzug seitens der 
Verbündeten zuschreiben mußten, der vielleicht eine direkte 
Folge der Nachricht war, daß Charleroi, um dessen Entsatz 
es sich — eigentlich wohl nur nebenbei — handelte, unter- 
dessen gefallen sei, so ist ihrem Urteil über den Wert 
des Ballons an diesem denkwürdigen Tage gewiß mehr 
Glauben zu schenken. Auch war ja der Stand der Schlacht 
in dem Augenblick, da Koburg diesen Rückzug anordnen 
zu müssen glaubte, für die österrei cluschen Waffen eher 
günstig, hatte doch der Angriff im Zentrum gerade kurz 
vorher, zwischen 3 und 4 Uhr nachmittags, den Rückzug der 
französischen Division bei Gosselies und damit auch die eilige 
Einziehung des Ballons und seinen Rücktransport nach 
Charleroi zur Folge. 

FM. Prinz Koburg hatte am J6. Juni, in Unkenntnis 
der am Vorabend erfolgten Kapitulation von Charleroi. seine 
Armee, rund 60.000 Streiter, in fünf Kolonnen, die Haupt- 
krätte an beiden Flügeln, ohne Ausscheidung einer Reserve 
zum Angriff angesetzt ' . 

Jourdan verfügte einschließlich d» j s nun als Reserve 
herangezogenen Belagerungskorps, Division Hatry, über 80.000 
Mann, die nahezu in denselben — nun aber verschanzten — 
Stellungen, wie am 1(5. Juni, standen. Der von den Franzosen 

'1 Siehe später, Seit« 107. 

*i Hiezu Textskizze 2: Die Sohlacht b«i Fleurus. Pisjiositionen zur 
Schlacht und Relationen: K. A., RA. 17'Ji, Niederlaude VII. 1">G. 157. 1(51 . 

Mitteilungen des k. und k. Knt>usarchiv« dritte Fol K i«. V. Bd. 1 1 



162 



Peter». 



im wesentlichen als reine Verteidigung geführte Kampf bot somit 
der Ballonbeobachtung die denkbar günstigsten Verhältnisse. 

Der mit Tagesanbruch beginnende österreichische Angriff 
zeitigte überall Erfolge, insbesondere im Zentrum. Die erste 
Kolonne des Zentrums unter FML. Quosdanovich drängte 
in den Morgenstunden die Vortruppen der Division Morlot 
von Frasnes her auf Thumeon und Hellet zurück ; am Süd- 
ufer des dortigen Baches aber leisteten die Franzosen, von 
ihrer zahlreichen Artillerie unterstützt, mehrstündigen heftigen 
Widerstand. Erst nach einem bis gegen 3 Uhr nachmittags 
währenden Artilleriekampf gewannen die österreichischen 
Geschütze die Oberhand, und nun konnte Quosdanovich 
seinen Angriff auf Gosselies, die zentrale Hauptstellung der 
Franzosen, ansetzen. Dieser Angriff hatte, obwohl der mittler- 
weile eingelangte Rückzugsbefehl Koburgs seine volle Durch- 
führung verhinderte, doch den Erfolg, daß die Franzosen 
ihre Verschanzimgen nördlich des Ortes räumten und daß 
auch der auf der Windmühlenhöhe bei Jumet aufgefahrene 
Fesselballon eiligst eingezogen und nach Charleroi zurück- 
transportiert wurde 1 ). 

Die Mittelkolonne Kaunitz griff unterdessen gegen 12 Uhr 
mittags die Division Championet an und warf sie, nachdem 
um ca. 2 Uhr nachmittags ein Gegenangriff der französischen 

l ) In den Memoiren des Baron Seile de Beauchamps ist dieser 

Moment wie folgt erzählt : „ Wahrend der Rückzug auf unserer 

ganzen Linie begann, blieb der Ballon unbeweglich in der Höhe. Man 
sah die Artillerie, Munitionswagen und Marketenderkarren im Galopp 
vorübereilen ; die Straße nach Charleroi war schon verstopft, und man 
hörte das Gerücht verbreiten, daß uns der Feind den Rückzug ab- 
schneiden und uns gegen die Sarnbre werfen werde. Nun ergriff auch uns 
große Unruhe ; die Aussicht, an unseren eigenen Stricken gehängt zu 
werden, hatte nichts Erfreuliches, und man wird begreifen, daß wir, 
wenn es uns auch nicht an Eifer fehlte, «loch mit großom Vergnügen 
endlich das Signal befolgten, den Ballon einzuholen und uns dem Rück- 
zug anzuschließen, denn jedermann glaubte damals die Schlacht ver- 
loren ; es war schon gegen 5 Uhr abends und die Straße nach Charleroi, 
mit Fuhrwerk aller Art bedeckt, machte unseren Marsch schwierig und 
langsam; plötzlich aber verstummte das heftige Artilleriefeuer des 
Feindes, nur in Intervallen waren einzelne Schüsse hörbar. Diese 
Änderung erfreute uns sehr, den Grund hiefür aber erfuhren wir erst, 
als wir in Charleroi ankamen." 



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Militärluftacbiffabrt im Feldzng 1791. 



163 



Reserve glänzend abgewiesen worden war, um 3 Uhr aus 
ihrer verschanzten Stellung bei Heppignies. 

Die linke Kolonne des Zentrums emllioh, Erzherzog 
Karl, hatte nach einem siegreichen, von 5 Uhr 30 Minuten 
bis gegen 8 Uhr Avährenden Kampfe den von Lefebvre 
verteidigten Ort Fleurus genommen, wandte sich dann um 
9 Uhr 30 Minuten gegen die Cense Campiniaire, erstürmte 
den Meierhof und erleichterte damit den Angriff des linken 
Flügels unter Beaulieu, dem es endlich gelang, Lambusart 
zu nehmen und bis zum anbefohlenen Rückzug wider die 
Gegenangriffe Jourdans zu behaupten. 

Auch die Offensive des rechten Flügels, Oranien, 
gedieh anfänglich, kam aber in der Front Courcelles, Wald 
von Monceau, Höhen von Lernnes, zum Stehen. Hier zeitigte 
ein um 2 Uhr nachmittags angesetzter Gegenstoß der Fran- 
zosen unter Kleber sogar einen Erfolg, welcher Oranien 
um zirka 5 Uhr abends zum Rückzug bis Forchies ver- 
anlaßte. Trotz dieses Mißgeschickes am eigenen rechten 
Flügel hätte es immerhin nur des Einsetzens einer Reserve 
bedurft, um den für die Österreicher im allgemeinen günstig 
stehenden Kampf in einen Sieg zu verwandeln. 

Die Anführung der für die Tapferkeit der öster- 
reichischen Truppen zeugenden Details dieser Schlacht imd 
die quellenmäßige Erforschung der Beweggründe, welche 
Koburg zum Erlassen des Rückzugsbefehles veranlaßten, 
fallen aus dem Rahmen dieser Studie. 

Ob nun die Ansicht richtig ist, daß die Nachricht vom 
Falle Charlerois ausschlaggebend dafür war, oder ob politische 
Gründe, die Nachrichten aus Westflandern, die drohende Zer- 
splitterung der Koalition — ob überhaupt — wie so oft in jener 
Zeit — diplomatische Einmischungen u. dgl. im Spiele waren — 
kurz: Prinz Koburg, der ohnedies keine Reserve hatte, um 
einen letzten entscheidenden Stoß zu fuhren, ordnete den 
Rückzug an, der etwa um ö Uhr abends von den einzelnen 
Gruppen angetreten und ohne Verfolgung seitens der be- 
sonders im Zentrum und am westlichen Flügel stark er- 
schütterten Franzosen durchgefiilirt wurde. 

Der ,.Entreprenant*' diente während dieses heißen 
Ringens vom frühen Morgen, ca. 6 Uhr früh, bis zum Au- 



ll* 





161 



Peters. 



griff auf Gosselies, ca. 4 Uhr nachmittags, als Observatorium 1 1. 
Jourdan hatte ihn am 24. Juni mit Tagesanbruch auf die 
"Windmühlenhöhe von Jumet, 2 km südlich von Ofosselies an 
der Chaussee Charleroi — Brüssel, immittelbar hinter das 
Zentrum der französischen Aufstellung bringen lassen. Von 
diesem Standpunkt eröffnet sich ein weiter Rundblick über 
das ganze Schlachtfeld, wofür auch der gegenwärtige Lokal- 
name „Bellevue" sprechen mag. Am Morgen des Schlacht- 
tages, wahrscheinlich zwischen 8 und 10 Uhr, soll General 
Morlot, der Kommandant der Division, welche Gosselies zu 
verteidigen hatte, vom Luftschifferhauptmann C out eile be- 
gleitet, zwei Stunden in einer Höhe von 300 bis 400 tu in der 
Gondel des Ballons zugebracht- j und dem in nächster Nähe eta- 
blierten Hauptquartier zwei Meldungen herabgesendet haben 3 ). 
Von diesen, sowie von den vielen übrigen 1 ), die weiterhin 

') „Der Aerostat war durch zehn Stunden ununterbrochen in der 
Höhe verbliehen und ohne lucherlicherwei.se behaupten zu wollen, daß 
man ihm allein den Sieg verdankte, so kann man doch nicht leugnen, 
daß seine materielle und moralische Wirkung zum Erfolg beigetragen 
hat. "Wir erfuhren ganz bestimmt, daß der Anblick dieses prächtigen 
Aussichtsapparates in der Mitte des ebenen Geländes, wo nichts die 
Beobachtung behinderte, eine Art von Entmutigung der fremden 
Soldaten bewirkte, welche bisher keine Ahnung von einer solchen Er- 
scheinung hatten. Die Bewegungen der feindlichen Massen und ihrer 
Artillerie waren stets .sogleich an den General Jourdan signalisiert, 
jede Änderung der Get'echtslage wurde ihm vom General Morlot 
raschestens mitgeteilt. Dieser Vorteil war für uns ganz bedeutend. 
Trotzdem aber hätten wir uns ohne die 1' hergäbe von Charleroi nur 
sehr schlecht aus der ganzen Affäre gezogen . . . ." Übersetzt aus den 
Memoiren des Luftschiffen Sello de Beauchampsj Die weiteren 
Daten dieses Abschnittes sind außerdem zusammengestellt nach: 
Coutanceau. La campagne de 1704 ä farnu-o du Nord, 551—54: 
Letonne, Les aerostiers militaires pendant les guerres de la revolutiou, 
403; Dupuis, Operations militaires Mir la Sambre en 1704. 

') Nach dem Bericht Guy ton de Morveaus an den Wohl- 
fahrtsausschuß vom 9. Messidor (27. Juni». 

3 ) Das Herabsenden geschah, indem man die betreffende Meldung 
in einen Balla>tsack steckte und diesen, nachdem man das entsprechende 
Avisosignal gegeben, herabwarf. Die .Sacke wurden von einem der 
Luftschifferoffiziere geöffnet und die Meldungen unmittelbar dem 
kommandierenden General übergeben. 

*) ,. Gegen Mittag wurden die Meldungen immer häufiger: . . . dns 
schien uns bedeutungsvoll, denn die Gesichter der Herren vom General- 



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Militäriuftschiftabrt im Feldzng 1794. 



165 



im Verlauf der Schlacht herablangten, ist leider keine einzige 
erhalten geblieben und eben deshalb ist es nicht mehr 
möglich, die widersprechenden Urteile über den Nutzen des 
Ballons auf ihre Richtigkeit zu prüfen. 

Man muß sich also damit begnügen, die Meinungen der 
Zeitgenossen und Augenzeugen wiederzugeben: 

Die Generale Soult und Championet erklären in 
ihren Memoiren ganz dezidiert, daß der Aufstieg bei Fleurus 
keinerlei Dienste geleistet habe, es wäre denn der, daß der 
Anblick des in den Lüften sehwebenden Ballons den kaiser- 
lichen Soldaten Sehrecken einflößte. 

Die Neuheit der Erscheinung hat allerdings zweifel- 
los Eindruck gemacht; von einer Panik jedoch, von welcher 
in einzelnen französischen Dokumenten ') Andeutungen vor- 
kommen, kann nicht die Rede sein 2 j. 

Stab verfinsterten sich immer mehr. Der Kanonendonner schien ans 
allen Richtungen näher zu kommen, was deutlich bezeugte, daß der 
Feind im Vorrücken war . . Kaum zwei Stunden später sprach sich der 
Rückzug der Unseren schon ganz klar aus . . ." (Aus der Erzählung 
Seile de Beauchamps) 

>) So schreibt dor Adjutant, General Rochefort au Guyton 

aus Marchiennes au Pont am 27. Juni 1794: ,. Am 6. Messidor 

[24> Juni), als der Ballon in der Umgebung von Charleroi erschien, 
wurde die Besatzung, die sich diese Erscheinung nicht erklären konnte, 
von Schrecken erfaßt. Doch ihre Offiziere, gleich geschickt darin, ihre 
Leute zu täuschen als zu tyrannisieren, nützten unsere Erfindung inso- 
ferne zu ihrem Vorteil aus, als sie erklärten, der Ballon sei ein 
Signal, daß eine starke Armee zum Entsatz nahe. Gestern [am Schlacht- 
tag von Fleurus], wo uns der Ballon so große Dienste leistete, haben 
die Chefs der österreichischen Armee, welche diesmal keinen ähnlichen 
Nutzen daraus ziehen konnten, wie in Charleroi, ihre erschreckten Leute 
damit beruhigt, daß sie die ganze Sache ins Lächerliche zogen und be- 
haupteten, die Erscheinung des Ballons habe nichts mit den Bewegungen 
der Armee zu tun, es seien ohne Zweifel irgend welche Franzosen, die 
sich einen Spaß machen wollten. Ich habe diese Erzählungen von 

einigen Deserteuren aus Charleroi " — In einem anderen Briefe 

Rocheforts findet sich die Bemerkung, daß FM. Koburg den Ballon 
wiederholt verwünscht habe: „Es gibt doch nichts, was diese Mord- 
kerle [sceh'-rats] nicht erfinden. Da oben sitzt ein Spion drin und 
ich habe kein Mittel, ihn zu fassen und hängen zu lassen." 

') Seile de Beauchamps erzählt, daß österreichische Gefangene, 
die in der Nähe der Höhe von Jumet vorübergefnhrt wurden, beim 





ogle 



166 Peter*. 

Wäre eine ernstliche Beunruhigung der Truppen 
durch den Ballon entstanden, oder hätte man ihm öster- 
reichischerseits irgendwelchen Einfluß auf den Gang der 
Ereignisse zugesprochen, so fände sich bei der Gewissen- 
haftigkeit aller Meldungen der österreichischen Generale 
wohl ein Niederschlag davon in den ausführlichen Berichten 
über die Schlacht. Doch wird er in diesen nicht einmal 
erwähnt. Erst viel später, als die Österreicher bereits hinter 
der Maas standen, sagt FM. Prinz Koburg in einem 
Bericht an den Präsidenten des Hofkriegsrates FM. Graf 
Wallis 1 ), datiert von Fouron lo Comte i zwischen Lüttich 
und Maastricht, östlich der Maas;, am 24. August 1794 
gelegentlich etwas von den französischen Ballons. Die Stelle 
lautet: Herr Feldmarschall-Lieutenant [gemeint ist 

FML. Latour] bemerket auch, daß in selber Gegend [bei 
Huy an der Maas] ein Luftballon aufgestiegen ist, in welchem 
auch Leute wahrgenommen winden." 

„Diese Maschine ist schon bei mehreren Begeben- 
heiten an der Sambre erschienen, nach Aussagen der 
Deserteurs und Gefangenen solle selbe von einer ansehn- 
lichen Größe seyn und dem Feind den Vorteil gewähren, 
sich aus der Höhe von unserer Stellung und Bewegungen 
zu überzeugen. 

Koburg FM." 

Man erkennt aus der ganzen Sprache dieser wenigen Sätze, 
daß hier Koburg augenscheinlich überhaupt das erstemal 
über die neue französische Erfindung nach Wien berichtet 
und der Gedanke, daß man ihr in der österreichischen 
Generalität keine große Bedeutung zumaß, ergibt sich von 
selbst. 

In dem auf Grund des obzitierten Berichtes schriftlich 
erstatteten ..Allerunterthänigsten Vortrag" vom 3. September 
171)4 übernahm Graf Wallis die Stelle wörtlich und ohne 
eigene Zutat. Mit dem Bemerken „Dient zur Wissenschaft. 
Franz." wurde das Stück ad acta gelegt. 

Anblick de*» Ballons drohend ausgerufen hätten: ..Spione, Spione! 
Höngen wird man euch, wenn man euch erwischt!" 
') K. A.. H. K. R. 1794, IX, 5G. 



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Militärlnftachiffahrt im Feldzng 1791. 



167 



Die erwähnten zwei französischen Generale äußerten 
sich sehr skeptisch. Soult 1 ) schreibt: 

„Diese lächerliche Neuerung wäre eigentlich gar nicht 
der Erwähnung wert, wenn man ihr nicht eine gar so große 
Bedeutung zugesprochen hätte. In Wahrheit ist aber der 
Ballon ganz einfach störend gewesen. Zu Beginn der Schlacht 
stiegen ein General und ein Genieoffizier in der Gondel em- 
por, um — so sagte man — die Bewegungen der Alliierten 
zu rekognoszieren. Sie sollten davon Meldung erstatten, in- 
dem sie ihre Autzeichnungen längs des Seiles, das den Ballon 
hielt, herunterließen. In der großen Höhe, bis zu der man sie 
steigen ließ, mußten Einzelheiten ihren Blicken entgehen 
und sich alles verwischen. Man zog also gar keine Auf- 
klärungsvorteile daraus und (bald] gab niemand mehr auf 
den Ballon acht, die Feinde ebensowenig wie wir selbst." 

Auch Championet^ will/im Gegensatz zu verschiedenen 
Berichten, denen zufolge „der Ruhm des Tages einigen Ellen 
gummierten TatFets zu verdanken sei", nichts von dem großen 
Nutzen des Ballons wissen. Er schreibt: „Die in diesem Ob- 
servatorium hockenden Beobachter waren wohl nachher eifrig 
bemüht, den Zeitungen sowie Müßiggängern und Unwissenden 
von den hervorragenden Verdiensten zu erzählen, die sie dem 
Staate geleistet hätten. Es fehlte nicht viel, daß man selbst 
den Arbeitern, welche die Stricke hielten, den Gewinn der 
Schlacht zu verdanken hätte. Es ist jedoch kein einziges 
wichtiges Aviso von diesem Posten herabgelangt." 

Jourdan, der Kornmandant der französischen Armee, 
welcher sieh von der Anwendung des Ballons sehr viel ver- 
sprach und auch während der Schlacht seinen Wert hervor- 
hob, hat späterhin ebenfalls seine Ansicht geändert, Als er 
im Jahre 1 799 um seine Meinung gefragt wurde, ob es 
zweckmäßiger sei, die Luftsehitfertruppe beizubehalten oder 
aufzulösen, schrieb er dem Kriegsminister unter anderem 
folgendes: Ich muß vorerst erwähnen, daß die Luft- 

schitier der Armee nie einen anderen wesentlichen Nutzen 
gebracht haben, als den, daß die feindlichen Truppen durch 

*) Menioires de Soult, zitiert vou D up uis „Operations militaires 
sur la Sambre 179-t". 

s ) Souvenirs de Championet bei Dupuis. 



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168 



P e t e r I. 



das Erscheinen des Ballons in Staunen versetzt wurden. Ich 
niuÜ es Urnen überlassen, zu beurteilen, oh das auch ferner- 
hin der Fall sein würde und bis zu welchem Grad es den 
Feind erschüttern könnte." 

,.Es ist niemals möglich, die Luftschiffe den feindlichen 
Korps so sehr zu nähern, um ihre Bewegungen mit Sicher- 
heit zu erkennen 1 )." 

., Höchstens die Bewegungen bei den Vorposten könnte 
man sicher feststellen. Aber auch diese Erkenntnis, die an 
einem Schlachttag von großem Werte sein könnte, ist oft 
Irrtümern unterworfen und gerade diese können unheilvolle 
Konsequenzen haben. Ich spreche da aus Erfahrung: ich be- 
wahre sorgfältig ein mit Bleistift geschriebenes Billet des 
Generals Morlot aus der Schlacht bei Fleurus, welches mir 
ankündigte, datf mein rechter Flügel Erfolg habe, während 
er gerade damals über die Sambre zurückgeworfen wurde." 

,,Ich meine daher, daß die Luftschiffer für die Armee 
wertlos sind, solange man kein anderes Mittel findet sie zu 
nützen." 

Die hier von Jourdan erwähnte Ballonmeldung Morlots 
ist zweifellos in der Zeit zwischen 8 und 10 Uhr verfaßt 
worden, als sich am rechten Flügel die Kämpfe zwischen den 
Kolonnen des Erzherzogs Karl und des FML. Beaulieu 
einerseits, den französischen Divisionen Lefebvre und Marceau 

') Hier machte schon Jourdan dem Fesselballon denselben Vor- 
wurf, den man ihm in neuester Zeit, bei der riesigen Ausdehnung der 
Schlachtfronteu, bei der gesteigerten Präzision und Portee der Feuer- 
waffen und nach den Erfahrungen des jüngsten modernen (russisch- 
japanischen) Krieges mit Recht gemacht hat. Dem steht nuu freilich 
entgegen, daß bei der Vervollkommnung der optischen Instrumente und 
bei telephonischer Verbindung des Hallons mit dem Armeekomraando 
trotz der großen Ausdehnung moderner Schlachten bei klarem Wetter 
sowohl richtig beobachtet, als auch dio betreffende Meldung im selben 
Augenblick erstattet werden kann, da die zu meldende Bewegung des 
Feindes sichtbar wird oder beginnt, und nicht erst nachträglich, wie 
dies vielleicht bei Fleurus vom General Morlot geschah. 

Aus der alles beeinflussenden Wechselwirkung zwischen Raum 
und Zeit ergibt sich auch, daß die Riosenaus<lehnung moderner Schlacht- 
fronten und der Räume, welche daher bei Vorschiebungen von Kräften 
in Betracht kommen, andererseits auch mehr Zeit zu Gogenmaßregeln 
gewährt. 



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MilitärlDftscbiffahrt im Feldzug 17JU 



169 



andererseits abspielten. Bei dem Umstand, daß diese Kämpfe 
größtenteils in einem bedeckten und stark kupierten Terrain 
stattfanden und daß ihr Erfolg vielfach schwankte, ist es 
nicht ausgeschlossen, daß der Meldung hierüber ein Beob- 
aehtungsirrtum zu Grunde lag. Es kann also Morlot sehr 
leicht österreichische für französische Truppen gehalten haben 
oder umgekehrt. Daher kommt wohl möglicherweise das ab- 
sprechende Urteil Jourdans. 

Trotz dieser nachträglich ausgesprochenen Geringschätzung 
hat sich aber der französische Armeekommandant bei den 
Operationen nach der Schlacht bei Fleurus noch öfter des 
Ballons bedient; im Gefecht bei Sombref z. B. soll er 
sogar persönlich in der Gondel aufgestiegen sein l ) und richtige 
Beobachtungen gemacht haben. 

Ganz anders als die erwähnten Urteile, welche den Wert 
des Ballons in der Entscheidungsschlacht am 26. Juni negieren, 
lautet der Rapport Guyton de Morveaus an den "Wohlfahrts- 
ausschuß vom 27. Juni. Dieser erste Fachmann der Militär- 

aeronautik schreibt: , Ich hatte gestern die Genugtuung, 

das neue Kriegsmittel durch die Generale selbst hochgeschätzt 
und sogar persönlich benützt zu sehen. Der General Morlot 
hat zwei Stunden mit dem Fernglas zur Hand in den Lüften 
verweilt und hat zwei Avisos herabgeworfen, die sogleich 
dem kommandierenden General übergeben wurden. Er ist 
überzeugt, daß sie dazu beigetragen haben, nützliche Dispo- 
sitionen zu beschließen." 

Nach der Schlacht bei Fleurus folgten die Luftsehilfer 
der Armee Jourdans in der Verfolgungsoperation gegen 
Norden und machten noch zahlreiche Aufstiege. Am selben 
Tage, dem 5. Juli, da ihn, wie erwähnt, Jourdan selbst 
benützte, erlitt der Ballon „Entreprenant", welcher durch 
große Hitze und mehrere Gewitter sowie durch die 27 Auf- 
stiege, die er bereits mit der urprünglichen Füllung gemacht 
hatte, schon sehr geschwächt war, wenige Stunden nach dem 
Aufstieg bei einem Sturme eine schwere Havarie. 

Am Marsche, in der Höhe von Chateau de Corroix (süd- 
lich von Wawre) erfaßte ihn um 6 Uhr abends ein Wind- 

') Letonne, Les aerostiers militairos etc. 



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170 



Poter«. 



stoß, der ihn zerriß und in einem Augenblick entleerte. Er 
mußte zur Reparatur nach Maubeuge zurücktransportiert 
werden *). 

Coutelle beeilte sich, ihn herzustellen und schaffte ihn 
nach zwei Monaten, am 13. September, in Lüttich wieder zur 
Armee. 

Gleichzeitig brachte er den neuen zylindrischen Ballon 
„Martial" und einen neuen in Meudon konstruierten, zerlegt 
transportierbaren Gaserzeugungsofen mit. Letzterer fand auch 
sofort sehr erwünschte Verwendung, denn der „Martial" 
hatte beim Transport in Brüssel durch einen Windstoß, der 
ihn gegen einen Pfahl oder Holzsplitter warf, einen mächtigen 
Riß erhalten. 

Der ..Martial" machte in der Zeit vom 14. bis 18. Sep- 
tember sieben Auffahrten. Die Hotlhungen, die man in die 
größere Stabilität der neuen Form gesetzt hatte, erfüllten 
sich jedoch vorerst nicht. Coutelle, der allein damit auffuhr, 
weil das kleinere Gasvolumen nur für das Gewicht einer 
Person ausreichte, kam damit mehrmals in Lebensgefahr. Man 
kehrte daher in der Folge wieder zur sphärischen Gestalt 
der Ballons zurück. Erst später, nach manchen Verbesseruugen, 
wurde die Zylinderform kriegsbrauchbar. 

Über die weitere Tätigkeit der Luftschilferkompagnie 
vor dem Feinde gibt u.a. der Bericht G uytons 2 > Aufschluß, 
den er in der Konventsitzung vom 27. September 1794 auf 
Grund eines Briefes des Hauptmanns Coutelle mündlich 
erstattete. Nachdem er einleitend den Transport, die Auf- 
stiege in Maubeuge, vor Charleroi und bei Fleurus geschildert 
und betont hatte, daß es nach all diesen Erfahrungen keinem 
Zweifel mehr unterläge, daß ausschließlich die Armeen der 
Republik in den Ballons ein neues großartiges Mittel besäßen, 
um zur Entscheidung der Schlachten wesentlich beitragen zu 
können, erwähnte er das Aufsehen, die Berichte darüber in 
allen ausländischen Zeitungen und das Vertrauen, welches 
die eigene Armee in die neue Erfindung setzte. ... . . Die 

Republikaner, welche ihn [den Ballon] bei Maubeuge gesehen, 

l ) Letonne. Les aerostiers lnilitaires etc. 

") Le Mouiteur univer.<el Nr. (j (an III.», September 17'.»4. 



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MllitiirlufUchiffahrt im Feldzug 1794. 



171 



wo er am 13. Juni dem feindlichen Artilleriefeuer standhielt, 
die am 23. Juni bei seinem Aufstieg vor Charleroi und dann 
(die nächsten Tage] bei Gosselies [soll heißen Jumet], Fleurus, 
Lambusart u. s. w. anwesend waren, die endlich sogar 
Generale, Generalstabsoffiziere und den Armeekommandanten 
selbst die Gondel besteigen sahen, um die Richtigkeit der 
Beobachtungen zu prüfen, diese alle sind der einen Meinung 
gewesen, daß der Ballon uns wenigstens 50.000 Mann 
ersetze." 

Das wäre auch die allgemeine Ansicht gewesen, als man 
die Ballons nach der Reparatur ihrer schweren Havarien 
wieder zur Armee vorbrachte. 

„. . . . Am 13. September wurde der Ballon dem Haupt- 
quartier in Tongres wieder überstellt, am 14. September stieg 
er aus der Zitadelle von Lüttich auf, am 15. wurde er nach 
Houlain nächst Vise an der Maas gebracht und dort hoch- 
gelassen." 

,.Am 16. September stieg er bei Maastricht in der Vor- 
postengruppe des Generals Lefebvre unter dem Schutze eines 
starken Kavalleriedetacheinents auf: am selben Tage nach . 
Lüttich zurückgebracht, machte er d ortsei bst noch eine 
Auffahrt »)." 

„Am Schlüsse seines letzten Berichtes teilt niir der 
Kapitän Coutelle noch mit, daß er soeben den Befehl 
erhalte, sich mit dem Ballon auf drei Meilen weit zur 
Division des Generals Kleber zu begeben." 

„Ich spreche Euch nicht von den unvermeidlichen Stra- 
pazen, welche die Luftschifferkompagnie bei diesen Märschen 
erträgt. Werden sie von Erfolg begleitet, so sind sie den 
Republikanern ja eher erwünscht als lästig." 

Der Feldzug 1794 näherte sich seinem Ende. Nach den 
Gefechten an der Roer ging FZM. Clerfayt. Koburgs 
Nachfolger im Kommando, Anfang Oktober hinter den Rhein 
nach Köln und Bonn zurück. Jourdan schloß mit dem (iros 
Maastricht ein. die Luftschifferkompagnie bezog Winter- 

') Über die militärischen Resultate dieser Aufstiege im September 
fehlen die Daten. 



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172 



Peters. 



quartiere in Borcette bei Aachen. Guyton Avar schon im 
September nach Paris zurückgekehrt, Cou teil e l ) beschäftigte 
sich nun mit der Schaffung eines feldmäßigeren Luftschiffer- 
parkes: die in Maubeuge errichteten Bauten waren überflüssig 
geworden und wurden aufgelassen. 

Österreichische Aktenstücke über Luftschiffahrt aus den 
Jahren 1794, 1795 und 1796. 

Das Erscheinen von französischen Luftschiffen am 
niederländischen Kriegsschauplatz sowie die technische Tätig- 
keit in Meudon konnten in Europa nicht unbekannt bleiben. 

Mündliche Überlieferungen und Zeitungsnachrichten, 
insbesondere die Berichte im ..Moniteur universer, trugen 
wesentlich dazu bei, daß allerlei Menschen, besonders patrio- 
tische oder spekulative Techniker und Mechaniker, sich 
anheischig machten, dem Staate ihre Dienste anzubieten, um 
einerseits die Armee mit einem ebenso wertvollen Kriegs- 
mittel auszurüsten, andererseits sie in die Lage zu setzen, 
„ die französischen Luftmasehinen wirksam zu bekämpfen und 
zu zerstören. 

So kam es, daß dem k. k. Hofkriegsrat in Wien, ja 
auch dem Kaiser persönlich in jener Zeit mehrere solche 
Vorschläge eingereicht wurden. Wenn sie auch heute lediglich 
als technische Kuriositäten irgend einen Wert haben mögen, 
so ist doch die Tatsache, daß in einigen Fällen eine offizielle 
Prüfung solcher Vorschläge stattfand, für die Geschichte der 
Militäraeronautik von Interesse. 

Schon im Juli 171)4 legte ein gewisser J. A. B. Berg- 
strässer in Hanau der österreichischen Generalität, dem 
Herzog von Sachsen-Teschen, dem Prinzen Koburg. 
dem G. d. K. Prinz Waldeck, den FML. Beaulieu und 
Ehrbach, und schließlich dem Kaiser Franz selbst die 
folgende Abhandlung 2 ) vor: 



') Hildebrandt, Die Luftschiffahrt etc., weiß zu berichten, daß 
('out eile infolge der unerhörten Anstrengungen im LuftschifVer- 
dienst später an einem Nervenleiden erkrankte und völlig entkräftet 
nach Paris zurückkehren mußte. 

*) K. A., Memoiren 1704, 9, 1422. 



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MUitftrluftachiffahrt im Feldtug Hi*. 



173 



..Über den Gebrauch der Luftballone in Kriegs- 
operationen." 

• 

,.Die Zeitungen melden, es hätten die Franzosen bei 
der Affäre von Charleroi zwei Luftbälle aufsteigen lassen : 
den einen während des Treffens und den andern nach dem- 
selben. Der erstere sei drei Stunden, der andere ohngefähr 
drei Viertelstunden sichtbar gewesen. Mit dem ersten Ballon 
soll sogar ein Ingenieur aufgefahren sein, um den Plan der 
kaiserlichen Armee in der Schlachtordnung zu übersehen." 

..Die Wahrheit oder Unwahrheit dieser Erzählung lasse 
ich an ihren Ort gestellt sein. Denn es kommt mir jetzt nur 
auf die Fragen an, ob Luftbälle in den Kriegsoperationen 
vorteilhafte Dienste tun können, und ob sich bei den 
deutschen Heeren ihr Manöver nötig mache." 

„Zu den gewöhnlichen Signalen dienen Luftbälle un- 
streitig ebensogut und noch besser wie eine jede Lärm- 
stange. Denn es kann mit der Erscheinung eines Luftballons 
ebensogut als mit der Alarmstange eine bestimmte und ver- 
abredete Order verbunden werden." 

,,So groß aber auch schon dieser Nutzen sein mag, so 
ist er doch, nach meinem geringfügigen Ermessen, bei 
weitem der kleinste. Kann man doch auch den Ballon, wie 
es aus meiner Synthematographik erhellt, zu un verabredeten 
und augenblicklichen Signalen im großen Kommando außer 
und in der Schlacht, gebrauchen ; vorausgesetzt, daß man ihm 
eine gewisse Direktion zu geben weiß." 

,,Aber dies ist in Rücksicht auf Signale leicht möglich. 
Denn obgleich Luftballone, welche in Blanchards Manier 
aufsteigen. [und| unwillkürlich nach derjenigen Richtimg hin 
. getrieben werden, wohin der Stoß geht, so hindert doch 
dieser Umstand Signalisierungen nicht, weil man ihnen für 
diese eine gewisse Stetigkeit in der Direktion geben kann." 

..Man darf nur einen starken Bindfaden in proportionier- 
licher Quantität mit der Weite und Höhe, welche der Ball 
erreichen soll, auf einen Haspel aufgewunden, in Bereitschaft 
halten, an dem Ballon mit dem losen Ende befestigen und 
wenn nim das Signal gegeben werden soll, wieder von dem 
Haspel langsamer, oder schneller, so wie mehr oder weniger 



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174 



Peters. 



Geschwindigkeit nötig ist, abwinden, und zwar in derjenigen 
Länge, wie mau es nötig und gut findet : doch muß der Haspel 
selbst in seinem Fuße stark befestiget sein, daß ihn nicht die 
emporstrebende Kraft, mit welcher der Ballon gefüllt ist. das 
ist die phlogistische Luft, aus seiner Trägheit herausheben 
könne. Dadurch behält der signalgebende Teil den Ballon in 
seiner Gewalt und die Höhe, die er ersteigen kann, setzt 
seine Maschine gegen alles feindliche Geschoß in Sicherheit: 
vorausgesetzt, daß der Haspel in dem nächsten Umkreise 
gehörig gedeckt ist, so daß der Feind sich nicht nähere und 
den Bindfaden abschneiden kann.'' 

„Aber welchen Gebrauch kann man von dem Luftballon 
machen, wenn ein Ingenieuroffizier zugleich mit ihm auf- 
steigt?" 

..Man gebe dem Schiffchen, womit der Ballon zusammen- 
hängt, eine solche Einrichtung, daß der mit auffahrende 
Offizier ohne alle Gefahr darin stehen, beobachten und auf- 
zeichnen könne, was er nötig und gut findet. Dieses kann 
geschehen, wenn in dem Bauche des Schiffchens ein hohler 
und mit einem tüchtigen Boden versehener Zylinder, abwärts 
nach der Tiefe gerichtet, angebracht ist, so daß er den ganzen 
Körper des Offiziers bis unter die Arme, oder bis an die 
Brust in aufrechter Stellung bequem fassen kann. In dieser 
Manier ist der Offizier gegen den Schwindel und gegen das 
Fallen gesichert, kann gerade und aufrecht st. -heu, mit den 
Händen alles vornehmen, wozu er sie nötig hat, von allen 
Seiten mit Fernrohren beobachten und was zu merken und 
zu wissen nötig ist, niederschreiben, selbst mit Beoueiniichkeit 
und einem in dem Schiffchen angebrachten Tisehbrctt." 

,.Auch hier soll ein starker Bindfaden die Direktion des 
Ballons befördern, welcher, wie der obige, auf einem Haspel 
ab- und aufgewunden werden kann. Aber dieser Bindfaden 
ist an dem Ende, wo er mit dem Schiffchen zusammenhängen 
soll, mit zwei tüchtigen Krappen zu versehen, welche an 
dem hinteren und vorderen Teile des Schiffes, oder auch nur 
in der Mitte seiner rechten Seite, oder selbst an dem Zylinder, 
worin der aufgefahrene < illizier steht, in zwei Ringen, sobald 
es die Umstände erfordern, eingreifen und ohne große Mühe 
wieder ausgehängt und weggenommen werden können."' 



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Militürlnftschiffabrt im Felduug im. 



175 



„Die Materie, woraus das Schiffchen und sein hohler 
Zylinder am bequemsten verfertigt werden dürfte, möchte 
wohl eine da^u taugliche Art von Leder sein." 

„Nimmt nun der Offizier vor dem Aufsteigen verschiedene 
kürzere Zylinder von Messing oder Blech, oder noch besser 
von Kupfer oder von Eisen oder Blei mit sich hinauf in die 
Luft, welche erstlich in der innern Seite durchaus hohl und 
so weit sind, daß die beiden Krappeu, womit der Direktions- 
faden eingehängt ist, in ihrer ganzen Weite leicht und von 
selbst durchschlüpfen können ; zweitens auf der äußern Seite 
unten am Boden dergestalt verwahrt sind, daß nichts von 
Papier durchschlüpfen kann, so ist der beobachtende Offizier 
im stände, das, was er geschrieben oder gezeichnet hat, in 
der größten Geschwindigkeit nach dem Haspel fort und 
herunter zu schicken." 

,,Er hängt nämlich, sobald er sein beschriebenes Papier 
in den äußern oder kapselartigen Teil des Zylinders gesteckt 
hat, den hintern Krappen aus, läßt den innern Zylinder vom 
ersten oder äußersten Krappen an durchschlüpfen, hängt den 
Krappen am hintern Teile weder ein und macht nachher den 
Krappen am vorderen Teile wieder los aus seinem Ringe, 
damit der Zylinder vermittels seiner eigenen Schwere fort- 
schieße und wenn auch dieser Krappen wieder eingehängt 
ist, schnell an dem Direktionsseil hinablaufe bis zu dem 
Haspel hin."' 

„Beim Haspel befindet sich ein angestellter Offizier, 
welcher das Papier aus dem äußern Zylinder herausnimmt 
und schleunigst an die Behörde befördert." 

,,Die Zylinder, welche am Direktionsseil herunterlaufen 
sollen, könnten auf der Rückseite mit Chamieren, und auf 
der vorderen mit einem verdeckten Schlößchen versehen, 
oder auch bloß mit einem eingreifenden Krappen verwahrt 
sein. Das erste diente zur größeren Versicherung des Ge- 
heimnisses, und das Ganze darum, daß sich die Zylinder beim 
Herunterkommen leicht öffnen ließen und vom Seile bequem 
weggenommen werden könnten." 

„Wie der Offizier unter dem Ballon könne zu verstehen 
geben, daß er seine Absicht erreicht habe, und nun wieder 
herunterkommen wolle, bedarf keiner Erklärung: ebenso 



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176 



Peters. 



wenig, wie die Veranstaltungen, die zu seinem Herunter- 
kommen getroffen werden müßten. " 

„Im fünften Teile meiner Synth ematographik kommt eine 
hiehergehörige, aber nicht aufgelöste Aufgabe vor.'' 

„Mit vier, höchstens fünf Ballonen können nach der syu- 
theinatographi sehen Methode alle möglichen Zahlen ange- 
geben, folglich auch alle möglichen Worte einer Sprache 
ausgedrückt werden." 

„Endlich fragt man, ob sich gegenwärtig Luftballone in 
den Operationen der deutschen Armeen nötig machen: so 
möchten wohl Kenner und erfahrene Generale entscheidender 
antworten können, als meine "Wenigkeit." 

„Unvorgreitlich will ich nur ein paar Bemerkungen hier- 
über anführen." 

„Da es dem gemeinen Manne in der Armee nicht ver- 
borgen sein kann, wie die Franzosen mit dergleichen Bal- 
lonen, es sei nun zum Emst oder Schein, manöverieren : so 
wäre es vielleicht sehr zweckdienlich, ihm das Wunderbare 
und Auffallende in dieser Erscheinung zu benehmen, welches 
nicht voller und besser geschehen könnte, als wenn sich unsere 
Armee des nämlichen Mittels gegen die Franzosen bediente und 
dadurch den Vorurteilen des großen Haufens entgegenarbeitete." 

„Es gibt bekanntlich zweierlei Ballone, die mit phlo- 
gistischer Luft gefüllten tun am Tage oder bei mondhellen 
Nächten die zweckmäßigsten Dienste. Die andern, welche mit 
Gas aufsteigen, wie die eigentlichen montgolfieiischen *), 
möchten wohl nicht undienlich beide im Tage und in jeder 
Nacht als Stratageme gebraucht werden können: auch zum 
Anstecken der feindlichen Magazine und der Anmunition ?J 
und wenigstens dürften sie bei ihrer ersten Erscheinung viel- 
leicht ebenso nützlich sein, als Hanuibals Reisig in an- 
gesteckten Holzwollen auf den Köpfen und Hörnern los- 
gelassener Stiere.'" 

Hanau, den 15. Juli 1794. J. A. B. Bergsträßer 

Hessischer Konsistorialrat und Professor- 

') Sollte heißen: „Die Charlnres". 

*) Das hier mitgeteilte Dokument trägt lediglich den Indossat- 
vermerk: „Ab Imperatore. ..Ad notitiam, reponatur ad acta. Wien, den 
ü. August 1714." Es ist also kein aeronautischer Versuch angestellt worden. 



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Militärluftschiffahrt im Feldzug 1791. 



177 



Im Oktober 1794 traten zwei Mailänder Techniker, die 
Gebrüder Gerli 1 ), welche einen lenkbaren Luftballon erfunden 
haben wollten, im Wege des Mailänder Generalkommandos 
an den Hofkriegsrat mit der Bitte heran, eine Untersuchungs- 
kommission nach Mailand zu delegieren und ihnen dann die 
Mittel zur Herstellung solcher Maschinen zu gewähren. 

Als besondere Vorteile der Lenkbarkeit war in dem 
Einschreiten unter anderem die sichere Möglichkeit betont, 
daß man dadurch den Feind auf das genaueste beobachten, 
feindliche Magazine anzünden könne, durch Herabschütten 
verderbenbringender Mittel Verwirrung unter den Feinden 
anzurichten vermöge etc. 

Einer der Brüder. Agostino Gerli. verbürgt sich in 
einem Privatschreiben ■) an den Hofkriegsratspräsidenten 

mit seinem Leben für den Erfolg und sagt weiter: „ 

Euer Exzellenz werden aus dem gemachten Versuch die 
Notwendigkeit ersehen, sogleich wenigstens ein Dutzend 
solcher Maschinen anschaffen zu lassen. Ich empfehle die 
größte Schnelligkeit, da ein Zeitraum von wenigstens vier 
Monaten nötig ist für eine so ausführliche Arbeit und 
die Schulung so vieler Personen, die angestellt werden 
müssen." 

Das G erlische Projekt wurde vom Hofkriegsrat dem 
damaligen Generalgeniedirektor FM. Graf Pellegrini zur 
Überprüfung und Begutachtung überwiesen 3 », und von 
diesem einem gründliehen Studium zugeführt. Ein gewisser 
Chevalier Landriani 4 , auf dessen Urteil und Wohlmeinung 
sich die Gebrüder Gerli besonders berufen hatten, wurde, 
da er gerade in Wien anwesend war. von Pellegrini um 
seine Ansicht über die Sache ersucht und legte letzterem als- 

' K. A, H. K. R. 1705. 39. 4. S. II S. Consiglio dt Guorra. 
Das Mailänder Generalkommando legt das Gerlische Projekt dem 
H. K. K. vor. 

») K A., H. K. R. 17«>ä. 39, 6G:K) (in italienischer Sprache). 

«) K. A.. H. K. R. 1794, 30, 380. (80. November 17**4.) 

•) Chevalier (in einigen Schriftstücken Conto) Landriani, 1793 
k. k. Geschäftsträgeram chmsächsischen Hofe, war italienischer Professor 
der Chemie und wird übrigens in der Literatur über die Napoloonische 
Periode als in verschiedenen diplomatischen und HotVcrwendungen 
stehend genannt. 

Mitto. langen a>* k. und k KrieRiuroüivr Dritt.* Folge V IM l'J 



178 



P e t e r i. 



bald ein ausführliches Schriftstück 1 ! über das Resultat seiner 
Untersuchung vor. 

Aus demselben geht hervor, daß das Ger Ii sehe Projekt 
„keineswegs zureichend erprobt", die Lenkbarkeit eines Luft- 
schities insbesondere noch ,.sehr weit von der Erfüllung" sei und 
daß endlich ein solcher G erlischer Ballon 7 — 8000 Gulden 
kosten würde. 

In diesem Sinne referierte der Generalgeniedirektor 
dem Hofkriegsrat, dessen ..Alleruntertänigster Vortrag" über 
die Angelegenheit 2 ! denn auch den kaiserlichen Vermerk tragt: 
,,Da von dem angegebenen nützlichen Gebrauche dieser 
Maschine nichts erprobet ist, so ist auch von Seiten des 
aerarii kein Aufwand hiezu zu machen; den beiden Gerli 
aber bleibt es unbenommen, auf ihre Kosten die Verfertigung 
hievon zu versuchen. Franz." 

Zur selben Zeit, da dieses Projekt von der Kriegs- 
verwaltung geprüft und als zu unverläßlich, vor allem aber 
als zu teuer fallen gelassen wurde, traten noch andere Er- 
finder mit ähnlichen Ideen an den Hofkriegsrat heran, doch 
auch diese gutgemeinten, aber mehr oder weniger phan- 
tastischen Vorschläge wurden ad acta gelegt. Der durch 
mancherlei Experimente in der Geschichte der Chemie be- 
kannte Professor der Naturgeschichte an der Innsbrucker Uni- 
versität Johann Kepomuk von Laich arding (Tiroler Land- 
mann und o. ü. Gubernialsekretär) erbot sich am 3. November 
1794 in einem an den Kaiser Franz gerichteten Einschreiten, 
seine Versuche „zur möglichen Anwendung der Aerostaten 
bekannt zu machen". 3 ; 

») „Esamo dei progetto Gerli"; K. A., H. K. R. 179.*). 39, 4. Die 
Landrianische Prüfung des Projektes stellte unter anderem fest, 
daß die Maschinerie, mittels deren die Oerli den Ballon ,.ohne Verlust 
von Luft oder Ballast steigen oder fallen lassen" wollten (Anwendung 
von zwei Ballons übereinander) - nach gonauer Berechnung unausführbar 
sei, und daß der Mechanismus, welcher den Ballon lenkbar machon 
sollte, keine ernste Erwägung verdiene. Auch scheint ein billiger 
ProzeC, um "Wasserstoffgas zu erzeugen, dem Beurteiler unmöglich und 
endlich verweist er auf die hohen Kosten (7—8000 fl.) eines solchen 
Ballons. 

») K. A., H. K. R. 1795. 39, 4. 11. Janner.) 
3 ) K. A.. H. K. R 1794, 89, 830, 6108. 



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Militärluftflchiffahrt im Feldzag 1791. 



179 



Ein gewisser Francesco Henrion aus Florenz legte am 
14. Oktober 1794 dem Kaiser Franz unter Berufimg auf sein 
bereits im Jahre 1789 erschienenes Buch ein Luftschiffprojekt 
vor. Er betont darin die Notwendigkeit, jetzt, da „die Feinde 
Euer Majestät dieses Mittel zum Nachteil der Armee an- 
gewendet haben", die letztere mit verbesserten Luftschiffen 
zu versehen und erbietet sich (auf Staatskosten natürlich) 
nach Wien zu kommen, um dort ein aeronautisches Ob- 
servatorium zu errichten 1 ). 

Ein weiteres Dokument des Hofkriegsrates aus dem 
Jahre 1796 2 ) behandelt das Einschreiten eines gewissen Franz 
Mayer in Leobersdorf bei Korneuburg, der auch einen lenk- 
baren Luftballon erfunden haben wollte und die Bitte aus- 
spricht, denselben erproben zu lassen oder ihm wenigstens 
die Erlaubnis zu erteilen, im Prater bei Wien damit Ver- 
suche anstellen zu dürfen und dort seinen Ballon gegen 
Entree steigen zu lassen. 

Der Hofkriegsrat wies das erstere Ansuchen. Erprobung 
auf ärarische Kosten, unter Hinweis auf die abschlägige Er- 
ledigung des Projektes Gerli, welches in keiner Weise 
realisierbar befunden war, ab; das zweite Begehren, im 
Prater Aufstiege zu inszenieren, wurde dem k. k. Direktorium, 
einer Zentralbehörde, die beiläufig mit dem jetzigen Ministerium 
des Innern oder auch Finanzministeriiun verglichen werden 
kann, zur Erledigung überstellt. 

Endlich sei noch ein in gewissem Sinne originelles, 
naives Dokument 3 ) aus dem Jahre 1796 erwähnt, in welchem 
ein Kandidat der Mathematik und Physik Ludwig Steg- 
mann seine phantastischen Gedanken über die Mittel der 
Zerstörung der französischen Kriegsballons darlegt. 

Unter Hinweis auf die Zeitungsnachrichten über die 
fruchtlosen BeschieUungen der feindlichen Ballons und auf 
die Erfahrung, ,,da!3 man sich das Kekognoszieren der Feinde 

l ) K. A., H. K. R. 17D4, 39. 30, 6107. Beide Einschreiten wurden, 
u. zw. ersteres dem Direktorialminister Graf Kolowrat, das letztere 
dem Freiherrn von Thugut zur begutachtenden Berichterstattung 
zugestellt. 

») K. A., H. K. R. 17%, J. 4569. 

s ) Original im K. A., Memoiren 1796, 28, 348. 

12* 



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180 



Peters. 



mit Hilfe dieser Maschinen bis jetzt ruhig gefallen lassen 
müsse", schlägt er die Bekämpfung der Ballons mit ,. elek- 
trischen Drachen" vor. 

Solch ein mit einer ,.Unze Platzgold" i Knallgold < aus- 
gerüsteter und vom Boden aus mit einer elektrischen Zünd- 
leitung versehener Drache sollte dann beim Erscheinen eines 
feindlichen Fesselballons an einer Schnur hochgelassen 
werden und. mit Ausnützunp: der Windrichtung in die un- 

n ct 

mittelbare Nähe des Ballons gebracht, im geeigneten Moment 
mittels des Funkens einer Leydnerflasche oder Batterie zur 
Explosion gebracht werden. Durch die brisante Wirkung des 
besonders wirksamen Knallpräparates würde dann die Hülle 
des Ballons zerrissen, das Gas entzündet und der Ballon 
samt dem Drachen vernichtet werden. Kurz, das Luftschiff 
sollte sozusagen durch Lufttorpedos i ! i unschädlich gemacht 
werden, da die Beschießung sich nicht bewährt hatte. 

Der Verfasser dieses als technisches Kuriosum bemerkens- 
werten Schriftstückes bemüht sich auch, allen möglichen 
Einwendungen, die gegen die Durchführbarkeit seines Vor- 
schlages gemacht werden könnten, allen^ Ernstes entgegen- 
zutreten 1 ). 

* * 

Die hier mitgeteilten Aktenstücke geben einerseits darüber 
Aufschluß, daß technisch gebildete und phantasievolle Köpfe 
sich nicht nur in Frankreich, sondern — seinem Beispiel 
folgend — bald allerwärts mit der Frage der Luftschiffahrt 
beschäftigten, lassen aber andererseits keinen Zweifel darüber, 
daß es der kaiserlichen Heeresleitung bei allem platonischen 
Wohlwollen für die freilich zumeist absonderlichen Vorschläge 
der Erfinder und Fachmänner an bewußtem AVillen und an 
Energie, schließlich aber — oder vielleicht vor allem — an 
Geld fehlte, um ernste Versuche auf Staatskosten anstellen 
zu lassen. 

Abgesehen von letzterem, durch die ganze Geschichte 
Österreichs bis auf unsere Tage sattsam bekannten, hemmenden 
Umstand, ist aber der Mangel werktätigen staatlichen Inter- 

*) Auch das Stegmann sehe Projekt scheint lediglich ad acta 
gelogt worden zu sein. 



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Militärluftach iff.hrt im FeUlzug 17W. 



181 



esses für die junge Erfindung zweifellos mit ihrer noch all- 
zuwenig erprobten Bedeutung und Wertigkeit, sowie durch 
das Naturgesetz von der Macht des Althergebrachten zu 
erklären. Stak doch auch überhaupt das technische Problem, 
die Luft zu beherrschen, kaum in den Kinderschuhen. 

Trotz der Einblicke, welche die französischen Luft- 
schiffe da und dort aus der Vogelschau in feindliche Stellungen 
gewannen, haben solche Wahrnehmungen das Geschick des 
Krieges damals nicht merklich beeinflußt. Die wenigen teil- 
weise ganz richtigen Ballonmeldungen, die aus jener Zeit 
erhalten sind, waren jene, welche aus den erwähnten Kaptiv- 
aufstiegen in Maubeuge im Juni 1794 resultierten. Aber 
gerade in dieser ziemlich verworrenen strategischen Situation 
waren sie eigentlich nutzlos geblieben, weil die jungen und 
wenn auch tatkräftigen, so doch bei weitem noch nicht sehr 
kriegserfahrenen Revolutionsgeuerale zumeist selbst nichts 
damit anzufangen wußten. Dieser Umstand wäre auch, soferne 
mau ihn gegnerischersoits erkannt und beobachtet hätte, ein 
Grand mehr dafür gewesen, die ganze neue Erfindung ins 
I lächerliche zu ziehen oder doch für kriegerisch unbedeutend 
zuhalten. Wozu hätte also der bedächtige Hofkriegsrat Tausende 
von Gulden auf ein fragwürdiges Experiment verschwendet? 

Schluß. 

In den nächsten drei Kriegsjahren 1795. 1796 und 1797 
fand die französische Luftschiffertruppe noch mannigfaltige 
Verwendung. Doch schon erlahmte allmählich das Interesse 
und der Eifer, welche man dem Entstehen des neuen Kriegs- 
mittels entgegengebracht hatte: denn immer mein- empfand 
man die technischen Unvollkommenheiten des ganzen Appa- 
rates als eine Last; man dachte öfter an die Auflösung der 
kostspieligen Institution. 

Die letzte Gelegenheit, bei welcher die noch bestehende 
erste Ltütschitfi'rkonipagnie im Kriege Verwendung fand, war 
die ägyptische Expedition Napoleons im Jahre 1798 r . 



l ) Letonne, Les aerostiers ; Moedebeck. Taschenbuch für 
Flugtecbniker, 253. 



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182 



Peters. 



Es mag sein, daß sich der erste Konsul, obwohl er in 
den Kriegen am Kontinent auf dieses schwerbewegliche und 
in seinem Nutzen von unberechenbaren Einflüssen allzu ab- 
hängige, daher problematische Kriegsmittel verzichtete, in 
Ägypten davon, vielleicht als Schreckmittel, eher irgend 
welche militärische Vorteile oder aber wissenschaftliche 
Errungenschaften versprach — kurz, 1798 wurde ein neues, 
sehr sorgfältig konstruiertes Liiftschiffermaterial speziell für 
die genannte Expedition geschaffen imd im Mai in Toulon 
eingeschifft. Doch hatte man damit kein Glück. In der See- 
schlacht bei Abukir bohrten die Engländer das Scliiff, auf 
welchem der Ballon samt Zubehör verladen war. in den 
Grund. Auch eine spätere Sendung von Luftschiffermaterial 
wurde von den Engländern gekapert. Die Luftschiffer- 
kompagnie wurde dann als Genietruppe verwendet, und ihr 
Kommandant Coutelle unternahm Entdeckungsfahrten auf 
dem Nil. 

Wenige Monate später machte ein Dekret des Direk- 
toriums (vom 18. Jänner 1799) der Militäraeronautik vor- 
läufig auf lange Zeit ein Ende. Das Etablissement und die 
Schule zu Meudon sowie die Luftsehiffertruppe wurden auf- 
gelassen und lediglich in der Genieschule in Metz blieb ein 
Kurs für Militärluftschiffahrt bestehen, der sich aber Ende 
1799 auch auflöste. 

Von diesem Zeitpunkt an hatte die mit so viel Be- 
geisterung aufgenommene und in Frankreich mit so viel 
Energie begonnene militärische Verwertung des Luftballons 
vorläutig ausgelebt. Tu der Na poleon scheu Periode, während 
des Konsulates und Kaiserreiches findet die Forschung 
französisehcrseits keine einzige Verwendung eines Ballons 
mehr 1 1. 



l i füeichwohl kamen erfinderische Köpfe nicht zur Ruhe. 
So wollte ISO? ein gewisser Kol ding in Kopenhagen die eng- 
lische Flotte von einem lenkbaren Ballon aus vernichten. In ähnlicher 
"Weise erbot sich 1S12 ein deutscher Mechaniker, Leppnig, das fran- 
zösische Hauptquartier in Ruilland in die Luft zu sprengen etc. ( r Die 
Verwendbarkeit des Luftballons in der Kriegführung." Vortrag von 
Premierleutnant v. Lavergne lSS». Heiheft zum Mit. -"Wochenblatt, 
Berlin 1886.) 



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Militärluftschiffahrt im Feldzag 17W. 



183 



Es liegt nahe, die Frage zu erörtern, warum Napoleon, 
der doch so viele Errungenschaften der Technik seiner Zeit 
in den Dienst des Krieges stellte, einem Beobachtungs- 
verfahren so wenig Aufmerksamkeit schenkte, welches wenige 
Jahre früher trotz seiner Neuheit schon immerhin beachtens- 
werte Resultate gezeitigt hatte. Unter anderen Ansichten 1 ) 
scheint wohl jene die richtige zu sein, daß in der Entwicklung 
der Kriegführung selbst der erste Anlaß zur baldigen Ver- 
nachlässigung der Militärluftschiffahrt lag. 

An die Stelle des langwierigen Positions- und Belagerungs- 
krieges war allmählich der Bewegungskrieg getreten. Napoleons 
Kunst, große Massen in verblüffender Schnelligkeit auf* großen 



') Letonne erwähnt in seinem öfter zitierten Aufsatz: „Les 
aerostiers militaires pendaut les guerres de la reVolution", daß nach 
einer der glaubhaftesten Versionen Napoleons Gleichgültigkeit oder 
Abneigung gegen die Luftschiffahrt von dem Aufstieg eines Ballons 
herdatierte, welcher zu Ehren seiner Krönung zum König von Italien, 
aus Mailand im Mai 1805 auffuhr und in der nächsten Nähe des Grab- 
denkmals N er os mach Sueton am Monte Pincio in Rom) niedergegangen 
sei. Dieser Zufall habe auf Napoleons fatalistischen Geist einen nach- 
haltigen Einfluß geübt. (?) Capitaine L. Sazerac de Forge erzählt in 
seinem jüngst erschienenen Buche „La conquele de l'air" (Paris 1907) 
diesbezüglich folgendes: „Napoleon glaubte ebensowenig an einen 
Nutzen der Luftschiffahrt, wie an die Nutzbarmachung der Dampfkratt, 
Übrigens ereignete sich in den ersten Stunden des Kaisertums ein sehr 
interessanter Vorfall: Der Luftschitier Garnerin hatte über Napoleons 
Aufforderung einen ungeheuren Kugelballon konstruierr. der mit reichem 
Fahnenschmuck versehen war und in der Mitte eines Arrangements von 
3000 färbigen Gläsern eine Kaiserkrone und einen Adler trug. Dieser 
Ballon hatte die Bestimmung, die Nachricht der Kaiserkrönung in die 
Provinz zu tragen und wurde am Abend vom Vorplatz der Notre-dame- 
Kirche (in Paris) hochgelassen. Am nächsten Morgen bemerkte man, so 
schreibt Lecornu .Die Luftschiffahrt' \ über der römischen Kampagna 
einen mit Fahnen geschmückten Luftballon, der sich der Ewigen Stadt 
zu nähern schien. Tatsächlich schwebte er einen Augenblick über der 
St. Peters-Kuppel und dem Vatikan, Rom gleichsam die Nachricht des 
großen Ereignisses überbringend. Dann aber sank er, nachdem er schon 
zwei- oiler dreimal die Erde berührt hatte, in den See Bracciano. In den 
letzten Augenblicken seines Fluges stieß der Ballon, über der Erde hin- 
schleifend, auf ein antikes Monument, an dessen Kante die Kaiserkrone 
zerbrach und wo ein Teil derselben liegen blieb. Es war das Grabmal 
Neros. Napoleon, bekanntlich sehr abergläubisch, wollte nie mehr 
von der Luftschiffahrt sprechen hören." 



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184 



Peters. 



Distanzen herumzuwerfen, in genialen Kombinationen und 
raschen, kühnen Märschen den Sieg vorzubereiten und an 
sich zu reißen, mußte eines so schwerfälligen Aufklärungs- 
apparates naturgemäß entraten. (Hat doch die Herstellung 
eines Ofens für die Gasbereitung damals allein acht Tage 
gedauert; von einer Anwendung transportabler Ofen scheint 
man bald wieder abgekommen zu sein.) Die Technik war also 
hier nach kurzem Aufschwung hinter der Kriegskunst zurück- 
geblieben. — Trotz aller seitherigen großen Fortschritte der 
Aeronautik ist es ja auch heute noch nicht sicher, ob die 
Bedeutung des lenkbaren Luftschiffes im Bewegungskrieg 
allen jenen Erwartungen entsprechen wird, welche man an 
dasselbe knüpft. 



Feldzugsreise 

des 

Kaisers Franz I. von Österreich 
im Jahre 1809. 

Ein Beitrag zur Geschichte dieses denkwürdigen Jahres. 

Verfaßt 

von dorn damaligen k. k. Rat und Hofkontrollor 

Johann Bapt. Skall. 

Mitgeteilt 

von 

Hauptmann Sommeregger. 



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Vorwort. 



Die Vorgänge im Hoflager des Kaisers Franz I. von 
Österreich während des blutigen Kingens im Feldzugsjahr 
1809 sind ebenso interessant für den Laien als beachtenswert 
für den Historiker. Aus den bisher erschienenen Abhandlungen 
über diesen Feldzug gelangte man wohl zur Kenntnis, daß 
der Monarch während der Schlachten von Aspern und 
Wagram in Wolkersdorf, während der Friedensverhandlungen 
in Totis u. s. w. seinen Aufenthalt genommen habe, aber eine 
zusammenhängende Darstellung seiner Feldzugsreise und 
seines täglichen Aufenthaltes von seiner Abreise aus Wien 
am 8. April bis zu seiner Rückkehr am 14. Dezember 1809 
ist bisher der Öffentlichkeit vorenthalten geblieben. 

Der k. k. Rat und Hofkontrollor Johann Bupt. Skall 1 ), 
der zur angeführten Zeit am Hoflager als Chef der Hof- 
wirtschaft fungierte, hat in den Jahren 1808 bis 1810 Reise- 
tagebücher des österreichischen Hofes verfaßt, „weil er," wie 
er selbst schreibt, ,, nicht nur bei den Geschäftsverhandlungen, 
welche sich auf die beschriebenen Begebenheiten beziehen, 
größtenteils tätigen Anteil genommen, sondern auch, weil er 
in seiner damaligen Eigenschaft als Hofkontrollor dem Aller- 



') Johann Bapt. Skall, seit 1800 Hofkanzlist, wurde am 1. Jänner 
1808 zum Hofkonzipisten und wegen seiner besonderen Verwendbarkeit 
im Hofwirtschat'teamt noch am 26. Juni desselben Jahres zum k. k. 
Rat und Hofkontrollor befördert. Am 10. April 1813 als Kanzleidirektor 
zum Oberststallmeisteramt übersetzt, wurde er in dieser Stellung am 
am 14. Juni 181") /.um k. k. ni^deröstorreichischen Regierungsrat ernannt. 
Er starb am 1. März 1832 im ">9. Lebensjahr zu Wien. (Akten des 
Obersthofmeisteramtes. 



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188 



Sommer epger. 



höchsten Hofe nahe genug gestellt gewesen sein dürfte, um 
aus reinen Quellen schöpfen zu können". 

Diese Reisetagebücher erliegen in Form eines drei- 
bändigen Manuskriptes in Abschrift in der k. u. k. Familien- 
fideikommißbibliothek und umfassen sieben Abschnitte. 

I. Dritte Vermählung Seiner Majestät des Erbkaisers 
Franz I. von Osterreich, König von Ungarn und Böhmen, 
mit der durchlauchtigsten Erzherzogin Marie Luise von 
Osterreich-Este. 

II. Aufenthalt Ihrer Majestäten in Laxenburg im Sommer 
des Jahres 1808 und des Kaisers Lebensweise daselbst. 

III. Krönung Ihrer Majestät der Kaiserin Marie Luise 
zur Königin von Ungarn im Jahre 1808 und der Landtag in 
Preßburg. 

IV. Reise Ihrer Majestäten von Preßburg über Tyrnau 
und Holitsch nach Olmtitz. Lebensgefährliche Erkrankung 
Ihrer Majestät der Kaiserin am letztgenannten Orte ; Genesung 
und Rückkehr nach Wien im Dezember des Jahres 1808. 

V. Feldzugsreise Seiner Majestät des Kaisers zur Armee 
im Jahre 1809 und Aufenthalt bei derselben bis zu dem in 
Wien erfolgten Frieden. 

VI. Vermählung Ihrer kaiserlichen Hoheit der durch- 
lauchtigsten Frau Erzherzogin Maria Luise, Prinzessin- 
Tochter Seiner Majestät, im .Jahre 1810 mit dem damaligen 
Kaiser von Frankreich und König von Italien, Napoleon. 

VIT. Votivreisen Ihrer Majestäten nach Prag zum 
Nepomuksfest und Ausflüge Seiner Majestät des Kaisers von 
Baden nach Fahrafeld und Gutenstein. 

Der Abschnitt V erliegt jedoch im Original im k. u. k. 
Kriegsarchiv unter Memoiren, HI. Abt.. Nr. 128. 

Daß speziell dieser Abschnitt keinen unwesentlichen 
Beitrag zur Geschichte jener denkwürdigen Tage bildet, geht 
schon aus dem Umstand hervor, daß dieses Manuskript 
bereits in mehreren historischen Abhandlungen als ^uellen- 
werk angeführt ist. 

Wir erachten es als unsere Pflicht, das vorliegende 
Werk der Öffentlichkeit zu übergeben, weil es die Eindrücke, 
welche die rasch aufeinanderfolgenden Ereignisse im Feld- 
zugsjahr 1809 auf den Kaiser, seine Umgebung und die 



Feldzugsreise des Kaisers Franz 1809. 



189 



Bevölkerung ausübten, von einem Augenzeugen geschildert, 
frisch und wahrheitsgetreu wiedergibt. 

Skall schrieb auch dieses Reisetagebuch offenbar in der 
Absicht, daß dasselbe aufbewahrt und einst der großen 
Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht würde. Daß er selbst 
die Absicht gehegt hat, seine Reisetagebücher in Druck legen 
zu lassen, geht aus einer eigenhändigen Randbemerkung auf 
dem hier erliegenden Original hervor: „Das in der Privat- 
bibliothek Sr. Majestät des Kaisers and Königs befindliche 
Werk erscheint nun mit allergnädigster Bewilligung im 
Drucke." 

Tatsächlich ist dies bis heute nicht geschehen. 

Wenn solche Sehilderungen als Wiedergabe erster und 
unmittelbarer Eindrücke vielfach mangelhaft und lückenhaft 
sein müssen, so werden sie trotzdem für den Historiker von 
großem Werte sein. An solche Aufzeichnungen den Anspruch 
zu machen, wie an ein stilistisch glattes und abgerundetes 
Kunstwerk, wäre unrichtig ; es durfte ihnen daher nichts von 
ihrer kräftigen Frische und Unmittelbarkeit genommen 
werden. 

Skall wollte keine Geschichte schreiben : er befaßt sich 
nicht mit der fachgemäßen Besprechung der Operationen und 
Kämpfe; seine Arbeit soll nur Selbsterlebtes wahrhaft, dem 
persönlichen Eindruck entsprechend, lebendig wiedererzählen 
und damit den Leser gleichzeitig fesseln und unterrichten. 

Er selbst schreibt in seinem Vorwort zur Feldzugsreise : 
„Vieles und mancherlei ist über den unvergeßlichen Feldzug 
vom Jahre 1809, der stets ein bleibendes Interesse behalten 
wird, geschrieben worden. Der Verfasser, ein naher Zeuge 
jener Begebenheiten, ist keineswegs gesonnen, bekannte 
Dinge aufzuwärmen oder die Erzählung von Kriegsereignissen 
außer seiner Sphäre liegend zu wiederholen. Er beschrankt 
sich auf den Versuch, ohne Prunk einfach zu beschreiben, 
was er selbst gesehen, oder was ihm von glaubwürdigen 
Augenzeugen nach frischer Tat erzählt worden ist. Er gedenkt 
hier nur wenig von dem einzuschalten, was er seither darüber 
gelesen hat. Es ist ein Reisejournal, das durchaus keine 
höheren Ansprüche macht. Man soll daraus vor allem ersehen, 
wie sehr der Kaiser seine geheiligte Person bei allen Gelegen- 



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190 



Sommerogger. 



heiten Gefahren ausgesetzt und wie er es angefangen hat, 
sich jener enthusiastischen Liebe seiner Völker zu versichern, 
die ihm im Unglücke wie im Glücke zu teil geworden ist. 
Man wird übrigens herzerhebende Beispiele der reinsten 
Vaterlandsliebe und eine begeisterte Anhänglichkeit für Fürst 
und Vaterland, man wird eben auch nebst einem Teil des 
Innern vom Kaiserhof manche Charakterzüge und Anekdoten 
aus dem Leben des Kaisers und seiner erhabenen Familie 
kennen lernen — Perlen, welche in der Geschichte denselben 
Platz verdienen, der dem Hausschmuck in einer Schatzkammer 
gebührt." 

Unsere Stellung zu dieser Arbeit ist demnach gegeben: 
an der Schilderung der Erlebnisse des Verfassers, in der 
persönlichen Beurteilung von Verhältnissen durfte nichts 
geändert werden ; die Eigenart des Werkes mußte nach Form 
und Inhalt erhalten bleiben. Wir hatten daher nur hie und 
da etwas zu kürzen und für den Leser zu erläutern, was als 
Anmerkung in Fußnoten geschehen ist. Sogar die damals 
üblichen grammatikalischen Wendungen wurden, um die 
Eigenart der Schreibweise zu charakterisieren, beibehalten. 
Nur die heute übliche Orthographie ward bei der Veröffent- 
lichung zur Bequemlichkeit des Lesers angewendet. 

Der Verfasser führt vor der Einleitung mehrere an seine 
Person gerichtete Briefe des Obersthofmeisters Fürst von 
Trauttmansdorff als Beleg „für seine Glaubenswürdigkeit 
imd Zuverlässigkeit" an. Dieselben stehen jedoch mit dem 
nachfolgenden eigentlichen Reisetagebuch in keinem Zu- 



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Feldzugsreise Seiner Majestät des Kaisers Franz I. 
von Österreich etc. im Jahre 1809. 

Einleitung. 

Lange vor dem im Jahre 1809 ausgebrochenen Kriege 
zwischen Österreich und Frankreich gab es im Komplexe der 
österreichischen Monarchie wohl keinen Menschen, der daran 
gezweifelt hätte, es müsse zum Kriege kommen; ein un- 
beschreiblicher Enthusiasmus hatte sich aller Gemüter be- 
mächtigt. 

Die Ungarn, mit den deutschen Provinzen wetteifernd, 
brachten, ihre Rüstungen zu beschleunigen, große und ehren- 
volle Opfer. Viele der reichsten Güterbesitzer begaben sich 
persönlich zur Insurrektion; andere, deren Lage oder son- 
stigen Verhältnisse keine persönliche Teilnahme erlaubten, 
errichteten auf eigene Kosten fünfte Divisionen zu den 
k. k. Husarenregimentern *). So die drei Brüder Grafen Zichy, 
Franz, der Obergespan des Veszprimer Komitats, Karl, der 
k. k. Staatsminister, und Stephan, k. k. Kämmerer. So die 
Gräfin Keglevich, vermählt gewesene Gräfin Käroly, und 
viele andere. 

Am meisten zeichnete sich der durchlauchtigste Erz- 
herzog Primas von Ungarn Karl Ambrosius 2 ), ein Bruder 

*) Bei sechs Husarenregimentern gelangte im Laufe des Krieges 
dank der besonderen Opferwilligkeit der Bevölkerung Ungarns je eine 
fünfte Division, bei einem Regiment eine neunte Eskadron zur Er- 
richtung. 

*) Karl Ambrosius errichtete im Jahre 18U9 auch ein Spital 
fQr ungarische Krieger. Als er die an Typhus erkrankten Soldaten be- 
suchte, wurde er selbst von der verheerenden Krankheit ereilt und 
starb noch in demselben Jahre als Märtyrer seines Berufes. 



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192 



Sommeregge r. 



der Kaiserin Marie Luise von Österreich, und das Neutraer 
Komitat aus. welche, unabhängig von den sie treffenden 
Kontingenten zur Insurrektion, auf eigene Kosten zwei voll- 
ständig bewaffnete Kavallerieregimenter 1 ) gestellt haben u. s. w. 

Nicht wie in Ungarn durch die gebotene Personal- 
insurrektion vom Gesetze aufgefordert, aus freiwilligem An- 
triebe, und von persönlicher Anhänglichkeit und Treue gegen 
Kaiser and Vaterland geleitet, stellten sich die höheren Adels- 
geschlechter in Osterreich, Steiermark, Kärnten und Krain, 
Böhmen, Mähren, Schlesien und Galizien mit rührender Bereit- 
willigkeit unter die Paniere der Landwehr und suchten es 
dadurch den tapferen und edlen Ungarn wett zu machen. 
Es wäre außer dem Bereich dieser Blätter, alle Namen jener 
Edlen anzuführen, welche, wie die Grafen Hoyos, Attems, 
Althann, Kollowrat, Khuenberg, Ferdinand Colloredo 
und so viele andere a j sich in die Reihen gestellt hatten. Sie 
bleiben in den Annalen der Geschichte ein herzerhebeudes 
Beispiel der reinsten Vaterlandsliebe and einer begeisternden 
Anhänglichkeit für den Beherrscher des Staates, welcher trotz 
aller Unglücksfälle, die ihn bis dahin betroffen hatten, die 
Herzen seiner Untertanen an sich und sein erhabenes Haus 
gefesselt hatte. 

Auch die tapferen und biederen Bewohner Tirols, die 
im Laufe des damals noch immer nicht geendeten Revolutions- 
krieges die Kanonen auf ihren Schultern über Eisberge trugen, 
seit dem Frieden von Preßburg 1805 von ihrem Mutterstaate 
schmerzlich getrennt, konnten die österreichische Milde, 
welche ihren Altvordern, den Bürgern und Bauern, auf dem 
Landtage neben Äbten und Rittern zu sitzen erlaubt und sie 
zu einem Stande konstituiert hatte, eine Milde, der sie ihre 
vorzüglichsten Rechte, ihre heiligsten Privilegien verdankten, 
nicht vergessen. Sie waren von ihrem väterlichen Herrscher, 
Kaiser Franz L von Österreich, ihrem neuen Besitzer bei 
Abtretung des Landes besonders empfohlen worden. Der gab 

') Insurrektionstruppen. Der Fürstprimas und das Neutraer 
Komitat errichteten je ein Husarenregimont zu sechs Eskadronen 
(1011 Mann\ welche später der Feldarmee angegliedert wurden. 

*) Adelige, Gutsbesitzer, gediente Offiziere. Beamte traten frei- 
willig als Offiziere in die Landwehr ein. 



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FeldzuRsreUe de« Kaisera Franz 1909. 



193 



ihnen. 11. Jänner 1806, die Zusicherung ihrer Landesver- 
fassung und versprach die Handhabung ihrer Privilegien. 
Allein die neue bayrische Reichskonstitution vom 1. Mai 
1808 enthielt nichts von dem allen. Sie nannte das alte Tirol 
Südbayem, teilte es in den Inn-, den Eisack- und den Etsch- 
kreis und eine Rekrutierung wurde erwartet. 

Die immer eifriger vorgenommenen Verteidigungsmaß- 
regeln Österreichs waren auch auf den Bergen Tirols bekannt 
geworden imd die Hoffnung, sich von dem ungewohnten, 
allgemeinen Drucke befreit zu sehen, erhöhte sie zur Be- 
geisterung. 

Der Sandwirt Andreas Hofer 1 ) war im Februar 1809 
nach Wien gekommen, Se. Majestät den Kaiser um neue 
Verwendung bei dem Könige von Bayern zu bitten, und 
sprach *) von dem Wunsche ganz Tirols, sich bei dem Aus- 
bruche der Feindseligkeiten, den niemand bezweifelte, an 
Österreichs Sache anschließen zu dürfen. 

Der durchlauchtigste Erzherzog Johann, Bruder des 
Kaisers, der vor der Abtretimg Tirols des Ländchens aner- 
kannter Patron gewesen, hatte den Sandwirt Sr. Majestät 
für einen solchen Fall empfohlen. 

Mit gleichem Eifer hatte der durchlauchtigst 1 ? Erzherzog 
Karl, Generalissimus, ein anderer Brudor d-es Kaisers, im 
Verfolge seiner tief durchdachten Pläne, unter andern den 
Vorschlag gemacht, statt der Freikorps, welche in den vor- 
hergegangenen Kriegen errichtet worden waren, freiwillige 
Bataillone aus der Landwehr zu ziehen und sie an die aktive 
Armee anzuschließen. Se. Majestät genehmigten den Vor- 
schlag und diese freiwilligen Bataillone der Landwehr in 
Böhmen hatten den Namen: „Legion des Erzherzogs Karl", 
jene aus Österreich und Steiermark den Namen „Wiener Frei- 
willige *)" angenommen. 

') Mit dem Sandwirt Andreas Ho ( er aus Passeier traten noch 
der KalYeewirt Nessing aus Bozen und Peter Kreitter aus Lorenzen 
im Pustertal ein. 

*) Die Deputation wurde von dem aus Graz herbeigeeilten Erz- 
herzog Johann empfangen, welcher alle Wünsche beim Kaiser durch- 
gesetzt hatte. 

•) Außer den vom Vorlasser genannten 6 Wiener Freiwilligon- 
bataillouen und den 5 Bataillonen der Logion Erzherzog Karl in Böhmen 

MitteiluiiL-en des k und k. Kriag^irchivi Dritte Fol«o. V. Bd. 13 



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194 



Sommeregger. 



Den letzteren hatte Ihre Majestät die Kaiserin Marie 
Luise von Osterreich prächtige Fahnenbänder gestickt und 
sie ihnen hei einem feierlichen Handkuß, welchen sie dem 
Offizierskorps in der k. k. Burg, und zwar im Spiegelzimmer 
der höchstseligen Kaiserin und Königin Maria Theresia, 
vor dem Ausmarsche gestattet, selbst übergeben. 

Am 1. Jänner 1809 hatte der Kaiser Napoleon aus 
seinem Hauptquartier Astorga in Spanien durch ein Dekret 
80.000 Konskribierte aus der Altersklasse 1810 auszuheben l ) 
und sie schon mit 1. Februar in marschfertigen Zustand zu 
setzen befohlen. 

Doch begab er sich, wie versichert worden, auf die 
Nachrichten aus Deutschland nach Paris zurück, wo er am 
23. Jänner eingetroffen war 2 ). 

Am 2. Februar erließ Napoleon als Protektor des 
Rheinbundes ein Requisitorialschreibeu an den Fürsten Primas 
Erzbischof von Mainz, Freiherrn von Dalberg, und dieser 
hierauf ein Zirkularschreiben an die Könige, Großherzoge etc., 
ihre Kontingente 3 ) wegen der österreichischen Rüstungen 
unverzüglich zu stellen imd sogleich in marschfertigen Zustand 
zu setzen. 



wurden noch nachstehende Freibataillone autgestellt : 2 mährisch- 
schlesische Bataillone, 3 innerösterreichische Bataillone, 2 ostgalizische 
Biitaülone, 1 westgalizisches Bataillon, 1 Dalmatiner Freikorps und die 
Infanterieabteilung des schlesischen Freikorps Schill. 

') Das Kontingent von 1809 war vom Senat schon im Januar 
1808 zur Verfügung gestellt worden. Betreff Aushebung der Konskri- 
biorten vom Jahre 1810 sagt Belhomme in seiner Histoire de l'infan- 
terie : „Im Januar 1809 begann bereits die Aushebung der 30.000 Mann 
des Jahres 1810, am 26. April bewilligte der Senat die Aushebung 
weiterer 30.000 Mann zum Kontingent 1810 und von je 10.000 Manu 
der Jahrgänge 1806 bis 1809." 

*) Am 6. Januar in Valladolid eingetroffen, beschäftigte sich 
Napoleon eingehend mit der Zusammeuziehung einer großen Armee 
in Deutschland; am 16. desselben Monats aber eilte er nach Paris, wo 
er zur Überraschung aller am 23. Januar eintraf. 

*) Die Staaten des Rheinbundes hatten vertragsgemäß folgende 
Kontingente zu stellen: Bayern 80.000 Mann, Württemberg 12.000, 
Sachsen (Königreich) 2O.O0O, Westfalen 25.000, Baden 18.000; die 
kleineren Staaten von 40U bis 5000 Mann, so daß das Kontingent aller 
Staaten des Rheinbundes 1 18.050 Mann betrug. 



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Feidsugsreise den Kaisers Franz 1*©. 



195 



Inzwischen wurde mit den Einrichtungen in der öster- 
reichischen Armee fortgefahren. Man nannte außer dem 
General Grafen Griinne 1 ) den genialen k. k. General- 
([uartiermeister General Mayer von Heidensfeld, nach dessen 
Vorschlag die k. k. Armee eine von den vorhergegangenen 
Feldzügen ganz verschiedene Einteilung erhielt, Es wurden 
nämlich eigene Armeekorps gebildet, deren jedes für sich 
ein Ganzes von sämtlichen Waffengattungen vereinigte, seine 
eigene innere Verwaltung hatte und überhaupt so beschaffen 
war, daß es, von der Hauptarmee getrennt, einzeln agieren, 
mit ihr vereint dem Hauptquartier die Anordnungen er- 
leichtern konnte. Solche Armeekorps waren zusammen neun 
und überdies zwei Reservekorps errichtet worden, ohne die 
Masse der Landwehren und die der ungarischen Insurrektion 
zu rechnen. Jedes der erwähnten Korps hatte seinen eigenen 
Kommandanten, Adjutanten, Chef des Generalstabes und der 
Artillerie. 

Der durchlauchtigste Erzherzog Karl war Generalissimus 
der sämtlichen Armeekorps, deren effektiver oder ausrückender 
Stand sich über 280.000 Mann 2 ; und über 80.000 Pferde 
belief und überdies eine Artillerie von drei-, sechs- und 
zwölfpfündigen Kanonen, dann von Haubitzen hatte, welche 
zusammen über 750 Stücke ;l j zählte. Der durchlauchtigste 
Generalissimus war von Sr. Majestät übrigens mit den aus- 
gedehntesten Vollmachten im Belohnen und Bestrafen ver- 
sehen, in seinen Operationen aber von dem k. k. Hofkriegs- 
rate durchaus unabhängig. 

Der durchlauchtigste Erzherzog Maximilian Este, 
Bruder Ihrer Majestät der Kaiserin Maria Luise, war 
Generaldirektor der Artillerie. 

Die übrigen Brüder des Kaisers und der Kaiserin, Erz- 
herzoge Johann, Ludwig und Ferdinand, hatten eigene 



») Oeneraladjutant des Generalissimus. 

') Nach dem Original im k. u. k. Kriegsarchiv betrug der kom- 
plette Kriegsstand der k. k. Feldtruppen mit 1, März 1S09 470.(556 Mann 
und 44.11)9 Pferde. Diese Sollstärke wurde bei Kriegsbeginn weitaus 
nicht erreicht 

3 ) Der Ausrüstungsentwurf sah die Mobilisierung von 742 Feld- 
geschützen in 108 Batterien vor. 

13* 



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196 



SommereggAr. 



Armeekorps kommandiert, und zwar der durchlauchtigste 
Erzherzog Johann das 8. und 9. Armeekorps, welches die 
Armee von Italien genannt wurde, der durchlauchtigste Erz- 
herzog Ludwig das 5. Armeekorps und der durchlauchtigste 
Erzherzog Ferdinand das 7. Armeekorps. 

Uber die innere Einrichtung aller Armeekorps sowie 
über die militärische Geschichte dieses Feldzuges überhaupt 
gibt das zu Wien im Jahre 1811 bei Strauß erschienene 
klassische Werk: „Der Krieg vom Jahre 1809" den besten 
Aufschluß, nur ist zu bedauern, daß es nicht vollendet 
worden 1 ). 

Am 1. März 1809 hatte Frankreichs Gesandter, General 
Andre ossy, Wien verlassen und die k. k. Armee wurde auf . 
den Kriegsfuß gesetzt. 

Se. Majestät der Kaiser, von dem festen Entschlüsse 
beseelt, sich in der Nähe der Hauptarmee aufzuhalten, 
schritten nun zu den Dispositionen über, welche für das 
Innere ihres Hofes nötig waren. 

Sogleich bei ausbrechendem Kriege wurde die Vorsicht 
gebraucht, die kaiserliche Familie und alle Effekten von Wert 
zu sal vieren. Hiezu mußten die Vorbereitungen so geräuschlos 
als möglich gemacht werden. Ihre Majestät die Kaiserin mit 
den durchlauchtigsten Erzherzogen und Erzherzoginnen, 
Söhnen und Töchtern des Kaisers, erhielten die Bestimmimg, 
sich auf den ersten Wink einstweilen nach Ofen zu begeben 
und der Kaiser hatte, wie er es bisher bei dem Antritte jedes 
Feldzuges getan, sein Haus bestellt. 

Folgendes war die Suite Sr. Majestät für die Feld- 
zugsreise : 

Der k. k. Oberstkämmerer Graf Rudolf von Wrbna, 
zugleich Reiseoberleiter, der k. k. Rimontierungsinspektor 
General Graf Ferdinand Bubna, der k. k. Generaladjutant 
Oberst von Kutschera. 

Vom geheimen Kabinette Sr. Majestät: der Hofrat 
und geheime Kabinettsdirektor von Neuberg, der geheime 

•) Statt erbe im, „Der Krieg von 1809 zwischen Österreich und 
Frankreich"; das Werk wnrde jedoch später vom FZ M . Baron Weiden, 
und zwar vom Anfang Mai bis zum Friedensschluß fortgesetzt und 
vollendet. 



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Feldzugsreiae des Kaifers Franc IhOP. 



197 



Kabinettssekretär von Varady, die Offiziale Dufour und 
Mayer von Grafenegg. 

Von der geheimen Haus-, Hof- und Staatskanzlei : der 
k. k. dirigierende Minister der auswärtigen Angelegenheiten 
Graf Johann Philipp von Stadion, die Hofsekretäre von 
Wacken und Freiherr Niklas von Krafft, der Hofkonzipist 
von Lebzeltern, die Offiziale von Schwaiger, Freiherr von 
Daiser, Derch und von Zareniba. 

Vom k. k. Staatsrate für die inländischen Angelegen- 
heiten: die Staats- und Konferenzräte Freiherr von Baldacci 
und Graf Chorin sky, die Offiziale von Doppelhofen 1 ) und 
von Pillersdorf. 

Vom k. k. Obersthofmeisterstabe: k. k. Arcierenleib- 
garden: der Garde- und Sekondwachtmeister Rittmeister 
Freiherr von Henneberg, die k. k. Garden und Rittmeister 
von Gansei 2 ), von Sebes, von Schwab 3 !, von Wieser 4 ), 
von Portpis chel*\i und Brühl, 4 Bediente. 

Königliche ungarische Leibgarden! Unterkommandant 
der Freiherr von Henneberg, die k. k. Leutnants und 
Garden von Medzihradskv, von Illyes, von Mo rw ay, von 
Adam, von Bodo, von Haan, 4 Reitknechte, 3 Feldlehen- 
knechte. 

K. k. Hofburgwache: der k. k. Hauptmann und Kom- 
mandant Chevalier Wilson, 1 Feldwebel, 4 Korporale. 2 Yize- 
korporale. 64 teils berittene, teils unberittene Gemeine, 
1 Fourierschütz. 

Von der k. k. Hofwirtschaft: der k. k. Rat und Hof- 
kontrollor Joh. Bapt, Skall zur Leitung der Hofwirtschafts- 
angelegenheiten, der k. k. Hofwirtschaft skassakassier Barten- 
schlag als Reiserechnungstührt l , 1 Kassadiener, der k. k. Hof- 
kücheninspektor Knötzl, 1 Mundkoch, 1 Hofkoch, 6 Gehilfs- 
köche, 1 Küchenträger, l Hofzuckerbäcker, 1 Gehilfe. 2 Silber- 
dienergehilfen, 1 Tafeldeckergehilfe. 

M Nach dem Hof- und Stnatsschemntisinus 1809 werden folgende 
Namen richtiggestellt: Freiherr von Doblhof-Dier. 
*) Josef G an sei. 
3 ) Franz Schwab. 
*\ Wie 3ii er von Wiesenheim. 
■) Pospischel von Freieufeld. 



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198 



Sommeregge r. 



Vom k. k. Oberstkämmererstabe: der k. k. Hofrat und 
Leibarzt von Stift, der Hofchirurg Gerstl, 1 k. k. Kammer- 
diener, 1 Kammerheizer, 1 Sesselträger. 

Vom k. k. Oberststallmeisterstabe: der k. k. Oberbereiter 
Hauser, der Feldbereiter Lechner, 1 k. k. Hofbüchsen- 
spanner, 5 Leiblakaien, 2 k. k. Futterknechte, 19 Reitknechte, 
16 Postillone, 1 Wagenmeister, 3 7 Feldlehenknechte, 3 Schmiede; 
die nötigen Pferde und Wagen, davon sich die Zahl der 
Reit-, Wagen- imd Postzugpferde über 300 Stück belaufen 
hatte. 

Die Feldsuite Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauch- 
tigsten Erzherzogs Johann war außer der militärischen Suite 
von Generaladjutanten u. s. w. der Obersthofmeister, k. k. 
General - Feldmarschalleutnant Graf von N i m p t s c h , zu- 
gleich Reiseoberleiter: der k. k. Hofkontrolloramtsoffizial 
von Coekelberghe, zugleich Reisercchnungsführer. 1 k. k. 
Kammerheizer, 2 k. k. Hofköche. 1 Tafelgehilfe, 4 Leib- 
lakaien, 1 Feldbereiter, 12 Reitknechte mit den nötigen 
Pferden. 

Die Feldsuite Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauch- 
tigsten Erzherzogs Ludwig wurde gleichfalls vom Hause 
des Kaisers bestimmt und war außer der Militärsuite, wozu 
der k. k. General-Feldmarsehalleutnanl von Lindenau und 
mehrere Adjutanten gehörten, der k. k. Kämmerer und Oberst 
Freiherr von Enzen berg als Reiseoberleiter, der k. k. Hof- 
kontrolloramtsoffizial Magner als Reiserechnungsführer, ein 
k. k. Kammerdiener, 2 k. k. Hofköche, l Tafelgehilfe. 1 Feld- 
bereiter, 4 Leiblakaien, 12 Reitknechte mit den nötigen 
Pferden. 

Die Suite für Ihre Majestät die Kaiserin und für die 
Allerhöchste Familie wurde erst bei der wirklich eingetretenen 
Abreise nach Ofen bestimmt. 

An der Spitze der Geschäfte in Wien hatte der Kaiser 
seinen Herrn Bruder, den durchlauchtigsten Erzherzog Rainer, 
zurückgelassen. 

Am 25. März 1809 war das kaiserlich österreichische 
Kriegsmanifest erschienen, welches den ausgezeichneten Ge- 
lehrten Friedrich von Gentz. der später mit dem Gelehrten 
Friedrich Schlegel in der Ministerialkanzlei des durch- 



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FAlüsugsreise des Kaisers Frans 1809. 



199 



lauchtigsten Erzherzogs Generalissimus verwendet worden*), 
zum Redakteur kaben soll ! ). 

Auffallend tiarin mockte der enthüllte Antrag des fran- 
zösischen Kabinetts gewesen sein. Se. Majestät den Kaiser 
von Österreich in die Auflösung und Teilung eines benach- 
barten Reiches (Preußen) zu beziehen. Er wurde abgelehnt. 

Es wäre vergebene Mühe, den Enthusiasmus, den Mut 
imd die frohe Zuversicht schildern zu wollen, welche sich 
der Gemüter aller Bewohner des Kaiserstaates bei dem Aus- 
bruche des Krieges bemächtigte. 

Der Gedanke, sich bezwungen und von einem anderen 
Herrscher unterjocht zu sehen, ist jedem Österreicher un- 
erträglich ! 

Bei allen Anlässen in den Theatern der Hauptstadt, bei 
allen Akademien und überall, wo Beziehungen auf die Lage 
der Umstände vorkamen, hatte sich dieses Gefühl aufs lauteste 
ausgesprochen. 

Die schönen Wehrmannslieder-», welche unser vater- 
ländischer Dichter Heinrich von Coli in, von der erhabenen 
Idee der Landwehr ergriffen, schon im Herbst des Jahres 1808 
gedichtet und die beiden k. k. Kapellmeister Josef Weigl 
und Adalbert Gyrowetz in Musik gesetzt hatten, wurden 
mit Enthusiasmus gehört und aufgenommen. 

Itinerar 3 / 8r. Majestät des Kaisers und Königs im 

Jahre 1809. 

Die imposanten Heere Sr. kaiserlichen Majestät waren in 
Bewegung, der Ausbruch der Feindseligkeiten bestimmt 
(10. April 1809), der Tag der Abreise Sr. Majestät fest- 
gesetzt. 



*) Anmerkung des Verfassers: Als es in der Hauptstadt bekannt 
geworden war, daß Gentz und Schlegel bei der Armee angestellt 
seien, machten die jovialen, immer gutmütigen Wiener flugs den 
Calembourg: ,,Nun kann es der Armee an nichts fehlen, sie habe Gentz 
(Gans, Gänse) und Schlegel." 

') Gentz war tatsächlich der Verfasser des kaiserlichen Kriegs- 
manifestes. 

*) Unter dem Namen „Landwehrlieder" 1809 erschienen. 
3 ) Keisetagbuch. 



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200 



Sommeregger. 



Es war am 8. April 1809, morgens 6 Uhr, als sich der 
Kaiser auf die Reise begab. Mit ihm in einem Wagen fuhr 
der k. k. Oberstkämmerer Grat von Wrbna. Ihre Majestät 
die Kaiserin, Ihre kaiserliche Hoheit die Erzherzogin Marie 
Luise, Prinzessin Tochter Sr. Majestät und die durch- 
lauchtigsten Erzherzoge Kainer und Rudolf 1 » begleiteten 
den Kaiser bis an den Wagen in den Schweizerhof, wo eine 
große Menge Menschen der Abreise geharrt hatte. 

Rührend war der Abschied Sr. Majestät von den kaiser- 
lichen Kindern, rührend von der erhabenen Gattin, von der 
geliebten Tochter und den Erzherzogen Brüdern 2 ), bei welchen 
der Kaiser seit dem Jahre 1792 Vaterstelle vertreten hatte, 
und die er noch am Wagen der Reihe nach umarmte. Lautes 
Schluchzen hatte man gehört und Ihre Majestät die Kaiserin 
sowie die Erzherzogin Marie Luise schwammen in Tränen. 

Männlich standhaft, wenn schon nicht ohne Rührung, 
saß der Kaiser in den Wagen ein und dahin flogen mit ihm 
die sechs Schimmel. Ebenso rasch folgten noch zwei andere 
Wagen der Begleitung, während der übrige Teil der großen 
Stüte nach Kemmeibach vorausgesendet worden ist. Es war 
ein rauher, unfreundlicher, mit Schnee und Regen ab- 
wechselnder Morgen! 

Bei der Kirche Mariahilf — Vorstadt Laimgrube — 
ließ der fromme Monarch halten, stieg aus, kniete vor dem 
Altar des Herrn und sendete heiße Gebete bei einem stillen 
Meßopfer, dem er beigewohnt, zu Gott empor. 

Am nämlichen Tage war in der Residenz ein kaiser- 
liches — nein! ein väterliches Patent 3 ! ersc hienen, in welchem 
Se. Majestät von ihren Völkern Abschied genommen und sie 
von dem bevorstehenden Beginne des Krieges in Kenntnis 
gesetzt hatten. Kein Minister hatte dieses Patent, kontra- 
signiert, der Kaiser allein es unterzeichnet. 

Um Vi2 Ihr nachmittags hatte Se. Majestät die 
7 1 s Po>ten bis Kemmeibach bereits zurückgelegt, hier ein 
kurzes Mittagsmahl genommen und sogleich die Reise nach 

') Der nachmalige Kardinal Erzbischof von Olmütz. 
*) Rainer und Rudolf. 

') Proklamation des Kaisers von Österreich an die Völker seiner 
Monarchie. 



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Feldrogareise des Kniaers Franz 1809. 201 

Kn iis fortgesetzt, wo sie um Vi 9 Uhr abends angelangt, im 
Wirtshause abgestiegen sind und das Städtchen jubelnd und 
hell erleuchtet angetroffen hatten. 

Überall, wo der Kaiser durchgekommen, scholl ihm 
Jubel entgegen. Je nachdem eines oder das andere auf dem 
Marsche oder stationiert vorhanden gewesen, paradierte 
Landwehr oder Militär. Nicht hatte man des schlechten 
Wetters geachtet, eine Menge Menschen war von allen Seiten 
herbeigeströmt, des Anblickes des Kaisers froh zu werden. 
Seine Huld, seine Herablassung, seine Leutseligkeit hatte all- 
gemein entzückt! 

Auf den nahen, eben mit Schnee bedeckten Bergen 
Oberösterreichs zwischen Klein-München und Haag, wo der 
Kaiser am Sonntag, den 9. April, angekommen war, hatten 
besonders die herbeigeeilten Weiber in ihrem Sonntagsstaate, 
mit großen weißen runden Filzhütchen, in schwarzen Leibchen, 
und mit himmelblauen Schürzen recht malerischen Effekt 
gemacht. 

Der Kaiser war zu Haag im Wirtshause abgestiegen 
und übernachtete daselbst. 

Hier wurde der k. k. Sekond Wachtmeister und Arcieren- 
garde Freiherr von Henneberg in Ermangelung eines den 
Dienst als Hufquartiermeister versehenden k. k. Kammer- 
fouriers und Hoffouriers als Quartiermacher für Se. Majestät 
und das Hotlager bestimmt. Er hatte den Auftrag erhalten, 
sogleich in der Nacht mit dem k. k. Hofkontrollor nach Alt- 
heini vorausgehen, damit die Quartiere für Se. Majestät und 
die Suite für den kommenden Tag bereitet und die sonst 
nötigen, dem Hofkontrollor obliegenden Anstalten getroffen 
werden. 

Eben waren bei Ankunft des Ifofkontrollors die letzten 
Wagen von der Suite des durchlauchtigsten Erzherzogs 
Generalissimus, Höchstweicher die Hauptstadt am 6. April 
verlassen, sein Hauptquartier am 7. zu Ried, am 8. zu Alt- 
heim, am 9. zu Braunau genommen hatte, hinweggefahren. 

Der Jubel und der Zusammenfluß von Menschen in Alt- 
heim ist keiner Beschreibung fähig. Mit Enthusiasmus 
erzählte man, binnen wenig Tagen seien mehr als 
100.000 Mann der schönen kaiserl. österr. Armee hier durch 



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202 



Sommeregge r. 



gegen Braunau marschiert. Erzherzog Karl habe sie mit 
Wonne von 2 Uhr nachmittags bis 8 Uhr abends vorbei- 
defilieren lassen. 

Am 10. April setzte die Armee unter den heftigsten 
Regengüssen jubelnd über den Inn und brach in Bayern ein. 

Mit einem Sehreiben vom 9. April l ) hatte der Erz- 
herzog Generalissimus den König Max Josef von Bayern 
zu München eingeladen, sich der Rechtlichkeit Sr. Majestät 
des Kaisers von Österreich und dem Schutze seiner Armee 
anzuvertrauen. Allein der französische Gesandte war noch in 
München, von wo nur wenige Tage vorher der kaiserlich 
österr. Gesandte Abbe Graf Friedrich Stadion abberufen 
worden, und der Erfolg war kein anderer, als eine Empfangs- 
bestätigung des königlich bayrischen Ministers Freiherrn 
von Montgelas*). 

Noch ist nachzutragen: 

a) daß der durchlauchtigste Erzherzog Ludwig am 
7. April von Wien über Haag zum 5. Armeekorps, das unter 
seinen Befehlen stand, nach Obernberg abgegangen war; 

In da Ii der durchlauchtigste Erzherzog Johann. 
Höchstweicher gewöhnlich in Graz residierte, die für ihn 
bestimmte k. k. Hofsuite, welche am 6. März von Wien auf- 
gebrochen war, vom 12. bis 23. März zu Bruck an der Mur 
halten, am 25. nach Graz kommen lassen, von da am 29. 
nach Marburg an der Drau, und am 3. April nach Villach 
vorausgesendet habe, wohin er am 7. von Graz nach- 
gekommen war. Während der Erzherzog mit seiner Militär- 
suite am 8. April von Villach aufgebrochen, sich nach Tarvis 
begeben hatte, folgte ihm die Hofsuite am 9. April dahin 
nach, traf ihn aber schon nicht mehr daselbst, da er mit der 
Militärsuite über den Predil nach Flitseh abgereiset und über 
Caporetto am 11. April ins feindliche Gebiet eingerückt war. 

l ) Dieses Sehreiben ist vom 8. April. 12 Uhr nachts, datiert. 

*j Man setzte wohl keine besonderen Hoffnungen in die Ent- 
schließung des Königs, wollte aber nichts unversucht lassen, um die 
Bayern sowie alle anderen Deutschen auf die eigene Seite zu bringen, 
weshalb auch eine Proklamation an die bayrische Armee und eine 
andere an die deutsche Nation vorbereitet wurden, welche nach Über- 
schreiten der Grenze allenthalben veröffentlicht werden sollten. 



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Feldzngsreiso dea Kaisers Franz IhOB. 



203 



Durch diese Umstände, verbunden mit den Bewegungen der 
Armee, gelang es ihm, den Feind völlig zu täuschen. 

c) Daß endlich der durchlauchtigste Erzherzog Ferdinand 
Este, Höchstweicher sich schon früher aus der Hauptstadt auf 
seinen Posten als kommandierender General in Mähren und 
Schlesien, nach Brünn begeben hatte, nun auch die Reise zu 
dem 7. Korps, das unter seinen Befehlen stand, angetreten 
habe, welches Korps gegen das Herzogtum Warschau ge- 
richtet war, sich bei Odrzywol versammelte, um über die 
Pilicza vorwärts Krakau, wo die polnische Armee schon seit 
5. März 1809 auf dem Kriegsfüße gegen Galizien stand, bei 
Nowemiasto in das Herzogtum Warschau einzudringen und 
(Galizien zu decken, welches auch von den Russen, die sich 
bei Dubno versammelt hatten, bedroht war. 

Seine Majestät der Kaiser von Osterreich waren nun am 
10. April 1809 zu Altheim angelangt, wo sie ihr Hoflager 
aufgeschlagen und die Wohnung im Posthause genommen 
hatten. Die Bewohner der Umgegend waren zusammen- 
geströmt und empfingen den Kaiser mit unbeschreiblichem 
Jubel. 

Hier repräsentierte sich der mit den Funktionen des 
Armeeministers 1 ) beauftragte k. k. Staats- und Konferenz- 
minister Graf Karl Zichy Sr. Majestät. Zugleich sah man 
den von München zurückgekehrten k. k. Gesandten Grafen 
Friedrich Stadion, einen Bruder des k. k. Ministers der 
auswärtigen Angelegenheiten, doch nicht im Abbemäntelchen, 
sondern in einer österreichischen Armeeuniform. 

Am folgenden Tag. den 11. April, kam die Nachricht, 
daÜderFML. Dedovich 2 i in Passau eingerückt sei. Unmittel- 
bar darauf hatten einige Jäger vom 1. Bataillon Landwehr 
des Inn vierteis einen französischen Ingenieuroftizier < offieier 
geographei mit 1 Sergeanten und 8 Gemeinen ins Hoflager 
gebracht, welche am 10. bei Passau gefangen genommen 
wurden. Diese sagten aus. Prince Charles habe Passau 
überrumpelt und ohne Blutvergießen genommen. GL. Mon- 
tigny habe sich kaum ins Überhaus flüchten können. Die 
Österreicher, wenn sie eine Viertelstunde früher gekommen 

') Höchste Beamteiistelle in der Armee. 

*) Diviaionür beim 4. Korps unter Fürst Rosenberg. 



204 



Sommeregge r. 



wären, würden auch das Oberhaus bekommen haben. Dem 
Hauptmann wurde ein sehr schöner topographischer Plan der 
Umgegend von Passau abgenommen und er mußte auf Befehl 
des Kaisers an der Kontrollorstafel bewirtet werden*). 

Nach Tische hatte Se. Majestät, in einen schlichten 
Kap ottrock gekleidet, in Begleitung des Oberstkämmerers 
einen Spaziergang gemacht. Dem französischen Gefangenen 
wurde der Kaiser im Vorüberkommen gezeigt. Er wollte die 
Identität bezweifeln und bewunderte, nachdem er überzeugt 
worden, die hohe Einfachheit des Monarchen. Mit vieler 
Grazie schwang er hierauf seinen Bündel über seine goldenen 
Epauletts und begab sich leichten Sinnes zur Eskorte, die 
ihn weiter beförderte. 

Kurz vorher waren zwei Bataillone Landwehr, „Wiener 
Freiwillige", durch Altheim marschiert. Einer im Zuge 
mochte den Kaiser am Fenster erblickt haben. Auf ein- 
mal ertönte ein tausendfaches Vivat, das die stark besetzte 



*\ Anmerkung des Verfassers: Dio Einteilung der Tafeln im Hof- 
lager war folgende: 

I. Die Tafel Sr. Majestät. 

II. Di« Oberstkämmerertafel, welche jedoch während der Dauer 
der Feldzugsreise nicht gleichförmig gehalten wurde. 

III. Die Tafel des k. k. Hofkontrollors. 
IY\ Der Hofoffizierstisch. 

V. Der k. k. Laiblakaien- und Bediententisch. 

An dio Tafel Sr. Majestät gelangten außer den Ministern, dem 
Oberstkämmorer, dem Oeneraladjutanten und den geladenen Generalen 
die Staats- und Konferenzräte. Wenn sich Se. Majestät jedoch zurück- 
gezogen hatten und nur mit ihrer Familie speisen wollte, gelangten die 
hier Genannten zur Tafel des Oberst kämmerers oder speisteu wie der 
k. k. Kabinettsdirektor für sieh zu Hause. 

An die Kontrollorstafel wurden alle bei der Suite weiter oben 
verzeichneten Individuen des geheimen Kabinetts, der geheimen Haus-, 
Hof- und Staatskanzloi, des Staatsrates, der Obersthofstäbo mit Ein- 
schluß der Garden, dann die Offiziere der Grenadiorswache gewiesen. — 
Die übrigen Tische erklären sich selbst. Nur hatte das niedere 
k. k. Stallpersonal statt der Verkostung in natura eine Zulage per 
Kopf erhalten, und dio Mannschaft der zur Bewachung Sr. Majestät im 
Hoflager aufgezogeneu k. k. Grenadierkompagnie, welche vom Feld- 
webel abwärts aus 139 Mann bestand, hatte statt der dem Militär in 
der k. k. Burg zu Wien gewöhnlich erfolgten Xaturalportionen täglich 
eine Zulage im Gelde bekommen. 



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Feldzugsreise des Kaisers Franz 1809. 



20ä 



türkische Musik, welche spielte, weit übertönt und noch in 
der Ferne auf der Straße fortgehallt hatte. 

Das Hoflager Sr. Majestät sollte nächster Tage nach 
Braunau verlegt werden und ein Teil der k. k. Stallpartei 
hatte sich nebst zwei königlich ungarischen Leibgarden am 
12. April einstweilen wirklich voraus nach St. Leonhard in 
Bayern begeben. 

Die Bewohner von Passau hatten einen Aufruf des Erz- 
herzogs Generalissimus an die deutsche Nation zur Stelle 
abdrucken und 2000 Exemplare davon unter das Landvolk 
verteilen lassen*). 

Der durchlauchtigste Erzherzog Anton, Hoch- und 
Deutschmeister, Bruder des Kaisers, war am 11. April im 
Hoflager zu Altheira eingetroffen und war sonach fortwährend 
bei Sr. Majestät geblieben. 

Am 13. April gegen Mittag war das Hoflager in 
Braunau angelangt. Se. Majestät bewohnten das Haus des 
Gastwirtes Fink. 

Mehrere Kundschafter, die eingebracht wurden, meist 
bayrische Landrichter, versicherten, der Landmann in Bayern 
flüchte aus seinen Hütten, allein ein Ausflug, den ein Teil 
der k. k. Suite am Nachmittage über den Inn durch die 
Verschanzungen, welche von den k. k. Truppen eben an- 
gefangen worden waren, nach dem bayrischen Dorfe Simbach 
gemacht hatte, erwies das Gegenteil. Die Einwohner waren 
hier an der Grenze ruhig in ihren Kütten geblieben. Das 
kömgl. bayr. Wappen bei der Maut wo sich, im Vorbeigehen 
erwähnt, eine sehr einfache Wagbrücke befand, das Gewicht 
der Güterwagen, welche darüber fahren mttLJten, schnell zu 
erheben), sowie jenes am Landgerichtshause sind unversehrt 
belassen worden. — Noch mehr! In demselben Augenblicke 
waren zwei Bataillons österr. Landwehr jubelnd dortselbst 
eingerückt, denen mehrere ungarische und kroatische Re- 
gimentsabteilungen, gleichfalls jubelnd auf dem Fülle gefolgt 
waren. Sie hatten Tabak, Obst und Brot (welch letzteres der 

•) Anmerkung des Verfassers: Späterhin hatte man sich in bozug 
auf dieses Kreignis mit einer prophetisierenden Äußerung des Kaisers 
Napoleon herumgetragen. ,.Xi les autrichiens, ni lours proclamuüons 
passeront le Lech,'' hieß es. 



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206 



Sommerlager. 



starken Durchmärsche wegen etwas rar geworden) gekauft 
und alles bar bezahlt. Dabei wurden die Bankozettel im 
selben Stammwerte angenommen und ein kaiserlicher Silber- 
zwanziger galt, wie gewöhnlich, 24 Kreuzer Reichswährung 
Leichtgeld. 

Statt, wie zuerst bestimmt worden, bei Braunau über 
den Inn zu gehen, begaben sich Sc. Majestät am 15. April 
mit dem Hoflager von Braunau zurück 1 » über Altheim nach 
Obernbiirg 2 ) oder Obernberg, speisten hier im Kameral- 
schlosse zu Nacht und trafen am 16. in Schärdiiig ein. 
Hier war bei Ankunft des Kaisers die Bürgermiliz mit 
der Fahne aufgezogen imd der Stadtturmwächter hatte 
unaufhörlich in die Trompete geblasen. Seine Majestät be- 
wohnte das Wirtshaus nicht weit vom Stadtturme. Das 
Städtchen war abends schön erleuchtet. 

Am folgenden Tage, 17. April, hatte ein Tiroler Unter- 
offizier, weil eben kein Hauptmann entbehrt werden konnte, 
die Nachricht von dem am 9. April erfolgten Einrücken des 
k. k. FML. Marquis Chasteler mit einer Abteilung der 
k. k. Armee in Lienz überbracht. Mit dem größten Jubel 
habe man ihn empfangen. Die Landsleute hätten jedoch das 
weitere Vorrücken der Armee in ihrem Eifer nicht erwarten 
können, zumal auch die Bewohner fies Iuntales sich erhoben 
haben. Man hält«' sich dann mit dem Feinde an mehreren 
Orten geschlagen und ihn bis zum 14. April (an welchem 
Tage der Kurier ins Hoflager Sr. Majestät expediert worden 
seit 1500 Mann Kavallerie entwaffnet, einen französischen 3 ) 
und einen bayrischen 4 ! Uerieral nebst 7000 — 8000 Mann 
Bayern und Franzosen gefangen genommen und acht Kanonen 
erobert. Die kais. Armee sei in Innsbruck, Hall imd Kufstein, 

') Diese Abänderung der Reiseroute findet ihre Erklärung in 
einem Schreiben des Erzherzogs Karl de dato Neumarkt, 14. April 1801», 
an Kaiser Franz, in welchem er den Kaiser bittet, er möge sein 
Hauptquartier nach Schärding verlegen, wo es gegen Überraschungen 
sicherer wäre als in Braunau ; bei der Armee selbst fände sich für das- 
selbe gewiß keine geeignete Unterkunft. < K. A., F. A. l.SU'J, Haupt- 
armee, IV, 162.) 

') Obernberg. 

3 ) General Bisson. 

*) General Kinkel. 



FeltUußsreise des Kaiserg Franz 1809. 



207 



lind die Tiroler wollen sich gleich den Landwehren an die 
österreichische Armee anschließen. 

Diese Nachricht hatte Se. Majestät so sehr erfreut, daß 
sie aus ihrem Kabinette herauskamen, solche im Vorzimmer 
allen Anwesenden mitgeteilt hatte, dem Tiroler zu essen zu 
geben befohlen und ihm bei Höchstihrer Tafel, an welche 
der unter dem Namen eines Grafen von Haag eben im Hof- 
lager angelangte Prinz Friedrich von Oranien 1 ) geladen 
war, die große goldene Ehrenmedaille selbst einhändigte : auch 
indem sie sich ein Glas Tokayer kredenzen ließen, auf die 
Gesundheit der tapfern Tiroler tranken. 

Die hellen Tränen rollten dem bärtigen Tiroler dabei 
über die Wangen. Begeistert ergriff er das Glas, aus welchem 
sein Kaiser getrunken hatte, schwang es hoch in die Lüfte, 
rief entzückt: „Vivat, der Kaiser soll leben!" und trank es 
vollends aus, behielt es dann für sich zum Andenken, und 
versicherte, diese Gesundheit würde ihm, wenn er heimkäme, 
jeder Tiroler freudig bringen. 

Nachmittags fuhr der Kaiser durch die über den Imi 
auf bayrischem Gebiete angelegten Verschanzungen, die von 
einem sehr großen Rayon waren, gegen Kloster Voraberg 
auf einen Hügel, um von da das Oberhaus zu besehen, und 
beschloß, diese Zitadelle bombardieren zu lassen. Die 
Franzosen hatten gerade an diesem Tage auf jeden ein- 
zelnen gefeuert, der ihnen in den Schuß gekommen war. 
Auch vorüberkommende Weiber waren nicht verschont 
geblieben. 

Bei der Zurückkunft des Kaisers war das Städtchen 
Schärding wegen der Nachrichten aus Tirol glänzend 
beleuchtet. Der Kurier wurde am folgenden Tage nach 
Hause abgefertigt. 

Er hatte das Proklam des Kaisers an die Tiroler über- 
bracht, welches sie das kaiserliche Handbillett nannten und 
das von Schärding, den 18. April 1809, datiert war. 

Am 20. April hatte der Kaiser den Major Wopaterny 
vom Bombardierkorps nach Passau gesendet, das Bombarde- 
ment der Zitadelle zu beschleunigen. 



l ) Nachmaliger König Wilhelm I. '1er Niederlande. Siehe S. 2,'>ti. 




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208 



Sommereggor, 



Einige Tage waren am Hoflager ohne Neuigkeiten vor- 
übergegangen, und man wäre versucht gewesen zu glauben, 
der Kaiser habe bloß eine Lustreise unternommen, hätten 
nicht die nachgekommenen Transporte von Munition, Kanonen, 
Bomben, Pontons und Viktualien an den Kriegszustand 
erinnert. Alles jubelte, was den Kaiser zu Gesichte bekam 
und die Sehärdinger ließen sich's nicht nehmen, Se. Majestät 
vom Stadtturme aus täglich bei der Mittagsmahlzeit mit 
Trompeten und Pauken zu bewillkommen, was der Kaiser 
aus Huld und Güte nicht nur nicht untersagt hatte, sondern 
woför diese Stadtmusiker noch insbesondere beschenkt 
wurden. 

Bei den zu dem großen Heere nachmarschierenden 
Truppen bemerkte man zuerst, daß sie nach der Weise der 
Russen Kriegslieder sangen, worunter man manchmal eines 
von den Wehrmannsliedern Co Hins wahrgenommen. Am 
meisten hatten die Grenadiere Kriegslieder angestimmt. 

In diesen Tagen hatte Se. Majestät ihren Herrn Schwager, 
den durchlauchtigsten Erzherzog Franz Este, Herzog von 
Mo de na, zu ihrem Gouverneur in den Königreichen Galizien 
und Lodomerien ernannt, wohin dieser Prinz demnächst ab- 
reisen sollte. 

Der durchlauchtigste Generalissimus ließ dem Kaiser 
anraten, sieh mit dem Hoflager nicht eher über die Grenze 
nach Bayern zu erheben, bis die Armee den Lech über- 
schritten haben würde. 

Es sei nun erlaubt, einen Blick auf die in der Haupt- 
stadt zurückgelassene Allerhöchste Familie und die übrigen 
getreuen Bewohner zu richten. 

Während der größere Teil der Jugend von Wien im 
Felde stand, versah die bewaffnete Bürgerschaft den Garnisons- 
dienst mit einer Ordnung. Pünktlichkeit und Ruhe, die nichts 
zu wünschen übrigließ. 

Tausende von weiblichen Händen waren mit Bereitung 
von Charpien für verwundete Krieger beschäftigt. 

Der alte ehrwürdige Fürsterzbischof Graf Hohenwart 
hatte Betstunden für das Glück der österreichischen Waffen 
angeordnet, welche durch mehn-re Tagn in der St. Stephans* 
kirche fortgedauert hatten, wobei zu jeder Stunde ein anderer 



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Feldaugsreise des Kaisers Kranz ltttÖ. 



209 



der Pfarrer mit seiner Schuljugend und eine Menge Volkes 
in Prozession erschienen war, die ihr Gebet verrichteten und 
in der nächsten Stunde wieder von einem anderen Pfarrer 
abgelöst worden ist. 

Am 17. April hatte man den Anfang mit den Prozessionen 
nach Mariahilf gemacht, welche von dem Erzbischofe selbst 
geführt wurden. Bei dieser Prozession fand sich Ihre Majestät 
die Kaiserin mit der allerhöchsten Familie ein und wohnte 
dem Hochamte bei. Augenzeugen konnten die tiefe Andacht 
nicht genug rühmen, Gefühlvolle konnten sich der Tränen 
nicht enthalten. 

Ins Hoflager zu Schärding hatte am 22. April 1809 ein 
von dem durchlauchtigsten Erzherzog Johann aus Italien 
abgesendeter Kurier, ein Husarenoffizier, nebst der Nachricht 
des bei Fontana fredda oder Sacile erfochtenen Sieges zwei 
Säbel der französischen Generale Paze imd Bresan 1 ), die 
gefangen, und drei Adler, welche genommen wurden, über- 
bracht. 

Se. Majestät waren gesonnen, Schärding erst in 4 bis 
5 Tagen zu verlassen, indem sie das Bombardement des 
Oberhauses abwarten wollten, was nach Angabe des Major 
Wopaterny bloß wegen Mangel an den zur Oparation 
nötigen Pfosten verzögert worden war. 

Nach Aussage französischer Kriegsgefangener stand 
Kaiser Napol e on seit 17. April bereits der kaiserlichen öster- 
reichischen Hauptarmee in Person entgegen und hatte aus 
Donauwörth 2 ; am 17. April den ersten Tagesbefehl an seine 
Armee erlassen. 

Für den 23. April waren in Sehärding gegen 2000 fran- 
zösische Kriegsgefangene 8 ), welche bei Regensburg in unsere 
Hände fielen, angesagt. Auch hatte man die bei dieser Ge- 
legenheit erfolgte Verwundung der beiden Fürsten Moritz und 
LouisLiechtenstein mit allgemeiner Teilnahme vernommen 1 . 

•) Der französische General Pagös und Oberst Brozon. 
Napoleon traf am 17. April morgens in Donauwörth ein. 

8 ; Am 20. April Htreckte die Garnison von Regeusburg, *>ö Offiziere 
und 1988 Mann, die Wallen. 

*) Beide Generale wurden in dem Treffen bei Hausen ,19. April) 
verwundet. 

Mitteilungen d±s k. und k Kri^gsarchivj. Dntto Foig-j. V litl I I 



210 



Sommeregge r. 



Diese Fürsten waren zu Schiffe nach Wien abgegangen, 
ihre "Wunden heilen zu lassen. 

Der Transport französischer Kriegsgefangener langte am 
bestimmten Tage in Schärding an. Sie waren vom 65. Linien- 
regimeut, größtenteils Knaben zwischen 14 und 16 Jahren, 
bedauerungswürdigen Ansehens. 

Am 23. April, abends 11 Uhr, war Graf Auersperg 1 ), 
einer der Adjutanten des durchlauchtigsten Erzherzogs Gene- 
ralissimus, der ein eigenhändiges Schreiben Sr. kaiserlichen 
Hoheit an den Kaiser überbracht haben soll, zu Schärding 
angekommen. 

Den 24., morgens 3 Uhr, war diesem Adjutanten ein 
anderer des durchlauchtigsten Erzherzogs gefolgt-), der die 
Nachricht von der bei Kloster Rohr 3 ) verlorenen Schlacht über- 
bracht hatte. Se. Majestät wurden bei Ankunft des Kuriers 
sogleich geweckt und ließen ihn unverzüglich vor. Der Kaiser 
harte den starken Schlag mit der männlichsten Stand haftigkeit 
ertragen. 

Der Kurier war in den Ausdruck der Verzweiflung: 
„Alles ist verloren!" ausgebrochen. ..Oho." sagte der Kaiser, 
„so weit sind wir noch nicht, nur rulug, ruhig!" 

Um 8 Uhr darauf gab der Kaiser selbst mit der größten 
Fassung den Befehl, das Hoflager solle unverzüglich uarh 
Payerbach 4 ) aufbrechen. Der k. k. Hofkontrollor mußte den 
durchlauchtigsten Erzherzog Anton zu Sr. Majestät zu 
kommen entbieten. Höchstderselbe hatte den Auftrag erhalten, 
die kaiserliche Familie zur Abreise von Wien, vorzubereiten. 
Alle Dispositionen wurden mit der größten Ruhe gemacht. 
Der ganze große Hofstaat war aufgebrochen und Se. Majestät 
hatte an demselben Tage das Mittagmahl bereits in Payer- 
bach' genommen, wo alles mit Gepäck. Depots, blessierten 
Offizieren und Munition angefüllt war. Der Kaiser war hier 
in der Wohnung des Pfarrers über Nacht geblieben. 

Graf Friedrich Stadion wurde mit. einem Antwort- 
sehreiben Sr. Majestät an den durchlauchtigsten Krzherzog 

') Flügeladjutant Oberstleutnant Maximilian Graf Auersperg. 

*) Garde und Kittmeister (»ansei. 

■j Schlacht hei Eggmühl am 22. April. 

•) 5 ; Peuerhach. 



Feldzaggreife des Kaisers Frans 1809. 



211 



Generalissimus in der Richtung nach Waldmünchen ab- 
gesendet. 

Der durchlauchtigste Erzherzog Anton hatte sich am 
24. April morgens von Payerbach l ) nach Wien begeben, die 
durchlauchtigste Familie Sr. Majestät zu der bereits vor dem 
Anfange der Feindseligkeiten beschlossenen Flüchtung, wie 
erwähnt, vorzubereiten. 

Die zur Bewachung für die Person Sr. Majestät be- 
stimmte k. k. Grenadierkompagnie war dem Hoflager von 
Schärding nach Payerbach 2 ) zu Fuße nachmarschiert und mit 
demselben beinahe zugleich eingetroffen*;. 

Den 25. April des Morgens begaben sich Se. Majestät, 
teils mit Hof-, teils mit Postpferden bedient, von Payerbach 3 ) 
nach Ebersburg*) und hatten den Weg über die sogenannte 
Scharte [den Schartenberg| genommen, während ein Teil der 
Suite über Linz gegangen war. 

Der Kaiser langte tun 1 Uhr mittags in Ebersburg 5 ) an 
und stieg in dem Wirtshause ab, welches zu Ebersburg 6 ) hart 
am Tore bei der Brücke, die über den Traunfluß führt, be- 
findlich ist. 

Über die Vorgänge bei der Hauptarmee, namentlich bei 
Rohr, bei Regensburg und Straubing, welche durch fünf 
Tage und fast ebenso viele Nächte gedauert hatten, gab es 
viel Gerede. 

Man behauptete, die k. k. Armee hätte zu vielen Troß, zu 
viele Bagage, aber zu wenig Kavallerie und zu wenig Artillerie 
gehabt. Auch von Verrätern hatte der Unmut gesprochen. 

An demselben Tage, 25. April, waren in Ebersburg 7 ) 
zwei Tiroler*) angekommen, Se. Majestät um Geldvorschüsse 

*) Anmerkung des Verfassers: Diese Orenadierkompagnie, von 
dem k. k. Infanterieregiment Kaiser, folgte dem Hoflager jedesmal in 
manchmal sehr forcierten Fußmärschen und wurde erst bei Oberholla- 
brunn ihrem Ki'gimente einrangiert. [Tatsächlich wurde die Grenadier- 
kompagnie nicht in das Regiment einrangiert, sondern trat in den 
Vorband des Greuadierbataillons Hohenlohe.} 

») ») 3 ) Peuerbach. 

*) Ebelsberg. 

•) •) ') Ebelsberg. 

•) Der Kronenwirt in Hall Josef Straub und der Stadtbaumeister 
von Innsbruck Josef Unter. 

14* 



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212 



Sommeregge r. 



für die dringendsten Bedürfnisse des Landes und um die Er- 
laubnis zu bitten, in Bayern einfallen zu dürfen, zumal die 
Tiroler schon im Einverständnisse und im Besitze von Vorarl- 
berg seien und die Patrouillen des Generals Chasteler bis 
Kempten streiften. Auch hatten sie Proklamationen aus Tirol 
bei sich, in deren einer aus Brixen vom 14. April der k. k. 
GFML. Marquis Chasteler der Ritter ohne Furcht und 
Tadel der österreichischen Armee genannt wird. 

Auf Befragen über die Veranlassung dieser Benennung, 
glaubte der Tiroler Kurier, der Marquis Kastler (so klang 
der Name Chasteler in der Tiroler Mundart) habe zu Inns- 
bruck ein Scheibenschießen veranstaltet und bei dieser Ge- 
legenheit an die Vizekönigin von Italien geschrieben, indem 
er dieser erhabenen und schönen Frau zugleich jene Bänder 
Übermacht hatte, die sie für die Fahnen gestickt, welche die 
Tiroler den Italienern abgenommen haben. Diese Galanterie 
wäre es -vermutlich, die ihm den Ritternainen erwarb. 

Beide Tiroler hatte der Kaiser bei Hofe bewirten lassen 
und sie dürften in ihrer Geldangelegenheit befriedigende 
Resultate erlangt haben, da sie die Rückreise sehr vergnügt 
angetreten hatten 1 1. 

Am 26. April trafen Se. Majestät und der ganze Hof- 
staat in Enns ein, wo der Kaiser wieder im Wirtshause ab- 
gestiegen war. Der k. k. Oberstkämmerer Graf von Wrbna 
äußerte, Se. Majestät dürften einige Tage verweilen. 

Hier war die Nachricht angelangt, daß die Franzosen 
bei Regensburg die Donau noch nicht übersetzt hätten. 

Aus Polen hingegen kam die Nachricht, der durch- 
lauchtigste Erzherzog Ferdinand Este habe den Feind 
hinter seine Verschanzungen bei Warschau getrieben-') und 
ihm bei dieser Gelegenheit mehrere Kanonen, dann 0000 Kaval- 
leriesübel 3 ), die für Warschau bestimmt waren, abgenommen. 

' Tatsächlich traf Straub am 8. Mai mit einer kaiserlichen 
Spende von 200.000 Gulden und Huter am 12. Mai mit drei Wagen- 
ladungen Pulver und Blei in Innsbruck ein. 

*i Siegreiches Treffen bei Raszin am 10. Aprü und Einnahme von 
Warschau durch Erzherzog Ferdinand Este am 21. April. 

;! ) Am 2,1. April nahm General lirauowatzky in der Gegend 
von Blonje dem Feinde einen Transport von G000 Säbeln, der von 
Dresden nach Warschau gehen sollte, ab. 



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Feldaugsreise des Kaisera Franz 1809. 



213 



Graf Eszterkäzy, Dienstkämmerer bei Sr. kaiserlichen 
Hoheit dem durchlauchtigsten Erzherzog Primas von 
Ungarn, war in Enns angekommen, Sr. Majestät die Ankunft 
des Erzherzogs zu melden. Er hatte die Nachricht gebracht, 
in Ungarn sei alles voll guten Willens, allein es mangle den 
Insurgenten an Sätteln und Säbeln. 

Ebenfalls am 26. April waren von den in Tirol ge- 
machten Gefangenen ihrer etwa 700 durch Enns gebracht 
worden. Tiroler Weiber hatten sie bis anher eskortiert und 
sollten den Marsch mit ihnen noch weiter fortsetzen. 

Diese Amazonen, deren jede ihren Schießprügel (Gewehr, 
Stutzen) auf der Schulter trug, hatten so strenge Zucht ge- 
halten, daß sie vier ihrer Gefangenen, die während des 
Marsches über den Straßengraben setzten und auf ihren 
Anruf nicht wieder zurückgekommen waren, niedergeschossen 
haben. 

Ebenfalls in Enns war die Nachricht von einem Siege 
der spanischen Insurgenten unter dem General Cuesta'i 
eingetroffen. 

Dann hatte um 10 Uhr abends ein Kurier von der 
k. k. Hauptarmee die Bestätigung des von dem durch- 
lauchtigsten Erzherzoge Generalissimus gemachten schönen 
Rückzuges von Regensburg nach Kirn überbracht, welcher 
bei Regensburg im Angesichte des Feindes über eine Schilf- 
brücke 2 ), deren Dasein der Vorsicht des k. k. G. d. K. 
Heinrich von Bellegarde zu verdanken gewesen, bewerk- 
stelligt wurde. 

Am 27. April morgens sind Ihre königlichen Hoheiten 
der Erzherzog Franz Este, Herzog von Modeua und der 
Erzherzog Primas zu Enns eingetroffen: der erste, um von 
Sr. Majestät vor der Abreise nach Galizien Abschied zu 
nehmen. Beide Erzherzoge speisten zu Mittag bei Sr. Majestät 
und da der Kaiser bereits die Befehle zum Abgang nach 

') Schlacht bei Modellin am 28. März 1809. 

*) Erzherzog Karl ordnete am 23. April den Bau einer Schiff- 
brücke bei Kegensburg an, welche mit Zuhilfenahme des Brücken- 
materials des 2. Armeekorps durch die aufopfernde Tätigkeit der 
Pioniere und Pontoniere in zwei Stunden (5 bis 7 Uhr früh) herge- 
stellt wurde. 



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214 



Sommeregge r. 



Strengberg erteilt hatte, begleiteten beide Erzherzoge 
Allerhöchstdenselben, speisten zu Nacht bei dem Kaiser 
und reisten am 28. morgens nach ihrem Bestimmungs- 
ort ab. 

Wie sehr sich Se. Majestät Gefahren ausgesetzt, dürfte 
der Umstand erweisen, daß, als sich der die Hofquartiere be- 
sorgende Sekondwachtmeister und k. k. Arcierengarde Freiherr 
von Henneberg bei dem Minister Grafen von Stadion kurz 
vor dem Abgange von Enns nach Strengberg angefragt, ob 
oder wie lange ein Aufenthalt in Strengberg erfolgen dürfte, 
er von dem Minister die lakonische Antwort erhielt: „Kommt 
der FML. Baron Hiller früher nach Enns, so bleiben 
wir da, kommen aber die Franzosen früher dahin, so gehen 
wir ab." 

Denselben Morgen vom 28. April, um 3 Uhr, war Ihre 
Majestät die Kaiserin, nur allein von ihrer Obersthofmeisterin 
Gräfin Althann und deren Gemahl, dem Obersthofmeister, 
begleitet, in Strengberg angekommen, während sie den 
Kammerwagen mit der üblichen Bedienung in Amstetten 
zurückgelassen hatte. 

Es mag erlaubt sein, abermals einen kurzen Blick auf 
die Residenzstadt zurückzuwerfen, welche Ihre Majestät die 
Kaiserin am 27. gegen Mittag verlassen hatte. 

Zwei Tage vorher jubelte noch alles daselbst über die 
guten Nachrichten von der Hauptarmee in Deutschland und 
die Prozession in Mariahilf wurde an demselben Tage — 
25. April — feierlich gehalten, bei welcher auch die Kaiserin, 
der durchlauchtigste Erzherzog Kronprinz, die Erzherzogin 
Marie Luise, die Erzherzoge Rainer, Rudolf und der Erz- 
herzog Franz Este mitgegangen waren. 

Sowohl Ihre Majestät die Kaiserin als die durch- 
lauchtigste Erzherzogin Marie Luise und alle begleitenden 
Damen erschienen schwarz verschleiert, ohne Schmuck, in 
farbigen Kleidern, die Kavaliere aber im Staatskleid. Eine 
große Menge Volkes fand sich bei dem andächtigen Zuge ein 
und die Burgwachen hielten strenge Ordnung. 

Noch während der kirchlichen Feier hatte sich in der 
Stadt die Nachricht verbreitet, General Fürst Moritz Liechten- 
stein sei verwundet angekommen. Der Leibjäger, durch den 




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Feldzugsreiae des Kaisers Franz 1809. 



215 



der Fürst seine Gattin, die Fürstin, einholen ließ, erzählte, 
bei des Fürsten Abgang vom Schlachtfeld sei noch nichts 
entschieden gewesen. 

Diese einseitige Nachricht hatte die große Stadt, welche 
die ganze Familie des Fürsten Liechtenstein unter ihre 
Penaten zählt, alarmiert. 

Gegen den Abend war ein Kurier mit der Nachricht 
eines in Deutschland erfochtenen Sieges angekommen, die 
eine so grenzenlose Freude erregte, daß Kaufleute die 
Siegesnachricht den Vorübergehenden aus ihren Butiken 
zuriefen. 

Die Kirchen waren mit Andächtigen gefüllt. Ihre Majestät 
die Kaiserin wohnte dem Abendsegen bei St. Stephan bei 
und wurde bei der Rückfahrt von den gutmütigen Wienern 
mit dem Zurufe: „Wir gratulieren Eurer Majestät!" begrüßt. 
Doch das Blatt hatte sich schnell gewendet. Am 26. morgens 
kam die Nachricht von dem betrübten Ereignis bei Kloster 
Rohr und dumpfer Schreck hatte sich aller Gemüter be- 
mächtigt. Mancher erinnerte sich jetzt an den Abschied, den 
die Franzosen nach der Invasion im Jahre 1805 in Wien ge- 
nommen hatten, wo sie mit dreister Zuversicht riefen: ,,Auf 
Wiedersehen nach drei Jahren!" Jeder hatte das Schlimmste 
befürchtet. 

Am 27. April darauf hatte Ihre Majestät, wie schon er- 
wähnt, Wien verlassen und glaubte ihren erhabenen Gemahl 
noch in Enns zu treffen. Sie fand ihn, wie man sah, in 
Strengberg, wo sie mit Allerhöchstdemselben im Posthause 
ein kleines Zimmer bewohnte. 

Die Kaiserin wollte am Nachmittage, den 28. April, die 
Rückreise nach Wien wieder antreten, wurde aber von ihrem 
erhabenen Gemahl vermocht, länger zu bleiben. 

Beide Majestäten hatten dem in Tirol gefangenen könig- 
lichen bayrischen General Kinkel, welcher hier durchpassierte, 
eine Audienz gewährt. 

Am 29. April war Major Graf Catinelli. als Kurier von 
Sr. königlichen Hoheit dem Erzherzoge Maximilian Este 
gesendet, mit der Nachricht angelangt, das Hauptquartier des 
durchlauchtigsten Erzherzogs Generalissimus sei bei Cham 
im Pfälzischen an der Grenze von Böhmen. 



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216 



Sommeregge r. 



Den 29. April traf Prinz Ferdinand, Herzog vonWürttem- 
berg 1 ) k. k. Generalfeldmarschall, im Hoflager ein und wurde 
bei Sr. Majestät zur Tafel geladen. 

Den 30. April langte der durchlauchtigste Erzherzog 
Maximilian Este, dann zurück von Wien der durch- 
lauchtigste Erzherzog Anton, Hoch- und Deutschmeister, bei 
Sr. Majestät an. 

Nachmittags darauf war Ihre Majestät die Kaiserin von 
Strengberg wieder zurück nach Wien abgereiset. Bis zur 
nächsten Station wurden ihrem Wagen k. k. Hofpostschimmel 
vorgespannt, und es war wohl ein Spiel ominösen Zufalls, daß 
die beiden k. k. Postillone Kummer und Angst geheißen haben. 

Noch am Abende desselben Tages hatte man in Streng- 
berg vernommen, Ihre Majestät habe auf der ersten- Station 
Amstetten, wo Landpostpferd o genommen wurden, das Miß- 
geschick gehabt, vor dem Posthause umgeworfen zu werden, 
wobei sie im Falle des Wagens am Kopfe beschädigt worden 
sei, aber dessenungeachtet ihre Reise fortgesetzt hätte. Sie 
war am 1. Mai morgens nach 7 Uhr in Wien eingetroffen. 

Bald nach Abgang der Kaiserin war auch der durch- 
lauchtigste Erzherzog Maximilian Este auf seinen neuen 
Posten nach Wien abgereist. 

Am 1. Mai traf der durchlauchtigste Erzherzog Rudolf, 
Koadjutor des Erzbistums Olmütz, in Strengberg zum Ab- 
schiedsbesuche bei seinem kaiserlichen Herrn und Bruder ein, 
speiste bei Sr. Majestät zu Mittag und trat sogleich die Rück- 
reise wieder an. 

Es hatte sich an diesem Tage plötzlich ein Lärm ver- 
breitet, Se. Majestät würde wieder gegen Enns vorrücken. 
Alle kaiserlichen Equipagen, welche ihrer großen Menge 
wegen, mit Ausnahme des Leibwagens, nicht unter Dach 
gebracht werden konnten, wurden nach jener Gegend ge- 
richtet, aber es ist nichts daraus geworden. Große Trains von 
Kanonen, von Munition s-, Pulver-, Monturs-, Viktualienwagen 
waren an demselben Tage durch Strengberg vor- und wieder 
zurückgegangen. 

') Schwager des Kaisers; von seinem Posten als Komman- 
dierender in Wien enthoben, weil er dem Rheinbund hätte beitreten 
müssen. 



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Feldzugrreig« des Kaisers Frani 19U9. 



217 



Den 2. Mai langten noch immer in Strengberg einige 
Exemplare der Publikation an, welche der durchlauchtigste 
Erzherzog Rainer zu Wien tmter dem 30. April 1809 zur 
Beruhigung der Bewohner der Hauptstadt erlassen hatte und 
worin er sie auf einen möglichen Einfall des Feindes vor- 
bereitet hatte. 

Nachmittags erhielt die Suite Befehl abzureisen. Die 
erste Nachtstation sollte Amstetten sein; dort angelangt aber 
war der Befehl erteilt worden, bis Kemntelbach weiter zu 
gehen, wo Se. Majestät im Posthause übernachtete. 

Hier beschloß der Kaiser, die Suite zu teilen und auf 
der weiteren Reise nur Seitenstraßen einzusehlagen, um dem 
unaufhörlichen Militärtrain auszuweichen. Ein Teil der Suite — 
der Graf von Wrb na hatte diesen kurzweg die kleine Bagage 
genannt — sollte dabei im unmittelbaren Gefolge Sr. Majestät 
bleiben, Allerhöchstwelche die Richtung nach Budweis 
in Böhmen nehmen wollte; während der andere Teil der 
Suite (die große Bagage) indes nach Znaim abgehen und 
dort die weiteren Befehle erwarten sollte. Dabei erhielt der 
k. k. Hofkontrollor die Bestimmung, im unmittelbaren Gefolge 
Sr. Majestät zu bleiben, und hier nicht nur, wie bisher, die 
Angelegenheiten der Hofwirtschaft zu leiten, sondern auch 
zugleich die Zahlungsgescbäfte zu übernehmen. Er fühlte sich 
sehr glücklich, bei der Allerhöchsten Person Sr. Majestät ver- 
wendet zu werden und sein Eifer war hiedurch erhöht ge- 
worden. Der Kassier und Rechnungsführer dagegen erhielt 
den Auftrag, nebst seinem Zahlungsgesehäfte zugleich bei 
der zweiten Abteilung der Suite in die Leitung der Hof- 
wirtschaft Einsicht zu nehmen, weshalb das Hofwirtschafts- 
personale einstweilen an ihn gewiesen worden war. 

Noch in derselben Nacht mußte der k. k. Hofkontrollor 
von Kemmeibach über St. Pölten, Statzendorf, Göttweih und 
Stein nach Krems abgehen, um für die Ankunft Sr. Majestät 
das Nötige daselbst vorzubereiten. Bei seiner Durchfahrt in 
St. Pölten am 3. Mai. morgens 5 Uhr, hatte er erfahren, daß 
die Ankunft Ihrer Majestät der Kaiserin dort angekündet sei*). 

*) Anmerkung des Verfassers: Späteren Nachrichten aua Wien 
zufolge war Ihre Majestät am 3. August 1809 in der Stille abgereist, 
aber schon nach wenig Stunden wieder zurückgelangt, da Allerhöchst- 



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218 



Sommeregge r. 



Am 3. Mai morgens hatte der Kaiser Kemmeibach ver- 
lassen und sich am erstbezeichneten Wege nach Krems be- 
geben, wo er unter einem groüen Zulauf jubelnder Menschen 
vor Mittag angelangt ist und seine Wohnung im W T irtshause 
am Tore gegen die Stadt Stein genommen hatte. 

Der Kreishauptmann und alle Militär- und Zivilbehörden 
hatten Se. Majestät ehrfurchtsvoll an der Treppe des Wirts- 
hauses empfangen und ein großer Teil derselben wurde zur 
Tafel gezogen. 

Nach Tische besah der Kaiser in Begleitung des durch- 
lauchtigsten Erzherzogs Anton die Merkwürdigkeiten der 
Stadt; die schöne, wegen ihres weitgespannten, von keinem 
Pfeiler gestützten Gewölbes auffallende Pfarrkirche und die 
in solcher sehenswerten Altarblätter des auch außer den 
Mauern von Krems, selbst in dem kunstreichen Italien ge- 
schätzten Malers Schmid, „gewöhnlich Kremser Schmid 
genannt". 

Die kaiserlichen Brüder waren willens, das schöne 
Denkmal des im Kriege 1805 bei Krems ruhmvoll ge- 
fallenen GFML. Sebastian Heinrich Freiherr von Schmid 1 ) 
(aus des durchlauchtigsten Erzherzogs Karl, Generalissimus, 
früheren Feldzügen am Rheine als Höchstdessen General- 
quartiermeister rühmlichst bekannt), dann das Felsenschloß 
Dürastein, König Kichards von England Gefängnisort, von 
welchem aus man eine herrliche Aussicht nach dem schönen 
Tale Wachau genießt, zu besehen. Doch war die Zeit zu 
kurz: auch hatten Höehstdieselben Ihre Majestät die Kaiserin 
in Krems noch immer erwartet, die aber nicht gekommen war. 

Graf Friedlich Stadion langte nun, aus dem Haupt- 
quartier des durchlauchtigsten Erzherzogs Generalissimus 
kommend, an diesem Abende zu Krems an. Er soll der 

dieselbe einem Kurier begegnet, der sie von der Abreise des Kaisers 
nach Böhmen benachrichtigte. Während nun die durchlauchtigsten Erz- 
herzoge Kronprinz und Franz sowie die jüngoren Erzherzoginnen 
Klementine, Karoline und Marianne, Prinzessinnen Töchter des 
Kaisers, am 3. Mai nach Waizen abgoreiset waren, blieb Ihre Majestät 
die Kaiserin mit den durchlauchtigsten Erzherzoginnen Marie Luise 
und Marie Leopoldine noch in Wien zurück. 

'( FML. Heinrich Sebastian von Schmid blieb am 11. No- 
vember 1805 bei Dürastein vor dem Feinde. 



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Feldznfcsrei«© des Kaisers Franz 1809 



219 



Überbringer von der Abschrift eines Schreibens gewesen 
sein, welches der durchlauchtigste Erzherzog Karl an den 
Kaiser Napoleon aus Neumarkt am 25. April erlassen hatte, 
worauf aber bei dem Abgange des Grafen noch keine Ant- 
wort gekommen war*). 

Von Krems wollte sich der Kaiser nach Datschütz in 
Mähren begeben; schon waren auch einige Köche dahin vor- 
ausgesendet worden: der Entschluß wurde aber abgeändert 
und waren Se. Majestät am 5. Mai von Schreins, wo sie im 
Wirtshause übernachtet hatten, über Schwarzenau und 
Wittingau (dem Aufbewahrungsort des für die vaterländische 
Geschichte höchst wichtigen und wohlgeordneten fürstlich 
Schwarzenbergschen Familien- Archivs) nach Badweis gereiset, 
wo sie in der Kesidenz des Bischofs ( damals eines Grafen 
von Schaffgotsche) abgestiegen sind. 

Der damalige Oberstburggraf, Landesgouverneur Josef 
Graf von Wallis (späterhin Finanzmmister ) hatte, sobald er 
die Ankunft des vorausgeeilten Hofkontrollors vernommen, 
sich sogleich bei demselben erkundigt, wann etwa die An- 
kunft Sr. Majestät erfolgen dürfte. Auch frug er im Laufe 
des Gesprächs, wie der Hofkontrollor die Straßen in Böhmen 
getroffen habe. Dieser trug kein Bedenken, selbe der Wahr- 
heit gemäß zu schildern, und bezeichnete namentlich eine 
kurze Strecke Weges unweit Budweis, von der Seite von 
Wittingau, als für Pontons- oder Artillerietrains ganz unprak- 
tikabel. Zur Stelle ließ nun der eifrige Staatsdiener 
5000 — 6000 Bauern entbieten, um diese Wegesstrecke selbst 
bei Nacht in den möglichst fahrbaren Stand zu setzen. Wirk- 
lich hatten auch Pontons- und Artillerie diesen Zug ge- 
nommen **). 

*) Anmerkung des Verfassers: Dieses Schreiben steht im Ham- 
burger politischen Journale vom Jahre 1810 wörtlich abgedruckt und 
schließt mit den Worten: „Je me croirai egalement honore de traiter 
avec Votre Majeste l'epee ou Polmer ä la main." 

**) Anmerkung des Verfassers: Als der k. k. Hofkontrollor im 
Jahre 1810 abermals das Glück hatte, im Reisegefolge Ihrer Majestäten 
nach Prag zu kommen, gedachte der k. k. Oberstburggraf dieser ihm 
gemachten Meldung und ließ demselben zur Bezeugung seines Dankes 
die schöne Karte von Böhmen, die auf Kosten der erhabenen Stände 
herausgegeben worden war, als ein Andenken zustellen. 



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220 



Sommeregge r. 



Am 6. Mai brachte ein Kurier die Nachricht nach Bud- 
weis, der Feind sei am 3. bei Ebersberg [Ebelsbergj ge- 
schlagen worden, die österreichische Landwehr, Wiener 
Freiwillige, habe sich dabei vorzüglich ausgezeichnet, General 
Hill er hätte sich aber demungeachtet nach Amstetten 
zurückgezogen 

Mehrere Abteilungen der k. k. Hauptarmee, deren Be- 
stand noch über 80.000 Mann angegeben worden, zogen 
unter allgemeinem Enthusiasmus durch Budweis. Auch waren 
die durchlauchtigsten Erzherzoge Karl, Generalissimus, und 
der Primas von Ungarn, dann der Fürst Johann von Liechten- 
stein bei Sr. Majestät einge trotten. 

Der Kaiser hatte befohlen, die Hauptarmee soll sich in 
Eilmärschen nach Österreich an die Uter der Donau ziehen. 
Der durchlauchtigste Erzherzog Generalissimus wollte sich 
am linken Donauufer in der Nähe von Wien mit dem Hiller- 
schen Korps vereinigen, und es hieil, er wolle daselbst die 
Offensive wieder beginnen 8 ) 

Am 7. Mai hatte Se. Majestät Budweis verlassen, sich 
aber nicht nach Mähren, sondern wieder zurück 3 ) nach 
Schrems begeben, und diesmal nicht das Wirtshaus, sondern 
das Schloß des Gutsbesitzers, eines Freiherrn von Balten- 
stein, bewohnt. In einem der Glashäuser des Schloßgarten^, 
das Se. Majestät zweimal besehen und wobei Allerhöchst- 
dieselben einmal die Gnade hatten, dem Verfasser ebenfalls 
den Eintritt dahin zu erlauben, gab es mehrere Kaffeebäume. 
teils blühend, teils schon mit Früchten bedeckt, welche der 
Kirsche ähnlich sind und ebenso schmecken, deren Kerne 
den Kaifee geben. Der Schloßverwalter wurde der Gnade 
teilhaft, Sr. Majestät von dem ins Schrems erzeugten Kaifee 



l ) In dem denkwürdigen Treffen von Ebelsberg ist zwar dor 
österreichischen Waffenehre vollkommen Genüge geschehen; trotzdem 
mußte sich Hiller, der Übermacht des Feindes weichend, nach Am- 
stetten zurückziehen. 

*) Nun folgen einige Bemerkungen gelegentlich eines Spazier- 
ganges des Verfassers in Budweis, die als nicht zum Thema gehörig 
übergangen werden. 

') Die Änderung der Reiseroute des Kaisers wurde durch die 
Marschbewegung der Hauptarmee von Budweis gegen Wien bedingt. 



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Feldzugsreise des Kaisers Franz 1»*». 



221 



Proben zu überreichen, welche gnädigst aufgenommen 
worden sind. 

Am 9. Mai war ein Wiener Bürgeroffizier, Ferdinand 
Hörndl, mit der Nachricht nach Schreins gekommen, AVien 
sei in Verteidigungsstand gesetzt, und Ihre Majestät die 
Kaiserin habe mit den beiden durchlauchtigsten Erzherzoginnen 
Marie Luise und Marie Leopoldine die Hauptstadt nun 
auch verlassen. 

Aus dem Hauptquartier des durchlauchtigsten Erz- 
herzogs Generalissimus kam die Bestätigung einiger durch 
den Marquis Chasteler in Tirol errungenen Vorteile, dann, 
daß der durchlauchtigste Erzherzog Johann, nachdem erden 
Feind wieder geschlagen*), an die Etsch vorgegangen sei 1 ». 

Am 10. Mai hatte sieh Se. Majestät nach Zwettl erhoben 
und im dortigen Stiftsgebäude, das, sowie das Stift selbst, 
ein Denkmal der einst gewaltigen Kuenringer ist, das Ab- 
steigequartier genommen. Im Hoflager machte die Nachricht 
die Runde, dem durchlauchtigsten Erzherzog Generalissimus 
sei der k. k. G. d. K. Graf von Bellegarde**) ad latus ge- 
geben*) und statt d«*s k. k. Generals Prochaska sei der 
k. k. Oberst und Generaladjutant des durchlauchtigsten Erz- 
herzogs Karl, Freiherr von Wimpffen, zum Chef des 
Generalquartiermeisterstabes der k. k. Hauptarmee ernannt. 

Der durchlauchtigste Erzherzog Karl war zu Sr. Majestät 
nach Zwettl gekommen und es erfolgte eine längere brüder- 

•) Anmerkung des Verfassers: War das Treffen bei Villa-Nova oder 
Cavtel-Frauco, wo die Garde des Vizekönigs von Italien beinahe gänz- 
lich aufgerieben worden. Ein Chiaramonti, Neveu des Papstes 
Pius VII., ebenfalls von dieser Garde, wurde am Monte Ceriuo gefangen 
und hielt sich nach der Hand einige Zeit im Hoflager Sr. Majestät zu 
Komorn auf. 

**) Anmerkung des Verfassers: Dieser Feldherr war im Jahre 1709 mit 
seiner untergebenen Truppenabteilung zwischen den durchlauchtigsten 
Erzherzog und den russischen und östei reichischen FM. Graf 
Suwarof gestellt und wußte nach dem Urteile Kriegs verständiger 
beiden außerordentlich nützlich zu sein. 

J ) Traf nicht zu. In den Treffen bei Soave (29.) und Castelcerino 
(30. April) wurden vom Erzherzog Johann lediglich Angriffsversuche 
des Vizekönigs von Italien, Eugen Beauharnais, abgewiesen. 

') Tatsächlich wurde Bellegarde nur als Stellvertreter des 
Generalissimus im Falle von dessen Undienst barkeit ausersehen. 




222 



Somroeregger. 



liehe Unterredung. Ein großer Teil der Hauptarmee war durch 
diese Gegend marschiert. 

Den 11. Mai verließ der Kaiser Zwettl und begab sich 
nach Göpfritz. Da dem Allerhöchsten Befehle gemäß alle 
Pferde der Umgegend für den Bedarf der k. k. Hauptarmee 
zurückgehalten wurden, so geschah es, daß mit Ausnahme 
des Leibwagens, in welchem Se. Majestät und der durch- 
lauchtigste Erzherzog Anton fuhren, ferner des Wagens vom 
k. k. Oberstkämmerer, die Wagen aller andern Glieder des 
Gefolges mit Ochsenbespannung weiter geschafft wurden. Da 
aber noch überdies die ganze Abteilung der k. k. Armee, 
welche diesen W T eg durchkreuzte, unauf gehalten vorüber- 
gelassen werden mußte, so konnte die Suite erst spät abends 
bei Sr. Majestät in Göpfritz anlangen und hatte mit ihrer 
außerordentlichen Bespannimg das kurze Stück Weges von 
Zwettl bis Göpfritz zurückzulegen. 

Der Kaiser übernachtete im Posthause und begab sich 
am folgenden Tage von da nach Horn. Er bewohnte das 
Schlotides Gutsbesitzers Grafen Ernst von Hoyos, desjenigen, 
der oben in den Linien der Landwehr 1 ) vor dem Feinde 
stand*i. An diesem Schlosse vorüber defilierte die im Marsche 
begriffene k. k. llauptarmee. Linientruppen, Kavallerie und 
Artillerie, dann Landwehr*-') zogen vorbei. Sie hatten Kriegs- 
lieder gesungen. Ein Soldat mochte den Kaiser am Fenster 
erblickt haben. Nun Vivatl-Gesehrei, nun fortgesetzter Jubel 
ohne Ende! Bis weit hinaus auf den lleeresweg hörte man 
noch die enthusiastischen Ausbrüche der Freude, des Mutes, 
der Fröhlichkeit, und selbst jene Truppenabteilung, die nicht 
am Schlosse vorübergekommen, auf den Anhöhen um Horn 
Posto gefaßt, schrie und jubelte über das Glück, ihren Kaiser 
in der Nähe zu wissen. Die häufigen Wachfeuer brannten 
lustig und erhöhten die gemütliche grandiose Szene. 

Am 13. Mai, morgens um 8 Uhr, eben da Se. Majestät 
im Begriffe waren, sich in den Wagen zu setzen, um von 

*) Anmerkung des Verfassers: Später k. k. wirkl. geh. Rat. Oberst- 
Hof- und Land-Jägermeister. 

>) Kommandant des 6. Landwehrbataillons des Viertels unter dem 
Wiener Wald. 

*) Von der Legion Erzherzog Karl. 




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» 

Feldzugsreiae des Kaisers Franz 1809. 



223 



Horn abzugehen, kamen Se. königliche Hoheit der durch- 
lauchtigste Erzherzog Maximilian Este mit der betrübten 
Nachricht von der am vorhergegangenen Tage erfolgten 
Ubergabe der Hauptstadt durch Kapitulation an den 
Feind l ), welcher solche während einiger Stunden der Nacht 
die Schrecken eines Bombardements habe empfinden lassen. 

Auch diesen harten Schlag ertrug der Kaiser, von den 
bisherigen Unfällen erschüttert, aber nicht gebeugt, mit 
männlichem Mute. Betrübt setzte er die Reise nach Meißau 2 ) 
fort, wo er das gräflich Traunsche Schloß bewohnte. 

Familiengemälde, sonst ein Lieblingsgegenstand Seiner 
Majestät, welche die anziehendsten Szenen darstellten, herr- 
liche Aussichten, welche das auf einer Anhöhe des Mannharts- 
berges erbaute Schloß in Fülle geboten, sonst von dem 
Kaiser sehr geliebt, blieben diesmal unbeachtet. — Nur als 
der durchlauchtigste Erzherzog Ludwig gekommen und mit 
Höchstdemselben zugleich die Meldung eingetroffen, es würde 
das erste Reservekorps der k. k. Armee unter dem Befehle 
des Fürsten Johann von Liechtenstein vorüberziehen, 
schienen die Gefühle Sr. Majestät erwacht, imd sogleich 
begab sich der Kaiser zu Pferde durch das Städtchen Meißau 
an die Heeresstraße, wo die Truppen eben eingetroffen waren. 
Fürst Johann Liechtenstein hatte die Ehre, solche Sr. Maje- 
stät vorzuführen. Es waren k. k. Kavallerieregimenter und 
Grenadiere vom schönsten Ansehen, voll Mut und Hoff- 
nungen. — Der heiterste Abend hatte diese kriegerische 
Szene begünstigt und der Kaiser kehrte zufrieden nach Hause. 

Mehrere Personen wollten damals von einem Briefe des 
Fürsten an den durchlauchtigsten Krzherzog Generalissimus 
wissen, worin er Höchstdenselben gebeten habe, zu gestatten, 
daß der Fürst mit seinem unterhabenden Korps Wien durch 
einen Coup de main vom Feinde befreien dürfe. 

Am 14. Mai waren Se. Majestät von Meißau nach Ober- 
Hollabrunn abgegangen und daselbst im Post- und Wirts- 
hause abgestiegen. 

») Tatsächlich meldete der Er/herzog nur den Rückzug der Be- 
satzung auf das linke Donauufer. Diu Kapitulation wurde erst am 
13. früh vom FML. O'Reilly abgeschlossen. 

» Maissau. 



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224 



Sommeregge r. 



Der durchlauchtigste Erzherzog Ludwig lag hier an 
der Diarrhöe erkrankt. 

Der Prinz Ferdinand, Herzog von Württemberg, des 
Kaisers Schwager, stattete Sr. Majestät einen Besuch ab und 
verweilte seitdem durch längere Zeit im Hoflager. 

Se. Majestät wollten die Suite, deren zweite Abteilung 
von Znaiin hieher gekommen, abermals teilen, indessen unter- 
blieb das. 

Am 15. Mai nachmittags begab sich der Kaiser mit dem 
ganzen Hoflager nach Uiiter-Hollabrunn, wo er in dem 

damals noch kaiserlichen Kameralschlosse übernachtete und 
kam am 16. Mai des Morgens nach Wolkersdorf. 

Se. Majestät bewohnten im landesfürstlichen Pfarrhofe 
ein paar nicht sehr große Zimmer, schienen aber von einem 
daranstoÜenden Terrassegärtchen, zu welchem man aus dem 
Zimmer selbst gelangen konnte, ebenso angenehm als rührend 
überrascht*). 

Gleich beim Aussteigen aus dem Wagen wurden Seine 
Majestät mit der angenehmen Nachricht erfreut, die Wiener 
Freiwilligen hätten unter dem Major Obergföll 1 ), von dem 
Obersten Graf Salis kommandiert, auf einer Donauinsel, in 
der Schwarzen Lacke, Nußdorf gegenüber, am 13. Mai ein 
kleines französisches Korps, welches über die Donau setzen 
wollte, geschlagen und 1500 Mann davon gefangen -j. 

*) Anmerkung des Verfassers: Im südöstlichen Teil der k. k. Burg 
zu Wien befindet sieh auf einem vorragenden Gebäude die Terrasse 
über dem k. k. Naturalienkabinette, worauf ein schöner, mit Glasfenstern 
wohlverwahrter Wintergarten, gewöhtlich der Terrassengarten, die 
Terrasse genannt, zur Hand ist. Dahin kann der Kaiser aus seinem 
Wohnzimmer gelangen. Hier schöpft er Erholung, hierher läßt er manch- 
mal seinen Arbeitstisch bringen. Hier unterhält er sich nicht selten im 
häuslichen Zirkel seiner erhabenen Familie. 

') Major Precbtler von Obergfell. Kommandaut des 3. Land- 
wehrbataillons des Viertels unter dem Mannhartsberg. Der Löwenanteil 
au dem siegreichen Gefecht auf der Schwarzelacken -Insel gebührt 
jedoch dem Infanterieregiment Kerpen Nr. 4'.» uud dessen helden- 
mütigem Major O'Brien, welch letzterer auch für diese schöne 
Tat mit dem Ritterkreuz des Maria Theresien-Ordens ausgezeichnet 
wurde. 

s ) Nebst einem großen Verlust an Toten uud Verwundeten 
büßten die Franzosen tatsächlich nur 400 Gefangene ein. 



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Feldsugsreiso des Kaiser* Franz 1808. 



225 



Die k. k. Hauptarinee hatte nun ihre Stellung an der 
Donau. Stammersdorf im Rücken, genommen. Das Haupt- 
quartier des durchlauchtigsten Erzherzogs Generalissimus war 
zu Ebersdorf bei Enzesfeld und Königsbrunn ').... 

Durch mehrere Tage vom 16. bis 20. Mai hatten sich 
Se. Majestät, während die beiden Hauptarmeen, und zwar 
die vaterländische unter dem durchlauchtigsten Erzherzog 
Karl Generalissimus und die feindliche unter dem Kaiser 
Napoleon selbst, am Ufer der Donau, dieser großen 
Scheidungslinie, entgegen gestanden, und man große Ereig- 
nisse gewärtigt hatte, sehr oft ins Hauptquartier des durch- 
lauchtigsten Generalissimus nach Ebersdorf, dann nach 
Gerasdorf begeben. 

Am 20. Mai 1809 war der Kaiser abends 10 Uhr von 
einer solchen Exkursion nach Wolkersdorf zurückgekommen 
und hatte noch an diesem Abende den Befehl erteilt, die 
Suite habe sich mit Tagesanbruch auf den Hochleitenberg 
nördlich von Wolkersdorf, zum Kavalieriepiketthause zu 
begeben und daselbst den Ausgang einer Schlacht unter 
freiem Himmel abzuwarten, welche der Erzherzog Karl 
an den Ufern der Donau liefern wolle. Alle Equipagen hätten 
angespannt stehen zu bleiben. 

Am Pfingstsonntage, den 21. Mai 1809, morgens 4 Uhr, 
hatte der Pfarrer von Wolkersdorf in der Pfarrkirche die 
Messe gelesen; dieser wohnten Se. Majestät und der durch- 
lauchtigste Erzherzog Anton mit hoher Andacht bei. Die 
ganze zahlreiche Suite füllte die Ortskirche und lag auf den 
Knien, Gott um seinen Beistand anzurufen. Auch der Prinz 
Ferdinand, Herzog von Württemberg, hatte sich dabei ein- 
gefunden. 

Nach vollendetem Meßopfer setzte sich der Kaiser in 
Kampagne-Feldmarschallsuniform zu Pferde, und begab sich, 
von seinem Bruder, dem Herrn Erzherzog Anton, und 
seinem Herrn Schwager, dem Prinzen von Württemberg, um- 
geben, von dem k. k. Oberstkämmerer Grafen von Wrbna 

') Nun folgt eine ausführliche historische und topographische 
Beschreibung von "Wölkersdorf und der umliegenden Ortschaften, welche 
das eigentliche Thema (Feldzugsreise des Kaisers) nicht berührt, wes- 
halb sie weggelassen wurde. 

Mittoilun^n des k. und k. Kriegüitrcbivs. Dritte Folge. V. Bd. 1<> 



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226 



Sommeregge r. 



(der in einer ausgezeichneten Uniform des k. k. Arcieren- 
Leibgardekorj)s erschienen war), von dem k. k. General- 
adjutanten General von Kutsch era, von zwei k. k. Arcieren 
und von zwei königlich ungarischen Leibgarden in Kampagne- 
uniform, sowie von mehreren k. k. Stabs- und Oberoffizieren 
zu Pferde begleitet, in die Mitte seines tapferen Heeres. 

Die Suite trat den langen Zug zum Kavalleriepikett- 
hause auf der Hocbleiten an. 

Im Augenblicke des Abganges Sr. Majestät zur Armee 
war der durchlauchtigste Erzherzog Primas von Ungarn zu 
Wolkersdorf von Ofen eingetroffen und folgte dem Kaiser 
unverzüglich nach. 

Die Ankunft Sr. Majestät bei dem Heere, welche 
Nachricht sich mit Blitzesschnelligkeit nach allen Bichtungen 
verbreitet hatte, erweckte allgemeinen Enthusiasmus. Sie 
wurde durch den Jubel der Soldaten und ihrer Anführer 
bezeichnet. 

Inzwischen war der lange Zug der Suite, bei welcher sich 
auch der Verfasser befunden, auf der Hochleiten angelangt. 

Der k. k. Staats- und Konferenz-, dann Armeeminister 
Graf Karl Zichy und der k. k. dirigierende Minister der 
auswärtigen Angelegenheit Graf Johann Philipp Stadion 
waren mit dem gesamten Personale ihrer Departements, 
sowie die k. k. Staats- und Konferenzräte Freiherr von 
Baldacci und Graf Chorinsky hier gleichfalls angelangt. 

Alles harrte dem Anfange des blutigen Sehanspiels in 
banger Erwartung entgegen. Es war eine brennende Hitze 
und der Durst wurde unerträglich. Der k. k. Hofkontrollor 
ließ ein großes, mit Wasser gefülltes Faß sogenannte Wasser- 
Layd) auf den Berg schatten, das schnell verbraucht war 
und mit frischer Füllung öfters wiederkehren mußte. 

Wer nur irgend ein Femrohr hatte i deren gab es aber 
in diesem verhängnisvollen Augenblicke leider nur zwei, 
davon nines ein Eigentum des Verfassers gewesen;, benützte 
es ängstlich und lieh es gerne wieder weiter. Der edle Graf 
Karl von Zichy*) sah durch das Perspektiv, das er, um eines 



*) Anmerkung des Verfassers: Die Urteile über diesen in jeder 
Hinsicht energischen und eifrigen Minister berühren sich in Extremen. 



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Feldzugsreise des Kaisers Franz 1809. 



227 



besseren Ruhepunktes willen, auf die Achsel des k. k. Hof- 
kontrollors gelegt hatte, und ließ sich herab, nachdem er 
genug gesehen, nun seine Achsel dem k. k. Hofkontrollor mit 
besonderer Güte darzubieten, um ihm einen gleichen Vorteil 
zu gewähren. 

Man hatte einzelne Truppen vor-, und so schien es, 
rückwärts marschieren sehen und es herrschte fortan eine 
Totenstille. Gegen 3 Uhr nachmittags wurde diese durch 
den ersten Kanonenschuß unterbrochen und rollte dieser 
Donner unausgesetzt bis zur Abenddämmerung fort. 

Brennende Orte bezeichneten Bellonens zerstörenden 
Pfad. — 

Um 6 Uhr abends hatte eine k. k. reitende Hofburg- 
wache dem k. k. Hofkontrollor den Befehl überbracht, mit 
einem Teile des Hofwirtschaftspersonals und der Suite nach 
Wolkersdorf zu kommen, während der übrige Teil Befehl 
erhalten hatte, auf der Hochleiten zu bleiben. Es war schon 
um 12 Uhr mittags im Pfarrhofe zu Wolkersdorf ein mili- 



Während ihn der eine Teil tadelt, erhebt ihn der andere bis in die 
Wolken. Einen sehr hochherzigen und in jedem Falle charakteristischen 
Zug aus dein Leben dieses Grafen sei indes erlaubt hier anzuführen. 
Die hohe Würde eines Palatins von Ungarn war bei dem Regierungs- 
antritt« Kaiser Leopolds II. im Jahre 1790 erledigt. Die Kandidaten 
dazu schlägt der Verfassung gemäß der König in einem versiegelten 
Zettel den Ständen vor. Der Graf KarlZichy hatte damals die Stelle des 
Judex curiae (des obersten Richters) bekleidet und war allgemein 
beliebt. Es ließ sich kaum zweifeln, daß sich die meisten Stimmen zur 
Palatinswürde für ihn aussprechen würden. Da trat der edle Graf an 
die Magnatentafel vor und stimmte die erhabene Versammlung für den 
durchlauchtigsten Erzherzog Alexander Leopold, den vierten Sohn 
des Kaisers, indem er sie zugleich bewogen hatte, den königlichen 
Kandidatenzettel nicht zu entsiegeln, sondern ihn Sr. Majestät mit der 
Bitte zurückzustellen, der ungarischen Nation den Erzherzog Alexan- 
der Leopold zum Palatin zu geben. Da er nun die Gemüter dazu 
gestimmt erkannte, rief er begeistert aus: „Vivat Alexander 
Leopoldus, Dominus Palatinus Noster!" Die versammelten Magnaten 
riefen es ihm nach und nun hatte noch an demselben Tage eine De- 
putation diesen Vorgang Sr. Majestät vorgetragen. Gerührt antwortete 
der König: „Ich habe geglaubt, in den Schoß einer treuen Nation zu 
kommen, aber sie hat Meine Erwartung übertroffen; Ich linde Mich bei 
ihr wie in dem Kreise Meiner Familie." Leopold LI. musterhaftes und 
wohltätiges Leben. Skizze 82. Dresden 1792. — Der Graf starb 1826. 

15* 



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228 



Sorameregger. 



tärisches Mittagsmahl für Se. Majestät vorbereitet worden. 
Der Kaiser kam wirklich mit einigen Gästen, nahm etwas 
Speise und hatte sich um 1 Uhr schon wieder zurück zur 
Armee begeben. 

Man wollte bemerkt haben, daß die feindlichen Kugeln 
an den Ort des Jubelgeschreis, welches sich um Se. Majestät 
herum abwechselnd erhoben hatte, gerichtet schienen. 

Der Kaiser war abends nach 10 Uhr in Wölkersdorf 
zurück angelangt, speiste etwas zu Nacht und begab sich 
sogleich zu Bette. 

Alle im Pfarrhofe befindlichen Hofwagen mußten die 
Nacht hindurch angespannt, alle Reitpferde gesattelt bleiben. 

Am 22. Mai 1809, morgens um 3 Uhr, war der erste 
Kanonenschuß gefallen, dem bald mehrere folgten, die im 
Pfarrhofo so nahe schienen, als ob sie im Schlosse zu 
Wolkersdorf abgefeuert worden wären. 

Der Kaiser stand auf, warf seine Uniform über imd war 
um Vl»4 Uhr in Begleitung des Erzherzogs Anton und des 
Erzherzogs Primas, dann des Prinzen Ferdinand von 
Württemberg schon in der nahen Ortskirche, wo wie gestern 
der Pfarrer die Messe gelesen hatte, welcher der Kaiser mit 
rührender Andacht beigewohnt. 

Darauf begaben sich Se. Majestät auch heute mit der 
nämlichen Begleitung zur Armee. Die Kanonade war ebenso 
fürchterlich wie gestern. Der Verfasser sah einen Teil der 
Schlacht von einer Anhöhe bei Wolkersdorf. 

Die Szenen im lloflager Sr. Majestät des Kaisers hatten 
sich indes geändert. Mehrere Wagen von tags zuvor und eben 
erst blessierten vaterländischen und feindlichen Soldaten 
waren hierselbst angekommen und in Scheunen, Schoppen 
oder wo sich sonst nur irgend ein Platz fand, untergebracht 
worden. Reginientschirurgen, Ärzte und Wundärzte aus den 
benachbarten Orten waren Hilfe bringend herbeigeeilt, der 
k. k. Hofwundarzt, ja, der erste Leibarzt Sr. Majestät selbst, 
Hofrat von Stift*), unterzogen sich mit edlem Eifer dem 
echt humanen Geschäfte. Alle Bewohnerinnen von Wolkers- 
dorf brachten Scharpien, Verbandstücke. Hilfe jeder Art. 

*; Anmerkung des Verfassers: Spater Staats- und Konterenz rat. 
dann Freiherr und (Jeheimer Rat. 



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Feldzugsreise des Kaisers Franz 1809. 



229 



Amputationen wurden vorgenommen. Dabei hatte man 
blessierte Franzosen, wenn sie auch keine dazu geeigneten 
Wunden hatten, rufen gehört: „Faites ä moi Famputation! 
Pour l'amour de Dieu! Faites l'ampntation!". während sie — 
empörender Anblick! — Hände und Füße entgegenstreckten. 

Ein k. k. Rittmeister vom Regimente Klenau-Dragoner *), 
Franz Geräabek, hatte den französischen General Durosnel, 
Adjutanten des Kaisers Napoleon, Inspekteur der Pagen, 
Oberststallmeister der Kaiserin Josef ine, nach Wolkersdorf 
gefangen eingebracht. 

Dieser General gelangte sogleich nach seiner Gefangen- 
nehmung vor Se. Majestät den Kaiser Franz L von Öster- 
reich, Allerhöchst welcher sich auf einer Anhöhe bei Heberts- 
brunn'-t zwischen Sauring 3 ; und Wolkersdorf befand. Der 
k. k. General Graf Bubna fragte den Gefangenen, ob er mit 
Geld versehen sei und überreichte ihm auf seine verneinende 
Antwort nach einem von Sr. Majestät erhaltenen Winke 
eine Börse. 

Der Gefangene, der nicht wußte, daß er sich in der 
Nähe des Kaisers befinde, wünschte Sr. Majestät vorgestellt 
zu werden. 

Der Kaiser, soeben vom Pferde gestiegen und im Ge- 
spräche mit seinem Oberstkämmerer und seinem General- 
adjutanten, näherte sich nun dem Gefangenen, der von der 
hohen Einfachheit des Monarchen wie bezaubert schien. 

Se. Majestät fragten ihn, ob er bei seiner Gelangen- 
nehmung gut behandelt worden sei. Er bejahte es. (Durosnel 
hatte dem Offizier, der ihn gefangengenommen, nebst Degen, 
Sackuhr und Börse sein Limoiciner 4 ) Pferd zum Andenken 
überlassen, welches später Fürst Johann Liechtenstein dem 
Offizier abgekauft hatte.) Ob der Kaiser Napoleon bei der 
Schlacht gegenwärtig sei? Er bejahte das gleichfalls*). Hierauf 



') Chevaulegersregiment Nr. 5. 

2 ) Heute Eibesbrunn. 

3 ) Seiring. 

4 ) Ein Pferd aus Limousiu, einer Landschaft im Departement 
Haute-Yieune und Correze. 

*) Anmerkung des Verfassers: Als der Pfarrer von Aspern einige 
Tage nach der Schlacht im Hoflager zu Wolkersdorf angekommen, er- 



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230 



Sommeregg© r. 



bat der Gefangene um Bestimmung, wo er im Notfalle Geld 
bekommen würde, worauf Se. Majestät huldreichst erwiderten, 
dazu werde der k. k. kommandierende General in Mähren 
beauftragt werden; zugleich frugen Se. Majestät aber, welchen 
militärischen Rang der Gefangene bekleide und seine Antwort 
war, er sei Divisionär. 

Nun entgegnete der Kaiser: „So werden Sie einem 
kaiserlich österreichischen Generalfeldmarschalleutnant gleich- 
gehalten werden" und verabschiedete ihn sonach. Der k. k. 
Arcierengarde Rittmeister von Sebes erhielt dann zur Stelle 
den Befehl, den Gefangenen mittels der Post nach Brünn zu 
eskortieren. • 

Jetzt war General Durosnel im Posthause zu Wolkers- 
dorf angelangt. Der k. k. Rittmeister, der ihn gefangen- 
genommen, begab sich mit der Nachricht zu ihm, er, der 
General, müsse alle Schriften, Landkarten und was er sonst 
an Papier bei sich hatte, ausfolgen: dabei schickte sich der 
Rittmeister sogleich an, den rotsamtnen, goldbordierten 
Mantelsack des Gefangenen zu visitieren. Der General saß 
während dieses Vorganges auf einem im Zimmer des Post- 
meisters befindlichen großen Tische. Im Mantelsacke fand sich 
nichts als etwas feine Wäsche, mehrere Riechfläschchen, eine 
Konduiteliste der französischen Pagen, die sich der Gefangene 
anfangs abzugeben sträubte, sie endlich jedoch ausfolgte. 
Übrigens hatte er fortan mit hartnäckiger Zuversicht be- 
hauptet, Kaiser Napoleon müsse und werde die Schlacht 
gewinnen. Der Verfasser war Augenzeuge dieser Szenen. 

Gegen 12 Uhr mittags waren Se. Majestät nebst Be- 
gleitung in Wolkersdorf eingetroffen, nahmen wie gestern im 
Pfarrhofe ein kurzes Mittagmahl und begaben sich zu Pferde 
sogleich wieder auf den Schauplatz ihrer Erwartungen. 



zählte er, Kaiser Napoleon sei am 21. Mai 1809 während der Schlacht 
drei Stunden lang auf dein Kirchturm zu Aspern gewesen und habe, 
als er die Österreicher vorrücken gesehen, beim Herunterkommen aus- 
gerufen: „Quelle temoritö !" u. s. w. Nach Aussago des gedachten 
Pfarrers war Kaiser Napoleon in einem sehr ärmlichen Fracke ohne 
Degen erschienen und hatte überhaupt ein Ansehen, daß ihn selbst 
Franzosen nicht erkennen konnten. Ferner sei er in der Schlacht von 
einer Kleingewehrkugel leicht verwundet worden. 




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Feldxagsreise des Raisars Franz 1S09. 



231 



Von dem Elende der armen Blessierten gerührt und 
alles ihrer Aufmerksamkeit und Sorge würdigend, befahlen 
Se. Majestät übrigens dem Hofkontrollor, sich unverzüglich 
nach Ulrichskirchen, wohin die Blessierten heute noch ge- 
schafft und im dortigen Schlosse untergebracht werden 
sollten, mit einigen Yiktualien von dem eben jetzt nicht 
sehr reichen Vorrate des Kaisers zu begeben und zu ihrer 
Labung so viel immer möglich mitzuwirken, dabei aber 
auch selbst der blessierten Franzosen menschlich eingedenk 
zu sein. 

Dergestalt waren inzwischen alle Vivres in dieser der 
Gefahr so exponierten Gegend plötzlich verschwunden, daß 
auch der durchlauchtigste Erzherzog Generalissimus einen 
k. k. Offizier aus seinem Hauptquartier Breitenlee an den 
k. k. Hofkontrollor gesendet hatte und mittels eines mit 
Bleistift geschriebenen, von dem Hauptmann von Nagel- 
dinge n unterfertigten Zettels um Wein, Brot und kalte 
Küche für sich und mehrere Herren Generale ersuchen ließen, 
was ebenfalls sogleich veranlaßt worden war. 

Eine Stunde, nachdem Se. Majestät abgespeist hatte, 
begab sich der k. k. Hofkontrollor mit einer guten Partie 
Yiktualien nach Ulrichskirchon. Nun war die Durchbrechung 
der Poststraße von Brünn, um nach Ulrichskirchen zu ge- 
langen, diesmal eine schwer zu lösende Aufgabe. Die Chaussee 
war nämlich damals mit Heuwagen und mit Munitionswagen 
bedeckt, die beide dringend zur Armee eilten und um den 
Vorrang stritten. Der Führer des einen Zuges behauptete, 
die Heuwagen müßten vor: die Armeepferde hätten Mangel an 
Futter, dagegen wollte der Führer des Munitionszuges die 
Munition vorgerückt wissen, denn die Armee habe Mangel 
daran. Jeder bezog sich auf die Strenge seiner Order. Endlich 
gelang es dem k. k. Hofkontrollor, einen der inpedierenden 
Heuwagen insofeme zum Weichen zu bewegen, daß er nebst 
seinem Viktualwagen nur eben durchschlüpfen und seine Be- 
stimmung sonach erreichen konnte. 

Bei seiner Rückkunft nach Wolkersdorf waren Se. Majestät 
noch nicht zurück, doch hatte der Rest der Suite die Hoch- 
leiten verlassen und die vorigen Wohnungen in Wolkersdorf 
bereits wieder bezogen. 



232 



Sommeregge r. 



Es war um 11 Uhr nachts, da der Kaiser in Wölkers- 
dorf unmittelbar vom Scillaen Heide, wohin Se. Majestät noch 
am Abend dieses Tages (22. Mai) geritten waren, eingetroffen. 
Im Absitzen vom Pferde sagte der Kaiser zu den Herum- 
stehenden: ..Gott sei Dank, der Sieg ist Unser!" Zugleich 
befahl er dem General Grafen von Bubna, sich sogleich zu 
dem durchlauchtigsten Erzherzog Generalissimus zu verfügen: 
..Sagen Sie Meinem Bruder." riefen Se. Majestät. „loh werde 
Mich morgen für den durch ihn errungenen Sieg nochmals 
persönlich bedanken; er soll es ihnen (den Franzosen) aber 
noch nicht schenken und bald wieder über sie herfallen!" 

Se. königliche Hoheit der Erzherzog Primas war mit 
der Siegesnachricht sogleich unmittelbar vom Schlachtfelde 
zu seiner erhabenen Frau Schwester, der Kaiserin, nach 
Ofen geeilt. 

Am andern Morgen (23. Mail hatte schon ein schrift- 
licher Tagesbericht über die Sehlacht bei Aspern im Hof- 
lager zu Wölkersdorf die Runde gemacht, der am Abende 
darauf aus der k. k. Felddruekerei, welche von dem 
k. k. Armeeministerium errichtet, für jetzt, in Gaunersdorf an 
der Brünner Poststraße, eine Post von Wolkersdorf, in ihren 
Arbeiten fortfuhr, gedruckt nach Wolkersdorf gekommen war. 

Einzelne Großtaten von dem Schlachtfelde von Aspern, 
wo nach dem Ausdrucke des Dichters Krieg und Schrecken 
über die Fluren zogen und nichts als Wunden und Tod 
zurückgelassen haben, sind in den ersten Tagen nach dieser 
Schlacht im Hoflager bekannt geworden. Die Gefahren, denen 
sich der durchlauchtigste Erzherzog Generalissimus, wie ge- 
wöhnlich, persönlich ausgesetzt, wurden mit demselben 
Enthusiasmus erzählt, mit welchem das geniale Talent des 
königlichen Heerführers, dem es zuerst gelungen, den Wahn 
v«>n der Unbesiegbarkeit Napoleons zu zerstören, bewundert 
wurde. *i 

*) Anmerkung des Verfassers : Dieser erhabene Prinz, in der 
Ituhe, im Hauptquartier die Sanftmut und Liebenswürdigkeit selbst, 
außer seinen häufigen Berufsgeschäften recht gerne Musik treibend 
und am Fortepiauo, das er sich auch im Lager verschafft, manches 
Viertelst ünd eben dem Dienste des Orpheus widmend, war bei irgend 
einem entstandenen Peindeslärm sogleich zu Pferde; in Uniform aber 



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Feldsugsreiae des Kaisers Franz 18Ü9. 



233 



Die schöne Tat des k. k. G. d. K. Fürsten Johann 
Liechtenstein, der. nachdem der Erzherzog Generalissimus 
bereits im Begriffe gewesen, den Befehl zum Rückzug zu 
erteilen, Höchstdenselben um Bewilligung, mit der unter- 
habenden Kavallerie noch einmal in den Feind einhauen zu 
dürfen, gebeten, diese erhalten und nun seinen Adjutanten. 
Major von Wallner 1 ), mit dem Befehle im Portefeuille un- 
verzüglich abgesendet hatte, damit sich die Kavallerie in 
Bewegung setze, an deren Spitze dann der Fürst den Sieg 
erringen half, war in jedermanns Munde. Das Adjutantenpferd 
wurde ihm bei dieser Gelegenheit durch eine Kanonenkugel 
unter dem Leibe 2 ) getötet und hatte man des heldenmütigen 
Fürsten gekrümmten grünen Federbusch fiberall wahr- 
genommen, wo Gefahr drohte. — So war es denn abermals 
ein Liechtenstein, der abermals in einer Marchfeldsschlacht 
den Sieg an fies verjüngten Österreichs Fahnen gefesselt 
hatte *). 

Alle Welt hatte nun nichts sehnlicher gewünscht, als 
den über den Feind erfochtenen Sieg schnell benützt und 
die Hauptstadt bald befreit zu sehen. Österreichische Kund- 
schafter, die von Zeit zu Zeit im Hoflager zu Wölkersdorf 
eingetroffen, wollten wissen, Kaiser Napoleon habe 
48 Stunden lang auf der Insel Lobau zitternd erwartet, von 
den Österreichern zermalmt zu werden. 

Der Schlag von Aspern habe auf das französische Heer, 
welches unmittelbar nach der Schlacht mit all seinem noch 
geretteten Geschütze auf der Lobau, um Napoleon ver- 
sammelt, sich durch die abgebrannte Schiffbrücke von aller 

und mit dem Kommando beschäftiget, ein ganz anderes "Wesen, voll 
Feuer und Flammen, voll Enthusiasmus und Vaterlandsliebe, ebenso 
gefürchtet als geliebt, des Heeres Vater. 

*) Anmerkung des Verfassers: Heinrich von Liechtenstein 
hatte in der Marchfeldsschlacht 127S für Kaiser Rudol f von Habsburg 
das Panier, welches der sinkende hundertjährige Greis Konrad von 
Haslau gehalten, behende ergriffen und es hoch aufschwingend zum 
Siege wesentlich beigetragen. (Fugger. Spiegel der Ehre.) 

») Rittmeister Wahlner. 

2 ) Dem Adjutanten an seiner Seite tötete eine Kanonenkugel das 
Pferd unter dem Leibe; der Fürst wandte nicht den Blick; immer voran 
ging es gegen den Feind. 



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234 



Sommeragger. 



Kommunikation mit dem jenseitigen Ufer abgeschnitten ge- 
sehen hatte und wegen Mangel an Lebensmitteln schnell bis 
zum Gennsse von Pferdefleisch gebracht war, den tiefsten 
Eindruck gemacht u. s. w. Doch — der berühmte und ruhm- 
gekrönte königliche Feldherr hatte gewiß triftige Gründe, 
seine Ansichten zu befolgen und das Wold und Wehe eines 
großen Staates nicht leicht auf die Spitze zu stellen. 

Die Dankesbezeigungen und Ordensverleihungen, welche 
Se. Majestät nach dem Gewinne dieser Schlacht vorgenommen, 
sind längst bekannt. 

Von Sr. kaiserlichen Hoheit, dem Erzherzoge Johann 
kam aus Italien die Nachricht, daß Höchstderselbe von Sacile 
einen schönen Rückzug über San Quirino, Spilimbergo, San 
Daniele, Ospidaletto, Venzone, Pontebba, Pontafel nach Tarvis 
gemacht habe. 

Dann traf auch die Nachricht von der in Schweden 
durch den Herzog Karl von Süd ermann land *) erregten 
Revolution ein. 

Am 27. Mai waren im Hoflager zu Wolkersdorf auf 
mehr denn 60 Wagen Tausende von den auf dem Schlacht- 
felde bei Aspem aufgelesenen französischen Gewehren, 
Kanonenkugeln, Säbeln und von durchlöcherten Harnischen 
der sogenannten Cathaphractes (Eisenmänner i, und zwar 
15.000 Feuergewehre, eine außerordentliche Menge von 
Kanonenkugeln jeden Kalibers angekommen, die sämtlich im 
Körnerkasten zu Wolkersdorf untergebracht, zum Teile aber 
i wie die Kanonenkugeln, deren Zufuhr mehrere Tage fort- 
gedauert hattei, vor demselben in gewöhnlicher Weise auf- 
geschlichtet, bis zum weiteren Transporte belassen wurden. 

Am 27. Mai waren gleichfalls die durchl. Erzherzoge 
Ludwig und Maximilian Este, Höchstweich letzterer eine 
Bestimmung nach Siebenbürgen erhalten sollte — dann der 
durchlauchtigste Erzherzog Primas von Ofen wieder zurück 
in Wolkersdorf eingetroffen, und Se. Majestät hatten die im 
Schlosse zu Ulrichskirchen untergebrachten Blessierten, mit 
denen das ganze Schloßgebäude bis in die Korridors gelullt 
war. besucht, sowie die gleichfalls darunter befindlich ge- 

l ) Der Herzog von Süderniannland wurde von den schwedischen 
Reichsständen am 6. Juni als Karl XIII. zum Koni^ erwählt. 



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Feldzagsreiie des Kaisers Franz ltDJO. 



235 



wesenen blessierten Franzosen getröstet, gelabt und beschenkt. 
Der Verfasser, dem es gelungen, einen ganzen Wagen voll 
Scharpien, Bandagen und sonstige Verbandstücke, die auf 
seine Anregung auf den k. k. Familienherrschaften Sassin 
und Holics in Ungarn durch den hochwürdigen Pfarrer 
von Stepanow eiligst gesammelt wurden, zu erhalten, hatte 
diese Sachen nach Ulrichskirchen überbracht. 

Den 18. Mai ließen Se. Majestät an zwölf zur k. k. Armee 
eingerückte Landwehrbataillone durch den Hofkontrollor 
44 Eimer Wein als Douceur ausfolgen, welche der k. k. Oberst- 
leutnant Graf Karl von Sinzendorf zur Verteilung (die in 
der Gegend von Pillichsdorf vorgenommen wurde) über- 
nommen hatte. 

Die Franzosen hatten ihr Observatorium, das war durch 
Kundschafter bekannt, am Kahlenberge. das österreichische 
Observatorium wurde dagegen am Bisamberge, in der Gegend 
des Magdalenenhofes, in einem dem Grafen von Traun 
gehörigen Gloriette errichtet. Von diesem Punkte aus konnte 
man das Marchfeld, die Lobau, die Stadt Wien, Schönbrunn, 
überhaupt einen sehr großen Rayon übersehen. 

Donnerstag, den 1. Junius 1809, am Fronlei chnamstage, 
hatte sich zu Wolkersdorf eine Begebenheit ereignet, welche 
dem altgeschichtlichen Orte ein neues, höheres Interesse 
sichert. 

Wie Kaiser Rudolf von Habs bürg zeigte von jeher 
auch sein glorreicher Enkel, der Kaiser Franz L von Oster- 
reich, neben einem einnehmenden Betragen, Einfachheit in 
Kleidung und Nahrung, Pracht, wenn es die Gelegenheit 
erheischte, Hochherzigkeit, Rittersinn, standhaften Mut, 
liebende Sorgfalt für seine Familie, Aufopferung jedes Privat- 
vorteiles, sobald es darauf ankam, das Interesse des Staates 
zu befördern: aber auch Pünktlichkeit im Gottesdienste und 
eine Schätzung und Verehrung der Geistlichkeit als Diener 
der Religion seiner Väter und der Seinigen, was allein im 
stände gewesen ist, das Schill' des Staates in den Tagen des 
Leichtsinnes gegen Stürme zu bewahren. 

Der religiöse Fronleichnamsuingang, in der Residenz 
jedesmal mit so vieler Pracht gefeiert, fand diesmal in dem 
kleinen Orte Wolkersdorf, fast im Angesichte eines stolzen. 

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236 



Sommeregge r. 



neues Verderben sinnenden Feindes, unter Teilnahme Seiner 
Majestät des Kaisers und Königs, mit der gewöhnlichen 
Ortsbegleitung und im Gefolge des gesamten anwesenden 
Hofstaates, der sich ohne Beobachtung eines Ranges anzu- 
schließen Befehl erhalten hatte, statt. 

Der Anblick des hinter dem ärmlichen Thronhimmel 
der Marktkirche in Feldmarschallsuniform folgenden Kaisers 
war ebenso erhebend als rührend. Das Hochwürdigste hatte 
der Pfarrer Anton Schmid, ein silberhaariger Greis, be- 
gleitet von zwei Vikaren, getragen. 

Se. Majestät umgaben die durchlauchtigsten Erzherzoge 
Anton und Maximilian; begleitet hatten außer dem 
k. k. Oberstkämmerer Grafen von Wrbna der k. k. G. d. K. 
Fürst Johann von Liechtenstein und der k. k. General- 
adjutant, General von Kutschera. Sechs k. k. Arcieren- und 
sechs königlich ungarische Garden folgten diesmal zu Fuße 
mit gezogenem Säbel, und die k. k. Hoiburgwachemannschaft 
hatte die Ordnung im Zuge beobachtet, welchen Se. Majestät, 
der großen Tageshitze ungeachtet, mit allem Gefolge zu den 
vier, in ziemlicher Entfernung voneinander errichteten 
Evangeliumsaltären gefolgt waren. 

Salven aus kleinem Gewehre von zwei aufgestellten 
Kompagnien k. k. Grenadiere und mehrere Pöllerschüsse der 
Bewohner verkündeten die Feier des Tages. 

Aon dem durchlauchtigsten Erzherzoge Johann waren 
inzwischen Nachrichten eingelangt, demgemäß der Erzherzog 
sein unterhabendes Armeekorps geteilt hatte, und — während 
der Marquis Chasteler mit einem Teile einstweilen noch in 
Tirol gebheben, der Banus Graf Gyulai sich gegen Kroatien 
gezogen hatte, die glänzende Verteidigung der in der Eile 
errichteten hölzernen Blockhäuser auf den beiden Sperr- 
punkten, nämlich dem Eisenhammer Malborghetto und am 
Predil erfolgt war, am 1 (J.Mai zu Villach, am 18. zu Klagen- 
furt, am 19. zu Graz, endlich am 29. Mai über Fürstenfeld 
zu St. Gotthard in Ungarn eingetroffen ist. 

Der durchlauchtigste Erzherzog Maximilian war am 
2. Juli von Wolkersdorf an seine Bestimmung nach Sieben- 
bürgen abgereist, das Kommando über die siebenbürgische 
Insurrektion zu übernehmen. 



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FeldaugBreise des Kuisera Franz 18U9. 



•237 



Auch von dem durchlauchtigsten Erzherzoge Ferdinand 
Este, welcher mit seinem Armeekorps bei Thorn und Danzig 
stand, während pohlische Insurgenten eine Diversion in Gali- 
zien zu machen versuchten, waren Nachrichten eingetroffen. 

Die Franzosen hatten in der Nacht vom 3. zum 4.Junius 
die Stadt Preßburg vom rechten Donauufer aus beschossen 
und unter Marschall Davoust mehrere Stürme auf den 
Brückenkopf und die Brückenschanze unternommen, welche 
der heldenmütige k. k. General Bianchi jedesmal standhaft 
zurückgewiesen hatte. 

Im Hauptquartier des durchlauchtigsten Erzherzogs 
Generalissimus zu Markgraf-Neusiedl war in diesen Tagen 
zufällig Feuer ausgebrochen, das inzwischen keine andere 
Folge hatte, als daß der Erzherzog sein Hauptquartier nach 
Deutsch-Wagram verlegte. 

Während der k. k. FML. Marquis Chasteler sich in 
Tirol über Innsbruck nach Lienz gezogen, streiften öster- 
reichische Posten bis Verona, hatten die tapfern Tiroler 
Bregenz von den Feinden gereinigt. 

Vom österreichischen Observatorium am Bisamberge 
kam die Meldung, man beobachte, daß die Franzosen von 
Ebersdorf nach der Insel Lobau eine zweite Brücke zu 
schlagen anfangen. 

Der k. k. Oberstjägermeister Graf Johann Ferdinand 
von Hardegg - Glatz, welcher bereits am 4. Junius von 
Wien über Ofen im Hoflager bei Sr. Majestät in Wolkers- 
dorf angelangt und auf demselben Wege wieder nach Wien 
zurückgereiset war. kam den 16. Junius mit dem Vizepräsidenten 
der k. k. Hofkanimer Graf Josef von Pergen abermals in 
Wolkersdorf an. Sie hatten Wien diesmal bereits am 11. Junius 
verlassen and suchten bei Sr. Majestät Hilfe wegen der 
französischen Requisitionen in Wien 

Ihren Äußerungen nach waren der alte Fürsterzbischof 
von Salzburg (Hieronymus Graf Colloredoi, der alte Fürst- 
erzbischof von Wien Sigismund Graf Hohenwart!, der 
Vizepräsident Graf Josef von Pergen und der alte Fürst 
Franz von Metternich -Winneburg*) als Geiseln wegen 

*) Anmerkung dos Verfassers: Y.iter <les nachmaligen Haus-, Hof- 
und Staatskanzlera Fürsten Klemens von Metternich. 



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238 



8ommer«gfcer. 



der französischen Requisition bestimmt und hievon nur der 
Fürsterzbischof von Salzburg dispensiert worden. 

Beide Grafen fuhren von Wolkersdorf auf demselben 
Umwege ganz zufriedenen Antlitzes wieder zurück nach 
Wien. 

Bei einer von dem durchlauchtigsten Erzherzoge Pala- 
tinus am 17. Juni aus Komorn gegen Acs unternommenen 
Rekognoszierung fand die ungarische Insurrektion Gelegen- 
heit, sich hervorzutun; sie hatte sich sowohl bei dem Rück- 
züge des durchlauchtigsten Erzherzogs gegen Koraorn als 
einige Tage später bei dem Zuge des Generals Baron Mesko, 
den 'er im Rücken des Feindes gegen den Plaittensee unter- 
nommen 1 ), ausgezeichnet. 

Seit 24. Juni 1809 war in der k. k. Felddruckerei zu 
Gaunersdorf ein politisches Blatt unter dem Titel „Oster- 
reichische Zeitung*' wöchentlich zweimal erschienen, mit 
dessen Redaktion der bekannte Gelehrte k. k. Hofsekretär 
Friedrich Schlegel beauftragt gewesen ist. 

In diesen Tagen war der kaiserliche österreichische 
Botschafter in Frankreich Graf (später Fürst) Klemens 
von Metternich*) nebst dem Botschaftskavalier Fürsten 
Paul Eszterhäzy (später k. k. österreichischer Botschafter in 
London i, dem k. k. Botschaftsrate von Floret im Hoflager 
bei Sr. Majestät in Wölkersdorf angekommen. 

Mit diesen sah man hier auch den ersten Adjutanten 
des Fürsten Karl von Schwarzenberg, Botschafters am 
kaiserlich russischen Hofe und Botschaftskavalier, k. k. Major 
von Tettenborn i später Generalleutnant, in großherzoglich 
badensiseheii Diensten und Gesandten am k. k. österreichischen 
Hofe zu Wien , der damals eben aus Petersburg an- 
gekommen war. 

Bei der Durchfahrt in Komorn begegnete einigen Mit- 
gliedern der Gesandtschaft ein besonderer Zufall, der tragisch 
hätte enden können. Da sich hieraus auf die Stimmung in 

* Anmerkung des Verfassers: Im Jahre 1797 Gesandter des rheini- 
schen Grafenkollegiums in Rastatt. 1S01 k. k. Minister in Dresden, 1804 
in Berlin, lso<> Botschafter in Paris. 

') Mesko war in der Schlacht bei Raab von der Armee ab- 
geschnitten worden. 

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FoldzuRsreise des Kaisers Franz 1809. 239 

Ungarn schließen läßt, folgt eine kurze Darstellung desselben. 
Einige der Botschaftsmitglieder wollten nämlich von einem 
Kirchturme zu Komorn die Stellung des Feindes übersehen; 
auf demselben Turme aber hatten sich zu gleichem Ende 
schon früher einige ungarische Insurgentengemeine ein- 
gefunden. Nachdem sie die erstgenannten Herren sich in einer 
fremden Sprache unterhalten hörten, schöpften sie Verdacht 
und verabredeten sich auf ungarisch, die Herren kurzweg 
vom Turme liinabzu werfen. Der Fürst Paul Eszterhazy, der 
von der Gesellschaft gewesen, versteht zum Glück die Unter- 
redung der Ungarn, spricht in ihrer Sprache mit ihnen, gibt 
sich ihnen zu erkennen und das Vorhaben unterbleibt. Das 
war die Stimmuug in Ungarn trotz Napoleons Prokla- 
mationen. 

Am 26. Junius nachmittags fuhren Se. Majestät mit 
einem kleinen Gefolge und mit eigener Hofbespannung von 
Wolkersdorf nach Preßburg, wo der durchlauchtigste Erz- 
herzog Johann seit 23. Junius über Sommerein eingetroffen 
war, nachdem sich Höchstderselbe am 22. zu Boos von dem 
durchlauchtigsten Erzherzog Palatinus i Höchstweicher daselbst 
sein Hauptquartier beibehalten) getrennt hatte. Zugleich war 
der Prinz Friedrich von Oranien and waren die durchlauch- 
tigsten Erzherzoge Palatin und Ludwig in Preßburg ange- 
kommen, das Namensfest des Erzherzogs Johann zu begehen; 
doch waren beide letztere unverzüglich wieder an die Orte 
ihrer Bestimmung zurückgekehrt und auch der Prinz 
Friedrich von Oranien hatte sich wieder entfernt. 

Es schien, als hätten die Franzosen von ihrem Ob- 
servatorium am Kahlenberge die mit den Postschimmeln des 
Kaisers bespannten Hofwagen, in denen Se. Majestät gleich- 
sam vor den Augen des Feindes die Ebene des Marchfeldes 
nach Preßburg durchflogen, erkannt und beobachtet, denn 
der Kaiser war am 26. Junius abends zu Preßburg im 
Provinzialgebäude in der Stadt abgestiegen und hatte sich 
nach lü Uhr abends kaum zu Bette begeben, als das feind- 
liche Bombardement der Stadt begann. Zwei Haubitzen 
waren ins genannte Provinzialgebäude in geringer Ent- 
fernung von dem Schlafzimmer des Kaisers gefallen. Doch 
der Herr schützte seinen Gesalbten. Se. Majestät standen auf, 



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240 



Somiuerogger. 



ließen sich in aller Euhe ankleiden, befahlen einzupacken 
und begaben sich mit Sr. kaiserlichen Hoheit, dem Erzherzoge 
Johann, Höclistwelcher sogleich herbeigeeilt war, dann mit 
dem Oberstkämmerer, Grafen von Wrbna, und mit dem 
k. k. Generaladjutanten, General von Kutscher a, unter 
fortwährendem Bombardement zu Fuße nach der Vorstadt in 
den gräflich Erdödysehen Garten, in dessen auf einer An- 
höhe am Fuße des Kalvarienberges ruhenden Gloriette der 
Kaiser den Rest der Nacht wachend zugebracht. 

Der Feind hatte den in Preßburg kommandierenden 
General Bianchi zur Übergabe der Brückenschanze binnen 
einer Stunde Bedenkzeit aufgefordert; die Antwort fiel ab- 
schlägig aus und das Bombardement begann. Während ihre 
Häuser und ihre Habe ein Raub der Flammen geworden, 
waren die Einwohner von Preßburg weit entfernt, Zag- 
haftigkeit zu äußern, vielmehr erneuerten sie Verwünschungen 
und Aufforderungen zum Widerstantie. Sie kampierten in 
ihren Weingärten. Die Judenschaft, deren Häuser am Schloß- 
berge der Wut der feindlichen Kugeln am nächsten gelegen 
waren, hatte sich auf dem Wege nach Stampfen gelagert. 

Wie schützende Engel wandelten Se. Majestät mit dem 
Erzherzoge Johann unter dem gebeugten Volke, trösteten, 
ermunterten, labten Verwundete, beschenkten selbst und 
ließen Unglückliche durch den k. k. Oberstkämmerer und den 
k. k. Generaladjutanten beschenken und ordneten, als am 
Abende vom 27. Juni das Bombardement erneuert worden, 
am Platze der Barmherzigen Brüder in Allerhöchster Person 
Löschanstalten. 

Erschöpft und betrübt langte der Kaiser am 28. Juni 
abends zurück in Wolkersdorf an. Man hatte vernommen, 
daß der Feind an diesem Abende nochmals einen obschon 
im Vergleiche mit den vorigen Nächten nur schwachen Ver- 
such, das Bombardement von Preßburg fortzusetzen gemacht, 
endlich aber sich unverrichteton Erfolges auf dem Wege 
nach Wien zurückgezogen habe. 

Bei Anwesenheit des Kaisers in Wolkersdorf hatten sich 
Se. Majestät manchen Abend unterhalten, in ihrer Wohnung 
Quartette zu spielen, wobei der Kaiser die erste Violine, der 
k. k. Hofrat und Leibarzt von Stift die zweite. General 




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Feldiugsreise de« Kaisers Franr 1-509 



241 



von Kutschera die Viola und der k. k. Oberstkämmerer 
Graf von Wrbna das Violoncello übernommen hatte. 

Zu den Unterhaltungen der Herren Kavaliere in Wolkers- 
dorf gehörte das Scheibenschießen mit Pistolen auf der 
Schloßwiese, welche man daselbst einen Garten genannt 
hatte und worin der k. k. Oberstkämmerer Graf von "Wrbna 
vorzüglich exzellierte. 

Während des langen Aufenthaltes der k. k. Hauptarmee 
um und bei Wolkersdorf, auf den Höhen von Stammersdorf 
bis zur Donau hinab, geschah es einmal, daß Mangel an 
Brot, und einmal, daß Mangel an Rauchtabak eingetreten 
war. Bei dem ersteren blieben die Soldaten heiter, froh und 
guter Dinge in ihren Baracken oder in den von ihnen in die 
Erde gegrabenen, zum Teil mit Türen, auch wohl mit 
Fenstern, Sitzen und dergleichen versehenen, gegen Wind 
imd Regen geschützten Löchern, welche heutzutage die 
Zelte ersetzen*). Als aber Mangel an Tabak eingetreten, 
welchem indessen sowie jenem an Brot durch die tätige Vor- 
sorge der Behörden schleunigst abgeholfen wurde, sah man die 
Mannschaft traurig herumgehen, es war ihr nirgends wohl, 
auch hörte man sogar Klagen aus ihrem bisher nur dem 
Jubel geöffnetem Munde und der Zuzug der Tabaks wagen 
wurde im Triumphe einbegleitet. 

Seit dem 1. Julius 18()y hatte man zu Wolkersdorf den 
Donner der Kanonen oft vernommen. Vom Observatorium 
am Bisamberge kam Nachricht, man bemerke seit wenig 
Tagen, daß sich die französische Armee in der Gegend von 
Wien und bei der Lobau zusammenziehe, auch sehe man 
neue feindliche Truppen von Ungarn heranmarschieren. 

Die Feinde waren am 4. Julius auf ihrem alten Orte 
bei Aspern und Stadt Enzersdorf wirklich über die Donau 
gesetzt, ohne daß man ihnen österreichiseherseits, unge- 
achtet mancher Vorpostengefechte und lebhafter Kanonaden, 
einen ernsthaften Widerstand entgegenstellen zu wollen schien. 

*) Anmerkung des Verfassers: Mancher von den Soldaten hatte 
sich um seine Baracke ein kleines Küchengiirtchen angelegt, als wollte 
er seinen beständigen Aufenthalt hier nehmen. Viele pflanzten Bäumchen 
vor dio Türe, die wenigstens kurzo Zeit Schatten gaben und mit neuen 
verwechselt wurden. 

Mitteilungen des k. und k. Krieg*archivi. Dritte Folge. V. Dd. IG 



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242 



Sommeregge r. 



Gegend Abend des 4. Julius fiel stürmisches Wetter ein. 
Aufgeregt im Hoflager Sr. Majestät war alles aufmerksam. 

Von den Dachfenstern des Schlosses zu Wolkersdorf 
hatte man nach 9 Uhr abends Alarmstangen im öster- 
reichischen Lager wahrgenommen und eine starke Kanonado 
war erfolgt. Die Alarmstangen bezeichneten, daß der Feind 
während des Gewittersturmes selbst einen Übergang wage. 
Der k. k. Minister Graf Johann Philipp von Stadion hatte sich 
ungeachtet seines Podagras ebenfalls auf den Dachboden 
des Schlosses, dessen Zimmer er bewohnte, begeben, und der 
Verfasser hob ihn selbst auf eine der umgestürzten Wasser- 
bodungen 1 ) (Tonnen), auf welcher er stehend bequem sehen 
konnte. Die Nacht war stürmisch, die Kanonade heftig, doch 
ward es gegen 1 Uhr morgens stille und man ging zu Bette. — 

Am frühesten Morgen des 5. Julius begann die Kanonade 
aufs neue, die Meldungen besagten gegen den Mittag, der 
Feind habe sieh auf den Ebenen gegen den Rußbaeh über 
Raschdorf 2 i, Breitenlee und Aspern ausgebreitet. 

Unter fortwährendem Kanonendonner speisten Se. Maje- 
stät der Kaiser zu Mittag und begaben sich dann, von dem 
durchlauchtigsten Erzherzoge Anton begleitet, im Gefolge 
des Grafen von Wrbna, der Generale von Kutschera und 
Bub na, dann mehrerer Stabsoffiziere zu Pferde zur Armee. 

Die Suite hatte Befehl erhalten, Wolkersdorf um 4 Uhr 
nachmittags zu verlasse», sieh wieder zum Kavalleriepikett- 
hause auf die Hochleiten zu begeben und dort weitere Befehle 
zu erwarten. Der k. k. Hofkontrollor mußte mit einer kleinen 
Abteilung im Pfarrhofe zu Wolkersdorf zurückbleiben. 

Se. kaiserliche Hoheit der Erzherzog Generalissimus, 
Höchstweicher mit dem k. k. G. d. K. Grafen von Belle- 
garde die bei Baumersdorf wankenden k. k. Truppen ge- 
sammelt und an ihrer Spitze dann selbst dem Feinde ent- 
gegengefahrt, hatte, wurde bei Zurück Wertung desselben über 
den Rußbach durch einen Streifschuß leicht verwundet. Indes 
dauerte die Sehlacht bis in die späte Nacht fort und hatt*> 
das k. k. Heer heute seine Stellung behauptet und alle An- 
griffe des Feindes siegreich zurückgeschlagen. 

') Bottiche. 
*) Raasdorf. 




✓ 



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Feldzuggreiso des Kaisers Frani 19)9. 



243 



Se. Majestät waren nach 11 Uhr nachts in Wolkersdorf 
angelangt und legten sich unentkleidet in des Pfarrers 
Wohnung auf einen überbreiteten Strohsack, um auszuruhen. 

Schon nach 3 Uhr morgens am 6. Julius sah man den 
k. k. GFML. Nordmann 1 ', von einer Gewehrkugel durch die 
rechte Brusthöhle geschossen, welche ihm unter der rechten 
Schulter im Rücken herausgefahren war, in der Generals- 
Kampagneuniform, über die das Blut aus der Wunde herab- 
rieselte, zu Pferde ohne alle Begleitung in Wolkersdorf ein- 
treffen. Der Verfasser war der erste, der dem General auf 
seinem Wege begegnete, und diesen ersuchte der General, 
ihm eine Unterkunft und «-inen Arzt zu verschaffen, der ihn 
verbände. Beides wurde besorgt und der k. k. Hofchirurg von 
der Hoch leit en herabgeholt. 

Während dieses geschehen, hörte man Kanonaden. 
Se. Majestät erwachten und begaben sich mit der nämlichen 
Begleitung zu Pferde wieder -zur k. k. Armee, bei welcher 
diesmal die Stille empfohlen worden war. 

Der k. k. Hofkontrollor hatte den Befehl erhalten, für 
Se. Majestät nebst gewöhnlicher Umgebung und für einige 
Generale auf der Hochleiten, bei dem Piketthause, ein 
Mittagsmahl in Bereitschaft setzen zu lassen. Er begab sich 
sogleich an den bezeichneten Ort und ließ daselbst, dem 
I'iketthause gegenüber, eine Laube von frischen Eichen- 
zweigen vorrichten, unter welcher die Mittagstafel für Seine. 
Majestät aufgerichtet worden war. 

Von dieser Höhe herab hatte man inzwischen dem 
großen Trauerspiele in den Ebenen zugesehen, das ein 
Schlachten, nicht mehr eine Schlacht zu nennen war. Bald 
links, bald rechts entbrannte ein Dorf. Jetzt flogen Pulver- 
karren in die Luft, jetzt schien ein dicker Rauch und Staub- 
(|iialm die Sonne verdunkeln zu wollen. Mit jedem Augen- 
blicke erneuerte sich die Hoffnung, den durchlauchtigsten Erz- 
herzog Johann wahrzunehmen *). 

FML. Baron Nord mann dürfte noch an demselben Tage seiner 
tödlichen Verwundung erlegen sein, da er in sämtlichen Werken als 
..am 6. Juli in der Schlacht bei Wagram gefallen'' angeführt wird. 

*) Anmerkung des Verfassers: Se. kaiserliche Hoheit hatte am b. 
Julius morgens Ii Uhr mit ihrem Hauptquartier, in Begleitung eines kleinen 

16* 



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244 



Sommerogger 



Einige ältere Militärs bei der Suite schlössen aus den 
schnellen Wendungen, welche man von der Hochleiten aus 
bei der Armee wahrgenommen, auf Unglück; und gegen 
1 Uhr mittags waren schon viele gefangene Italiener. Bayern. 
Württemberger, Portugiesen und Franzosen den Versammhmgs- 
platz der kaiserlichen Suite auf der Hochleiten vorüber durch 
k. k. Soldaten eskortiert worden, von welch letzteren man 
vernommen, der durchlauchtigste Erzherzog Karl habe den 
Rückzug anbefohlen. 

Bald nachher langte der Befehl Sr. Majestät an, eine 
größere Abteilung der Suite habe sich von da unverzüglich 
nach Gaunersdorf zu begeben und dort die weitere Be- 
stimmung abzuwarten. Zugleich war die Feldsuite des durch- 
lauchtigsten Erzherzogs Karl nunmehr auch auf der Hoch- 
leiten eingetroffen. 

Nach 2 Uhr nachmittags kamen Se. Majestät der Kaiser 
und hatten an der unter der Laube vorbereiteten Tafel das 
Mittagsmahl genommen. Die Tafel war für 15 Kuverts ge- 
richtet. Um halb 4 Uhr erhob sich der Kaiser vom Tisch»' 
und geruhte dem am Eingange der Laube harrenden Hot- 
kontrollor die Worte zuzurufen : ..Macht, daß Ihr fortkommt!" 
Der k. k. Oberstkämmerer Graf von Wrbna erteilte namens 
Sr. Majestät. Allerhöchst welcher sich abermals zu Pferde zur 
Armee begeben hatte, den weiteren Befehl, die in Gauners- 
dorf befindliche Abteilung der Suite habe sich von da nach 
Ernstbrunn zu verfugen, wohin Se. Majestät nachkommen 
wollte. Eben dahin sollte sich auch der Hofkontrollor und 
der übrige Teil der Suite begeben. Gegen 5 Uhr abends kam 
abermals eine Menge Gefangener über die Hochleiten, wo die 
Dienerschaft des k. k. Tafeldienstes mit Einpacken beschäftiget 
gewesen, so auch mehrere eroberte feindliche Kanonen und 
Pulverwagen, worauf die eskortierenden Soldaten ihre Beute 
wunderlich und seltsam aufgepackt hatten. Da lag auf einer 

Teiles ihrer Suite. Preßburg verlassen, speisten in Marchegg zu 
Mittag, fuhren gegen Siebenbrunn vor und langten nebst dem Haupt- 
quartier bald wieder in Marchegg au. blieben hier zu Xacht. kehrten 
am 7. Julius morgens über die Mart h zurück nach Blumenau, wo sie 
übernachteten, kamen am S. neuerdings nach Marchegg und kehrten 
vormittags nach PreLiluirg zurück. 



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Feldzugsreiie <les Kaisers Franz 1800. 



245 



Kanone ein Federbett, über diesem ein halbes Schwein: 
dort sah man auf Pulverkarren Mehltröge, Hühner, Wäsche. 
Gefangene Portugiesen schleppten sich, den Rosenkranz in 
der Hand, keuchend den Berg hinan, k. k. Grenadiere boten 
goldene Medaillons mit Damenporträts zum Verkaufe. 

Nach Abgang des letzten Restes der kaiserlichen Suite 
von der Hochleiten, welcher gegen halb 6 Uhr erfolgte, 
hatte man in den Ebenen noch immer hie und da Feuer- 
rauch aufqualmen gesehen, an dessen Stelle am Spätabende 
Feuerrote getreten war. 

Se. Majestät waren nach 9 Uhr abends in Ernstbrunn an- 
gekommen und hatten das fürstlich Sinzendorfsche Schloß be- 
zogen. Am 7. Juni wurde daselbst das Mittagsmahl genommen 
und nach Tische wurde mit der ganzen Suite der Weg nach 
Ofoerhollabrunn angetreten. Von hier fuhren Se. Majestät 
am 8. Julius morgens ins Hauptquartier des durchlauchtigsten 
Krzherzogs Generalissimus gegen Mallebern, sendeten die 
Suite voraus nach Znaim, während für AUerhöchstdieselbe zu 
Jetzelsdorf das Mittagsmahl bereitet worden; begaben sich 
nach Tische von Jetzelsdorf abermals zu dem durchlauchtigsten 
Erzherzog Karl und waren nach 6 Uhr abends in Znaim 
eingetroffen, wo Allerhöchstdieselben im Wirtshause bei den 
drei Fürsten die Wohnimg genommen hatten. 

Hier sah man eine große Zahl Verwundeter, denen 
Se. Majestät die teilnehmendste Sorgfalt widmeten. Es ver- 
breitete sich die Nachricht, bei der letzten Schlacht von 
Wagram habe die k. k. Armee 12 Adler und Fahnen ge- 
nommen und 1 1 Kanonen erobert, während österreichischer- 
seits nur eine Fahne an den Feind verloren gegangen sei 1 1. 

Sonntag, den 9. Julius morgens wohnte der andächtige 
Kaiser zu Znaim dem Meßopfer bei. Bald nachher erteilte er 
den Befehl, die Suite, wie bereits in Kemmeibach geschehen, 
abermals zu teilen, den größeren Teil davon nebst den ge- 
samten Hofpferden nach Prag zu senden, den kleineren aber 
zur Dienstleistung bei Sr. Majestät zurück zu behalten. 



•) Österreiohischerseits fielen neun Geschütze und die Fahne des 
3. Bataillons Argenteau in französische Hände: tatsächlich büßten die 
Franzosen mehr Kriegstrophäen ein als die Österreicher. 



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246 



Sommeregge r. 



Dem Verfasser wurde abermals das beneidenswerte Glück 
zuteil, bei Sr. Majestät unmittelbar verwendet zu werden. 

Während des Mittagsmahles waren zwei k. k. Husaren- 
offiziere zur Wohnung Sr. Majestät in Znaim gesprengt ge- 
kommen, um den Kaiser von einer drohenden Gefahr zu 
benachrichtigen. Sie behaupteten nämlich, es wären zwei 
französische Kavallerieregimenter beordert, Se. Majestät auf- 
zusuchen und samt der Suite aufzuheben. 

Der k. k. General Graf von Bubna sprach mit den 
Husarenoffizieren und machte über Tische bei Sr. Majestät 
die Meldung. Der anwesende k. k. Oberstleutnant Schneider 1 ) 
hatte sich sogleich angetragen, einen rekognoszierenden Ritt 
vorzunehmen und Se. Majestät ließen ihm dazu eines ihrer Reit- 
pferde erfolgen: zugleich wurde Befehl erteilt, einzupacken 

Bald nachher war der k. k. Oberstleutnant mit der Be- 
stätigung zurückgekommen, daß Gefahr vorhanden sei, indem 
er eine Stunde vor Znaim feindliche Streifpatrouillen wahr- 
genommen habe. 

Da die Abreise schon vorbereitet gewesen, setzten sich 
Se. Majestät mit einiger Begleitung zu Pferde und um 
halb 6 Uhr abends war die ganze große Suite in einem Zuge 
von Znaim nach Mährisch- Budwitz bereits in Bewegung. 
Auf den Anhöhen zwischen Znaim und Frainersdorf hatte 
man eine Partie von Pontonieren angetroffen, welche zu 
Wolkersdorf, wenn der Kaiser spazieren ging, in Gegen- 
wart Sr. Majestät oft in einer nahen Lache mit drei bis vier 
Pontons Übungen vorgenommen. Diesen wurde angedeutet, 
sich zum Rückzüge zu bereiten. 

Der Kaiser war um 8 Uhr abends zu Pferde in Mährisch- 
Budwitz eingetroffen, und im Schlosse, das dem damaligen 
k. k. Oberstburggrafen in Böhmen. Grafen Josef von Wallis 
gehörte, abgestiegen: wo sich aber auch der k. k. Armee- 
minister Graf Karl Zichy bereits befunden hatte. 

Während die nach Prag bestimmte Abteilung der Suite 
ihren Weg dahin unaufgehalten fortgesetzt hatte, trafen 
Se. Majestät zu Budwitz die weiteren Reisedispositionen für 
Allerhöchstdieselben selbst. 



In der Suite des Kaisers kommandiert. 



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Feldzugsreise des Kaisers Franz 1809. 



247 



Der k. k. dirigierende Minister der auswärtigen An- 
gelegenheiten Graf von Stadion war von hier für seine 
Person nach Prag abgegangen, und von diesem Augenblicke 
an hatte jedermann den Grafen, späteren Fürsten, Klemens 
von Metternich, der seit Wolkersdorf immer im Gefolge 
Sr. Majestät geblieben war, als des Ministers Nachfolger an- 
gesehen. 

Se. Majestät wollten den Weg über Czaslau, Chrudim. 
Zwittau, Olmütz, Friedeck, Jablunka, Trentschin, Neuhäusel 
nach Komorn nehmen. Der k. k. General Graf Bubna wurde 
mit dem Befehle nach Brünn gesendet, dem Kaiser von da 
nach Olmütz zu folgen. Ebenso ein Teil der k. k. Leib- 
garde und der Hofburgwache: so auch einige k. k. Reit- 
pferde. 

Der k. k. Hofkontrollor mußte nach seinem Antrage die 
weitere Reise in einem Küchenwagen fortsetzen: er hatte das 
k. k. Tafelsilber und die k. k. Reisekasse bei sich und sollte 
Sr. Majestät auf dem bezeichneten Wege schleunig nach 
Komorn folgen. 

Die Bestellung der nötigen Post-, dann Vorspannspferde 
geschah durch zwei vorauseilende k. k. Arci&renleibgarden, 
deren jeder 2 Pferde erhielt, zusammen 4 Pferde. Bestellt 
wurden für Sr. Majestät Leibkalesche 6 Pferde: für den 
Leibwagen Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Erz- 
herzogs Anton 6 Pferde; für den Wagen Sr. Hoheit des 
Prinzen von Württemberg 6 Pferde: für den Wagen des 
k. k. Oberstkämmerers Grafen von Wrbna 6 Pferde; für den 
Wagen Sr. Exzellenz des Grafen von Metternich 6 Pferde: 
für den Wagen des k. k. Generaladjutanten Generals von 
Kutschera 4 Pferde; für den Wagen des k. k. Staats- 
rates von Bald ac ei 4 Pferde: für den Wagen des Hofrates 
und geheimen Kabinettsdirektors von Neuberg 6 Pferde: 
für den Wagen des Hofrates und Leibarztes von Stift 
4 Pferde: 2 k. k. Hofküchenwagen, jeder ä 6 Pferde, sind 
12 Pferde. 

Se. Majestät waren noch in derselben Nacht vom 9. 
zum 10. Julius von Budwitz abgereist. Mit dem Kaiser im 
Wagen fuhr der Graf Klemens von Metternich einige 
Posten weit, wo Se. Majestät dann wieder wie gewöhnlich 



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248 



Sommeregge r. 



ihren Oberstkämmerer Grafen von Wrbna zu sich in den 
Wagen genommen hatte. Der Kaiser trat' am 10. Julius zu 
Czaslau ein und ging von da über Chrudim, Leitomischl 
nach Olmütz, wo Se. Majestät am 12. Julius im erzbischöf- 
lichen Palaste eine Nacht ruhen wollten. Vor diesem Palaste 
mit dem k. k. Oberstkämmerer in einer sogenannten Hibben- 
kalesche in tiefer Nacht angelangt (des Kaisers Leibkalesche 
war nämlich auf diesem Wege gebrochen worden), mußte der Graf 
von Wrbna lange pochen, bis der schlaftrunkene und über die 
ihm unglaublich scheinende Ankunft des Kaisers erschrockene 
Portier das Tor geöffnet hatte. Von Olmütz am 13. Julius 
abgereist, wurden Se. Majestät zu Jabluuka von dem Herzoge 
Albrecht von Sa chsen-Tes chen mit einem Mittagsmahle 
bewirtet. In Trentschin hatte der Kaiser die untertänigste 
Einladung des Grafen Illeshazy anzunehmen geruht. Bei 
der Durchreise zu Neutra besahen Se. Majestät das Komitats- 
haus. Die Bewohner von Neutra konnten sich die Ankunft 
des Kaisers und Königs in ihrer Stadt auf keine Weise er- 
klären. Ein Vizegespan hatte bei dem Besuche des Kaisers 
im Komitatshause mit seinen Kollegen die Frage im stillen 
diskutiert, ob Se. Majestät wohl eine untertänigste Einladung, 
auf dem Komitatshause das Mittagsmahl zu nehmen, ge- 
nehmigen würde. Der gütige Monarch kam den Offerenten 
zuvor und das Mittagsmahl wurde wirklich daselbst genommen. 
Am 15. Julius abends waren Se. Majestät zu Koiuorn ein- 
getroffen, stiegen in der gräflich Ziehyschen Curia daselbst 
ab und geruhten Ins zur Ankunft ihrer eigenen Suite die 
Bedienung von der Suite des hier anwesend gewesenen Erz- 
herzogs Palatinus anzunehmen. 

Die k. k. Suite war von Budwitz, so wie sie auf den 
Stationen weiter befördert werden konnte, nachgefolgt. 

Der k. k. Hofkontroilor hatte zu Steinsdorf das Miß- 
geschick, den Wagen zu brechen und beeilte sich, Sr. Maje- 
stät den zweiten Küchenwagen aufs schleunigste nach- 
zusenden, während er genötigt war, die bedeutenden Repara- 
turen des eigenen abzuwarten. 

Auf dem Wege von Hohenmauth nach Leitomischl 
überfuhr den Verfasser ein k. k. Kurier, welcher Sr. Majestät 
die Nachricht von dem Treffen bei Znaini und von dem in 



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Feldzugsreise des Kaisers Franz 



249 



diesem Orte abgeschlossenen Waffenstillstände 1 ) zu überbringen 
vorgab. Zwischen Muglitz und Littau war der k. k. Hof- 
kontrollor einem k. k. Artillerieparke begegnet, der von 
Olmütz über den großen Hengst nach Böhmen geflüchtet 
wurde. In Olmütz hatte man an den Verschanzungen fleißig 
fortgearbeitet, und eben war der Befehl vollzogen worden, 
nach welchem sich die Einwohner der Festung auf drei 
Monate mit Lebensmitteln versehen mußten. In Ober-Auyest 
war ein französischer Kurier in Begleitung eines polnischen 
Obersten durchpassiert, welcher der russischen Armee die 
Nachricht von dem Waffenstillstände in Znaim überbringen 
wollte. Der Paß von Jablunka war mit einem Blockhause 
und mit ausgedehnten Verschanzungen versehen worden. Die 
Anmut und Schönheiten des Waagtales von Csacza über Sil- 
lein, Trentschin u. s. w. verdienten wohl, eine Voyage pitto- 
resque*), sowie mehrere der in jenen Gegenden befindlichen 
Bergschlösser, die wohl die Grenze des vormaligen groß- 
mährischen Reiches bezeichnen dürften, eine historische Be- 
schreibung. 

In Komorn endlich war der Verfasser, den man mit 
seinen ihm anvertrauten Kostbarkeiten von den Franzosen 
durchaus gefangengenommen haben wollte, am 19. Julius 
eingetroffen und fand Se. Majestät, wie bereits erwähnt, in 
der gräflich Zichyschen Kurie, welches ein weitläufiges Ge- 
bäude ist, in dem sich damals zugleich das Stadttheater, eine 
Judensynagoge, die k. k. Post, eine Fleischbank, ein Kaffee- 
haus und unter den Fenstern der damaligen Wohnimg des 
Kaisers eine k. k. Lottokollektur und viele griechische Ein- 
wohner befanden: und war dieses Gebäude zum Teile über- 
dies noch im Baue begriffen. 

In der Festimg sah man viele tausend Menschen mit 
Aufwerfung von Erdwällen, ebenso viele tausend bespannter 

') In der Nacht vom 11. auf den 12. Juli wurde der Waffenstill- 
stand von Znaim durch Berthier und den österreichischen Bevoll- 
mächtigten v. Wimpffen abgeschlossen. 

*) Anmerkung des Verfassers: Dieser Wunsch wurde später zum 
Teile erfüllt, indem der k. k. KammerkuplWstecher und Professor Josef 
Fischer im Jahre 1816 oder 1818 ein Werk mit Text in deutscher, 
ungarischer und französischer Sprache unter dem Titel „Malerische Reise 
auf dem Waagflusse in Ungarn" angefangen hat, das vielen Beifall fand. 



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250 



Sommerogger. 



Wagen mit Zu- und Abfuhr von Erde, Baumaterialien u. s. w. 
beschäftigt. 

Bis vor diese Festung waren die Franzosen gedrungen — 
nicht weiter. 

Se. Majestät sollen bei ihrer Ankunft in Komorn noch 
keine offizielle Nachricht 1 ) von dem zu Znaim abgeschlossenen 
Waffenstillstände gehabt haben. Deshalb wurde ein königlich 
ungarischer Leibgarde mit einem Handschreiben des Kaisers 
an den durchlauchtigsten Erzherzog Karl abgesendet. 
Übrigens hatten sieh mehrere Krieger unter den Fenstern 
des Kaisers, am Eingange des Kaffeehauses, über diesen 
Waffenstillstand ungünstig ausgesprochen* i. 

Am 19. Julius war Se. kaiserliche Hoheit der durch- 
lauchtigste Erzherzog Johann- > bei Sr. Majestät in Komorn 
eingetroffen, hatten sieh aber unverzüglich wieder an den 
Ort ihrer Bestimmung zurückbegeben. 

Der Kaiser schien anfangs bloß den Ausgang des 
Waffenstillstandes abwarten, dann aber neuerdings ernste 
Maßregeln ergreifen zu wollen. Inzwischen hatte man sieh 
bereits am 25. Julius im Hoflager mit der Neuigkeit herum- 
getragen. Odenburg sei zum Orte des Friedenskongresses 
bestimmt. 

Se. Majestät hatten den verdienstvollen k. k. G. d. K. 
Grafen von Bellegarde und den k. k. FML. Baron 
von Duka ins Hoflager nach Komorn berufen, und hielten 
militärische Konferenzen mit ihnen, zu welchen auch der 
k. k. Generaladjutant, General von Kutschera. der bereits 
längere Zeit dem geheimen Militärkabinette dos Kaisers vor- 
gestanden, gezogen wurde. 

Neuerdings wurde der königlich ungarische Leibgarde 
von Medzihradsky mit einem, wie es hieß, Ailerhöehst- 



') Am 17. Juli langte der Kurier nach mehrtägigem Umherirren 
auf der Suche nach dem Monarchen mit der offiziellen Nachricht in 
Komorn an. 

•) Nach Eintreffen der Nachricht vom Waffenstillstand ließ der 
Kaiser den Erzherzog .Johann auffordern, sich hei ihm einzufinden. 

*) Anmerkung des Verfassers: „Die Kühnheit macht, die Freiheit 
den Soldaten. Vermocht* er keck zu handeln, dürft' er nicht keck rüden 
auch? Eins geht ins andre drein." Schiller: Wallenstein. 



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Foldzugsreise des Kaisers Franz IS*«. 



251 



eigenhändigen Schreiben 1 ) des Kaisers zu dem durch- 
lauchtigsten Erzherzoge Karl gesendet. Er traf Höchst- 
denselben zu Littau in Mähren. Indes hatte sieh kurz vor 
des Kuriers Rückreise das Gerücht verbreitet, Se. kaiserliche 
Hoheit hätten das Kommando der k. k. Hauptarmee nieder- 
gelegt und solches dem k. k. G. d. K. Fürsten Johann 
Liechtenstein übertragen: ein Gerücht, das durch den 
Armeebefehl aus Littau vom 30. Juli 1809 bestätiget worden 
war. Der Erzherzog hatte sich, sonach zu Sr. königlichen 
Hoheit dem Herzoge Albrecht nach Teschen begeben. 

Am 28. .Julius des Morgens um 5 V* Uhr war Ihre 
Majestät die Kaiserin mit einem sehr kleinen Gefolge im 
Hoflager bei ihrem allerdurchlauchtigsten Gemahl an- 
gekommen. Der Kaiser, von dem nicht erwarteten Besuche 
überrascht, bemerkte seiner Frau Gemahlin, sie sehe selbst, 
daß zu ihrer Unterkunft wenig Platz vorhanden sei. Allein 
Ihre Majestät erwiderten, sie würden sich mit dem kleinsten 
Zimmer begnügen. 

Es hieb, daß der durchlauchtigste Erzherzog Ferdinand 
Este, dessen Hauptquartier Ende Julius bei Krakau gewesen, 
mit dem unterstehenden Armeekoq>s demnächst in und bei 
Komorn eintreffen würde. 

Ungarische Insurrektionsoffiziere, die ins Hoflager ge- 
kommen waren, erzählten, es sei ihnen mit Armeebefehl be- 
kannt gegeben worden, Se. Majestät der Kaiser und König 
hätten das Kommando über die Armee, die nun in Ungarn 
konzentriert sei, selbst zu übernehmen geruht, Wenigstens 
war es gewiß, daß Se. Majestät seit kurzem in ihr geheimes 
Militärkabinett drei ausgezeichnete k. k. Offiziere und zwei 
k. k. Beamte des Zivilstandes zur Aushilfe einbezogen hatte. 

Zum Friedenskongreßorte war nun definitiv die Stadt 
Ungarisch-Altenburg-/ und zum Friedensmittler der Graf 



') Der Kaiser erteilte dem Generalissimus die Weisung, sich über 
Olniütz und Littau in das obere Waagtal. als dem Ausgangspunkt 
einer neuen kriegerischen Aktion, zu wenden und die Armee dort zu 
konzentrieren. 

s ) Das dem Erzherzog Karl gehörende Ungarisch-Altenburg lag 
so ziemlich in der Mitte zwischen dem österreichischen Hoflager iu 
Totis und dem Aufenthalt Napoleons in Schönbrunn. 



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252 



Sommeregger. 



Klemens von Metternich bestimmt. Indes wurde der k. k. 
General Graf von Bubna mit besonderen allerhöchsten Auf- 
trägen 1 ) zu dem Kaiser Napoleon nach Wien abgesendet, 
und man erzählte sich aus Privatnachrichten von Wien, die 
nun schon häufiger im Hof lager anlangten, daß er eine äußerst 
günstige Aufnahme gefunden habe. 

Inzwischen konnte man sich den Friedenshoffnungen noch 
nicht unbedingt überlassen; deshalb wurden die Voranstalten 
für einen etwa wieder ausbrechenden Krieg nicht unterbrochen. 

Da sich der größere Teil der österreichischen Waffen- 
schmieden in Feindeshand befanden, hatte der damalige k. k. 
Artillerieoberst Franz Tihavsky Sr. Majestät einen Plan zur 
schleunigen Errichtung einer Gewehrfabrik in Neusohl (einer 
der sieben Bergstädte Ungarns, unweit Kremnitzi übergeben. 
Se. Majestät genehmigten diesen Vorschlag und der k. k. 
Oberstkämmerer Graf von Wrbna, der bei seiner Kenntnis 
des Lokals der Bergstädte die Hindernisse zu beseitigen am 
geeignetsten erachtet wurde, erhielt den Auftrag, sich dahin 
zu verfügen und die Errichtung der Gewehrfabrik-) möglichst 
zu beschleunigen. Der Graf war am 31. Juli von Komorn 
nach Neusohl abgereist. Der bewirkte Erfolg entsprach den 
Erwartungen. 

Sowohl Se. Majestät der Kaiser als Ihre Majestät die 
Kaiserin waren mit ihrem Aufenthalte in Komorn sehr zu- 
frieden: dennoch war die Bede, daß das Hof lager demnächst 
nach Totis verlegt werden sollte, da mehrere Personen der 
Suite zu Komorn erkrankten. 

Am 6. August war der durchlauchtigste Erzherzog Franz 
Este, Bruder Ihrer Majestät der Kaiserin, aus Galizien zu 
Komorn angekommen und speiste während seines Auf- 
enthaltes hier selbst täglich bei Ihren Majestäten. 

l ) Bubna, der die Bestimmung eines militärischen Kommissärs 
bei Napoleon erhalten hatte, überbrachte Napoleon die Erklärung, daÖ 
der Kaiser geneigt sei. in Verhandlungen über die Friedenspräliminarien 
einzugehen und Altenburg als den Ort der Negoziationen bezeichnet habe. 

'-') Die Bergstadt Neusohl besorgte bis zum Jahre 1809 die Er- 
zeugung von Kochgeschirren für die Armee. 1801) wurde dortselbst tat- 
sächlich eine Gewehrfabrik errichtet, die sich auch in den Feldzugs- 
jahren 181H bis lSl.'i außer der Erzeugung von (iewehrbestandteilen 
hauptsächlich mit der Fabrikation von Seiteugewehren befaßte. 



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Feldzugsreise des Kaisers Franz 18«9. 



253 



An demselben Tage war auch der Graf Bubna von 
Wien eingetroffen and man hatte die Präliininarunterhand- 
lnngen für geschlossen gehalten. 

Bald nach des Grafen Ankunft traf der erste französische 
Kurier, ein Oberst, welchen General Narbonne von Raab 
gesendet hatte, in Komorn ein. Er wurde durch die neu an- 
gelegten Werke über die dem Dorfe Xeu-Szöny gegenüber- 
liegende Insel, welche mit der Stadt durch eine Jochbrücke 
verbunden werden, zu Sr. Majestät und nach geendeter Audienz 
ebenso durch die entgegengesetzte Seite der Festung geführt. 

Graf Bubna begab sich darauf abermals nach Wien und 
Graf Klemens Metternich am 14. August in den Kongreß- 
ort Ungarisch- Altenburg. In des letzteren Begleitung war der 
k. k. Botschaftsrat von Floret, der Fürst Paul Eszterhazy. 
der k. k. Hofsekretär der geheimen Haus-, Hof- und Staats- 
kanzlei von Wacken und der Rat Hoppe, welcher von Wien 
berufen wurde. Späterhin sind auch der k. k. General Graf 
Naval Nugent 1 ) und der Major von Neu mann 2 ) dahin ge- 
sendet worden. Der Kaiser Napoleon hatte Befehl erteilt, 
den Grafen Metternich bei seiner Durchreise durch Raab 
aufs glänzendste zu empfangen. Auch der französische Minister 
Champagny 3 ) wurde nach Altenburg beschieden. 

In diesen Tagen war der durchlauchtigste Erzherzog Fer- 
dinand Estemitseinem unterhabenden Armeekorps aus Polen 
in Komorn angelangt. Se. Majestät der Kaiser begaben sich zu 
Pferde, Ihre Majestät die Kaiserin zu Wagen, der Armee und 
ihrem geliebtesten Herrn Bruder entgegen, empfingen Höchst- 
denselben am linken Waagufer unweit Komorn und ließen 
die schöne, mutvolle Armee vorüber defilieren. Bei dieser 
Gelegenheit sprachen Se. Majestät mehrere Generale und Stabs- 
offiziere an und die etwa der Aufmerksamkeit des Kaisers 
entgingen, wurden durch den k. k. Obersten von Martonitz 
vom Militärkabinett Sr. Majestät (später Generalfeldmar- 
schalleutnant und Premierleutnant der königl. ungarischen 
Leibgarde) zu dem Wagen Ihrer Majestät der Kaiserin ge- 
leitet, die sich aufs huldvollste mit ihnen besprochen hatte. 

l ) Generalstabsehef bei Erzherzog Johann. 
*) Major ün General. juartiermeisterstab. 
') Graf Xompiere de Champagny. 



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254 



Sooimeregger. 



Diese Armee passierte Komorn und wurde in der Nähe 
disloziert. 

Ebenso hatte ein Teil der ungarischen Insurrektions- 
kavallerie die Festung Komorn durchzogen. Diese Kavallerie 
zeichnete sich besonders durch ihre schönen und gewandten 
Pferde aus. Bemerkenswert war die Kleidung der Reiter. Man 
sah sie in langen, weiten, blau gefärbten leinwandenen Gattien 
(Hosen) und kurzen Hemden. Ein paar Pistolen, ein guter 
Säbel war ihre Bewaffnung, ein kalpakartiger Tschako ihre 
Kopfbedeckung. Auch die Offiziere hatten gleiche Kleidung 
mit den Gemeinen, nur war diese nicht aus Leinwand, sondern 
von blauem Seidentaft und sind die weiten Ärmel mit schmalen 
goldenen Bördchen eingefaßt, die militärischen Ehrenzeichen 
— Portepee — jenen der kaiserlich österreichischen Armee 
gleich gewesen. Das Ganze gewährte einen patriarchalischen 
Anblick und diese leichte, bequeme Kleidung hatte der Mann- 
schaft bei der eingetretenen Hitze bedeutende Erleichterungen 
verschafft. 

Der neue Kommandierende, Fürst Johann Liechten- 
stein, war ebenfalls in Komorn eingetroffen und hatte sich 
Sr. Majestät präsentiert. 

Man erzählte sich eine Anekdote von diesem Fürsten, 
welche seine große, wahrhaft militärische Denkart beurkundet. 
Er soll nämlich Sr. Majestät die Vorstellung gemacht haben, 
das Kommando an einen anderen zu übertragen. „Zerstören", 
sagte der edle Fürst, „und dem Feinde möglichst Schaden 
zufügen, wenn es zum Kriege kommt, das will ich wohl ; 
aber ich halte das für nicht hinlänglich !" — Se. Majestät 
sollen diese freimütige Äußerung äußerst gnädig aufgenommen 
und den Fürsten dennoch aufgefordert haben, das Kommando 
zu behalten, weil der Kaiser sonst den Marschallstab selbst 
übernehmen müsse. 

Die Korrespondenz mit dem Friedenskongreßorte 
Ungarisch-Altenburg schnell zu befördern, sind zwischen dem- 
selben und Komorn Kavallerievedetten von Distanz zu Distanz 
aufgestellt worden, welche die Depeschen übernehmen und 
eiligst weiter bringen mußten. 

Der k. k. Oberstleutnant Schneider hatte sich einer der 
ersten angetragen, die Depeschen zu befördern und legte die 



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Feldzugsreise des Kaisers Franz 1809. 



255 



Strecke von Altenburg nach Komorn auf diese Weise in fünf 
Stunden zurück. 

So sah man auch den jungen Fürsten Paul Eszterhazy, 
jetzt, wie erwähut, kaiserlich österreichischer Botschafter am 
königl. großbritaunischen Hofe zu London, denselben Weg 
machen. Er war im prächtigen ungarischen Kostüme gekleidet 
und ritt in dem Augenblicke über die Schiffbrücke, als Ihre 
Majestäten darüber fahren, um sich mit dem ganzen Hofstaate 
nach Totis zu begeben. 

Den 13. August war zu Komorn ein Kurier aus Tirol 
mit der Nachricht angelangt, die Franzosen wären aus dem 
Pustertale vertrieben worden. 

Am 16. August hatte Se. Majestät zu Komorn einen 
Armeebefehl erlassen, welcher das Heer von den angeknüpften 
Friedensunterhandlungen in Kenntnis setzte. 

Ein Armeebefehl des Kaisers Napoleon vom 15. August 
1809, der mit Wiener Nachrichten nach Komorn gekommen, 
machte die Feier seines Geburtsfestes durch Gnadenbezeigungen, 
Dotationen für Offiziere und Soldaten seiner Armee etc. bekannt. 
Die Hauptstadt mußte beleuchtet werden und Wiener Privat- 
briefe an verschiedene Individuen der Suite Sr. Majestät des 
Kaisers von Osterreich teilten einige der ausgezeichnetsten 
Inschriften von Transparenten mit, z. B.: ,,Groß ist Napoleon 
dein Ruhm und Glanz! Nur mach' bald Platz unserm lieben 
Kaiser Franz!", dann: „Zur Weihe An Napoleons Geburts- 
feste V Der Anfangsbuchstabe jedes Wortes ließ den Sinn 
erraten. 

Während seines Aufenthaltes zu Komorn, seit 28. Juli, 
hatte der durchl. Erzherzog Primas Karl Ambrosius die 
nahen Spitäler öfters besucht und in dem Tröste und in der 
Erquickung, die er den armen Kranken gebracht, einen Teil 
seines geistlichen Berufes zu erfüllen vermeint. In diesen 
Berufsübungen wollte er sich durch keine Vorstellungen ab- 
halten lassen. Er glaubte allen möglichen üblen Folgen, welche 
daraus entstehen könnten, durch etwas vermehrten Genuß des 
Weines vorbeugen zu können. 

An 22. August 1809 morgens verließen Ihre kaiserlichen 
Majestäten Komorn und begaben sich mit der ganzeu Suite nach 
Totis. DieGegend von Totis ist malerisch schön. Ihre Majestäten 



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250 



Sommer egger. 



bewohnten das Schloß des Gutbesitzers (damals Franz Grafen 
Eszterhazy, desselben, der im Jahre 1791 Friedensvermittler 
zu Sistowo zwischen Osterreich und der Pforte gewesen war) 1 )- 

Am 23. August war der Prinz Friedrich von Oranien 2 ) 
in Totis angekommen und speiste während seines Aufenthaltes 
daselbst bei Sr. Majestät. 

Se. königl. Hoheit der durchlauchtigste Erzherzog Primas, 
im Besuche der Spitäler unermüdet, fühlte sich plötzlich unpaß 
und mußte sich zu Bette begeben. Der k. k. Hofkontrollor, welcher 
es für seine Pflicht gehalten, dem erhabenen Kranken eine 
besondere Aufmerksamkeit untertänigst zu widmen, hatte sich 
sorgfältig nach seinen Bedürfnissen erkundigt. Ein Mangel 
an Zitronen, welche erst aus der Ferne herbeigeschafft werden 
mußten, verschaffte ihm die Gelegenheit, gute Dienste leisten 
zu können. Er würde dieses Umstandes hier nicht erwähnen, 
hätte er nicht das Glück gehabt, von Ihrer Majestät der Kaiserin 
bei einem Besuche, welche Allerhöchstdieselbe ihrem Herrn 
Bruder im Pfarrhofe zu Totis, wo er gewohnt hatte, gemacht, 
mit gnädigstem Wohlgefallen bemerkt worden zu sein. Aller- 
höchstdieselbe geruhten ihn gnädigst zu versichern, sie würden 
diesen ihrem geliebten, jetzt so sehr erkrankten Herrn Bruder 
geleisteten Dienst nie vergessen. 

Die an diesem Tage — 23. August — von Wien ein- 
gelangten Nachrichten lauteten sehr kriegerisch und obschon 
die Friedensunterhandlungen noch nicht abgebrochen waren, 
wurden gleichwohl nach dem Vorschlage des k. k. General- 
Feldmarschalleutnants Freiherrn von Duka nahe bei Totis, 
ost- und westwärts auf den Hügeln von Baj, Verschanzungen 

*) Die nun folgende kurze Beschreibung des Schlosses Totis und 
seiner Umgebung wurde der Kürze und ihres geringen historischen 
Wertes wegen weggelassen. 

*) WilhelmFriedrich Erbprinz Or an i en-Fu Ida, der nachmalige 
König Wilhelm I. der Niederlande, führte im Kriege 1806 das Kommando 
einer preußischen Division und kapitulierte nach der Schlacht von Jena 
mit 10.000 Mann in Erfurt. Napoleon erklärte ihn hierauf seiner Länder 
für verlustig. Im Feldzug 1SÜ0 trat er als Freiwilliger in das Heer des 
Erzherzogs Karl. Nachdem ihn Kaiser Franz am 31. Mai 1809 zum 
k. k. Feldmarschalleutnant ernannt hatte, nahm er an der Schlacht von 
"Wagrain teil. Er wurde noch in demselben Jahro am 2. November zum 
k. k. Feldzeugmeister befördert. 




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Ftldzugsreise des Kaisers Fran« 1809. 



257 



ins Gevierte angelegt, welche längs der sogenannten Fleisch- 
hauerstraße (die von Raab nach Ofen führt) fortliefen und sich 
beinahe bis an die Straße nach Komorn ausdehnten. 

Ferner haben Se. Majestät die Armee bei Komorn in 
einer konzentrierten Stellung zusammenziehen lassen. 

Der hohe Namenstag Ihrer Majestät der Kaiserin wurde 
zu Totis am 25. August 1809 ohne alles Gepränge gefeiert. 

Die durchlauchtigsten Erzherzoge Brüder des Kaisers, 
der Palatin, die Erzherzoge Anton, Rainer, Ludwig und 
Rudolf, Höchstweiche ihre Glückwünsche abzustatten gekom- 
men waren, dann der durchlauchtigste Erzherzog Franz Este, 
auch selbst der erkrankte durchlauchtigste Erzherzog Primas, 
ferner die Prinzen Ferdinand Herzog von Württemberg und 
Friedrich von Oranien speisten bei Ihren Majestäten und 
wurden die Fürsten Johann und Moritz von Liechtenstein, 
der Fürst Karl von Schwarzenberg, der k. k. General der 
Kavallerie Graf von Bellegarde, der Besitzer von Totis Graf 
Franz Eszterhäzy zur Tafel geladen. 

Während der Tafel wechselte türkische Musik und soge- 
nannte Harmoniemusik, von dem Musikkorps des nächstgelegenen 
k. k. Infanterieregiments aufgeführt. 

Die ganze Suite Sr. Majestät des Kaisers war, den aller- 
untertänigsten Glückwunsch abzustatten, in Gala erschienen 
und wurden Ihrer Majestät bloß gemeldet, nachdem Aller- 
höchstdieselbe, über die fortwährende Krankheit ihres Herrn 
Bruders, des Erzherzogs Primas beunruhigt, selbst nicht ganz 
wohl gewesen. 

Die Jüngste desHauses, hatte Ihre Majestät dieKaiserin mit 
dem jüngsten ihrer Herren Brüder, dem Primas, von der frühesten 
Jugend an gleiche Geschicke fröhlich geteilt und die Zuneigung 
des erhabenen Geschwisterpaares war für die ganze Dauer 
des Lebens gegründet. Leider hatte die Krankheit des durch- 
lauchtigsten Erzherzogs Primas sich schnell und so entschieden 
ausgesprochen, daß Höchstderselbe schon am 31. August mit 
den heiligen Sakramenten der Sterbenden versehen werden 
mußte und die folgende Nacht darauf die letzte Ölung empfing. 
— Es war ein heftiges Nervenfieber, welches man als die 
Folge seiner menschenfreundlichen Besuche der Spitäler 
erklärt hatte. 

Mitteilungen des k. und k. Kriegs. irchivs. Dritt«.- Folge. V. Bd. 17 



258 



Sommeregger. 



Nach einein schweren und gewaltigen Kampfe, den Jugend 
und Natur mit dem Tode gerungen, war dieser geistvolle Prinz 
am 2. September 1809 des Morgens zwischen 8 und 9 Uhr 
im Pfarrhofe des Marktes Totis, im 23. Jahre seines ruhm- 
vollen Alters, mit wahrhaft christlicher Ergebung gestorben. 

Se. Majestät der Kaiser selbst haben die traurige Pflicht 
übernommen, Ihrer durchlauchtigsten Frau Gemahlin, Aller- 
höchstweiche schon, als dem Erzherzoge Primas die heiligen 
Sterbesakramente gereicht worden sind, so sehr erschüttert 
worden, daß sie bettlägerig wurde, nunmehr den Tod ihres 
geliebten Bruders zu verkünden. Wie zu erwarten gewesen, 
hatte die Nachricht auf die junge Monarchin den tiefsten 
Eindruck gemacht und ihre Gesundheitsumstände dermaßen 
verschlimmert, daß wegen ihrer Weiterbringung im Falle 
eines wiederausbrechenden Krieges l ) die stärksten Besorgnisse 
entstanden. 

Die Verlegenheiten bei Ihrer Majestät waren um so größer, 
nachdem zu gleicher Zeit auch ihre Kammerfrau am Fieber 
darnieder gelegen und die übrige weibliche Bedienung mehr 
oder weniger gelitten hatte. 

Da übrigens um diese Zeit die Zahl der Kranken im 
Hoflager zugenommen hatte, befahlen Sr. Majestät am 
31. August 1809 die Errichtung eines kleinen Spitals und 
zwar nach Vorschlag und Anordnung des k. k. ersten Leib- 
arztes Hofrates von Stift und geruhten die Dotierung des 
Spitals mit allen Erfordernissen, sowie die Beköstigung der 
Kranken dem k. k. Hofkontrollor aufzutragen. Zu diesem Ende 
wurde sogleich ein abgesondertes Lokal in Tövaros ausge- 
mittelt, die Aufsicht über die Krankenwärter aber von dem 
k. k. Hofkontrollor einem Korporal der k. k. Hotburg- 
wache, welcher zugleich die Beschaffung der kleinen Bedürf- 



*) Die Besorgnisse in Totis stiegen, als man erfuhr, dalJ die britische 
Mittelmeertlotte, statt den Franzosen in Oberitalien besser auf den 
Leib zu rücken, in den letzten Augusttagen (iallipoli bombardiert habe 
und Kalabrieu bedrohe. Diese Unternohmungeu übten auf den Gang 
der Verhandlungen einen indirekten Eintluß und bildeten häutig das 
politische Barometer, denn die Forderungen und Zugeständnisse wuchsen 
und sanken, je nachdem auf anderen Punkten des Kontinents, Spanien 
nicht ausgenommen, der eine oder der andere Teil im Vorteil stand. 




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FeMzugsreise dos Kaiserg Franz l«ü9. 



259 



nisse über sich hatte, unter der Leitung des k. k. Hofkontrollors 
aufgetragen. 

Es handelte sich nun um die angemessene Bestattung 
der Leiche des durchlauchtigsten Erzherzogs Primas, die bei 
der überstandenen Krankheit keinen Aufschub litt. 

Se. Majestät erinnerten sich allergnädigst, daß der k. k. 
Hofkontrollor vor seiner derzeitigen Anstellung im k. k. Oberst- 
holineisteramte als erster Hofkonzipist gedient habe und ihm 
das Zeremoniell am k. k. Hofe bekannt sei. Er wurde berufen 
und der Kaiser selbst hatte ihm gnädigst den Auftrag erteilt, 
das Zeremoniell der nicht zu verzögernden Beisetzung in 
Totis und des gleichfalls in Totis abzuhaltenden Totenamtes 
zu besorgen, die Ausschreibung der Hoftrauer aber in Vor- 
schlag zu bringen und von allen sonstigen Einleitungen vorher 
die mündliche Meldung im geheimen Kabinette Sr. Majestät 
zu machen. 

Der Verfasser hat sich diesem ehrenvollen, wenn schon 
betrübenden Allerhöchsten Befehle mit jener schuldigen Bereit- 
willigkeit unterzogen, die er bisher in allen Fällen an Tag 
gelegt zu haben glaubt. 

Es erfolgte die Öffnung der Leiche im Pfarrhofe zu Totis 
von dem betreffenden Arzte und Wundarzte. 

Der Ort der eigentlichen Bestattung war Gran, der uralte 
Sitz der Erzbischöfe und Primaten von Ungarn, und zwar in der 
Festungskirche daselbst. 

Zur Überführung der Leiche von Totis nach Gran wurde 
in möglichster Eile ein Trauerwagen zusammengerichtet, mit 
schwarzem Tuch dekoriert u. s. w. 

Des verstorbenen durchlauchtigsten Erzherzogs Oberst- 
hofmeister hatte die für die Leichenbestattung dieses geistlichen 
Oberhauptes bedürfenden Bischöfe, Zeremonier, Dechante und 
Pfarrer vorgeladen. 

In der Pfarrkirche zu Totis wurde ein Trauergerüst nach 
Angabe des Hofkontrollors errichtet, darauf die Inful, das 
Pallium, der geistliche Hirtenstab, ein goldener Kelch, ein 
Evangeliumbuch und ein silbernes Kruzifix befestigt worden. 

Die Insignien des Großkreuzes vom königlich ungari- 
schen St. Stephans-Orden waren auf einem samtenen Polster 
zu den Füßen des Sarges gelegt worden. 

17* 



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260 



Somotoregger. 



Die Kirche wurde mit schwarzem Tuche behangen und 
im Sanktuarium sind vier Gebetstühle mit schwarzem Tuche 
überzogen worden, worin Se. Majestät der Kaiser und 
König und die höchsten Herrschaften Platz genommen hatten. 

Die Einsegnung erfolgte am 5. September zu Totis in 
der Stille und die Leiche wurde am frühen Morgen dieses 
Tages, in Begleitung der k. k. Dienstkämmerer zur Dienst- 
leistungdesverstorbenen Erzherzogs, der Grafen von Nadasdy 
und Eszterhazy, dann seines Beichtvaters, Zeremonier 
und mehrerer Personen der höhern und niedern Geist- 
lichkeit und Dienerschaft nach Gran überführt und dort mit 
allen dem hohen Verstorbenen und dem Andenken des um 
das Wohl des Königreiches Ungarn, ungeachtet der kurzen 
Zeit seines Wirkens so sehr verdienten Kirchenoberhauptes 
gebührenden Ehrenbezeigungen zur Erde bestattet. 

Zu Totis wurde an demselben Tage, 5. September, 
morgens um 8Vs Uhr, von den geladenen Bischöfen ein feier- 
liches Seelenamt gehalten, welchem Seine Majestät der 
Kaiser, die durchlauchtigsten Erzherzoge Palatin und Anton, 
dann der Erzherzog Franz Este, Bruder des Verstorbenen 
als Leidtragender sowie der Herzog Ferdinand von Würt- 
temberg und alle in Totis anwesenden k. k. Generale, dann 
der k. k. Minister Graf von Stadion (welcher tags vorher 
eben erst wieder angekommen war), endlich die meisten Mit- 
glieder des Hofstaates Sr. Majestät beiwohnten. 

Der geschickte Schullehrer des Ortes versuchte bei 
diesem Anlasse des unsterblichen Mozart Requium aufzu- 
führen, das unter Mitwirkung mehrerer Musikdilettanten aus 
der Suite, namentlich des Freiherrn Nikolaus von Kr äfft, 
über Erwartung gelungen war und die Gefühle der Andacht 
mächtig erhöht hatte. 

Der durchlauchtigste Erzherzog Franz Este hatte die 
Kosten der Leichenbestattung übernommen und mehrere der 
dabei beschäftigten Individuen großmütig beschenkt. 

Ihre Majestät die Kaiserin aber haben sich nach der 
traurigen Katastrophe fast nicht mehr erholen können und 
blieben bettlägerig. 

Am 3. September war ein Oberst und Generaladjutant 
des Vizeconnetable Marschalls Bertliier und am 9. darauf 



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FeldzugsreiBe des Kaisers Frau* 1Ö0U. 



261 



waren abermals zwei französische Obersten im Hoflager Seiner 
Majestät oder jetzt eigentlich im Hauptquartier angekommen, 
welche auf Allerhöchsten Befehl glänzend bewirtet worden 
sind. Der k. k. Hofkontrollor hatte Wildbret von den k. k. 
Familienherrschaften Holics und Sassin, Viktualien überhaupt 
von Ofen und Pest, Obst und Gartenfrüchte, dann Wachs 
teils in Preßburg, teils selbst von Wien nach Totis beige- 
schafft. Das letztere war aber schon am 21. September 
wieder unterbrochen worden, nachdem das französische Gou- 
vernement die nötigen Pässe verweigerte und niemanden 
mehr die Demarkationslinie zu überschreiten gestattete. 

Se. Majestät hatten inzwischen an ihren geheimen 
Kammerzahlmeister Hofiat Albert von Mayer*) den Befehl 
erlassen, sich mit dem geflüchteten Schatze von Erlau nach 
Ofen zu begeben und dies hatte die Friedenshoffnungen 
wieder einigermaßen belebt. 

Von Wien war der k. k. Hofarzt Dr. Hort (später 
Leibarzt des Kaisers) und Dr. Tschepolz 1 ) am 10. Sep- 
tember zu Totis angekommen, um wegen ärztlicher Behand- 
lung Ihrer Majestät der Kaiserin konsultiert zu werden. Sie 
drangen darauf, die allergnädigste Frau müsse zur Wieder- 
herstellung ihrer Gesundheit nach Ofen gebracht werden. 
Ihre Majestät war aber nicht zu bewegen, sich von ihrem 
erhabenen Gemahl zu trennen, vielmehr glaubte sie sich ge- 
stärkter und hatte am 14. September einen ihrer Leiblakaien 

*) Anmerkung des Verfassers : Die Stelle eines geheimen Kammer- 
zahlmeisters existierte später nicht mehr. Seit Kaiser Karl VI. Zeiten 
war der geheime Kammerzahlmei«ter meist der Bevollmächtigte und 
Agent der kaiserlichen Familie. Adam Edler von M a y e r, der königlich 
ungarische St. Stephans-Ordensritter, war des Vorgenannten Vater 
und das an ihn von weiland der Kaiserin Königin Maria 
T h e r e s i a erlassene Allerhöchste Handbillett ohne Datum, welches 
nach Ausstattung ihres Sohnes, des letzten Kurfürsten von Köln, als 
derselbe zum Koadjutor gewählt worden, erfolgte, bezeigt die Gnade 
der Kaiserin und Königin und das Wesen dieser Dionsteskategorie. Es 
lautet nach dem vorliegenden Originale wörtlich ..mein famille Adjutant 
verdient wohl eine gedächtnus von mein letzen söhne Maximilian und 
seine Mutter versichern ihme ihre erkäntlichkeit''. Beigesetzt die 
Chiffre und ist solches durchaus eigeuhändig geschrieben. Albert von 
Mayer starb 1S17. 

') Dr. Franz T s c h e b u 1 z. 



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2G2 



SommaregRer. 



von Totis nach Wien gesendet, um einige Kleider für Aller- 
höchstsie zu bringen. 

Der k. k. Oberstkämmerer Graf von Wrbna war von 
seiner Sendung nach Neusohl am 14. September wieder zurück- 
gekommen. 

Am 19. September war General Graf Czernitschef 1 », 
Adjutant des Kaisers Alexander von Rußland, von Wien 
nach Totis gekommen. Seitdem sprach man von Verlängerung 
des Waffenstillstandes, auch daß im Publikum zu Wien von 
versöhnenden Vermählungen ein Gerücht in Umlauf sei. 

Als im Jahre 1806 nach dem Frieden von Preßburg in 
der Suite Sr. Majestät im Hoflager zu Friedek die Rede 
von einer Vermählung der durchlauchtigsten Erzherzogin 
Marie Luise mit Kaiser Napoleon gewesen, wollten 
Wohlunterrichtete wissen, Höchstderselben durchlauchtigste 
Frau Mutter, die Kaiserin Marie Therese, hätte sich gegen 
diese Idee ausgesprochen. Jetzt, nachdem diese durchlauch- 
tigste Frau Erzherzogin in der Blüte der Jugend war und 
das 18. Jahr erreicht hatte, verbreitete sich dieses Gerücht 
im Hoflager Sr. Majestät zu Totis aufs neue und scheint 
seine Nahrung von dem Gerüchte in Wien bekommen zu haben. 

Zwei Tiroler, Eisenstecken und Sicherer 2 ), die sich 
schon seit einigen Tagen zu Totis befanden und Nachrichten 
über die Administration von Tirol unter dem bescheidenen 
Sandwirte und Oberkommandanten Andreas Hof er brachten, 
auch Silbermünzen seines Gepräges — Zwanzig-Kreuzerstücke 
— vorzeigten, welche um den einfachen tirolischen Wappen- 
adler mit der Umschrift „Gefürstete Grafschaft Tirol", sonst 
aber mit keinem Brustbilde, mit keinem Embleme versehen 
waren und im Kurse genommen wurden, sind am 15. Sep- 
tember von Totis nach Innsbruck abgereist und waren die 
Überbringer der großen goldenen Verdienstmedaille nebst 
der goldenen Gnadenkette für deu Andreas Hof er. 

*) Tschernitschew. 

*) Die Schützenmajora Josef Ei sensteckeu, Badlwirt bei Bozen, 
und Jakob Siebe rer, Wirt in Langkampfen. brachten aus Totis, außer 
der goldenen Gnadeukette für Hof er, das geistliche goldene Verdienst- 
kreuz für Haspinger und 3000 Dukaten für das Land zur Stärkung 
der Kriegskasse. 



» 



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Feldangarcise des Kaisers Franz 1*J9. 



263 



Ihre Majestät die Kaiserin hielten sich seit ihrer Er- 
krankung auf ihrem Zimmer, verließen das Bett nur selten 
und nur auf Augenblicke, speisten selbst immer allein, wäh- 
rend auch Se. Majestät der Kaiser nicht mehr an der 
großen Tafel erschienen, sondern en famille zu drei bis vier 
Gedecken zu speisen pflegte. 

Am 21. September hatte Ihre Majestät die Kaiserin 
von ihrer Frau Schwester, der Königin von Sardinien, einen 
Kurier aus Cagliari erhalten, welcher diese Stadt am 
24. August verlassen und über Palermo und Fiume nach 
Totis gekommen war. Er überbrachte Zeichnungen und 
Stickereien der Kinder der Königin, die Ihrer Majestät zu 
Totis einige erheiternde Augenblicke gewährten. Auch hatte 
der Kurier Briefe von Ihrer Majestät der Königin Karoline 
aus Palermo überbracht. 

Am 24. September war Graf Bubna 1 ) von Wien in 
Totis eingetroffen. Nach seiner Ankunft hatte sich das Ge- 
rücht verbreitet, er hätte diesmal zwar, sowie er in Wien 
angekommen, sogleich wieder abreisen sollen, doch habe ihn 
Kaiser Napoleon am andern Morgen rufen lassen und ihm 
eine Audienz, die über zwei Stunden gedauert, erteilt. 

Der russische Generaladjutant wäre von Wien ab- 
gereiset. 

Tags darauf, den 25. September, war ein französischer 
Oberst in Totis angekommen. Man wollte wissen, er habe 
ein eigenes Schreiben von dem Kaiser Napoleon an Seine 
Majestät überbracht. 

Es erfolgte unter Zuziehung des Grafen Stadion und 
der k. k. Generale Grafen von Bellegarde und Freiherrn 
von Duka eine Konferenz 2 ), welche mehrere Stunden gedauert 
hatte, worauf der erwähnte Oberst in Begleitung eines 
k. k. Offiziers nach Krakau abging. Indessen erschienen die 

x ) GM. Graf Bubna arbeitete zwischen dem 20. und 24. Sep- 
tember mit aller Unverdrossenheit und dem regsten Eifer an einer 
Verständigung und erreichte es auch, daß der Kaiser der Franzosen 
von seinem anfänglichen Begehren etwas nachließ. 

') In dieser Konferenz erfolgte die Entscheidung über die An- 
nahme der Napoleonischen Forderungen. Die Erklärungen der Generale 
stimmten den Kaiser um und brachten ihn zu einem friedlichen 
Entschluß. 



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20 i 



Sommeragger. 



Aussichten zum Frieden nun abermals trüber; sie erhei- 
terten sich jedoch wieder, als der k. k. G. d. K. Fürst 
Johann von Liechtenstein und die k. k. General- 
feldmarschalleutnants Freiherr von Strauch und Mayer 
von Heldensfeld am 26. September von Totis nach Wien 
abgegangen waren. Dessenungeachtet sind die neuen Ein- 
leitungen fortgesetzt worden, welche für den Fall eines etwa 
wiederausbrechenden Krieges nötig schienen. 

Überhaupt gab es nie verschiedenere Ansichten über 
Krieg und Frieden, als eben damals. "Während der eine Teil 
dafür gehalten hatte, der Krieg sei dem Frieden vorzuziehen, 
denn es sei für Österreich ehrenvoller, groß selbst zu endeu, 
als schmachvoll zu existieren, schien es dem andern Teile 
vorteilhafter, die Nachbarvölker zu revolutionieren, damit 
Österreich mit seiner noch immer beträchtlichen Armee 
dareinfalleu und der Sache den gewünschten Ausschlag geben 
könne. Die dritte Ansicht war, daß, wenn Österreich bei 
allen diesmal vorhanden gewesenen Hilfsmitteln, bei seiner 
herrlichen Armee, bei dem Enthusiasmus, der es beseelte, 
geschlagen worden sei, dieses bei einer geschlagenen, wenn 
schon glänzend wieder aufgerichteten Armee, noch eher 
denkbar sei. — Österreichs Existenz sei (damals) noch immer 
achtunggebietend ; wäre dieses aber auch nicht und bliebe 
ihm nach geschlossenem Frieden nur ein Fußbreit Erde, 
worauf der allgeliebte Kaiser Franz stehen könne, so sei 
es hinlänglich, die Existenz zu behaupten, um bei eintreten- 
dem Glückswechsel das Alte wieder zu gewinnen. Denn wäre 
einmal die Existenz verloren, so dürfte sie nie wieder zu 
erlangen sein. 

Am 28. September war der Prinz voiiOranien und am 
2. Oktober der Herzog von Württemberg von Totis abgereist. 

Die Gesundheitsumstäude Ihrer Majestät der Kaiserin 
hatten sieh bis 2. Oktober nicht gebessert und es war daran, 
daß Allerhöchstdieselben am 5. Oktober von Totis über 
Bitschke durch den Bakonyerwald auf dem minder steinigen 
sogenannten Fleichhauerwege nach Ufen überführt werden 
sollten. 

Seit einigen Tagen hatte sieh im Hoflager zu Totis 
eine sehr artige Frau des Mittelstandes aus Tirol aulgehalten. 



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FeldzngareUe des Kaisers Franz 180». 



265 



die, trotz ihrer unzarten Lage, still und äußerst eingezogen 
lebte. Sie hatte zweimal bei Sr. Majestät Audienz erhalten 
und reiste, wie man behaupten wollte, mit Depeschen zurück 
nach Tirol 1 1. 

Der Namenstag Sr. Majestät des Kaisers und Königs 
wurde am 4. Oktober zu Totis, wie gewöhnlich, im stillen 
gefeiert. Abends zuvor waren die durchlauchtigsten Erzher- 
zoge Rainer, Ludwig und Rudolf angekommen. Die 
durchl. Erzherzoge Palatiu, Johann und Franz Este 
waren schon seit einigen Tagen hier. Seine Majestät 
versammelten Höchstdieselben bei sich an einer Familien- 
tafel, an der aber Ihre Majestät die Kaiserin krankheits- 
wegen nicht erscheinen konnte. 

Die gesamte Suite war in Gala, so auch das in Totis 
anwesende k. k. Militär. 

Der k. k. Minister Graf Johann Philipp von Stadion 
war am 6. Oktober 1809 von Totis nach Prag abgereist und 
an diesem Tage förmlich aus dem Ministerium der auswär- 
tigen Angelegenheiten getreten. Zu seinem Nachfolger hatte 
Se. Majestät den Grafen — später Fürsten — Klemens 
Wenzel Lothar von Metternich ernannt, welcher am 7. Ok- 
tober von Altenburg nach Totis zurückgekehrt war. Von 
diesem Tage an datiert sich demnach die Epoche des glor- 
reichen Ministeriums dieses durchlauchtigsten Fürsten, das 
für Osterreich so heilbringend geworden ist. 

Ihre Majestät die Kaiserin haben am 8. Oktober auf 
dem sogenannten Fleischhauerwege die Reise von Totis 
nach Ofen angetreten, aber schon zu Bitschke, einem dem 
Grafen Anton von Batthyany gehörigen Oute, die erste 
Nachtstation gehalten. Se. königliche Hoheit der durchl. 
Erzherzog Franz Este waren in ihrer Begleitung. 

Tags zuvor, den 7. Oktober, kam Graf Bub na von Wien 
an und man hatte den Frieden nunmehr, wenn schon unter 
drückenden Bedingungen, für gewiß gehalten. Bald nach der 
Abreise der Kaiserin am 8. Oktober hielten Se. kaiserliche 
königliche apostolische Majestät eine Konferenz, die bis tief 



>> Der Name und die Mission dieser Frau ist weder aus den 
Akten, noch aus einem Geschichtsvverk zu eruieren. 



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266 



Sommeregge r. 



in die Nacht vom 8. zum 9. Oktober gedauert hatte, in der 
das Ultimatum abgefaüt worden sein soll, mit welchem Graf 
Bubna am 9. Oktober vormittag nach Wien abgesendet 
ward. 

Seine Majestät der Kaiser hatte am 9. Oktober seiner 
durchlauchtigsten Frau Gemahlin auf ihrer Durchreise zu 
Bitschke einen Besuch abgestattet, wohnte nach Abgang der 
Kaiserin nach Ofen daselbst einer Jagd bei, die der Guts- 
besitzer Graf Anton Batthv&nv veranstaltet hatte, und 
kehrten abends wieder nach Totis zurück. 

In diesen Tagen wurden im Hoflager zu Totis jene 
Maßregeln 1 ) bekannt, welche der Kaiser Napoleon ergriffen, 
um Rom eigentlich für Frankreich in Besitz zu nehmen 
sowie nicht minder die Ergebung und das mutvolle Be- 
nehmen des Papstes Pius VII. bekanntgeworden sind, der 
mitten unter den Gewaltstreichen seiner Feinde und an dem- 
selben Tage, an welchem des Kaisers Napoleon Proklama- 
tionen publiziert wurden — 10. Junius 1809 — mit aposto- 
lischer Würde und Festigkeit Exkommunikationspatente gegen 
seine und der Kirche Feinde an die Kirchtürme Roms an- 
heften ließ. 

Am 10. Oktober sind Se. Majestät nach Komorn ab- 
gereist, verweilten nebst Sr. kaiserlichen Hoheit dem Erz- 
herzoge Palatin daselbst über Nacht, begaben sich am 
12. über Totis nach Idwan und kehrten am 13. nach Totis 
zurück. Der Zweck dieses Ausfluges war, über einen Teil 
der ungarischen Insurrektion Revue zu halten. 

Gleichfalls den 13. Oktober war Se. königliche Hoheit 
der Erzherzog Franz Este zu Totis bei Sr. Majestät ein- 
getroffen. 

Am 15. Oktober 1809, abends 5V 2 Uhr, kam der Fürst 
Johann von Liechtenstein, der Würgengel in so mancher 
Gelegenheit während des letzten Krieges wider den Feind, 
nun als Friedensengel mit der Botschaft, daß am 14. Oktober 
morgens zu Wien der Friede unterzeichnet worden, zugleich 
mit dem Grafen von Bubna im Hoflager Sr. Majestät zu 
Totis au. Er hatte Wien in dem Augenblicke verlassen, als 



') Aufhebung der weltlichen Herrschaft der Päpste, 




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Feldzugsreise des Kaisers Franz 1809. 



267 



auf Befehl des Kaisers Napolon zur Feier des Friedens die 
Kanonen auf den Wällen der Stadt gelöst wurden und die 
Einwohner vor Freuden in den Lüften zu schweben schienen. 
Leider verlor die österreichische Monarchie durch diesen 
Frieden über 1800 Quadratmeilen Land und über 3 Millionen 
Einwohner, aber sie gewann ihre Zuversicht auf ihre selb- 
ständige Kraft und sie behauptete für immer den Kuhin 
und die Ehre der österreichischen Waffen. 

Der Fürst Johann Liechtenstein und der Minister 
Champagny, Herzog von Cadore, unterzeichneten diesen 
Frieden. 

Den 18. Oktober darauf war der k. k. Oberstkämmerer 
Graf von Wrbna, den Se. Majestät zum Übernahmshof- 
kommissär ernannten, nach Wien abgereist. 

Tags vorher kam der französische General Lauriston 
mit dem von dem Kaiser Napoleon bereits ratifizierten 
Friedenstraktate inTotis 1 ) an und sollte hier die Ratifikation 
Sr. Majestät des Kaisers von Österreich erwarten. Er 
reiste, damit versehen, am 19. Oktober von Totis wieder ab, 
während der Kaiser Napoleon schon am 16. Schönbrunn 
verlassen hatte, nachdem zuvor die Festungswerke von Wien 
auf seinen Befehl gesprengt worden waren. 

Der k. k. General-Remontierungsinspektor General Graf 
von Bubna*) hatte nun am 19. Oktober Totis verlassen, um 
seine vorige Bestimmung wieder anzutreten. Der Kaiser 
Napoleon hatte ihn mit einem sehr kostbaren Brillantringe 
beschenkt. 

Am 20. Oktober sind Se. kaiserliche Hoheit der Erz- 
herzog Palatin und am 22. Oktober der durchl. Erzherzog 
Johann in Totis eingetroffen. 

Am 24. Oktober geruhten Se. Majestät die Armee von 
dem abgeschlossenen Frieden durch einen Armeebefehl in 
Kenntnis zu setzen und ihr die Allerhöchste Dankbarkeit aus- 
zudrücken; auch erfolgten mehrere Beförderungen und Be- 

') Graf Lauriston überbrachte ein sehr höfliches Schreiben 
Napoleons mit der Nachricht, daß derselbe am IG. von Wien abge- 
reist sei. 

*) Bubna war mitterweUe, und zwar am 1. September 1K09. zum 
Feldmarschalleutnant befördert worden.- 



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268 



Sommeregge r. 



lohnungen an verdiente k. k. Generale, Stabs- und Ober- 
offiziere. 

Den 26. Oktober begab sich der neuernannte Präsident 
des hohen k. k. Hofkriegsrates und GFM. Graf Heinrich von 
Bellegarde von Totis an seine erhaltene Bestimmung. 

Den 27. Oktober langte Prinz Heinrich von Oranien 
abermals im Hoflager Sr. Majestät zu Totis an. 

Am 28. Oktober war der k. k. General Fürst Karl Schwar- 
zenberg, zum kaiserlichen Botschafter in Paris ernannt, von 
Totis über Wien nach seinem Posten abgereiset. 

An demselben Tage traf die Militärkonvention ein, welche 
die beiden k. k. Generale Strauch und Mayer von Heidens- 
feld mit dem französischen Divisionsgeneral Matth. Dumas 1 ) 
zu Wien am 26. Oktober wegen Räumung der österreichischen 
Provinzen, in denen sich noch feindliche Truppen befanden, 
abgeschlossen haben. Dieser zufolge sollte Mähren bis 4. Novem- 
ber, Ungarn mit der Gegend von Wien und Galizien bis 
20. November, Niederösterreich bis 20. Dezember 1809 und 
der Rest bis 4. Januar 1810 geräumt sein. 

Se. Majestät der Kaiser waren für jeden Fall entschieden, 
nach Wien zurückzukehren, doch hatten sie den Tag hiezu 
noch nicht bestimmt. 

Indes widmete sich der Kaiser den gehäuften Geschäften 
mit so unermüdeter Anstrengung, daß Allerhöchstderselbe 
außer seinem gewöhnlichen Spaziergange nach Tische, den er 
mit seinem Generaladjutanten, General von Kutschera, ohne 
alle sonstige Begleitung gemacht, selten seinen Arbeitstisch 
verlassen hat. 

Die meisten Spaziergänge machte Se. Majestät in dem 
auch im Herbstgewande schönen Park zu Tovaros. Dabei 
ereignete es sich eines Tages, daß kleine Jungen, welche 
dem allergnädigsteu Herrn auf der Straße begegneten und ihn 
wohl kannten, sich ganz dreist herbeigedrängt hatten, ihm 
die Hand zu küssen. Der Vater des Vaterlandes versagte ihnen 
seine Hand nicht und beschenkte sie auf ganz eigene Weise 
mild und gnädig, wie er immer ist, diesmal aber von besonderer 
Gemütlichkeit, mit gebratenen Kastanien, davon er welche in 



J ) Graf ilatthieu Duraas. 



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Feldzugsreise des Kaiser« Franz 1*09. 



269 



seine Rocktasche gesteckt hatte, mit denen sie jauchzend 
davonliefen und die für sie ein hocherfreuliches Fest 
waren . . . l ) 

Den 1. November hatte sich Se. Majestät mit den k. k. 
Generalen Duka und Kutschera nach Komorn begeben und 
waren an demselben Abende wieder nach Totis zurück- 
gelangt. 

Zugleich machte an diesem Tage der k. k. General- 
adjutant dem k. k. Hofkontrollor den Allerhöchsten Befehl 
bekannt, daß Se. Majestät nächsten Sonntag, den 5. November, 
zu Totis an 17 Kandidaten des hohen kaiserlich öster- 
reichischen Militär Maria Theresien-Ordens die Ordenskreuze 
verteilen und ihnen eine Ordenstafel von etwa 28 bis 30 
Gedecken geben wolle, welche glänzend ausgestattet sein soll. 

An dem dazu anberaumten Tage, als die Tafel im Schlosse 
zu Totis in einem der Zimmer von der Wohnung des Kaisers 
und Königs aufgerichtet worden, kamen Se. Majestät selbst 
heraus, sich von der Zweckmäßigkeit der Tafel zu über- 
zeugen. 

Zu derselben saßen am Tage der Ordensfeier Se. Majestät 
der Kaiser und König als Ordensgroßmeister; 

der durchl. Erzherzog Palatin, Bruder des Kaisers; 

der Fürst Johann von Liechtenstein, Großkreuz des 
hohen Theresien-Ordens; 

die Generale: FML. Baron Duka, Ritter; FML. Graf 
Hradetzky, Ritter-j: Karl von Stutterheim, Ritter; Koller. 
Ritter: 

die Obersten: von Martonitz, Ritter; Rousseau 3 ), 
Ritter; Graf Heinrich Hardegg, Ritter; von Fölseis, Ritter; 
von Csollich, Ritter; von Fasching, Ritter; Freiherr vou 
Geramb, Ritter; von Volkmann, Ritter; von Gollner, 
Ritter; 



') Nun folgt eine kurze Auseinandersetzung Ober die Gebarung 
der Hofwirtschatt, welcher ein summarischer Ausweis über die während 
der Feldzugsreise verköstigten Persouen beigelegt ist. Da dieselbe mit 
den historischen Begebenheiten in keinerlei Zusammenbang steht, wurde 
sie weggelassen. 

*) Oral" liadetzky. 

3 ) Vicomte Kousseles d'Hurbal. 




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270 



Sommeregge r. 



die Oberstleutnante: von Fleischer, Ritter; von 
Kappler 1 ), Ritter; Wieland, Ritter; 

die Majore: Fürst Reuß, Ritter; Graf Kinsky, Ritter; 
Baron Voith-), Ritter; 

die Hanptlente: von "Wilson, Ritter; von Magdeburg, 
Ritter. 

Am 9. November haben sich Se. Majestät mit den k. k. 
Generalen von D uka und von Kutschera von Totis nach Gran 
begeben, wohin auch der k. k. Hofkontrollor sich zu verfugen 
Befehl erhalten hatte. Se. Majestät bewohnte den erzbischöf- 
lichen Palast in der Wasserstadt, von welchem man eine schöne 
Aussicht an die Donau gegen Parkan, zur sogenannten fliegenden 
Brücke, genießt. Die Gegend war, ungeachtet sie damals schon 
mit Schnee bedeckt gewesen, reizend schön. 

Nur wenig Möbel fanden sich in dieser erzbischöflichen 
Residenz oder dem Schlosse damals, und auch diese hatte 
eben erst der durchl. Erzherzog Karl Ambrosius bei- 
geschafft, dessen königlicher Sinn überhaupt dahin gerichtet 
gewesen sein soll, die von einem seiner Vorgänger, dem Erz- 
bischofe Barkoczy, gefaßte Idee auszufahren, wonach der 
ordentliche Primatensitz von Preßburg und das seit der 
türkischen Invasion im Jahre 1543 zu Tyrnau befindliche erz- 
bischöfliche Domkapitel wieder an seinen ursprünglichen Ort 
Gran gelangen sollte. 

Der Tod hatte diesen königlichen Herrn an der Aus- 
fuhrung seines Vorhabens verhindert*). 

In den damals von Sr. Majestät bewohnten Zimmern 
des genannten erzbischöflichen Schlosses fanden sich ein paar 
Gemächer mit verschiedenen Gemälden, deren die meisten im 
vergoldeten Grunde, auf Holz gemalt, geistliche und weltliche 
Geschichte darstellend, byzantinischen Ursprungs zu sein 
schienen. Unter diesen Gemälden sah man auch den Bar- 
koczyschen Plan der am Thomasberge anzulegenden erzbischöf- 

1 Er d mann v. Kappler. 

s ) V f oith v. Bterbeoz, Freiherr. 

*) Anmerkung des Verlassers: Der gegenwärtige Fürstorzbischof 
Alexander v. Rudnay, Primas von Ungarn, ist seit mehreren Jahren 
beschäftigt, eine schone Kathedrale und einen erzbischöilichen Palast 
zu Gran nebst den nötigen Domherrenhäusern herzustellen. 




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Feldzugsreis« des Kaisers Franz IWW. 



271 



liehen Residenz, von welcher ein großer Teil der Grundmauern 
schon gestanden hatte. 

In der noch bestehenden Festungskirche, welche der 
Wut der Türken entging, liegt der durchlauchtigste Erzherzog 
Karl Ambrosius, Primas, bestattet*). 

Eine Merkwürdigkeit in Gran, wie man deren in der 
österreichischen Monarchie nicht viele antrifft, befindet sich 
in dem Teile der Stadt, der zur königlichen Freistadt gehört 
und besteht in einem schönen Standbild, welches der Dom- 
herr Martin Görgey oder nach anderen der Dompropst Martin 
Georg Toperz errichten ließ. Es stellt die Kaiserin Königin 
Maria Theresia im Krönungsornate vor, den Königsmantel 
umgehangen, das Schwert umgürtet, die heilige Krone auf 
dem Haupte, das Zepter in der Hand. Es wurde am 
29. November 1781, arn Jahrestage ihres Todes errichtet, ist 
von rotem Marmor und hat zwar wenig Kunstwert, auch 
hatte es der Zahn der Zeit eben nicht sehr verschont, doch 
war es bis dahin das einzige seiner Art in Ungarn. 

Der Zweck des gegenwärtigen Ausfluges Sr. Majestät 
war, das in Gran befindliche Lazarett sowie die in der Umgegend 
von Totis errichteten Militärspitäler zu besehen. Sie wurden 
der Reihe nach besucht und durch wohltätige Spenden erquickt. 

Am 10. November abends gelangten Se. Majestät 
wieder zurück nach Totis. 

Den 16. November begab sich der Kaiser und König in 
Begleitung des k. k. Generaladjutanten, Generals von Kut- 
schera, des Hofrats und geheimen Kabinettsdirektors von 
Neuberg, eines Kabinettsoffizials, des k. k. Hofrates und 
Leibarztes von Stift und des k. k. Rittmeisters Schwab aus 
dem Militärkabinette, dann eines Kammerheizers, in 4 Wagen 
mit eigener Hofbespannung von Totis nach Stuhlweißenburg, 
wo Allerhöchstdieselbe die Bedienung von der Suite des 
durchlauchtigsten Erzherzogs Palatin angenommen hatten und 
am 18. abends wieder in Totis zurück eingetroffen waren. 

Der k. k. Übernahmshofkommissär Oberstkämmerer 
Graf von Wrbna, hatte Sr. Majestät aus Wien gemeldet 

*) Anmerkung dos Verfassers: Dessen durchlauchtigste Herren 
Brüder Erzherzog Franz Ferdinand und Maximilian haben dem 
verstorbenen Primas ein schönes Monument daselbst errichten lassen. 



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272 



Sommeregge r. 



dalJ die Stadt Preßburg einen freiwilligen Beitrag von 
4000 fl. Metallmünze zu den Staatsbedürfnissen dargebracht 
habe. Uber diesen nach so vielfältigen Leiden erhaltenen 
Beweis treuer Anhänglichkeit und Vaterlandsliebe waren 
Se. Majestät so gerührt, daß sie dieses Ereignis mit vollem 
Herzen in ihrer Kammer bekannt zu machen geruhten. 

Es 19t überhaupt kaum glaublich, wie viele und reich- 
liche Beiträge aus Ungarn, Siebenbürgen und aus allen vom 
Feinde nicht besetzten Provinzen an Remontenpferden, 
Hornvieh, Naturalien und Geld eingegangen sind. Die öster- 
reichische Zeitung war seit ihrem Beginne mit ehrenvollen 
Verzeichnissen solcher patriotischer Gaben fortan gefüllt 1 ). 

Bei dem Abgange Sr. Majestät von Totis nach Preß- 
burg wurde die Suite abermals geteilt und der Verfasser 
erhielt zum dritten Male die für ihn höchst ehrenvolle Be- 
stimmung, bei der Sr. Majestät unmittelbar folgenden Abtei- 
lung zu bleiben. 

Der Kaiser und König war am 21. November 1809 des 
Morgens von Totis weggefabren und über Szöny zu Mittag 
in Kaab angekommen, wo Se. Majestät, im Stadtwirtshause 
abgestiegen, das Mittagmahl genommen hatten und über 
Nacht geblieben sind. 

Die Festungswerke von Raab lagen gesprengt. Das 
geschah vom Feinde gleichförmig zu Wien, Brünn, Graz und 
Klagenfurt. 

Die Bewohner von Raab waren indes über das Wieder- 
sehen ihres geliebtesten Monarchen von der lebhaftesten 
Freude ergriffen. Jubel und Frohlocken ertönte durch die 
Stadt, welche abends beleuchtet wurde. Kein Haus blieb 
darin zurück. Alle Fenster, selbst jene in den durch das 
Bombardement zerschossenen Häusern, waren mit Lampen und 
Lämpchen garniert. Die innigsten Gefühle waren aufgeregt. 

Den 22. November morgens erfolgte die Abreise 
Sr. Majestät von Raab. 

Die Einwohner der Stadt hatten sich am Wagen des 
Kaisers eingefunden und jubelten in allen Gassen und Straßen, 

l ) Die Ausweise über diese Spenden sind in den Nummern 
25 bis 82 der österreichischen Zeitung von 22. »September bis 11. Ok- 
tober 1809 enthalten. 



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1 



Feldzugsreise des Kaisers Fran« 1809. 273 

durch welche Se. Majestät nach Preßburg fortgefahren sind. 
Hier langte Allerhöchstdieselbe noch vormittags an und 
stiegen im Primaspalaste in der Stadt ab. 

Hatten die Bewohner von Raab ihre Freude über die 
Rückkunft Sr. Majestät laut geäußert, so war der Jubel der 
Preßburger, die ihren königlichen Herrn in dem großen 
Drangsale, als diese Stadt vom Feinde beschossen worden, in 
ihrer Mitte helfend, tröstend, ordnend, einem Schutzengel 
ähnlich sahen, noch größer und rührender. 

Im Stadttheater wurde die Oper „Titus der Gütige", 
Musik von Mozart, bei äußerer Beleuchtung des Schau- 
platzes aufgeführt. Alle Plätze waren zum Erdrücken voll 
und die Ausbrüche der Freude überboten sich, als Se. Maje- 
stät in der schönen Oberstenuniform des Allerhöchstihren 
Namen führenden Husarenregiments von ihrem Generaladju- 
tanten, welcher sowie jetzt bei dem Jubel auch in der Zeit 
der Gefahr nie von der Seite des Kaisers und Königs ge- 
kommen, begleitet, in der reich dekorierten Loge erschienen. 
Die Bewohner der halben Stadt begleiteten jubelnd Se. Ma- 
jestät bei dem Nachhausefahren aus dem Theater und eine 
freiwillige Beleuchtung schloß das Fest. 

Das königliche Schloß, in welchem sich das Spital für 
blessierte und kranke Württemberger und Sachsen befunden, 
schimmerte nicht minder im Glänze brennender Lichter, die 
in keinem Winkel der Stadt, auf keinem Fenster, selbst in 
den von Bomben und Haubitzen zerstörten Häusern nicht 
gefehlt haben. Jubelgeschrei ertönte die ganze Nacht hin- 
durch. Alte Leiden waren vergessen. Ein herzliches Gelegen- 
heitsgedicht über die Rückkehr Sr. Majestät, das im Theater 
zuerst verteilt geworden, gab den allgemeinen Gefühlen an- 
gemessene Worte. 

Unvermutet, plötzlich hatten sich Se. Majestät ent- 
schlossen, in ihre Hauptstadt einen Ausflug zu machen, un- 
geachtet sie von den Franzosen noch nicht völlig geräumt 
war. Am 27. November, wenige Stunden vor der Abreise, 
erhielt der k. k. Hofkontrollor den Befehl, das nötige Per- 
sonale zur Bedienung Sr. Majestät nach Wien abzusenden, 
woselbst Allerhöchstsie noch diesen Abend eintreffen wollten? 
auch sonst die nötigen Reisedispositionen zu treffen. 

Mitteilungen des k. und k. Kriegsitrchivs. Dritte Folge. V. Bd. 18 



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274 




Der Kaiser hatte das Mittagmahl in Preßburg genommen 
und begab sich hierauf, nur allein von seinem Generaladjutanten 
begleitet, nach der Hauptstadt. 

Der Verfasser, der inzwischen mit aller Suite in Preßburg 
zu bleiben beauftragt worden, bedauert unendlich, des unnenn- 
baren Jubels Zeuge nicht gewesen zu sein, mit welchem der 
gute, so ganz ohne Pomp, wie ein Vater zu seinen Kindern 
kommende Kaiser von den treuen Wienern empfangen 
wurde. „Guter Kaiser!" riefen ihm die Bewohner der Haupt- 
stadt mit freudetrunkenen, tränenden Blicken entgegen, „Du 
hast den Krieg nicht gewollt, nur das Verhängnis der 
Zeiten drang ihn Dir auf. Der Wille des Guten ist das Eigen- 
tum des Menschen; die Folge seiner Tat liegt in der Hand 
des Schicksals!" 

Einfach, so hieß es in einem geschätzten Tageblatte, ohne 
allen Prunk, ohne einen Mann Bedeckung in einer offenen 
Chaise (Sr. Majestät gewöhnlichen Keisekalesche), in der Uniform 
des den Allerhöchsten Namen führenden Husarenregiments, 
fuhr der Kaiser in Begleitung seines ihm entgegengekommenen 
Hofkommissärs, des Oberstkämmerers Graf von Wrbna, zur 
St. Marxerlinie herein. Kaum erblickte ihn sein Volk, als alt 
und jung den Wagen umgab. „Willkommen!" riefen tausend 
Kehlen. „Es lebe Franz, unser Vater!" Der Zug mußte 
Schritt für Schritt gehen; die Menschen klammerten sich an 
den Wagen, an die Stränge, hielten die Mähnen der Pferde. 
Der Monarch wurde in der kaiserlichen Burg aus dem Wagen 
gehoben und beinahe über die Stiege getragen. Man küßte 
die Hände des Kaisers, seine Kleidungsstücke, und nur mit 
Mühe gelang es den herbeigeeilten Bürgergarden, Raum auf 
der Treppe zu machen. 

Die Stadt und Vorstädte waren glänzend und ohne Zwang 
erleuchtet, auf den Plätzen erscholl Musik und aus manchen 
Häusern wurde Geld unter das Volk ausgeworfen. Um 7 Uhr 
fuhr der Kaiser, umgeben von den bürgerlichen Grenadieren 
und von der bürgerlichen Kavallerie durch die Straßen der 
Stadt. Der Zug glich einem Triumphzuge. 

Unter den Transparenteninschriften zeichneten sich damals 
mehrere durch die Äußerung der herzlichsten Gefühle aus, als: 
,.Es lebe Franz der Erste! Zwar nicht der Mächtigste, der 




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Feldzugsreise des Kaisers Franz 1809. 



275 



Größte, doch der Gütigste, der Beste!" dann: „Aus Liebe 
ohne Zwang!" 

Am 29. November um 10V* Uhr vormittag begaben 
sich Se. Majestät mit prächtiger Begleitung zu Pferde nach 
der Metropolitankirche St. Stephan, wurden am großen Barchen- 
tore von dem Fürsterzbischof und von der Geistlichkeit wie 
gewöhnlich empfangen und wohnten einem feierlichen Hoch- 
amt, dem Te Deum, bei. 

„Der Empfang Sr. Majestät," so schrieb der k. k. Oberst- 
hofmeister Fürst von Trautmannsdorf an den Verfasser unter 
dem 2. Dezember 1809 aus Wien, „war über alle Erwartung 
rührend, worüber dieser gute Herr auch recht vergnügt ist. 
A2_ 1806 ist mit dem heurigen Empfang nicht zu ver- 
gleichen." 

Dieses Schreiben des Fürsten war zugleich mit einem 
amtlichen Dekrete begleitet, in welchem dem k. k. Hofkontrollor 
nach einem von Sr. Majestät erlassenen allergnädigsten Hand- 
schreiben aus Stuhl weißenburg vom 18. November desselben 
Jahres die Allerhöchste Zufriedenheit zu erkennen gegeben 
worden ist, das ihn mit dem ehrfurchtsvollsten Dankgefuhle 
beseelte. 

Den 4. November 1809 war der Kaiser und König 
wieder in Preßburg eingetroffen. Se. Majestät waren zwar 
gesinnt, sich zur Allerhöchsten Familie nach Ofen zu be- 
geben, änderten aber ihren Entschluß und kehrten nebst 
der ganzen Suite den 14. Dezember nach einer Abwesenheit 
von acht Monaten in ihre Hauptstadt zurück. "Wie vordem 
widmeten sich Se. Majestät nach ihrer Rückkunft den Staats- 
geschäften mit einer Anstrengung, welche nach der damaligen 
Stellung der Monarchie und bei dem Umstände, daß so vieles 
wieder ins Geleise zu bringen gewesen, bedeutend erhöht 
worden war. 

Noch vor dem Ausgange des verhängsnisvollen Jahres 
1809 wurde zu Wien die Nachricht bekannt, der Kaiser 
Napoleon habe zu Paris mit Beistimmung der Kaiserin 
Josef ine, in Gegenwart des Familienrates erklärt, daß die 
Ehe zwischen ihm und der Kaiserin aufgehoben werden solle. 
Eugen Beauharnais, ihr Sohn, war der erste, der diese 
Maßregel gebilligt und notwendig befunden hatte. 

IS* 



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276 



Sommeregge r. 



Die schon im September laut gewordenen Gerüchte von 
versöhnenden Vermählungen hatten sich jetzt erneuert. Jeder- 
mann hatte die durchl. Erzherzogin Marie Luise, die nebst 
der übrigen Allerhöchsten Familie noch in Ofen war, im 
Auge; und man erwartete nun den Ausgang der Dinge mit 
so viel erhöhterem Interesse. 



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Gedrängtes Journale 



zur 



Übersicht der Ereignisse bei der Armee unter höchsten 
Befehlen Sr. kaiserlichen Hoheit des Erzherzogs Johann 
in dem Feldzug vom Jahre 1 809 

Mitgeteilt von 
Hauptmann Alois Veltze. 



*) Original, Grf. Moransches Archiv in Graz; Erzherzog Johann - 
Akten, Nr. 1182. 



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Di© reichen Bestände des Graf Meranschen Archives 
zu Graz sind dem Forscher in liberaler Weise zur Verfügung 
gestellt. 

Erzherzog Johann hat sich seinerzeit selbst die Ordnung 
und Sichtung des Materials angelegen sein lassen und 
vielen Akten durch Bemerkungen und Glossen wertvolle 
Kommentare beigefügt. 

Besonders liebevolle Bearbeitung hat das Kriegsjahr 
1809 gefunden, in dessen ersten Stadien bekanntlich das 
Kriegsglück dem 28jährigen kaiserlichen Prinzen den Lorbeer 
des Siegers um das Haupt wand, ohne ihm hiedurch freilich die 
Unsterblichkeit des Feldherrn zu sichern, da die Ungunst der 
folgenden Ereignisse sein Andenken noch heute schwer be- 
lastet. Aber niemand, der die Geschichte jener Zeit wahrheits- 
getreu schildern will, wird es sich an den trockenen Daten 
der offiziellen Archive genügen lassen dürfen und in den 
Aufzeichnungen des Erzherzogs Johann manches Streiflicht 
in bisher noch ungeklärtes Dunkel zu entdecken in der Lage 
sein; vielleicht weniger in militärischer, aber in politischer 
Beziehung. 

Der kürzlich verstorbene Universitätsprofessor Haus 
v. Zwiedinek-Süden hörst hat — durch seinen Aufenthalt 
in Graz begünstigt — aus einer reichen Fundgrube vielfach 
geschöpft und manches Wertvolle der Öffentlichkeit über- 
geben. 

Fast unverständlich muß es scheinen, daß die vom Erz- 
herzog eigenhändig geschriebene Feldzugserzählung bis nun 
noch nicht ediert wurde 1 ); der Einwand, der gegen diesen 
Vorwurf vielleicht erhoben werden dürfte: daß nämlich Ho r- 

') „Feldzug 1809, von mir erzählet" ; 22 vierseitig eng be- 
schriebene Bogen. Grf. Meransches Archiv, Erzherzog Johann-Akten. 
Nr. 1166. 



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280 



Y e 1 t z ü. 



mayr diese Aufzeichnungen bei Verfassung seines Werkes, 
„Das Heer von Innerösterreich' ' ausgiebig benützt hat, kann 
nicht als stichhältig gelten. Es kann dem Historiker nicht 
genügen, zu wissen, daß schon andere aus einer Quelle ge- 
schöpft haben ; nur eine wortgetreue Kenntnis des Originals 
vermag über manche Umstände Aufklärung zu geben, unbe- 
deutend scheinende Details, Redewendungen sind oft von 
höchster Wichtigkeit. 

Hör mayr war bei Herausgabe der ersten Auflage seines 
Werkes 1 ) durch seine Intimität mit dem Erzherzog vorein- 
genommen und als die „zweite, durchaus umgearbeitete und 
vermehrte Auflage" 3 ) erschien, war er wieder durch gegen- 
teilige Gefühle kein unbefangener Zeuge mehr. Vielleicht 
genügt diese Anregung, um ein Versäumnis gutzumachen, 
welches allem Anschein nach nur deshalb schon so lange 
besteht, weil die Schrift ungemein schwer zu entziffern ist 
und es gewiß Monate erfordern würdo, diese Arbeit zu leisten. 

Das hier wiedergegebene „Journale" erliegt gleichfalls 
im Graf Meranschen Archiv, ist von fremder Hand ge- 
schrieben, dem ganzen Konzepte nach aber jedenfalls über 
Auftrag und wahrscheinlich auch unter den Augen des Erz- 
herzogs entstanden ; man kann es einen kurzen militärischen 
Auszug aus der Feldzugserzählung des Erzherzogs nennen. 

Zur raschen Orientierung über die Ereignisse bei der 
innerösterreichischen Armee ist es gewiß von Wert, vor allem 
liefert es aber genaue Anhaltungspunkte über den Aufenthalt 
des Erzherzogs und seines Hauptquartiers, ein Itinerar für die 
Zeit vom 1. März bis zum 20. Oktober 1809, dem Tage, da 
im Lager zu Keszthely die offizielle Nachricht von der er- 
folgten Ratifikation des Friedens von Schönbrunn eintraf. 



2. An diesem Tage geschah die Abreise von Wien nach Graz 
mittels der Post. Es reisten mit: Oberst Nugent, Oberst- 
leutnant Morzin, Major Pley und Fedrigotti ; Haupt- 
mann Schön. Zu Bruck wurde übernachtet. FZM. Kerpen 

l ) Leipzig 1817. 



*) Leipzig 1848. 




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Journal der Armee des Erzherzogs Johann 1809. 



281 



kam von Graz Sr. kaiserlichen Hoheit entgegen, um 
Höchstdessen Befehle einzuholen. Die Brucker Landwehr 
bestritt die Ehrenwache. 

3. Früh ward die Reise nach Graz fortgesetzt. Um 12 Uhr 

langten Se. kaiserliche Hoheit daselbst an. Es wurden 
Artilleriesalvengegeben. Die Garnison und Bürgergarden 
waren en parade aufgestellt. Militär- und Zivilbehörden 
erwarteten die Ankunft ; sie begleiteten dann Se. kaiser- 
liche Hoheit in ihr Quartier. 

4. bis 12. Zu Graz verblieben. 

13. Um 9 Uhr abends reisten Se. kaiserliche Hoheit, begleitet 

vom Major Pley, nach Wien. 

14. bis 15. Die übrige Suite blieb zu Graz. 

16. Um l /i'd Uhr nachmittags trafen Se. kaiserliche Hoheit 

wieder zu Graz ein. 

17. bis 23. Zu Graz verblieben. 

24. Ein feierlicher Tag! Die fünf Grazer Landwehrbataillons 

hatten einige Tage vorher den Befehl erhalten, sich in 
den Umgebungen der Stadt zu konzentrieren. Heute mit 
Tagesanbruch versammelten sich diese Bataillons auf 
dem Glacis — sie formierten ein Karree ; nach einem 
vom Bischof gehaltenen Hochamte erhielten sie von 
Sr. kaiserlichen Hoheit die geweihten Fahnen ; dabei 
ward der Eid geleistet, sie nie zu verlassen — unter 
diesem Panier das Vaterland zu verteidigen. Der Donner 
der Kanonen am Schloßberge kündigte das Fest an und 
beschloß solches. Die Stände beschenkten die Mannschaft 
mit Wein und Brot. 

25. his 26. Zu Graz verblieben. 

27. Um halb 7 Uhr früh reisten Se. kaiserliche Hoheit, be- 

gleitet vom Oberst Nugent und Oberstleutnant M orzin, 
nach Wien ab. 

28. bis 30. Zu Wien verblieben. 

31. Se. kaiserliche Hoheit trafen heute wieder in Graz ein. 

April. 

1. bis 3. Zu Graz verblieben. 

4. Se. kaiserliche Hoheit verließen heute Graz und reisten 
mit der Post über Marburg nach Cilli, um sich zu der 



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282 



Veltr 6. 



bereits gesammelten Armee zu begeben. In Cilli wurde 
übernachtet. 

5. Setzten Se. kaiserliche Hoheit die Reise nach Laibach 

fort, nachdem Höchstdieselben die bei Cilli konzentrierten 
Landwehrbataillons dieses Kreises in Augenschein ge- 
nommen hatten. In Laibach ward übernachtet. 

6. Um 7 Uhr abends reisten Se. kaiserliche Hoheit mittels 

der Post über Krainburg und die mit hohem Schnee 
bedeckte Würzen; Hochdieselben langten am 

7. um 5 Uhr abends in Villach an. 

8. Zu Villach verblieben. Abmarsch des FML. Chasteler 

nach Tirol. 

9. Se. kaiserliche Hoheit verließen Villach und reisten mit 

der Post nach Tarvis, wo das Gros der Armee bereits 
versammelt war und den weiteren Marschbefehl an die 
Grenze — zur vorhabenden Vorrückung nach Italien 
kolonnenweise erhalten hatte. Nachmittags verfolgten 
Se. kaiserliche Hoheit ihren Weg zu Pferd nach Flitsch, 
wo übernachtet wurde. Die Truppen biwakierten. 

10. Das Hauptquartier kam heute nach Caporetto. Die Truppen 

folgten. Ein eingetretener starker Regen erschwerte sehr 
den Marsch. Die Truppe war doch guten Mutes. 

11. An diesem Tage fingen die Feindseligkeiten an. Die Armee 

rückte ohne vielen Widerstand nach Cividale. Man machte 
einige Gefangene. Des anhaltend starken Regens wegen 
mußten die Truppen in eine enge Kantonierung vor und 
um Cividale untergebracht werden. 

12. Wurde bis Udine vorgerückt, das Hauptquartier kam in 

diese Stadt, welche unsere Truppen mit Freudengeschrei 
aufnahm. 2 Grenadierbataillons wurden darin einquartiert, 
die übrigen Truppen biwakierten vor der Stadt auf dem 
Wege nach Codroipo. 

13. Verblieb das Hauptquartier zu Udine; die Avantgarde 

rückte bis Codroipo vor und hatte ein kleines Gefecht mit 
dem Feinde. Se. kaiserliche Hoheit besichtigten das Lager. 

14. Marschierte die Armee nach Passeriano, ein Teil nach 

Codroipo; die Avantgarde erreichte bereits Valvasone 
und dehnte sich bis Torre. Um 10 Uhr nachts marschierte 
Se. kaiserliche Hoheit au der Spitze aller Kavallerie 



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Journal der Armee des Erzhensogs Johann 18t£. 



283 



über Codroipo und Valvasone, über die Cellinen in die 
Richtung von Pordenone ; mit Anbruch des Tages wurde 
halt gemacht, abgefuttert. 

15. Gegen 10 Uhr vormittags begann ein Gefecht mit dem 

Feinde, welcher sich bei Rorai grande und Porcia en 
bataille aufgestellt hatte und unsere Ankunft erwartete. 
Binnen einer halben Stunde hatte es sich für unsere 
Waffen entschieden ; das 35. französische Regiment wurde 
gefangen; mit diesem wuchs die Zahl der Gefangenen 
auf 3000. 3 Adler blieben in unseren Händen, sowie 
auch 3 Kanonen und mehrere Munitionswagen. Se. kaiser- 
liche Hoheit nahmen ihr Hauptquartier zu Pordenone. 
Die Armee rückte heute erst nach ; sie wurde rechts und 
links von Pordenone aufgestellt. Der Feind sammelte 
sich bei Fontana fredda, in welcher er eine beträchtliche 
Verstärkung erhielt. 

16. Um 10 Uhr griff der Feind unsere ganze Front an ! Alle 

seine Angriffe wurden durch die Standhaftigkeit unserer 
Truppen fruchtlos gemacht. Der Feind ward auf allen 
Punkten in die Flucht gejagt ; er hinterließ uns 16 Ka- 
nonen und ebensoviel Karren, 4000 Gefangene und 
3 Adler. Sein Rückzug geschah in der größten Unord- 
nung. Unsere Truppen nahmen noch abends Besitz von 
Sacile mit stürmender Hand. Se. kaiserliche Hoheit hatten 
in der Nacht Höchstdero Hauptquartier zu Fontana fredda, 
in welcher Höhe das Gros der Armee stehen blieb. 

17. Die Armee marschierte nach Sacile; ein heftiger ununter- 

brochener Regen hinderte sie, weiter zu gehen. Man war 
genötigt, die Truppen in Sacile und den nahe liegenden 
Dörfern kantonieren zu lassen ; die Regengüsse hemmten 
sogar die Kommunikationen mit der Avantgarde, welche 
bis an die Tore von Conegliano streifte. Das Haupt- 
quartier war in Sacile. 

18. Blieb das Hauptquartier in Sacile; durch den noch immer 

anhaltenden Regen war eine weitere Vorrückung schlechter- 
dings unausführbar; das ganze 8. Armeekorps ward zu 
Sacile zusammengezogen ; selbst in dem Quartier Sr. kai- 
serlichen Hoheit war ein ganzes Bataillon von St. Julien 
untergebracht. 



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284 



Veits«. 



19. Die nämliche Ursache nötigte Se. kaiserliche Hoheit heute 

noch in Sacile zu bleiben. Der Regen ließ zwar etwas 
nach, allein die Torrenten waren durch den 48 Stunden 
ununterbrochen fortgewährten Regen dergestalt ange- 
schwollen, daß der Marsch vorwärts nicht unternommen 
werden konnte. 

20. Die Armee trat den Marsch nach Conegliano an; ein 

neuer Regen erschwerte den Marsch der Truppen ; selbe 
biwakieren vor der Stadt. Das Hauptquartier kam nach 
Conegliano. 

21. Se. kaiserliche Hoheit blieben in Conegliano; es war 

um so nötiger, den Truppen einen Rasttag zu gönnen, 
als solche durch die ausgestandenen unbeschreiblichen 
Ungemächlichkeiten einer sehr schlechten Witterung ganz 
ermattet waren; den Truppen ließen Se. kaiserliche 
Hoheit zur Erquickung Gratiswein und Fleisch vor- 
abreichen, so wie überhaupt schon die vorhergehenden 
Tage geschah. 

22. Kam die Schiffbrücke über die Piave zu stände; auch 

die Holzbrücke, wovon der Feind zwei Joch abgebrannt 
hatte, wurde ganz hergestellt. Die Armee marschierte 
auf diesen zwei Kommunikationen über die Piave nach 
Treviso; die Einwohner empfingen die Truppen mit 
außerordentlichem Jubel; das Hauptquartier blieb in 
Treviso; die Stadt gab am Abend einen Ball. Die 
Grenadiers der Armee wurden in der Stadt einquartiert, 
das übrige biwakierte vor der Stadt auf der Chaussee 
• gegen Castelfranco. 

23. Die Armee marschierte nach Castelfranco. Se. kaiserliche 

Hoheit gingen mit dem Chef des Generalstabs nach 
Mestre, wo der linke Flügel aufgestellt war. 

24. Der Marsch wurde heute nach Citadella fortgesetzt; 

nachdem Se. kaiserliche Hoheit gegen lü Uhr vormittags 
von Mestre angekommen waren. Die Truppen biwakierten 
rochts und links vor der Stadt auf der Straße Vicenza. 
Das Hauptquartier war zu Citadella. 

25. Der Feind hatte bereits gestern Vicenza verlassen; allein 

in der Nacht kam er wieder mit einer starken Patrouille 
hinein, die sich jedoch bei Annäherung unserer Avant- 




* 



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I 



» 



Journal der Armee des Erzherzogs Johann 1&09. 285 

garde wieder zurückzog. Die Armee marschierte gegen 
Mittag unter Jubel des Volkes ein. Der Feind hatte die 
Brücke über die Brenta abgebrannt, welche aber 
gleich wieder hergestellt wurde. Hauptquartier zu 
Vicenza. 

26. Verblieb solches in Vicenza; unsere Avantgarde streifte 

bis über Tavernelle nach Lonigo und Montebello. 

27. Marschierte die Armee nach Montebello. Die Truppen 

biwakierten rechts und links der Straße vor dem Orte 
in der Richtung von Villanova. Der Feind hatte alle 
Brücken der Dämme abgebrannt. Ein starker Regen 
erschwerte den Truppenmarsch. 

28. Die Armee wurde gegen Villanova, wo sich der Feind 

aufstellte, in Bewegung gesetzt; allein der Regen, 
welcher seit 24 Stunden ununterbrochen dauerte, zwang 
uns, in die alte Stellung von Montebello zurück- 
zugehen. 

29. Aufbruch der Armee nach Villanova; Angriff des Feindes 

auf Soave, welcher durch die Standhaftigkeit der 
Brigade Colloredo vereitelt wurde. Unsere Truppen be- 
haupten ihre Stellung. 

Ankunft des Kuriers von der deutschen Armee mit 
der Nachricht ihrer Unfälle! 

In der Nacht gingen Se. kaiserliche Hoheit nach 
S. Bonifacio. 

30. Zu S. Bonifacio verblieben. Der Feind erneuerte alle 

seine Angriffe auf Soave mit der italienischen Garde: 
sie wurden stets abgewiesen und die Garde fast gänz- 
lich aufgerieben: ihr Anführer, der General Sorbier, 
Adjutant des Vizekönigs, geriet in unsere Hände. 
Se. kaiserliche Hoheit entließen denselben auf Parole 
vom Schlachtfeld. 

Indessen machten die Ereignisse in Deutschland 
den Rückzug nötig, und alle Vorteile, die bisher und 
besonders an diesen beiden Tagen errungen waren, 
mußten unbenutzt bleiben. 

Die Armee mußte sich den Grenzen der Erbstaaten 
nähern ! Die Truppen erhielten daher den Befehl zum 
Rückmorsch. 



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286 



V e 1 t z ft. 



Mai. 

1. Trat die Armee den Rückzug an! Nach Montecchio mag- 

giore kam das Hauptquartier; die Truppen biwakierten 
vor dem Orte. Der Feind beunruhigte unseren Rück- 
marsch nicht. 

2. Die Armee marschierte über Vicenza nach Citadella, wo 

auch das Hauptquartier hinkam. 

3. Das Hauptquartier kam heute nach Castelfranco. Die 

Armee biwakierte vorwärts dem Orte gegen Citadella; 
die Kavallerie kantonierte auf der Straße von Treviso. 

4. War Rasttag; die Kavallerie wurde vorgezogen, gegen 

Citadella, um solche mit der Infanterie zu vereinigen. 

5. Die Armee marschierte über die Strada Postuma nach 

Selva. 

6. Wurde bei Narvece und Vidore die Schiffbrücke über 

die Piave fertig und die Armee setzte glücklich über den 
Fluß; er war durch Regengüsse ziemlich angeschwollen; 
von der stehenden Brücke wurden zwei Joch abgebrannt. 

Das Hauptquartier kam nach Conegliano; die Armee 
stellte sich in der Position von der Piave auf; der 
Feind verfolgte uns nicht stark; er ließ uns sehr ruhig 
den Fluß passieren, obschon er uns leicht hätte mit 
Erfolg beunruhigen können. 

7. Das Hauptquartier blieb zu Conegliano; die Armee in 

der Position ruhig. Der Feind hatte gegen unseren 
linken Flügel 200 Pferde auf das linke Ufer gebracht; 
er machte Anstalten eine Schiffbrücke zu bauen. 

8. Tag der ungünstigen Schlacht au der Piave! Unsere 

Infanterie focht mit lobeus würdigem Mute; sie attak- 
kierte mit dem Bajonette die feindliche Kavallerie und 
warf solche — unsere deutsche Kavallerie kam in 
Unordnung. — FML. Wolfskeel blieb auf dem 
Schlachtfelde. General Reisner und Hager wurden 
gefangen. Abends 7 Uhr trat die Armee den Rück- 
marsch an. Sacile wurde als Repli für die Truppen 
bestimmt: das Hauptquartier kam um Mitternacht 
dahin. 

9. Gegen Mittag wurde der Rückzug wieder fortgesetzt. 

Die Armee marschierte bis S. Quirino, wo ihr einige 



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Journal der Armee des Erzherzogs Johanu 1809. 



287 



Stunden Erholung gegönnt wurden; nach Mitternacht 
wurde wieder aufgebrochen ; an der Spitze der Armee 
— so wie immer — Se. kaiserliche Hoheit. 

10. Der Marsch ging in der Richtung von Spilimbergo — 

bei diesem Orte passierte die Armee den Tagliamento 
zu Fuß. Se. kaiserliche Hoheit voran — ebenfalls zu 
Fuß! Ein merkwürdiger Tag für die Armee! Das 
Wasser war beträchtlich, und wie bekannt, sehr reißend. 
Artillerie, Wagenburg, Kolonnenmagazin, kurz alles 
passierte glücklich; doch nicht ohne die größte An- 
strengung! 

11. Heute war ein uns nachteiliges Gefecht bei S. Daniele. 

Der Rückzug ging bis Ospedaletto, wo sich die Armee 
lagerte. Hauptquartier kam nach Venzone. 

12. Der Feind attackierte das 8. Armeekorps und zwang es 

durch Übermacht zum Rückzug. Die Armee ging mit 
dem Hauptquartier nach Pontebba. 

13. Die Armee setzte ihren Marsch fort und stellte sich in 

der Position von Tarvis auf. In Tarvis war das Haupt- 
quartier. 

14. Das Hauptquartier und ein Teil des 9. Korps marschierte 

bis Villach: FML. Gyulai Ban. mit dem andern Teil 
des 9. Korps wurde nach Laibach beordert. 

15. und 16. Verblieb das Hauptquartier zu Villach. 

17. FML. Albert Gyulai hielt die Position von Tarvis 

besetzt; er wurde in selber angegriffen, geworfen. Das 
Hauptquartier blieb heute noch in Villach. Wir machten 
an diesem Tage öüO Gefangene. 

18. Die Truppen traten ihren weiteren Rückzug nach 

Klagenfurt an, wo auch das Hauptquartier hinkam. 

19. Marschierte das Korps nach Völkermarkt, die Truppen 

biwakierten vor- und rückwärts dieses Ortes. Das Haupt- 
quartier war daselbst. 

20. Der Rückzug wurde weiter fortgesetzt nach Lavamünd, 

wohin auch das Hauptquartier kam. Se. kaiserliche 
Hoheit, begleitet von dem Herrn Obersthofmeister Graf 
Nimptsch, reisten nach Marburg ab, nachdem Höchst- 
dieselben die weiteren Befehle zur Fortsetzung des 
Marsches erteilt hatten. 



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288 



Veltzo. 



21. Das Korps kam heute mit dem Hauptquartier nach 

Mahren b erg. 

22. Das Hauptquartier ging mit dem Korps nach Eibiswald. 

Se. kaiserliche Hoheit trafen heute wieder bei der 
Armee ein. 

23. Das Korps marschierte bis Präding. Se. kaiserliche 
Hoheit setzten nachmittag ihre Reise nach Graz fort, 
um die nötigen Verfugungen für die Bedürfnisse der 
Armee zu treffen. 

24. Langten die Truppen bei Graz an, wo selbe biwakierten. 

25. Zu Graz verblieben. Ungünstiges Gefecht der Division 

Jellacic bei St. Michael. 

26. Zu Graz verblieben. Ankunft des FML. Jellacic und 

Vereinigung mit dessen Truppen. 

27. Zu Graz verblieben. Nachricht des Sieges bei Aspern! 

Die Truppen rückten nachmittag vor der Front ihres 
Lagers en parade aus und feierten Tedeum für den 
erhaltenen Sieg! 

28. Zu Graz verblieben. 

29. Nachmittag traten die Trappen den Marsch nach Gleis- 

dorf an, wo selbe in der Nacht ankamen und abkochten. 
Das Hauptquartier war zu Gleisdorf. 

30. Die Truppen setzten ihren Marsch nach Hz mit Tagesanbruch 

fort, allwo selbe abkochten und dann weiter bis Fürsten- 
feld rückten. Das Hauptquartier war zu Fürstenfeld. 

31. Der Marsch ging nach St. Gotthard; FML. Albert 

Gyulai vereinigte sich mit den von ihm kommandierten 
und bis heute detachiert gewesenen Truppen des 
8. Armeekorps. 

Juni. 

1. Wurde der Marsch nach Körmend fortgesetzt, wo zwei 

Insurrektionskavallerieregimenter waren, die sich mit 
der Armee vereinigten. 

2. bis 7. Verblieb das Hauptquartier zu Körmend. Die 
Trappen biwakierten vor- und rückwärts des Ortes. 

8. In der Nacht brachen die Truppen kolonnenweise nach 
Baltavar auf, wo selbe bis gegen Mittag mit der Queue 
eingetroffen waren; das Hauptquartier kam in diesen Ort. 



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Journal der Armee des Erzherzogs Johann 1809. 

* 



289 



9. Das Hauptquartier kam mit der Armee nach Tuskevar. 

10. War Rasttag; Se. kaiserliche Hoheit ließen der Mann- 

schaft aus dem Kameralkeller für den gestrigen und 
heutigen Tag per Kopf eine Maß Wein austeilen. 

11. Nach dem Abkochen wurde der Marsch nach Papa an- 

getreten. Das Hauptquartier kam auch nach Päpa. 

12. Die Kolonnen waren bereits nach dem Abkochen in 

Marsch begriffen. Der Feind attackierte zu dieser Zeit 
unsere Arrieregarde, welche sich in bester Ordnung 
ohne wesentlichen Verlust in Massen zurückzog. Das 
Korps ward bei Teth aufgestellt. Das Hauptquartier war 
auch in diesem Orte. Heute stießen neuerdings zwei 
Insurrektionskavallerieregimenter zum Korps; Se. kaiser- 
liche Hoheit der Palatinus unterredeten sich zu Teth 
mit Sr. kaiserlichen Hoheit dem Erzherzog Johann; 
ersterer reiste noch in der Nacht nach Raab zurück. 

13. Marschierte das Korps nach Raab; der Feind machte eine 

starke Rekognoszierung gegen Raab, woraus ein ziem- 
liches Gefecht entstand. Unsere Arrieregarde wurde 
anfangs stark gedrückt. Der Feind mußte sich aber 
dann wieder bis auf die Anhöhen von Csanak zurück- 
ziehen, wo das Gefecht endigte. 

14. Früh langte die Meldung ein, daß der Feind sich mit 

Macht zeige und zu einem Angriff seine Kolonnen in 
der Position entwickle. Die Armee erhielt Befehl in die 
Position zu rücken; die ganze Insurrektion unter 
höchsten Befehlen des Palatinus erhielt eine gleiche 
Order; hier eben hatte sich solche mit dem Korps ver- 
einigt. Zur Mittagszeit fing der Feind seine Angriffe 
an. Er hatte bei 6000 Mann Kavallerie, welche er auf 
seinen rechten Flügel hin defilieren ließ, wo jene der 
Insurrektion gegenüber stand. Letztere hielt die feind- 
lichen Angriffe nicht aus. Die Insurrektionsinfanterie, 
noch ganz ununterrichtet, räumte in der größten Un- 
ordnung das Feld, die reguläre Infanterie und Kavallerie 
tat Wunder; allein vergeblich, da die feindliche Kavallerie 
unseren, von der Insurrektionskavallerie preisgegebenen 
linken Flügel debordierte und durch weiteres Vorrücken 
umging. Se. kaiserliche Hoheit erteilten daher den 

Mitteilungen des k. und k. KriegBarchivs. Dritte Fol C e. V. Bd. 19 



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290 



V ■ 1 1 z ö. 



Befehl zum Rückzug, welcher von den Grenadiers und 
Land wehrbataillons in der größten Ordnung und mit 
Massen gedeckt wurde. Die Truppen versammelten sich 
bei Acs, das Hauptquartier kam in der Nacht auch 
dahin. Dieser Tag kostete uns bei 6000 Mann und drei 
Kanonen. Des Feindes Verlust war beträchtlich. 

15. Der Rückzug wurde heute nach Komorn fortgesetzt, wo 

die Truppen die Donau passierten. Das Hauptquartier 
blieb zu Komorn. 

16. bis 18. Verblieb das Hauptquartier in Komorn. Die 
Truppen biwakierten hinter der Festung. 

19. Rückte das Korps nach Nagy-Tany. Das Hauptquartier 

kam auch dahin. 

20. Marschierte das Korps samt dem Hauptquartier nach Boos. 

21. War Rasttag. 

22. Der Marsch wurde nach Sommerein fortgesetzt. Haupt- 

quartier daselbst. 

23. Das Korps marschierte nach Preßburg und löste die 

bisher in dem dortigen Brückenkopf gestandene Brigade 
des Generals Bianchi ab; welche dann zur großen 
Armee abrückte. Hauptquartier zu Preßburg. 

24. Alle Posten von Theben bis Sommerein waren nun, so 

wie der Brückenkopf von den Truppen des Korps 
besetzt; Se. kaiserliche Hoheit besichtigte alle Arbeiten 
auf dem rechten Ufer, so zum Tete de pont gehörten ; 
sie waren sehr fehlerhaft angelegt, weswegen Se. kaiser- 
liche Hoheit sogleich Anstalten zu deren möglicher 
Verbesserung treffen ließen. 

25. Verblieb das Hauptquartier zu Preß bürg. 

26. Se. Majestät der Kaiser kamen abends 8 Uhr in Preß- 

burg an. Zur nämlichen Zeit kam ein feindlicher Parla- 
mentär mit der drohenden Anforderung, den Brücken- 
kopf in Zeit einer Stunde zu übergeben, widrigenfalls 
die Stadt beschossen werden würde; der Parlamentär 
konnte noch nicht bei den Seinigen sein, als das 
Bombardement schon begann. Ein unerhört grausames 
Verfahren gegen eine wehrlose Stadt, welches mit 
keinem militärischen Zwecke in Verbindung stand! 
60 Häuser wurden in die Asche gelegt, Das Bombarde- 



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Journal der Armee des Erzherzog Johann 1900. 



291 



ment dauerte bis früh 3 Uhr. Se. kaiserliche Hoheit 
waren die ganze Nacht hindurch auf dem Schloßberg. 

27. Se. kaiserlichen Hoheit mußten das in der Stadt be- 

wohnte Primatialgebäude verlassen, da mehrere Bomben 
während dem nächtlichen Bombardement dort ein- 
geschlagen hatten. Höchstdieselben bezogen den Primatial- 
garten; die Branchen des Hauptquartiers wurden in dem 
sogenannten Blumental untergebracht. 

Das Schicksal der abgebrannten Bürger war be- 
dauernswert; ihr Betragen beispiellos standhaft. Se. Maje- 
stät der Kaiser reisten früh um 6 Uhr nach Boos, 
wo das Hauptquartier des Palatinus war, um die dort 
versammelten Insurrektionstruppen in Augenschein zu 
nehmen. Früher als gestern begann neuerdings das 
grausame Bombardement der Stadt. Die ganze Juden- 
stadt wurde ein Raub der Flammen ; im ganzen brannten 
heute 80 Häuser. 

28. Das Bombardement dauerte heute fast den ganzen Tag 

ununterbrochen fort; das Feuer machte aber nicht viel 
Schaden. 

29. Noch immer wurde unausgesetzt bombardiert; doch 

gelang es dem Feinde nicht, viel anzuzünden. 

30. Heute nachts besetzte der Feind den Spitz der alten Au, 

wo er einige Gefangene machte. In dessen Besitz blieb 
er übrigens den ganzen Tag ruhig. 

Juli. 

1. und 2. War alles ziemlich ruhig. Der Feind marschierte 
hin und wieder, um unsere Aufmerksamkeit zu täuschen. 

3. Von Seite des Feindes blieb alles ruhig. Unsererseits wurde 

kanoniert. Die Schiffbrücke wurde zusammengesetzt 

4. Verblieb alles ruhig. 

5. Heute sollte eine namhafte Diversion aus dem Brücken- 

kopf gegen Kittsee unternommen werden. Die Truppen 
waren bereits zur Stürmung der feindlichen Verschan- 
zungen ausgerückt; ein in der Nacht eingetretener 
heftiger Sturmwind und Regen hinderte die Ausführung 
derselben. Die Truppen litten viel dabei. Früh wurden 
solche in ihre vorigen Lager beordert. 



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292 Veit §4. 

6. Um Mitternacht marschierte das Korps, nachdem eine 

verhältnismäßige Besatzung im Brückenkopf zurück- 
blieb, nach Marchegg; die Truppen rückten drei 
Stunden und kaum war die Queue der Kolonnen ein- 
getroffen, so setzte sich die Tete wieder in Marsch 
gegen Schönfelden. Große unglückliche Schlacht! 

7. Das Korps marschierte nach dem Abkochen nach Neudori" 

ins Lager. Ein Teil kehrte aber auf dem Marsche wieder 
nach Marchegg um. Das Hauptquartier kam nach 
Blumenau. 

8. Se. kaiserliche Hoheit gingen heute wieder nach Marchegg; 

die Truppen erhielten Befehl, gegen Schönfelden vor- 
zurücken, welches aber bald darauf kontermandiert 
wurde; Se. kaiserliche Hoheit kehrten nach Preßburg 
zurück. Die Truppen traten gegen Mitternacht den Marsch 
dahin an. Eine Brigade blieb an der March zurück. 

9. Das Hauptquartier blieb zu Preßburg. 

10. Der Feind attackierte Marchegg und nahm das Dorf. Die 

zurückgebliebene Brigade zog sich über die March 
zurück und brach die Schiffbrücke ab. Das? Haupt- 
quartier blieb in Preßburg. 

11. Ein heftiger Sturmwind und Regen, wie am 5.. hinderte 

neuerdings den beschlossenen Übergang über die 
Donau aus dem Brückenkopf. Der Feind war bereits 
bis an die March vorgerückt und drohte selbe zu 
passieren. Se. kaiserliche Hoheit befahlen daher die 
Abtragung der Schiffbrücke über die Donau, die 
Räumung des Brückenkopfes und den Abmarsch der 
Truppen nach Sommerein, wohin auch das Haupt- 
quartier kam. 

12. Die Truppen marschierten bis Nädasd, kochten da ab 

und rückten dann bis Groß - Megyer. Se. kaiserliche 
Hoheit gingen heute noch nach Komom. 

13. Zu Komom verblieben. Die Truppen langten heute hier 

an, nachdem sie. wie gestern, einen doppelten Marsch 
zurücklegten. 

14. Nach dem Abkochen marschierte das Korps nach Acs. 

Das Hauptquartier kam auch dahin. Se. Majestät der 
Kaiser trafen abends zu Komorn ein. 




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Journal der Armee des Erzherzogs Jobann 1800. 



293 



15. Se. kaiserliche Hoheit gingen nach Komorn zu Sr. Maje- 

stät. Die Truppen marschierten nach Gönyö, kochten 
da ab, und setzten dann ihren Marsch teils in das 
Lager bei Csanak, teils bei Gyirmoth unweit Raab, 
wohin auch das Hauptquartier kam, fort. Der feindliche 
Kommandant von Raab, General Narb onne, ließ durch 
einen Adjutanten den zwischen den großen Armeen in 
Mähren eingetretenen Waffenstillstand berichten. 

16. Marschierte das Korps nach Teth und das Hauptquartier 

ebenfalls. 

17. Der Marsch wurde heute nach Papa fortgesetzt; das 

Hauptquartier kam auch in die Stadt. 

18. War Rasttag. Se. kaiserliche Hoheit reisten, begleitet vom 

General Nugent, nach Komorn in das Hoflager 
Sr. Majestät. 

19. Die Truppen gingen mit dem Hauptquartier nach Tuskevar. 

20. Fortsetzung des Marsches nach Szt. Gröt. Se. kaiserliche 

Hoheit trafen heute wieder von Komorn hier ein. Be- 
stätigung des bisher bezweifelten Waffenstillstandes. 

21. Rasttag. 

22. Das Korps marschierte in die Gegend von Zala-Egerszeg, 

wo zum Teil kantoniert wurde; das Hauptquartier 
ebenfalls dahin. 

23. Nach Lövö, wohin auch das Hauptquartier kam. Ein Teil 

des 8. Korps bezog heute schon die angewiesenen 
Kantonierungsq uartiere. 

24. Nach Lendva mit dem Hauptquartier. Der größte Teil 

der Truppen rückte heute in ihre Kantonierung. 

25. Das Hauptquartier nach Csakathurn. Das 9. Korps hatte 

sich aus Steiermark größtenteils vereinigt; dessen Haupt- 
quartier wurde nach Agram, jenes des 8. Korps nach 
Zala-Egerszeg verlegt. 

26. bis 31. Zu Csakathurn verblieben, sonst keine wesentliche 

Bewegung. 

August. 

1. bis 10. Zu Csakathurn verblieben. Sonst keine wesentliche 
Bewegung. 

11. Heute traf die Brigade Schmidt aus Tirol mit dem 
Intendanten Baron Hormayr bei der Armee ein. 



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294 



V e 1 t z 6. 



12. bis 16. Zu Csakathurn. 

17. Traf der General Buol mit seinen Truppen aus Tirol ein. 

18. bis 21. Zu Csakathurn. 

22. Reisten Se. kaiserliche Hoheit in das Hoflager Sr. Maje- 

stät des Kaisers nach Komorn. 

23. Die Truppen kamen in die Nähe von Groß-Kanizsa samt 

dem Hauptquartier. 

24. Die Armee ging bis Kiskomarom, das Hauptquartier 
nach Keszthely. 

25. Die Truppen bezogen ihre Kantonierungsquartiere. Das 

Hauptquartier blieb zu Keszthely. 

26. und 27. Zu Keszthely. 

28. Rückkunft Sr. kaiserlichen Hoheit aus dem Hoflager 

von Totis. 

29. bis 31. Verblieben zu Keszthely. 

September. 

1. bis 8. Zu Keszthely. 

9. Heute bewegte sich die Armee auf den rechten Flügel 
hin. Das Hauptquartier ist zu Keszthely verblieben. 
10. bis 22. Zu Keszthely. 

23. Se. kaiserliche Hoheit reisten in das Hoflager nach Totis. 

24. bis 30. Zu Keszthely. 

Oktober. 

1. bis 5. Zu Keszthely. 

6. Rückkunft Sr. kaiserlichen Hoheit aus dem Allerhöchsten 

Hoflager. 

7. bis 19. Zu Keszthely. 

20. Offizielle Nachricht von der erfolgten Ratifikation des 
Friedens. 



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Der Grazer Schloßberg 1809. 

Von 

Hauptmann Alois Veltze. 



(Mit zwei Textskizzen.) 



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Benützte Quellen. 

Buckeisen Friedrich, k. und k. Hauptmann im Infanterie- 
regiment Nr. 85 : „Die Verteidigung des Schloßberges zu Graz und die 
gleichzeitigen kriegerischen Ereignisse in der nächsten Umgebung im 
Jahre 1800. Historische Skizze nach authentischen Quellen des steier- 
märkischen Landesarchivs". Manuskript. — Krumplitsch Josef, 
Hofapotheker in Graz: „Originaltagebuch während der Epoche der 
französischen Invasion dortselbst im Jahre 1809". Landesarchiv zu 
Graz, Handschrift Nr. 4127. — Wastl Franz, Zollgefäll-Registrator : 
„Begebenheiten in Graz in Bezug auf Invasion der Franzosen im Jahre 
1809". Landesarchiv zu Graz, Handschrift Nr. 799 und 990. — Knabl 
Richard, Pfarrer: ,. Die Franzosen in Grätz ; Nachträge zur Belagerungs- 
geschichte des Grätzer Sohloßberges im Jahre 1809". Landesarchiv zu 
Graz. Handschrift Nr. 1130, — Beiträge zur Kunde steiermärkischer 
Geschichtsquellen, Band 21 biß 25. (Zwiedinek-Süde nhorst Hans von : 
Zur Geschichte des Krieges von 1809 in Steiermark, Graz 1892.) — 
Zwiedinek-Südenhorst Hans von: „Das Treffen bei Graz am 25. 
und 26. Juni 1809", Graz 1899. — Mitteilungen des historischeu Vereines 
für Steiermark. Band 33 bis 35, 44 bis 47, und zwar: a) Kratochwill J. : 
„Die Franzosen im Jahre 1809, ein gleichzeitiges Tagebuch", b) Levec: 
„Ein Tagebuch aus dem Jahre 1809". — Mayer : „Steiermark im Franzo- 
senzeitalter", Graz 1888. — v. Weitenhiller : „Die Hackher zu Hart" 
(1480—1878). — Kramm: „Die Verteidigung des Grazer Schloßberges 
unter Kommando des Major Hackher zu Hart im Jahre 1809" (Organ 
der militär wissenschaftlichen Vereine XLIX, 1894*. — Sc h eigen 
„Quellen und Beiträge zur Geschichte der Verteidigung des Schloß* 
berges in Graz im Jahre 1809", Graz 186(5. — K o p al Bruno, k. k. Kapitän- 
leutnant : „Plan der Provinzialhauptstadt Grätz, mit der nächsten Um- 
gebung 1843; Landesarchiv zu Graz. — Flamm, Hauptmann und Raab, 
Leutnant des Bombardierkorps: „Plan der Hauptstadt Grätz in Steier- 
mark. 1798". Landesarchiv zu Graz, Nr. 61. 



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Mitte März 1809 weilte Erzherzog Johann in Wien. 
Er nahm an den militärischen Beratungen teil und setzte es 
durch, daß ihm gegen die französisch-italienischen Streitkräfte 
in Oberitalien und Dalmatien zwei Armeekorps zur Ver- 
fugung gestellt wurden; gegen die ausdrückliche Einsprache 
des General quartiermeisters der Armee, GM. Mayer von 
Heidensfeld, welcher ein rein defensives Verhalten im 
Süden der Monarchie befürwortete, um alle verfügbaren 
Kräfte zum Hauptschlag bereit zu haben. 

Später, nach den überraschenden Erfolgen gegen die 
Armee des Prinzen Eugen Beauharnais, Vizekönigs von 
Italien, war es gerade der Generalgeniedirektor Erzherzog 
Johann, welcher dem Ausbau der Befestigungen an den 
Pässen Kärntens und in Innerösterreich weniger Bedeutung 
beimaß. Sehr zum Schaden des Ganzen. 

Erst nachdem die Ereignisse an der Donau auch den 
Rückzug der innerösterreichischen Armee zur Folge hatten, 
ergingen Befehle nach Malborghet, Predil, nach Sachsenburg, 
Laibach und Graz, die Befestigungen in stand zu setzen. 
Besonders an den drei ersteren wurde mit Eifer gearbeitet, 
da Erzherzog Johann hoffte, dem nachdrängenden Gegner an 
den Grenzen Kärntens erfolgreich Widerstand leisten zu können. 

Doch nach der, trotz tapferer Verteidigung ver- 
hältnismäßig raschen Bezwingung von Malborghet, Predil 
und der Verschattungen von Tarvis war auch diese Hoffnung 
geschwunden. In rascher Folge fielen auch die Erdwerke von 
Präwald, und Laibach gelangte fast ohne Schwertstreich in die 
Hände der Gegner. Nur Sachsenburg hielt sich. 

Durch das Drautal über Marburg zog die österreichische 
Hauptkraft gegen die Hauptstadt Steiermark«. Hierher hatte 
Erzherzog Johann die Division Jellacic von Radstadt be- 
ordert, hier wollte er die Vereinigung mit derselben bewirken, 
von hier aus gedachte er wieder die Offensive aufzunehmen. 



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300 



V e 1 1 1 6. 



Graz sollte als Stützpunkt dienen; es wurde befohlen 
die um den Schloßberg liegenden Werke zu verstärken, die 
Zitadelle zu armieren, mit Proviant und Munition zu 
versehen. 

Am 11. Mai wurde Major Hackher 1 ) vom Ingenieurkorps 
„so den Bau des Schlosses besorget", zum Kommandanten 
ernannt. In längerer Korrespondenz-) berichtet FZM. Baron 
Kerpen — Kommandant in Steiermark — über den Fort- 
schritt der Arbeiten am Schloßberg, beklagt sich aber zugleich 
über die Unzulänglichkeit des vorhandenen Materials. Am 
18. Mai war die Feste approvisioniert 3 ), das Geschütz ein- 
geführt, und an diesem Tage bezog Major Hackher mit der 
Garnison den Schloßberg. 

Schon unter Kaiser Josef war Graz als offene Stadt 
erklärt worden. Warum die Zitadelle nicht nur verblieb, 
sondern noch ausgebaut und verstärkt wurde, ist nicht auf- 
geklärt. 1805 hätte der Schloßberg auf Befehl Napoleons 
geschleift werden sollen, was aber nicht zur Ausführung kam, 
immerhin maß der große Korse dem Bergschloß einige Be- 
deutung bei, vielleicht in Voraussicht eines nächsten Feld- 
zuges 4 ). In der Folge zeigte sich, daß die Festung dem 
Feinde wohl unbequem, aber keineswegs gefährlich werden 

') Franz, Xaver Freiherr Hackher zu Hart, gehören zu Wien 
am 13. November 1764, kam im Jahre 1781 in die Genieakademie. 2lJahre 
alt wurde er Korpskndett, im März 1787, im Türkenkriog Unterleutnant, 
1792 Oberleutnant und am 20. April 17% Hauptmann zweiter Klasse. 
1796 machte er die Belagerung von Valenciennes und Cunco mit, wobei 
er sich auszeichnete, ebenso bei der Verteidigung von Ulm. 11. Juli 
1<S01 wurde er Hauptmann erster Klasse und am 11. Jänner 1808 Major. 
1801) wurde er mit dem Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens 
dekoriert und in den erblichen Freiherrnstand erhoben. Die Feldzüge 
von 1813 und 18H machte Hackher als Oberstleutnant bei der Nord- 
armee des Kronprinzen von Schweden mit. Für die Verdienste in dieser 
Kampagne erhielt er den königlich schwedischen Schwertorden. 
1820 anvancierte er zum Oberst und trat mit Neujahr 1826. nach 
vierzigjähriger ausgezeichneter Dienstleistung, in den Ruhestand. 

1812 vermählte sich Hackher mit Maria Barbara, Tochter 
des k. k. priv. Großhändlers Jakob Edlen von Smitmer. Er starb zu 
Wien am 2. September 1837. 

- Beiträge, 1307», 1812, 1324a, 1326, 1507. 

3 ) Siehe Anhang 111b. 

' Kramm, 242. 



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Der Orazar Schloüberfj lbü9. 



301 



konnte. Die geringe Tragweite des Geschützes gestattete nur 
eine Bestreichung der zunächstliegenden Kommunikationen 
und die Flußsperre war allerdings durchführbar, doch erwuchs 
dem Feinde hieraus kein übermäßiger Nachteil, da eine Um- 
gehung beiderseits möglich war. 

Die Hauptstärke der Festung bestand in der hohen 
Lage der Werke, welche für damaliges Geschütz und die 
damalige Schießkunst viele Schwierigkeiten bot, überdies er- 
schwerte der felsige Untergrund Minierarbeiten ganz be- 
deutend. Jedoch war Mangel an bombensicherer Unterkunft l ) } 
selbst für Munition, überhaupt das Mauerwerk schwach, was 
aus dem ganz beträchtlichen Erfolg der Beschießung hervor- 
geht, obschon den Franzosen nur wenig Geschütz von durch- 
wegs nur mittlerem Kaliber zur Verfügung stand. Auch an 
Schießbedarf scheint es dem Gegner gefehlt zu haben 2 ), 
wodurch die großen Pausen im Bombardement sich erklären. 
Im allgemeinen konnte nur die West- und Südfront als 
sturmfrei gelten, weil an diesen Stellen der Fels zu Tage 
tritt und im Mittel etwa 50 Meter hoch, mauerartig abfällt. 
Am leichtesten ersteigbar war die Ostfront, daher auch am 
stärksten befestigt. Dort lassen sich drei in Etagen übereinan- 
derliegende Verteidigungslinien unterscheiden, und zwar 3 ): 

1. Etage (von unten gezählt). Schanzkorbbrustwehr mit 
Palisaden, drei Batterien; an bedrohten Punkten waren 
Rinnen für Rollbomben und Granaten angebracht, auch 
große Steine und Balken lagerten am richtigen Ort, um auf 
die Stürmenden geworfen zu werden. 

2. Etage. Die Bastionen der Hauptumfassuug. 

3. Etage. Das eigentliche Plateau des Schloßberges. 
Hier war eine ausgedehnte Batterie im Hofraum erbaut, 
welche je nach Bedarf mit Geschütz versehen wurde; von 
hier konnte nach jeder Richtung geschossen werden, was 



Vi A. Hackhers Journal: „ Diesem Flatz fehlt noch sehr viel, 
hauptsächlich an bombensicherer Unterkunft für Munition, Vivres und 
Mannschaft." Beitrüge. 1674.) 

*) Brief Marmonts un den Kaiser: ..J'ai envoye chercher cjuatre 
pieces de gros calibro ä Laibach" und weiter: ...Vai i'galement fait 
demander de la poudre. .jiii me manque." | Mayer, 232, Fußnote.) 

•\i Hiezu Textskizzo 3. 



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302 



V o 1 t z 6. 



freilich nicht viel bedeuten wollte, nachdem das schwerste 
Geschütz, der Zwölfpftinder, eine größte Tragweite von nur 
2400 Schritten aufwies Die Stärke der Besatzung betrug 
am 19. Mai: 

Ingenieurkorps 3 Offiziere — Mann 

Artillerie 2 ,, 46 „ 

Infanterieregiment De Vaux 4 „ 233 
Infanterieregiment Strassoldo 3 ., 260 
Infanterieregiment Lusignan 2 „ 164 
1. Grazer Landwehrbat. . 2 ., 103 
3. ,. ii .1 72 
Mineurkorps — 18 „ 

Summe 17 Offiziere 896 Mann 

Mit Ausnahme der Artilleristen und Mineurs bestand die 
Mannschaft ohne Chargengrad aus Depotrekruten der ge- 
nannten Truppenkörper und wurde auch während der ganzen 
Belagerung, trotz wiederholter Bitte des Festungskomman- 
danten, nicht ausgewechselt-). Diese Mannschaft, welche 
durchwegs kaum das Gewehr halten konnte, die sozusagen 
ihre erste Ausbildung im feindlichen Feuer erhielt, hat sich 
trotzdem über alles Lob tapfer geschlagen. 

Die Armierung 3 ) war ziemlich schwach ; schweres 
Geschütz fehlte gänzlich. Es waren vorhanden : 

4 Zwölfpfünder, 8 Sechspfünder, 6 dreipfündige Kano- 
nen, 4 siebenpfündige Haubitzen, 12 Doppelhaken, 24 Wind- 
büchsen. 

Munition sowohl für Geschütz als Infanterie war aus- 
reichend vorhanden 1 ). Hiebei darf auch nicht vergessen 
werden, daß Hackher in den Zernierungspausen aufs eifrigste 
seinen Munitionsvorrat aus den Depots in der Stadt 
ergänzte. 

Resümierend darf man aber wohl behaupten, daß der 
Schloßberg für eine längere, konsequent durchgeführte Blok- 



') Kr am in. 244 Ins 247. 

- Hackhers Journal. Heiträge. 1674. i 

3 ) Kramm. 243. 

*) Beitrüge. Nr. 9. „Inventarium über sämtliches kaiserlich könig- 
liche, auf dem Grazer Kastell an die Franzosen übergebeno Artillerie- 
gut"' Anhang lila. 



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Der Grazer Schloüborg 1309. 



303 



kade durchaus nicht gerüstet war. Die heftig ansetzende und 
später sozusagen im Sande verlaufende feindliche Aktion 
macht überhaupt den Eindruck, als habe es sich mehr 
um den point d'honneur gehandelt als um die Notwendigkeit 
des Besitzes. Trifft die erstere Vermutung zu, dann allerdings 
stand der Kraftaufwand in keinem Verhältnis zum erstrebten 
Erfolg. 

Die Verteidigunginstandsetzung l ) hatte, wie schon 
erwähnt, am 11. Mai begonnen. 300 Arbeiter und 200 Pro- 
fessionisten sowie 25 Wagen wurden in Tätigkeit gesetzt; 
die Werke wurden ausgebessert und soviel als tunlich verstärkt. 
Schon am 3. Mai erfolgte der Abschub der auf der Festung 
inhaftierten, schweren Verbrechernach Komorn, die Arrestanten 
aus der Karlau s i wurden zu den Arbeiten herangezogen. 

Obgleich nicht alle Wälle und Bastionen armiert werden 
konnten, so gestattete doch das Geschützmaterial eine rasche 
Konzentrierung auf bedrohten Punkten und es wurde tat- 
sächlich durch Rührigkeit und Eifer ersetzt, was an Ar- 
mierung fehlte. Die Verbindung mit der Stadt und der 
Außenwelt war infolge der günstigen Örtlichkeit leicht herzu- 
stellen. Jedenfalls war Hackher über alleAktionen des Feindes 
genau orientiert und in stetem Verkehr mit der Stadt, haupt- 
sächlich durch den damaligen Wirt des noch jetzt bestehenden 
Gasthauses „Zur Rakete" Michael Spreng. Damals führte, 
noch ein verdeckter Gang in der Stadtmauer auf den Schloß- 
berg, dessen Spuren sich noch heute nachweisen lassen. Ur- 
sprünglich von der k. k. Burg ausgehend, war derselbe später 
nur noch vom Paulustor an benutzbar und dieser Weg 
schützte den patriotischen Bürger bei seinen gefährlichen 
Botengängen *). Merkwürdig bleibt es immerhin, daß dies 
dem Feind auf die Dauer verborgen blieb, obwohl viele 
darum wußten. Die verabredeten Glockensignale wurden 

l > Kraram, 241 — 247, erwähnt hier einen ., Armierungsplan" 
und „Weisungen" sowie viele andere Details, leider ohne Quellen- 
angabe. 

•) Strafanstalt, in der Vorstadt Karlau, noch jetzt bestehend. 
Vergl. Mayer. 

3 i Obschou die offiziellen Akten hierüber schweigen, so scheint die 
Tatsache doch verbürgt zu sein. Erscheint übrigens auch bei Knabl 
und Wast L 



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304 v e 1 1 1 a. 

allerdings sofort durch die Franzosen eingestellt, welche mit 
Repressalien drohten. Im großen und ganzen war geschehen, 
was die Mittel erlaubten. Das übrige, Größte, besorgte jedoch 
der tapfere Major Hackher. 

Etwa Mitte Mai war die Kriegslage folgend: 
Der Abzug der österreichischen Armee unter Erzherzog 
Johann aus Kärnten machte die Straße über Friesach in das 
Murtal nach Bruck frei und Vizekönig Eugen stand daher 
mit seiner Macht schon am 24. Mai in Unzmarkt. Nächsten 
Tag stießen die Vorhuten Eugens und des FML. Jellaöie — 
welch letzterer, von Radstadt kommend, das Liesingtal herunter- 
marschierte — bei Madstein, unweit St. Michael, zusammen. 
Jellacic engagierte sich sehr überflüssigerweise fast mit seiner 
ganzen Division, wodurch anfangs allerdings ein kleiner Erfolg 
erzielt wurde, der sich aber beim Eintreffen des französischen Gros 
in eine unzweideutige Niederlage verwandelte. Heftig verfolgt 
nahm er seinen Rückzug über Leoben, Bruck nach Graz, 
woselbst er sich mit den Trümmern seiner Division — kaum 
3000 Mann, statt der erhofften 9000 — am 26. mit Erzherzog 
Johann vereinigte. Am selben Tage wurde der Sieg bei 
Aspern bekannt und am 27. in Graz durch ein Tedeum. 
Prozessionen und ein militärisches Fest gefeiert. Zwei Tage 
später erfolgte der Abmarsch des Erzherzogs über Gleisdorf 
nach Ungarn; seine Armee traf am L Juni in Könnend ein. 

Das Korps Macdonald, welches den rechten Flügel der 
Armee des Vizekönigs bildete, rückte nach Laibach und 
erhielt dort den Befehl zum Vormarsch nach Graz, der über 
Cilli und Marburg erfolgte. Hier vereinigte es sich mit der 
Division Grouchy, welche, von Kärnten kommend, eine Ab- 
teilung über Eibiswald gegen Graz detachiert hatte. Die 
österreichischen Vorposten bei Marburg, in den Windischen 
Büheln, bei Wildon und Ehrenhausen zogen sich beim 
Anmarsch des Feindes zurück; die Vorhut Grouehys traf 
in den Morgenstunden des 30. Mai in Eggenberg und vor 
Graz ein. 

FML. Ignaz Graf Gyulai stand mit seinem Korps — 
früher 9. der innerösterreiehischen Armee — in der Gegend 
von Karlstadt, Gonobitz und gegen Marburg zu. Ein Teil 
seiner Aufgabe bestand darin, soviel wie tunlich kroatische 



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D.>r Oraeer Schloßberg inj». 



305 



Insurrektionstruppen an sich zu ziehen, um sich zu verstärken 
und dann erneuert vorzugehen. 

Am Grazer Schloßberg hatte man inzwischen soviel 
als möglich geleistet. Gleich nach seinem Eintreffen am 
22. Mai hatte Erzherzog Johann die Festung besichtigt 
und mit Hack her eine lange Beratung gepflogen. 

Schon am 28. Mai wurde die untere Murbrücke ab- 
gebrochen und die obere bis auf einen schmalen Durchgang 
mit Brettern verschalt. Als am 29. abends die letzten Truppen 
passiert waren, wurde der Durchlaß geschlossen und ein 
Teil der Brücke abgetragen. Um 8 Uhr abends erhielt 
Hackher vom FML. Frimont den Befehl, die Stadttore zu 
besetzen und nur mit Kapitulation zu räumen, um Zeit zu 
gewinnen und ein rasches Nachdrängen des Gegners, insbe- 
sondere mit Geschütz, zu verhindern. Demnach bezogen sechs 
Offiziere und 240 Mann die Torwachen und hatten den 
Auftrag, sich erst auf das Zeichen mit der Sturmglocke gegen 
die Festung zurückzuziehen. Am 30., 3 Uhr früh, verließ die 
letzte Abteilung der österreichischen Nachhut die Stadt und 
fast zu gleicher Zeit traf die französische Division Grouchy 
in der Murvorstadt ein 1 i. Ein Parlamentär erschien am Ufer, 
wurde überschifft und auf die Festung geführt 2 . Der General 
forderte Übergabe der Stadt und Festung, indem er auf das 
Schicksal von Predil, Malborghet, Laibach und Präwald 
hinwies 3 . Zugleich brachte er, um seinem Verlangen Nachdruck 
zu geben, vier Haubitzen in Stellung. Hackher antwortete, 
er habe den bestimmten Auftrag, den Schloßberg mit aller 
Hartnäckigkeit zu verteidigen ; die Staat wolle er aber am 31. 
unter der Bedingung übergeben, daß von der Stadtseite nichts 
Feindliches gegen die Festung unternommen werde '). Grouchy 
drohte hierauf mit dem Feuer um 3 Uhr nachmittags zu be- 
ginnen, wenn er bis dahin keine befriedigende Antwort habe : '>. 



») Beitrüge, 1507 b. 

*1 Levec: .,Der betreffende Oi'tizier war 1803 lang in Graz ge- 
wesen und belustigte sich nicht wenig über das höchst umständliche 
Verbinden der Augen, wo er Weg und Steg genau kannte." 

s » Siehe Anhang I a. 

*) Anhang 1 b. 

*) Anhang I c. 

Mitteilungen des k. uud k. Kriegsarchivs. Dritte Folge. V. Bd. 2<> 



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306 



V e 1 1 1 i. 



Nun erklärte Hackher bis 3 Uhr 30 nachmittags die 
Stadt unter den erwähnten Bedingungen räumen zu 
wollen, zugleich selbe der Schonung des Generals emp- 
fehlend. Den Schloßberg könne er nicht übergeben *). 
Grouchy ging nach einigem Zögern auf diese Bedingungen 
ein - ) und gleich darauf ertönte die große Glocke als 
Signal zum Rückzug der Torwachen. Auf solche Art 
hatte Hackher fast zwölf Stunden Zeit gewonnen. Tat- 
sächlich wurde auch keine Verfolgung seitens der Franzosen 
eingeleitet. General Macdonald traf inzwischen ein, empfing 
durch eine Bürgerdeputation die Schlüssel der Stadt und um 
5 Uhr nachmittags hielt der Feind über die rasch hergestellten 
Murbrücken seinen Einzug. 

Merkwürdigerweise bezogen anfangs die Franzosen mit 
der Grazer Bürgerwehr gemeinsam die inneren Wachen 3 ). 
Diese Maßregel dürfte sich aber nicht bewährt haben, weil 
später nicht mehr davon die Bede ist und das Bürgerkorps 
immer dann erst wieder in Aktion trat, wenn die Feinde den 
Platz geräumt hatten. Das Verhältnis zwischen der Ein- 
quartierung und der Bewohnerschaft scheint zu dieser Zeit 
recht gut gewesen zu sein, was daraus hervorgeht, daß viele 
Offiziere gleich die alten Quartiere bezogen, welche sie 1805 
innegehabt, Besuche machten etc. Man behauptet zwar, 1805 
hätten die Franzosen besser Mannszucht gehalten; immerhin 
kam es während der ganzen Zeit der feindlichen Okkupa- 
tion zu keinen größeren Ausschreitungen. Am flachen Lande 
aber, wo die Truppe, stark verteilt, nicht stets unter den 
Augen ihrer Kommandanten stand, da war der Druck un- 
erhört und Raub und Plünderung tägliche Erscheinungen. 
Der Feind lagerte teils in der Stadt, am Glacis, am Haupt- 
platz, in der Jacominivorstadt, teils in Eggenberg. Grouchy 
marschierte am 1. Juni mit seiner Division nach Bruck und 
General Broussier richtete, als Kommandant des Blockade- 
korps, an Hackher neuerlich die Aufforderung, sich zu er- 

') Anhang I d. 
- Anhang 1 e. 

3 ) Diese Tatsache wird öfter erwähnt, der Zweck ist nicht recht 
einzusehen. Vielleicht wollte man bei einem eventuellen Einschreiten 
sprachkundige Intervention? 



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Der Grozer Schloßberg 1800. 



307 



geben , ). Dieser übersandte als Antwort die Urkunde der 
mit Grouchy abgeschlossenen Kapitulation, welche Mac- 
donald als dem Höchstkommandierenden wohl übermittelt*), 
seinerseits jedoch, trotz Hackhers Urgenz, vorläufig nicht 
beantwortet wurde. Inzwischen trafen vom Erzherzog Johann, 
durch einen Spion gesendet, günstige Nachrichten ein, welche 
sich leider nur zum kleinsten Teil als richtig erweisen 
sollten 3 ). Der wackere Festungskommandant antwortete mit 
einer Meldung, in der bescheiden, aber doch vernehmlich 
genug die Bitte um Verstärkung durchklingt 4 ). Am 9. Juni 
zog auch Macdonald mit dem größten Teil der Truppen 
gegen Gleisdorf ab und ßroussier blieb mit zirka 2500 Mann 
als Blockadekorps zurück. Alle Spitäler und öffentlichen Ge- 
bäude waren mit verwundeten Österreichern und Franzosen, 
hauptsächlich aus dem Treffen bei St. Michael überfüllt; 
ßroussier, ein ebenso gerechter als edelsinniger Offizier, 
richtete daher an die Frauen der Stadt und an die Geistlich- 
keit das Ersuchen, sich an der Pflege der Verwundeten zu 
beteiligen und das Elend dieser Unglücklichen zu lindern. 
Dieser Aufforderung wurde nicht nur damals, sondern auch 
später mit der größten Aufopferung entsprochen *). In Graz 
ereignete sich mittlerweile ein Fall, der geeignet schien, 
ernste Komplikationen heraufzubeschwören. Gelegentlich der 
Abfertigung eines Parlamentärs wurde Leutnant König von 
der Landwehr von einer französischen Kugel meuchlings 
niedergestreckt. Hack her soll hierauf gedroht haben, alle 
gefangenen französischen Offiziere am Wall hängen zu 

') Beiträge. 1517 c. 

*) Articles de la capitulation, auszugsweise: .,Hackher übergibt 
die Stadt und verpflichtet sich, die Franzosen im Besitz derselben un- 
belästigt zu lassen, sobald diese den Fuß dos S.-hloßberges nicht über- 
schreiten und ihn vom Stadtrayon aus nicht angreifen; also Batteriebau, 
Minenanlagen. Laufgräben verboten." 

») Beitrage, 1507 c: „5. Juni. In Tirol geht es gut, Kroatien hält, 
Saxenburg hält, halten Sie, in einigen Tagen sind Sie. bofreit. 

E. H. Johann." 

*) Meldet am 7. Juni, daß er jeden Tag mit Sturranachrichten 
alarmiert werde, daß Krankheit und Desertion sich mohron und bittet 
schließlich „der ganz ungeübten Trappe zu bedenken". 

*} Mayer. 

20* 



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308 



V e 1 t z 6, 



lassen, falls nicht Genugtuung geleistet würde *). Es ist nicht 
zu ermitteln, in welcher Art diese Angelegenheit schließlich 
beigelegt wurde. 

Inzwischen betneben die Franzosen eifrig die Vorarbeiten 
für das Bombardement und den gewaltsamen Angriff. Der 
Magistrat erhielt den Auftrag, 200 Leitern in der Länge von 
18 und 24 Schuh sowie 800 Paar Steigeisen zu liefern. Die 
Bürger aber ließen sich Zeit, so daß eines schönen Tages 
alle Feuerleitern in Graz mit Gewalt recjuiriert wurden. 
Überdies mußten die Stadtzimmerleute an der Herstellung 
von Leitern arbeiten, welche Arbeit jedoch derart langsam 
von statten ging, daß schließlich die französischen Pioniere 
und Sappeure sich ins Zeug legen mußten. Zugleich begann 
der Batteriebau und das Einführen des Geschützes. Die 
Batterie im Wurmbrandgarten wurde von der Festung aus 
zuerst bemerkt und Hackher verlangte, sich auf die Kapi- 
tulation berufend, die sofortige Einstellung der Arbeit. Die Ver- 
handlungen hierüber zogen sich bis zum 12. Juni hinaus, an 
welchem Tage ein bestimmter Befehl Macdonalds eintraf, 
welcher die Konvention mit Grouchy annullierte und den 
sofortigen Beginn des Bombardements anordnete. So sehr 
man den Vertrauensbruch seitens der Franzosen verurteilen 
muß, ebensowenig darf man darüber staunen, daß Macdonald, 
der übrigens von Napoleon dazu gedrängt wurde, den 
Fehler eines Untergebenen endlich auf irgend eine Art aus 
der Welt zu schatfen suohte. Kapitulationsbedingungen, welche 
jede feindliche, das heißt besser gesagt, gewaltsame Aktion 
gegen den Schioßberg einfach unmöglich machten, durfte 
man niemals eingehen. Andererseits versteht man aber die 
Empörung des wackeren Festungskommandanten, der er 



') Merkwürdig, daß Hackher diesen Vorgang in seinem Journal 
nicht mit einer Silbe streift. Wastl stellt die Sache anders dar als 
K ru m plitscb, auch ist der Zeitpunkt nicht mit Sicherheit festzustellen. 
Daß auch Mayer und Kramm die Sache erwähnen, beweist nichts, 
denu wenigstens ersterer hält sich an Wastl. Dieser schreibt: .,Herr 
Fähnrich König von der Landwehr auf der Festung wurde, als er 
dem Parlamentär die Depesche übergab und zurück in die Festung 
ging, nach Aussage der Belagerten, von einem Franzosen meuch- 
lerisch niedergeschossen." 



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Der «rarer Schloüberg 1S09. 



309 



ebenso würdigen als beredten Ausdruck verlieh *). Der Beginn 
der Beschießung wurde auf den 13. Juni mittags angesetzt 
und sowohl der Festung als auch dem Gubernium bekannt- 
gegeben. Schlag 12 Uhr fiel der erste Schuß aus den feind- 
lichen Batterien, welche folgend postiert waren *) : 

Batterie 1 im Pistorischen Garten : 3 Kanonen, 3 Hau- 
bitzen. 

Batterie 2 im Meerscheinschen Garten: 2 Haubitzen. 
Batterie 3 vor dem Paulustor: 2 Kanonen 3 ). 

■) Beiträge. l.">07 c. Nr. 15. 

„Grazer Festung, am 12. Juni 1809. nachmittags 8V a Uhr. 

An den kaiserlich königlichen Herrn DivisionsgeneralenBroussier, 
Kommandanten des französischen Truppenkorps zu Graz. 

Weder die Gesetze der Rechtschafi'enheit, noch der Kriegsminister 
von Italien, kann Sie, Herr Divisionsgeneral, von der zwischen dem 
General Grouchy und mir getroffenen Konvention lossprechen. Ich, 
als Mann von Ehre, halte Sie dieser Handlung unfähig und wünschte 
von ganzem Herzen, daß Sie davon nie erwähnt hätten. Sollte jedoch 
wider mein ganzes Vermuten, wider alle Gesetze der Ehre diese Kon- 
vention gebrochen werden, so weise ich Sie auf mein gestriges Schreiben 
zurück. Die von Ihnen, Herr Divisionsgeneral, erhaltenen Schilderungen 
über die Lage der k. k. österreichischen Armee, daif ich nicht als 
offiziell annehmen. Meine erhaltenen Befehle, diese Festung mit aller 
Hartnäckigkeit zu verteidigen, sind bestimmt. Trauen Sie dem Mann 
von Ehre und der braven Garnison, die er befehligt, die genaue Er- 
füllung zu Hackher Major, Festuug-kommandant." 

») Siehe Textskizzo 3. 

») Krmmm führt noch eine vierte französische Batterie an — 
ohne Geschütz zu nennen — nämlich im Wurmbrandgarten, den er in 
seiner Skizze an das Südende des Jacominiplatzes, knapp bei in Neutor, 
verlebt. Dies ist gewiß ein Irrtum, der auf eine Xamensverwechslung 
zurückzuführen sein dürfte. Me erschein- und Wurmbrandgarton ist ein 
und dasselbe. Weiters findet sich die vierte Batterio bei keinem der 
zeitgenössischen Schriftsteller, auch nicht bei Hack her. Wastl, 
Blatt vom 11. Juni, schreibt darüber sehr genau. Die Behauptung 
Kramms, die Franzosen hinten im Verlauf der Aktion später mehr 
(Jeschütz in Tätigkeit gebracht, ist nirgends begründet. Wastls Daten 
sind vom 11. Juni. Hackhers Angaben vom 13. Juni datiert; weiter 
schweigt alles über dieses Thema, woraus ziemlich deutlich hervorgeht, 
daß sich eben nichts mehr änderte. Auch spricht dafür der Umstand, 
daß Marmont Geschütz aus Laibach kommen lassen will und sich 
über Mao gel an Schießpulver beklagt, (Mayer, 222, Fußnote). 
Hackher erwähnt in seinem Verteidigungsjournal in Batterie 1 — 
8 Haubitzen, Batterie 2—1 Haubitze, Batterie 3—1 Kanone. Wenn 



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310 



V e lt ■ ö. 



Das Einschießen der feindlichen Artillerie dauerte ziem- 
lich lange und stiftete in der Stadt manchen Schaden durch 
zu kurz oder zu weit gehende Würfe. Aber auch nachdem 
die Elemente gefunden waren, traf nur etwa jeder sechste 
Schuß die Festung, während die österreichische Artillerie 
ihren alten Ruf auch damals glänzend rechtfertigte. 

2 Offiziere und 46 Kanoniere bildeten die Artillerie- 
besatzung der Festung; somit ist es gewiß, daß auch 
Infanterie zur Geschützbedienung herangezogen wurde. Von 
der Arbeitsleistung dieser braven Mannschaft kann man sich 
einen Begriff machen, wenn man bedenkt, daß innerhalb 
24 Stunden das Geschütz je nach Bedarf verschieden placiert 
werden mußte, und zwar öfters drei- bis viermal in wenigen 
Stunden. 

Bei der geringen Zahl der Geschütze des Feindes und 
dem kleinen Kaliber derselben sowie dem Umstand, daß 
Mörser gänzlich fehlten, konnte angesichts der hohen Lage 
der Werke eine wirksame Beschießung allerdings kaum statt- 
finden. Trotzdem litten die Gebäude der Festung einigen 
Schaden und mehrmals haben Granaten gezündet. Der Feind 
behalf sich mit seinem Geschütz so gut es ging. Die 
Haubitzen wurden aus ihren Lafetten genommen und auf 
Schleifen gelegt, um besser elevieren und öfter werfen zu 
können. Die Kanonen richteten ihr Feuer nur gegen die 
unteren Werke *). Überdies waren die an den Berg grenzenden 
Häuser mit Schützen dicht besetzt, welche ein heftiges 
Gewehrfeuer gegen den Wall unterhielten. Einige Granaten 
in diese Häuser hätten den Wespenschwarm gewiß verscheucht; 
doch versteht man den einsichtsvollen Kommandanten, der 
sich ohne äußerste Bedrängnis nicht dazu bewegen ließ, die 
eigenen Bürgerhäuser in Schutt zu legen. Zudem fuhrt ein 
Lokalaugenschein zur Ansicht, daß bei der minderen Präzi- 
sion der damaligen Gewehre mehr Schall und Rauch als 



man bedenkt, daß die Beobachtung vom Schloßberg aus doch nicht ganz 
leicht war, weil die Batterien verdeckt standen, so ergibt sich mehr 
Wahrscheinlichkeit für die Version Wastl. 

') Wastl erzählt von einem desertierten, österreichischen Vor- 
meister. der die Wunnbrand-Batterie bediente und vom ersten Schutf 
aus der Festung getötet wurde. 



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Der Grazer Schloßberg 1809. 



311 



Wirkung dabei gewesen sein dürfte. Binnen IV* Stunden 
war die französische Kanonenbatterie beim Paulustor demon- 
tiert und stellte das Feuer ein. Den anderen zwei Batterien 
konnte man weniger leicht beikommen, weil sie, durch Erd- 
aufwürfe und Bäume verdeckt, den Blicken entzogen waren. 

Tagsvorher hatte der Feind einen Laufgraben eröffnet, 
genau der Straße folgend, vom Burg- bis zum Sacktor : vorwärts 
desselben sah man die Sturmleitern vorbereitet Am 13. um 
Mitternacht erfolgte der erste Sturm auf die Festung, der 
blutig abgewiesen wurde. Unter dem heftigsten Feuer der 
Batterien und dem Gewehrfeuer aus dem Laufgraben und 
den Häusern am Fuße des Berges bemühte sich der tapfere 
Gegner mit erprobtem Elan die steilen Hänge zu erklimmen. 
Doch umsonst war alle Bravour! Einer Lawine gleich stürzten 
Rollbomben, schwere Balken und große mächtige Felsblöcke 
auf die Stürmenden, alles niederschlagend und mit sich 
reißend, während ein heftiges Kleingewehrfeuer ihre Reihen 
dezimierte. Nach etwa IV* Stunden ließen die Franzosen 
vom Angriff ab, welcher ihnen schwere Verluste gekostet 
und die Überzeugung beigebracht hatte, daß der Schloßberg 
selbst für die sieggewohnten Bataillone Napoleons mit 
stürmender Hand nicht so ohne weiteres zu nehmen sei -). Das 
Geschützfeuer der Festung hatte Hackher bald eingestellt, 
weil ja doch keine Wirkung zu erwarten war. Bei den 
folgenden Stürmen wurde es gar nicht eröffnet. Die Besatzung 
hatte nur acht Blessierte. „Die Garnison gewann Zutrauen 
zu dem Platz, Vertrauen zu sich selbst." schreibt Hackher 
mit berechtigtem Stolz 3 ). Das Bombardement wurde am nächsten 
Tage erneuert: zweimal zündeten die feindlichen Granaten in 
den Kasernen, ohne daß jedoch größerer Schaden entstand. 
In der Nacht erfolgten zwei vergebliche Stürme. Am Schöckl 
waren Feuer und Raketen zu sehen, woraus man übrigens 

') Hackhers Journal. 127. — Wastl läßt den Laufgraben 
erst beim Paulustor beginnen. 

*) Die Angaben über die französischen Verluste schwanken. 
Krumplitsch erzählt von Ton Toten, was natürlich übertrieben ist. 
Zwischen 900 und 400 samt Verwundeten dürfte etwa richtig sein, 
obwohl es nicht nachzuweisen ist, weil der Feind seine Toten gleich in 
die Mur warf. 

s ) Hackhers Journal, 127. 



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312 



sehr verfrühte Hoffnungen auf Entsatz schöpfte. Am 15. 
dauerte die Beschießung bis 10 Uhr vormittags; dann erschien 
ein Parlamentär vom Obersten Grambin — Leiter der Aktion 
gegen den Schloßberg — mit einer neuerlichen Aufforderung 
zur Übergabe '). Hackhe r lehnte natürlich ab 2 ) und ersuchte 
seinerseits um die Bewilligung, einen Offizier an den Erzherzog 
Johann senden zu dürfen. General Broussier antwortete 
unter genauer Darlegung der Gründe, er könne dies unmöglich 
gestatten 3 ). Hiefür bedankte sich wieder Major Hackher *). 
Später bittet wieder Broussier, seiner Bagage ungehindert 
den Uferwechsel zu gestatten ''), welchem Ersuchen Hac kher 
mit größtem Entgegenkommen willfahrt 6 ). Moderne Menschen 
lächeln vielleicht über diese etwas weitschweifige, formelle 
Art des Verkehrs mit dem Feinde. Für den Denkenden, 
wes Standes immer, bietet dieser Briefwechsel jedenfalls 
schon aus dem einen Grunde hohes Interesse, weil er zeigt, 
wie sehr die Gegner einander ehrten. 

Am 15. wurde das Bombardement fortgesetzt und in 
der Nacht zweimal gestürmt, in der folgenden Nacht neuerlich 
ein gewaltsamer Angriff unternommen. Am 17. hielt die Be- 
schießung mit äußerster Heftigkeit Tag und Nacht an. 

Am 18. hörte man Gewehrfeuer von Wildon her; auch 
sammelte sich französische Kavallerie auf der ,,Buol" 7 ), 
welche vom Schloßberg beschossen wurde. In der Nacht 
neuerdings ein Sturm auf das Fort. Die Hoffnung auf Entsatz 
schien sich zu verwirklichen, weil der Feind eine rege 
Tätigkeit in der Stadt entwickelte. Am rechten Murufer 



*) Beiträge. 1507, Nr. 17, Korrespondenz. 

Beitrage, 1507, Nr. 18, Korrespondenz. 
'■') Beitrage, 1507, Nr. 19, Korrespondenz. 
*) Beiträge, 1Ö07, Nr. 20, Korrespondenz. 

*) Beitrüge. Nr. 'Jb. ,,Veut il laisser passer les iourgons et fagarde 
du General Broassie r, qui se trouvent sur la rive gauche et empecher 
qu'on ne tire dessus? Le General Broussier lui sera oblige; dans le cas 
coutraire. ils passeront dans un autro moment." 

•) Beiträge. Nr. 27. „Die Bagage des Herrn Divisionsgeneralou 
Broussier kann im vollen Zutrauen passieren, indem ich mir es jeder- 
zeit zum Vergnügen rechnen werde, insolauge es mit meinen Pflichten 
sich vereinbaren läßt, demselben gefällig zu sein." 

*) Das ist knapp unter der Festung, an der Mur. 



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Der Grazer Schloßberg 1H00. 



313 



erbauten die Franzosen eine Batterie, verschalten während 
der Nacht die obere Murbrücke und richteten drei Brücken- 
felder zum Abtragen her. Die Verschalung ließ Hackher bei 
Tag zusammenschießen. Am 19. dauerte das Bombardement 
Tag und Nacht und am 20. bis 1 Uhr mittags an. Um diese 
Stunde schwieg das Geschütz und ein Parlamentär Broussiers 
erschien in der Festung, der ein Körbchen mit Lebens- 
mitteln für den Kommandanten überbrachte, nebst einer 
höchst schmeichelhaften Anerkennung über die Tapferkeit 
der Verteidiger In einem zweiten Schreiben ersuchte 
General Brou ssier um Einstellung des Feuers von 1 bis 
3 Uhr und übersandte ein Exemplar der , .Wiener Zeitung". 
Hack her bedankte sich und bewilligte den Waffenstillstand . 
Hierauf Bombardement bis Mitternacht, um welche Zeit der 
Feind gegen Gösting abzog. Die Verluste der Garnison be- 
trugen vom 13. bis 20. Juni 7 Tote, 14 Verwundete; die 
Franzosen sollen, nach einigen Nachrichten, in acht Stürmen 
über 1000 Mann -) verloren haben, was gewiß viel zu hoch 
gegriffen ist. Vom 17. Juni an war die Besatzung des Schloß- 
berges auf halbe Ration gesetzt, um eventuell bis Ende Juni 
mit den Vorräten auszulangen 3 ). Hiemit endet die erste und 
schwerste Periode der Blockade; was noch folgt, ist eigent- 
lich nur das Ausklingen der Tragödie. - 

Großer Jubel herrschte in der Stadt und Festung, als 
Major Hackher, sofort nach Abzug des Feindes, die Stadt- 
tore besetzen ließ und mit der Retablierung begann. Lebens- 
mittel auf einen Monat, Schießbedarf, so viel man erlangen 
konnte, wurden auf die Festung geschafft, was selbstredend nur 
unter eifrigster Mithilfe der opferwilligen, braven Bürgerschaft 
möglich war. Überdies spendeten die Landstände und zwei 

1 Beitrügt'. 1")07. Nr. 21. „Monsieur le General Broussier 
nie ohargo de vous faire parvenir deux bouteilles de Rosolio, deux 
de Ithum, du cafV- et un pain de suere coinme une preuve de l'ostime 
particuliere qu'il vous porte. 

«Tai l'honneur de vous saluer avec une parfaiie consideration. 

Le Colouel eharge du siege du fort. 
G am hin." 

*) Stärke des französischen Zernierungskorps anfangs etwa 6000 
Mann, später ÜüOO Mann. 

s t Hackhers Journal. 180. 



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314 



Veltzö. 



Private zusammen 1150 Gulden zur Verteilung an die Be- 
satzung; es ist dies um so höher anzuschlagen, wenn man be- 
denkt, welche schier unerschwinglichen Lasten Stadt und Land 
vom siegreichen Feinde schon auferlegt worden waren. Die 
Kranken gab Hackher in die Spitäler ab und ergänzte die 
Lücken durch Rekonvaleszente von dort. An Verbandzeug und 
chirurgischen Instrumenten hatte es bisher gänzlich gemangelt; 
auch mit diesen versah man die Festung. Die feindlichen 
Batterien und den Laufgraben warf man ein, die Sturm- 
leitern wurden zersägt, die Steigeisen auf die Festung gebracht 
Kurz, es geschah innerhalb 26 Stunden alles, um den Platz 
neuerdings verteidigungsfähig zu machen. Beim raschen 
nächtlichen Aufbruch am 20. hatten sich überdies vom Feinde 
sowohl Offiziere als zahlreiche Mannschaft verspätet und 
wurden gefangen 1 ). Diese dürften ausgewechselt worden sein, 
weil sich General Broussier bald danach für deren gute 
Behandlung bedankt. Auch sandte Hackher die Briefschaften 
der Offiziere zurück, welche ihnen abgenommen worden 
waren 2 ). 

Broussier rückte am 21. gegen Wildon, wohl in der 
Absicht, für den herannahenden Marschall Marmont das 
Debouche in das Grazer Feld freizuhalten. Nachdem Gyulai 
von Marburg nicht vorging, andererseits Marmont nicht eintraf, 
zog er sich nach einem Vorpostengefecht wieder gegen Graz 
zurück. Am 22. nachmittags übersetzten französische Abtei- 
lungen unterhalb der Stadt, außer Schußbereich der Festungs- 
kanonen, auf Zillen wieder die Mur und Hackher zog um 
9 Uhr abends die Garnison auf die Festung zurück. Am 2 Uhr 
30 Minuten nachts traf die Division Broussier wieder voll- 
zählig in Graz ein und die Blockade begann vom neuen. 
Am 23., 11 Uhr nachts, erfolgt ein heftiger Sturm auf das 
Fort, mit dem gewöhnlichen Mißerfolg. In dieser Nacht waren die 
Lagerfeuer der Österreicher bei Wildon deutlich sichtbar. 
Am 24., 10 Uhr vormittags, verließ der Feind zum zweiten 
Male die Stadt und bezog ein Lager bei Gösting a ). Das Feuer 

') Mayer. 

■) Beitrage, 15* »7, Nr. 24. 

*) Beitrüge. 1507, Nr. 29.— Bei dieser Gelegenheit sandte General 
Broussier einen gefangenen österreichischen Offizier mit einem 



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Der Grazer Schloßberg 1M09. 



315 



der Festung verfolgte die abziehende Truppe aufs heftigste, 
zugleich ergriff Hack h er wiederum Besitz von der Stadt. 
An GM. Splenyi, der mit seiner Brigade bei Kaisdorf 
stand, richtete er sofort die Meldung, daii der Feind die 
Stadt bereits geräumt habe und bat um Unterstützung, welche 
ihm aber versagt wurde. Bei der nun folgenden Aktion war 
die Rolle der braven Verteidiger des Schloßberges eine vor- 
nehmlich passive, obschon Hackher auch nicht die kleinste 
Gelegenheit sich entgehen ließ, den Feind empfindlich zu 
schädigen. 

Das Treffen bei Graz am 26. Juli 1809. 

Gegen Mitte Juni war die Kriegslage südlich der Donau 
etwa folgende. FML. Gyulai stand mit 22.000 Mann 1 ) bei 
Marburg und Marmont zur selben Zeit in Laibach. 
Chasteler traf am 9. Juni auf die Vorhut Gyulais, marschierte 
aber weiter gegen Warasdin. Somit blieben auf diesem Kriegs- 
schauplatz Gyulai und Marmont als Gegner zurück; ersterer 
— an Streitkräften, wenigstens der Zahl nach — bedeutend 
überlegen, hatte die Aufgabe, das Vordringen Marmonts 
zu verhindern, letzterer hingegen den bestimmten Befehl, 
Gvulai zu schlagen und Graz zu erreichen. Gvulai hatte 
viele Chancen für sich. Offensiv, indem er dem Gegner in 
Laibach zu Leib rückte und ihn zum Schlagen nötigte. Hiezu 
war die Möglichkeit vorhanden, nachdem das Korps etwa 
10.000 Mann Linientruppen zählte, also Marmont an Zahl 
jedenfalls gleich war; die übrigen 12.000 Mann kroatische 
Iusurrektion, weniger manövrier- und marschfähig, konnten 
immerhin als Rückhalt in und bei Marburg verbleiben, denn 
für rasche Operationen war diese Truppe ungeeignet. Hielt 
Marmont stand, so entschied das Schlachtenglück; ein Aus- 
Schreiben an Major Hackher. Er drückt seinen Dank aus für die 
Pflege, welche man den französischen Verwundeten angedeihen ließ, 
in so herzlicher Weise, wie von einem Freund. 

') Zwiedinek, Das Treffen bei Graz. Davon 10.000 Mann Linie. 

Korps Gyulai 22 000 Mann. Hiovon etwa die Hälfte Linieutruppen, 
die Hälfte kroatische Insurrektion und stcirische Landwehr. 

Korps Marmont nach der Vereinigung mit der Division Broussier 
in Graz, zirka QO00 Manu — im ganzen 11.000 Mann, 23 Geschütze. 



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316 



V e l t z 6. 



weichen zwang ihn später, im Rückzug, vielleicht unter schlech- 
ten Verhältnissen zum Kampfe. Ein Rückzug ohne Widerstand 
kam nicht in Frage. Gewiß, um diesen Gedanken in Taten um- 
zusetzen, dazu gehörte der kühne Entschluß eines Feldherrn. 

Defensiv war die Lösung weit einfacher. In Marburg, 
wo das Korps sich schon befand, konnte ohne besondere An- 
strengung selbst einem stark überlegenen südlichen Gegner der 
Flußübergang sehr erschwert werden. Die Flußlinie zu passieren 
war er gezwungen und dieser folgend, sowohl östlich, als 
noch mehr westlich von Marburg, begünstigt das Gelände 
nördlich der Drau die Verteidigung ungemein. Einer Rochade 
des Feindes konnte man, auf der inneren Linie manövrierend, 
leicht zuvorkommen, weil dieser zu namhaften L T mwegen 
unter ungünstigen Verhältnissen gezwungen war. Hieraus 
ergibt sich, daß — gesetzt den Fall, Gyulai blieb im Rücken 
unbehelligt — Marmont die Drau entweder nicht überschreiten 
konnte oder sich die Möglichkeit bot, ihn bei diesem Beginnen 
unter vorteilhaften Umständen anzugreifen und zu schlagen. Für 
den südlichen Gegner war die Aufgabe viel schwieriger und nur 
eine rasche energische Offensive möglich 1 ). Wollte man den 
Stier bei den Hörnern packen, so war der Uferwechsel bei 
Marburg zu forcieren. Ein vorsichtiger Führer, der einen 
tüchtigen Feind sich gegenüber wußte, hätte vielleicht von 
Laibach gegen Marburg demonstriert und mit der Hauptkraft 
den Marsch über Krainburg durchs Vellachtal angetreten, 
was unbedingt beschwerlicher, aber kein besonderer Umweg 
ist, da bei Völkermarkt die Drau übersetzt werden kann. Am 
15. Juni stand die Vorhut des Korps Gyulai, unter GM. Splenyi, 
bei Ehrenhausen, die Brigade Kälnässy in Zelnitz, zur 
Deckung der Marburger Straße, endlich FML. Zach in Cilli. 
Marmont brach am 20. Juni von Laibach auf und marschierte 
über Cilli — Zach war mittlerweile in Marburg angelangt — 
bis Windisch-Feistritz. Gyulai in Marburg anzugreifen erschien 
ihm offenbar ein zu großes Wagnis, deshalb setzte er, west- 
lich ausbiegend, den Marsch gegen Völkermarkt fort, über- 

') Napoleon machto Marmont lüttere Vorwürfe, weil er zu 
wenig rasch vorging und im letzten Moment sich zum Uterwechsel hei 
Völkermarkt entschloß, statt bei Marhurg durchzustoßen. (Burkhardt 
Denkwürdigkeiten des Marschalls Marmont.) 




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Der Orazir Scl.loüberg 1V«9. 317 

schritt dortselbst die Drau und rückte nun weiter durch das 
Lavanttal über die Pack, gegen Graz. Bei Lavamünd ließ er 
ein gegen Marburg vorgeschobenes Detachement zurück, um 
Gyulai eine Offensive dorthin vorzutäuschen l ). Die Kriegs- 
list versagte jedoch insoferne, als dieser schon am 23. Juni 
über Marsch und Absicht des Feindes genau informiert war 2 ). 
Aber nichts war im stände, Gyulai in Bewegung zu setzen; 
untätig verfolgte er die Operationen des Gegners. Endlich 
eine rettende Idee: ,,Er wird den Grazer Schloßberg revita- 
lieren !" Abgesehen von der Ungeheuerlichkeit, als Zweck der 
Operationen eines starken Armeekorps den zeitweiligen 
Entsatz eines immerhin unbedeutenden Forts ins Auge zu 
fassen, war der Zeitpunkt kaum schlechter zu wählen, nach- 
dem Marmont schon so nahe an Graz war, daß seine Ver- 
einigung mit dem Blockadekorps stündlich sich vollziehen 
konnte. Wie wenig dazu gehörte, die französische Besatzung 
zu beunruhigen, erhellt aus der Tatsache, daß Gyulai sich 
in Marburg nur rührte, und Broussier sich schon gezwungen 
sah, die Blockade zu unterbrechen 3 ). Von allen Seiten zog 
sich jetzt das Gewitter über der Landeshauptstadt zusammen. 
Gyulai brach mit seinem ganzen Korps von Marburg auf, 
übersetzte am 25. Juli bei Wildon die Mur und rückte 
über Fernitz nach Hausmannstätten. Die Brigade Splenyi 
stand am 24. vorgeschoben in Kaisdorf, wo sie auch bis zum 
Rückzug, am 27., untätig verblieb. Die Brigade Munkäcsy 
wurde nach Graz vorgeschoben, wo ein Teil noch am 25. 
abends am Rosenberg Vorposten bezog. Beim Feind war die 
Situation folgende: Broussier hatte am 24., 10 Uhr vor- 
mittags, die Stadt geräumt und zog sich über St. Leonhardt, 
durch den Graben, über die Weinzettelbrücke nach Gösting 
und Eggenberg. Dort bezog er ein Lager. Am 25. erhielt er 
von Marmont den gemessenen Befehl, Graz wieder zu 

V Mayer. 213. 

*) Beiträge, 21—25. Relation Gyulais vom 'M. Juni 180J. 

.Auf die bestimmte Nachricht, dali General Marmont, weichet 
bei Völkermarkt die Drave passierte, weder über Klagenf'urt die Chaussee 
nach Bruck genommen, noch sich längs der Drave gegen Marburg 
bewege, .sondern über den Gebirgsweg oder über die Pack nach Graz 
marschiere.* 

a ) 2U. Juni 1809. 



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318 



Veit« 6. 



besetzen, worauf er noch am Abend seine Division folgend 
verwendete: zwei Bataillone (84. Infanterieregiment) mar- 
schierten als Besatzung nach Graz. Eine Kolonne wurde 
zum Angriff auf die Brigade Splenyi nach Kaisdorf detachiert, 
ein dritter Teil endlich hielt das Lager bei Eggenberg besetzt. 
Marmont stand am 25. mit der Division Clausel in Voits- 
berg, während die Division Montrichard weit zurückgeblieben 
war 1 ). Noch in letzter Stunde bot sich Gyulai Gelegenheit, 
alle Fehler gutzumachen und dem Feinde eine empfindliche 
Niederlage zu bereiten. Broussier stand mit zirka 5000 Mann 
gegen eine erdrückende Übermacht und hatte bei einem 
energischen Angriff nur die Wahl zwischen Kapitulation oder 
Rückzug gegen Nordwest, ins weglose Gebirge. Marmont, 
dessen Manöver auch nicht einwandfrei sind, hatte zum 
Schlagen nur eine Division zur Verfügung, weil die zweite 
sieben Stunden weit rückwärts stand. Sonach ergab sich die 
Möglichkeit, am 25. Broussier unschädlich zu machen und 
am 26. Marmont, während des Vormarsches, mit überlegenen 
Kräften anzugreifen, d. h. die Division Clausel zu werfen, 
ehe Montrichard Hilfe bringen konnte. Letzterem blieb 
dann wohl nur der Rückzug offen. Bedauerlicherweise zeigte 
sich Gyulai auch dieser günstigen Lage nicht gewachsen. 
Am 25. Juni abends setzten sich, wie schon früher erwähnt, 
zwei Bataillone des französischen 84. Infanterieregiments 
unter Gambin gegen die Stadt in Bewegung. Ungehindert 
gelangten sie durch den Graben auf den Rosenberg, wo sie 
auf österreichische Vorposten stießen, die etwas zurück- 
gedrängt wurden. In der Nacht dürften sich die Gegner 
ruhig gegenübergestanden sein, bei Tagesanbruch erneuerten 
jedoch die Franzosen den Angriff, warfen die Kroaten Mun- 
käcsys zurück, wobei zirka 300 Mann in Gefangenschaft 
gerieten. Ohne nennenswerten Widerstand zu finden, gingen 
die Franzosen in einem Zuge vor und besetzten St. Leonhardt 
und den Ruckerlberg-'). Die Gefangenen sperrten sie in die 
Leonhardter Kirche, richteten sich in den Häusern zur hart- 

•) Auf der sogenannten Pack; nach Mayr, Wastl, Krura- 
plitsch und Zwiediuek. Hiezu Textskizzo 4. 

; ) Kramm liefert eine sehr präzise Schilderung über den Verlauf 

des Gefechtes, jedoch ohne jede Quellenangabe. 



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Der Gräser Schloüberg 1*09. 



319 



nackigsten Verteidigung ein und warfen die später angreifende 
Brigade Munkacsy bis auf das grolie Glacis von Graz zurück 1 ). 
Am 26. früh hatte sich Broussier mit dem Rest seiner 
Division gegen Süden in Marsch gesetzt, um das Hervor- 
brechen des Korps Marmont aus dem Gebirge zu protegieren. 
Er selbst ritt seiner Truppe voraus und traf in Lieboch mit 
Marmont zusammen, den er bezüglich der getroffenen Maß- 
nahmen in Kenntnis setzte und ihm noch mitteilte, daß in 
der Nacht und in den Morgenstunden Gefechtslärm von Graz 
her vernommen wurde. Der Situationsbericht hatte zur Folge, 
daß Marmont den Befehl erteilte, die Division Broussier 
habe schleunigst umzukehren, nach Graz zu rücken, die zwei 
Bataillone 84er zu degagieren und sich der Weinzettelbrücke 
zu versichern. Demnach ist anzunehmen, Broussier sei etwa 

1 1 Uhr vormittags am Kampfplatz eingetroffen 8 ). Gegen 1 Uhr 
nachmittags stand das Korps Marmont vereint bei Gösting. 
Gyulai hatte nun ebenfalls einen Teil seiner Streitkräfte 
näher herangezogen, und zwar folgend: Die verstärkte Brigade 
Munkacsy im Kampf bei St. Leonhardt und am Ruckerlberg 
(ca. 7 Bataillone). Bei St. Peter die Brigade Kälnässy (5 Ba- 
taillone), bei Hausmannstetten FML. Zach (7 Bataillone und 
kroatische Insurrektion); überdies auf die Truppen verteilt 
7 Eskadronen. Die Brigade Splenyi stand südwärts bei Kais- 
dorf. Korpshauptquartier im Hallerschlössel am Ruckerlberg. 
Seit den frühesten Morgenstunden mühte sich GM. Mun- 
kacsy in erfolglosem Kampfe mit dem Gegner. Da hielt 
FML. Zach den Moment für gekommen und sandte um 

12 Uhr mittags an Broussier einen Parlamentär mit der 
Aufforderung, er solle sich ergeben, weil er eingeschlossen 
sei 3 ). Wie vorauszusehen, lehnte der französische General ab ; 
seine Position war ja vorzüglich. Inzwischen traf im Haupt- 

') Napoleon verlieh dem Regiment einen Adler mit der Inschrift: 
.Einer gegen Zehn." "Wenn dies auch etwas übertrieben ist, so steht, 
doch zweifellos fest, datf die zwei Bataillone bis etwa 11 Uhr vormittags 
der verstärkten Brigade Munkacsy erfolgreich Widerstand leisteten. Die 
Annahme einzelner Historiker. dalJ besagte zwei Bataillone überhaupt 
den ganzen Tag allein gekämpft hätten, erscheint jedoch unhaltbar. 

3 ) Zwiedinek, Das Treffen bei Graz. 

3 ) Wastl, 23. — Ein sicheres Zeichen, datf um diese Zeit di i 
Division Broussier schon eiugetroffen war. 



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A 



820 



V alti «. 



quartier die Nachricht ein, daß sich drei französische Bataillone 
über Weinzettel in Anmarsch befinden und der Überbringer 
dieser Botschaft, der Alumne des Priesterseminars Matthias 
Anzel, machte sich erbötig, eine Kolonne in den Rücken 
des Feindes zu fuhren 1 ). Um 4 Uhr nachmittags war die all- 
gemeine Situation etwa folgend: Marmont konzentrierte seine 
Truppen bei Gösting J ) und hielt die Weinzettelbrücke besetzt. 
Die mit drei Bataillonen Neapolitaner verstärkte Division 
Broussier stand am Rosenberg, in St. Leonhardt am Ruckerl- 
berg 3 ), mit der Artillerie am Ziegelstadl und drei Geschützen 
am Schanzl; Munkäcsy verteilt diesen Gruppen gegenüber, 
Kälnässy bei St. Peter. Die Truppen Zachs waren vielleicht 
als Korpsreserve gedacht, traten aber nicht wieder ins Gefecht. 
Auf Seite der Österreicher wurde nun ein Hauptangritf 
beschlossen l ), nachdem sich langsam die Einsicht Bahn 
gebrochen, daß in der Front allein kein Erfolg zu erringen 
sei. Munkäcsy sollte in seiner Stellung verbleiben, Käl- 
nässy hatte den Befehl über die Höhen, Ruckerl- und 
Rosenberg, vorzurücken, während die Umgehungskolonne 5 ), 

') Zwiedinek schildert diesen Vorgang folgend: Pfarrer Knabl 
beobachtete vom Dachboden des Priesterhauses das Hervorbrechen 
dreier neapolitanischen Bataillone aus dem Schlaehouwald bei Straß- 
gang, ca. 11 Uhr 30 vormittags. Marmont schickte selbe als Unter- 
stützung für Broussier voraus und schreibt in seinen Memoiren: .Diese 
warfen alles vor sich nieder", was aber durchaus nicht stimmt. .In 
richtiger Erkenntnis der Wichtigkeit dieser Beobachtung, beredete er 
den Alumnen An zel , der schon unter Melas in Italien als Feuerwerker 
gedient hatte, die Meldung na h Sparbersbach zu überbringen und sich 
als Kolonnenführer anzutragen. General Knesevich bestimmte dann 
eine entsprechende Abteilung u. s. f.* 

*) Beiträge, 1507. — 1 ;12 Uhr wurde die Vereinigung Marmonts 
mit Broussier vom Schloßberg aus beobachtet. Das soll wohl richtiger 
heißen, mit der geringen Besatzung, welche das Lager Broussiers 
bewachte. 

») Hinzu Textskizze 4. 

4 ) Beitrage. Relation Gvulais. „Um dem Gefecht gegen Abend ein 
Ende zumachen, macht General Kälnässy den Angriff: von den Höhen 
von St. Peter, wo er aufgestellt ist. über Hallerschlüsse], St. Leonhardt, 
gegen Rosenberg, zugleich soll er die Weinzierlbrücke durch eine 
Demonstration bedrohen." 

•) Kramra gibt die Stärke der Umgehungskolonne mit 8' t Ba- 
taillonen an. Er läßt übrigens auch die Brigade Kälnässy zweimal angreifen. 




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Der Grazer Schloßberg 18«9. 



321 



unter Führung Anzels, hinter dem Lustbühel, im Ragnitztal, 
über die Ries, Fuchs und Ladenwirt, in das Stiftingtal, in 
der Richtung „Schwarzer Hund W. H.", dem Feinde in den 
Rücken zu kommen hatte. Dieser konzentrische, energisch 
durchgeführte Angriff gelang vollkommen und entschied 
endgültig zu Gunsten der Österreicher, besonders deshalb, 
weil die Umgehungskolonne, die merkwürdigerweise in den 
Relationen nicht erwähnt wird, die französische Batterie 
am Schanzl'i, drei Geschütze, eroberte, welche sehr gut 
bedient, am meisten Schaden getan hatte. Auch die fran- 
zösische Artillerie beim Ziegelstadl 2 ) wurde vom Deyerkaufschen 
Garten aus unter Feuer genommen und zum Schweigen 
gebracht. Gegen 9 Uhr abends waren die Frauzosen im vollen 
Rückzug über Maria-Grün, Rosenberg gegen die Weinzettel- 
brücke begriffen, bei welcher Gelegenheit auch die 300 ge- 
fangenen Kroaten, unter Major Münich, befreit wurden. Der 
Verlust der Österreicher betrug 161 Mann tot, 444 verwundet, 
gefangen und vermißt 361 Mann. Erbeutet wurden 3 Kanonen, 
gefangen 460 Franzosen. Trotz dieses unzweifelhaften Erfolges 
zog Gyulai in der Nacht in aller Stille ab und am 27. früh 
sahen die erstaunten Grazer nicht einen Mann kaiserlicher 
Truppen innerhalb der Stadt. Das Korps gelangte weiter über 
Hausmannstetten in die Gegend von St. Georgen, Waldek 
und Gnas. Eine kleine Abteilung blieb am rechten Murufer 

') An diesen Geschützen scheiterten lange alle Angriffe. Sie waren 
aber auch günstig postiert. Knapp an der St. Leonhardter Kirche, nur 
durch die Straße getrennt, erhebt sich das „Schauzl", ein etwa 5 m 
hohes Rideau mit vorzüglichem Ausschuß gegen die Enge zwischen 
Ruckerlberg und den Höhen, welche das Stiftingtal vom Hilmteich 
trennen. In kurzer Zeit wird man nichts mehr davon sehen, weil man 
schon beginnt, den Platz zu verbauen. An dem Platz steht jetzt das 
neue allgemeine Krankenhaus. Bleibt als Wahrzeichen nur mehr das 
„Schanzl Wirtshaus". 

■) Wastl, 24. - „Am stärksten war das Feuer am Ziegelstadl. 
Mehrere Kartätsehenscbüsse, die unsere Kanoniers vom Deyerkaufschen 
Garten aus sehr glücklich anbrachten, machten ein völliges Ende.'' 
Wieviel österreichische Geschütze im Feuer standen, ist nicht zu 
entnehmen. Wastl ist der einzige, der überhaupt Artillerie, wenigstens 
der Wirkung nach, erwähnt. Über die Verteidigung von St. Leon- 
hardt bemerkt er ,.l>ie schlauen Franzosen zogen sich in die Häuser 
und feuerten mörderisch aut" unsere Soldaten. " 

Mitteilungen des k. und k. KriegsarchivB. Dritte Folge. V. IM. 21 



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322 



v ■ 1 1 ■ 



zwischen Ehrenhausen und Wildon. Hiemit hatte die Tätigkeit 
Gyulais vorläufig ihr Ende erreicht und er blieb auch weiter 
unbelästigt, weil Napoleon seine Kräfte zum Hauptschlag 
gegen Erzherzog Karl konzentrierte und den Abmarsch 
aller verfügbaren Truppen über den Semmering nach Wien 
anordnete. 

Betrachtet man nur oberflächlich die eben geschilderten 
Gefechtsbilder, so fällt vor allem der Mangel einer ziel- 
bewußten Leitung auf. Das Hauptquartier befand sich wohl 
in Sparbersbach, das ist aber auch alles. In einem Gelände, 
welches Umgehungen, Umfassungen etc. derart begünstigt 
und bei einer so starken Überlegenheit an Streitkräften, 
mußte erst von nicht beteiligter Seite der Anstoß zu einer 
Aktion gegeben werden, welche tatsächlich die Entscheidung 
herbeiführte und gewiß ebensogut acht Stunden früher hätte 
ins Werk gesetzt werden können; auch wären dann die 
österreichischen Verluste entsprechend geringer gewesen. 
Weshalb Marmont um 7*12 Uhr bei Gösting stehen blieb, 
statt bei der Weinzottelbrücke den Fluß zu übersetzen und 
Gyulai anzugreifen, bleibt unaufgeklärt. Ebensowenig ist 
aber zu billigen, daß Gyulai am nächsten Tage nicht einmal 
den Versuch machte, sich dem Feinde zu stellen. Daß 
Marmont etwas Ahnliches erwartet hatte, geht daraus hervor, 
daß der Feind erst sehr vorsichtig eklairierte und als das 
Unglaubliche zum Ereignis ward, erst gegen 5 Uhr nach- 
mittags lam 27. Juni) in Graz einzog. Das Treffen am 26. 
war dadurch zu einem Schlag ins Wasser geworden. Richtig 
angepackt, hätte vielleicht das Korps Marmont bei Wagram 
gefehlt. Der patriotische Sinn der Grazer Bürgerschaft, 
erwies sich bei dieser Gelegenheit von neuem. Unermüdlich 
war jung und alt, vornehm und gering in Ausübung des 
Samariterdienstes und gleichermaßen erfreuten sich Freund 
und Feind der aufopferndsten Pflege *). 

l ) Beiträge, Nr. S4: — ,.I)ie höchste Anerkennung findet überall 
die ganz außerordentliche Opferwilligkeit der Bürger von Graz, beiderlei 
Geschlechts, welche, vornehm und gering, geistlich und weltlich, wett- 
eiferten in Werken der Barmherzigkeit." „Endlich, durchgedrungen von 
dem humanen Betragen und patriotischen Gesinnungen der biederen 
Griktzer Bewohner, erfülle ich eine der ersten Pflichten meines Herzens, 



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Der Oraier Schloäberg 1809. 



323 



Ereignisse bis zum Abschlnß des Waffenstillstandes 

von Znaim. 

Der Anteil an den vorher behandelten Aktionen war 
seitens der Festung naturgemäß sehr gering, obschon es 
Major Hack her keineswegs an Initiative mangelte. Was 
vom Feind in den Bereich der Festungskanonen geriet, 
wurde stets energisch, oft auch wirksam unter Feuer ge- 
nommen. Am 27. mittags zog Hackher seine Truppe auf 
den Schloßberg zurück und gegen 5 Uhr erfolgte der 
Einmarsch der Franzosen. Der Anteil Gyulais an der 
„Revitalierung" des Schloßberges beschränkte sich darauf, 
daß er die Auszahlung einer fünftätigen Gratislöhnung an- 
ordnete Den Rest besorgte Major Hackher persönlich. — 
Die Blockade der Festung begann von neuem. Die Truppen, 
welche am 28. zur Verfolgung Gyulais auszogen, wurden 
vom Schloßberg so kräftig unter Feuer genommen, daß deren 
Bagage und die Munitionskolonne erst in der Nacht nach- 
geführt werden konnten. Am 29. versuchte der Feind vom 
Keller des Palais Saurau *) eine Mine vorzutreiben, jedoch 
ohne Erfolg. Dies bildet zugleich den Schluß der Kriegs- 
ereignisse für den Schloßberg, denn am 2. Juli marschierten 
die Franzosen nach Wien ab. Hackher besetzte neuerdings 
die Stadt, nahm 78 Mann, die sich verspätet hatten, gefangen 
und begann sogleich mit den Herstellungsarbeiten in der 
Festung. Den Umstand, daß Tausende von neugierigen 
Grazern die zerschossenen Wälle bewundern wollten, nützte 
er aus, um z. B. den Munitionsersatz rasch und billig durch- 
zuführen. Die Geschosse wurden nämlich am Fuße der 
Festung aufgestapelt und nur derjenige erhielt Eintritt in 



indem ich diesem guten, großmütigen Volk, nicht nur Gerechtigkeit 
widerfahren lasse, sondern deren Andenken, welches in den Annalen 
der Regimentsgoschichte und in dem Herzen eines jeden Mannes ewig 
unerloschen bloibt.' 1 „Die Szene war zu rührend und die Treue und An- 
hänglichkeit dieser Bewohner vermag keine Feder zu schildern. 
Glücklich ist der Monarch, der sich überzeugt fühlen kann, ähnliche 
Untertanen zu beherrschen, denn ihre Liebe zu demselben ist grenzenlos 
und der öffentliche Dank krönt ihr Werk." 
') Beiträge, 161. 

*) Liegt knapp am Fuße des Schloßberges beim Paulustor. 

21* 



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324 



V e 1 1 i i. 



das Fort, der einige Kugeln je nach Kräften hinaufschleppte l ). 
Ausgebessort wurde nur das unbedingt Nötige, indem Hackher 
sehr richtig bemerkt, daß bei einer neuen Belagerung ohnedies 
alles wieder ruiniert werde Es sollte nicht dazu kommen ! 

Die Verfolgung der Österreicher wurde von Marmont 
ziemlich lässig betrieben, was ihm bittere Vorwürfe von 
seinem kaiserlichen Kriegsherrn eintrug. Infolgedessen hatte 
Gyulai besonders nach dem Abzug der Franzosen von 
Graz wieder Oberwasser, was er richtigerweise benützte, um 
sich bei Leoben dem General Rusca in den Weg zu 
stellen ; leider aber mit dem gewohnten Mißerfolg. Das 
Kriegsglück hatte sich von Österreichs Fahnen gewendet und 
auf die unglückliche Schlacht von Wagram folgte am 
12. Juli der Waffenstillstand von Znaim. — Gyulais Korps 
hatte sich indessen durch versprengte Abteilungen, ranzio- 
nierte Mannschaften etc. auf zirka 40.000 Mann verstärkt, 
von denen ein Teil in Leoben stand, weiter die Brigade 
Splenyi in Bruck, Brigade Gavassini und Wrede in Frohn- 
leiten, Brigade Kälnassy und Munkäcsy in Peggau. Nach 
Abschluß des Waffenstillstandes überfluteten die französischen 
Kolonnen das Land und am 18. Juli stieß die Vorhut des 
Q enerals V a n d a m m e auf G y u 1 a i s Vorposten bei Mürzzuschlag. 
Letzterer erklärto vom Waffenstillstand nichts zu wissen, aber 
Vandamme drohte mit sofortiger Eröffnung der Feindselig- 
keiten und so räumte Gyulai das Feld. Der Rückzug ging 
über Graz, das am 19. und 20. passiert wurde, nach Ungarn. 

Neuerdings zogen die Franzosen in Graz ein und 
General Vandamme forderte am 21. Juli die sofortige 
Übergabe der Festung. Beigelegt war seinem Schreiben ein 
Brief des GM. von Rothkirch, wodurch Major Ilackher 
verständigt wurde, daß zufolge Artikel 3 und 9 des 
Waffenstillstandes die Zitadelle von Graz am 16. Juli an die 
französischen Truppen zu übergeben sei ;t ). Der wackere 
Kommandant versicherte, nur auf Befehl des Erzherzogs 
Johann den Platz zu übergeben, worüber General Macdo- 
nald, der am selben Tage eintraf, nicht wenig ungehalten 

>) Krurnpli t.sch, Notiz vom 2. Juli. 

*) Beitrüge, 1507. 

») Beiträge, Nr 1517 d. 



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Der Grazer Schloßherg 1H09. 



325 



war. Umsonst! nur der Besitz der Stadt wurde zugestanden, 
den Fuß des Schloßberges aber durfte keiner überschreiten. 
Am 22. traf von Seiten des Erzherzogs Johann der Befehl zur 
Ubergabe ein, und nun vollzog sich die Räumung des Forts 
nach damaligem Kriegsbrauch. Geschütze mitzunehmen ge- 
stattete General Macdonald unter keiner Bedingung, indem 
er sich auf strenge Weisungen seines Kaisers berief l ). Nur 
Lebensmittel konnten fortgebracht werden nach Möglichkeit; 
Geschütz, Munition etc. blieben zurück Am 22. Juli abends 
besetzten die Franzosen, gemeinsam mit der Garnison, das 
Festungstor und am 23., 1 Uhr mittags, räumte die kleine 
Schar den Platz, welchen sie so tapfer über zwei Monate 
gehalten. Mit allen Kriegsehren, mit Ober- und Untergewehr 
und voller Taschenmunition erfolgte der Abzug; an der 
Spitze der heldenmütige Festungskommandant mit seinen 
Offizieren. Ein Bataillon Württemberger (!) mit Musik, bildet© 
Spalier und ein französischer Stabsoffizier mit zwei Haupt- 
leuten geleiteten die brave Truppe bis zur Linie. Scharen- 
weise und tränenden Auges folgte fast die ganze Grazer 
Einwohnerschaft der abziehenden Garnison und die unzähligen 
Beweise der Verehrung und Sympathie waren deutliche 
Zeichen der allgemeinen Wertschätzung und Anerkennung. 
Über Wildon ging der Marsch nach Ungarn, zur Armee des 
Erzherzogs Johann. Verschiedene beunruhigende Gerüchte 
hatten leider massenhafte Desertionen zur Folge, so daß 
Hack her fast immer biwakieren ließ, um die Truppe besser 
im Auge zu haben 3 i. Ende des Monats rückte die Garnison 



■) Beitrage, 156, Nr. 4, 5 und 6. Hackher wollte wenigstens 
die Dreipfiinder als Bataillonsgeschütz mitnehmen, weil der Rat Erzherzog 
Johanns, Geschütze auf der Mur per Schill' abzuschieben, zu der Zeit 
nicht mehr ausführbar war. Macdonald wies jedoch auf die Be- 
stimmungen des Vertrages hin und blieb weiter unzugänglich. Kaiser 
Franz hat vorerwähnte Unterlassung später in einem Handschreiben 
getadelt. Beiträge, 169, Nr. 1524» 

') Beiträge, 1"»7, Nr. 9. Siehe Anhang lila. 

J ) Beiträge, lfiO, Nr. 11. Standesausweis beim Abzug von Graz 
- 10i>:> Mann; 471, Nr. 12. Standesausweia beim Einrücken in Csaka- 
thurn — 593 Manu. Hackher meint hiezu, es seien dies meist Leute, 
die aus der Desertion und nachherigen Itanzionierung ein Geschäft 
machen und der Staat verliere nicht viel an ihnen. (Beiträge. 153.) 



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326 VeltB*. 

des Schloßberges in Csakathurn ein und hiemit schließt ein 
kleiner, aber um so rühmlicherer Abschnitt der Kriegstateu 
von 1809. Das höchste Lob spendet Major Hack her in 
seinem Journal der wackeren Truppe, welche eine lang- 
wierige Beschießung — der Feind warf über 1200 Granaten 
in die Festung — mutig aushielt, acht Hauptstürme ruhmvoll 
abwies und einem tapferen und kriegsgewohnten Feinde 
gegenüber sich um so braver und herzhafter benommen, als 
ihre Ausbildung zu wünschen übrig ließ *). Insbesondere 
empfiehlt er der Gnade des Erzherzogs Johann folgende 
Offiziere: Hauptmann Baron Czerny vom Ingenieurkorps, 
Kapitänleutnant Kandelbinder von der Artillerie; vom 
Infanterieregiment de Vaux den Platzoffizier Oberleutnant 
Schlichtung, vom Infanterieregiment Lusignan den Ober- 
leutnant Schottelius. Die Offiziere hatten sich in erster 
Linie ausgezeichnet und ganz besonders hervorgetan Mit 
kaiserlichem Handschreiben d. d. Komorn, 31. Juli 1809, 
wurde dem Major Hackher das Kleinkreuz des Militär- 
Maria Theresien-Ordens verliehen. Zugleich erhielten alle 
Offiziere eine zweimonatliche Gratisgage und die Mannschaft 
eine 1 «tätige Uratislöhuung. Außerdem waren sechs Soldaten 
vom Feldwebel abwärts für die silberne Tapferkeitsmedaille 
in Vorschlag zu bringen 3 ). 

* * 

Anfangs schien es mehr als zweifelhaft, ob der Waffen- 
stillstand auch zum Frieden führen werde. Die Franzosen 
besserten die Festungswerke aus und brachten sogar Ver- 
stärkungen an, führten Geschütz hinauf, Munition und 
Lebensmittel die schwere Menge. Bei Gösting, Eggenberg, 
in der Schönau und bei St. Leonhardt wurden Schanzen 
gebaut, kurz, der Feind bereitete sich auf einen längeren 
Widerstand vor. Anfangs September jedoch hörten die 

1 Man kann liier mit Recht sagen: Der brave Manu spricht von 
sich seihst zuletzt. Hätte nicht der Feuergeist des Kommandanten 
seine Ottiziere und dio Truppe belebt, so hätte der Sehloliberg wohl 
sicher das Schicksal von Laibach geteilt. 

-I Beitrüge. L32. 

a ) Beiträge. 17U, Nr. Vtil. 



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Der Grazer SihloUberjr Wi«. 



327 



Maßnahmen auf und es wurde mit der Desarmierung der 
Feste begonnen. Übrigens richtete sich der Feind trotz 
alledem auf längere Zeit ein, wofür der Barackenbau in 
Eggenberg den Beweis liefert 1 ). Napoleon hatte die 
Schleifung der Werke des Schloßberges angeordnet und mit 
der Zerstörung aller ärarischen Baulichkeiten machte man 
den Anfang. Gitter, Dachstühle, Türen wurden um Schleuder- 
preise angeboten und verkauft. Die Schonung des Uhr- und 
Glockenturmes erkaufte die Bürgerschaft um 2840 Gulden 
und bei letzterem war überdies der Umstand ausschlaggebend, 
daß die Franzosen außer stände waren, die schwere Glocke 
auszuheben. Uber die Sprengung der Werke, welche Arbeit 
der französische Geniekapitän Marion leitete, liegen aus- 
führliche Berichte vor-;. Die Vorarbeiten geschahen schon 
im Oktober und am 15. November fiel der große Festungs- 
brunnen als erstes Opfer; jedoch stürzte nur etwa die obere 
Hälfte ein und der Schaden konnte leicht gutgemacht werden. 
Von diesem Zeitpunkt an folgten die Sprengungen Tag für 
Tag, und zwar zuerst auf der Nordostseite und dann die 
Objekte am Plateau. Hiebei war es unvermeidlich, daß jene 
Stadtteile, welche dem Schloßberg zunächst lagen, sowohl 
durch Sprengpartikel als auch durch herabrollende Gestein- 
und Schuttmassen arg gefährdet erschienen und beträcht- 
lichen Schaden erlitten. Insbesondere betraf dies die Pack- 
straße, Sperr- und Hofgasse, schließlich die Häuser beim 
Paulustor. Kapitän Marion machte nun den Verschlag, die 
Bürgerschaft möge selbst jene Teile der Werke abtragen 
lassen, deren Sprengung für die Stadt gefährlich sei; nach 
einigem Zögern stimmte man zu, um größerem Unheil vor- 
zubeugen. 

Hatte der Krieg schon viel Ungemach im Gefolge, so 
war der Waffenstillstand geradezu unerträglich. Das wohl- 

l ) Mayer. 231. .,9 £0 Wohn- und 00 Pferdebaraekon. Dieselben 
wurden Ende November vom Marschall Macdonald der Bürgerschaft 
um 20.000 Gulden verkauft, welche sie wieder lizitando veräußerte. Sie 
waren übrigens äußerst komfortabel eingerichtet, mit Hanken, Pritschen, 
Öfen; angestrichen mit Ölfarbe und alle Wege mit Steinen ge- 
pflastert, so daß die dortigen Grundbesitzer Mühe hatten, dio Felder 
wieder in brauchbaren Zustand zu setzen". 

-) Beitrage. L98, Nr. lG<ir> und 206, Nr. 1C74. 




328 



V e 1 t I ö. 



geordnete Raubsystem der französischen Verwaltung bestand 
die Probe glänzend und preßte Stadt und Land aus wie 
eine Zitrone. Geld, Pferde, Holz, Wein, sonstige Lebensmittel, 
selbst niet- und nagelfeste Gegenstände, alles war zu ge- 
brauchen und wurde fruktifiziert. Daß am flachen Lande 
auch das Privateigentum keineswegs geschont wurde, ist 
selbstverständlich. Es genügt zu bemerken, daß Steiermark 
an den Bettelstab gebracht und Jahrzehnte nötig waren, die 
"Wunden zu schließen, welche der Krieg geschlagen. ■ In- 
wieweit die Teuerung fortgeschritten war, mag aus der im 
Anhang wiedergegebenen Tabelle ersehen werden 1 ). Auf 
dem Schloß berg erinnert heute fast nichts mehr an die 
Heldenkämpfe vergangener Tage. Einige Rinnen, vom Grün 
des herrlichen Naturparkes dicht überwuchert, bilden 
malerisch Staffage und schon fällt der Vergessenheit anheim, 
was sie einst bedeutet. Weder Tafel noch Inschrift gibt 
Zeugnis vom Major Hack her und seiner tapferen Schar, 
welche hier in unentwegter Treue und Standhaftigkeit aus- 
gehalten. Es wäre eine Pflicht der Dankbarkeit und Pietät, 
dieser Männer zu gedenken. Am Plateau, von welchem aus 
der brave Hackher so oft heißen Gruß dem Feind entgegen- 
sandte, dort, wo noch die letzten Überreste der Kasematten, 
mit grünem Efeu übersponnen, von ihrer großen Ver- 
gangenheit träumen, dort wird sich wohl der Platz finden 
für ein einfaches Denkmal, das Kunde gibt von den rühm- 
lichen Kämpfen im Jahre 1809 und vom Ende der , Berg- 
feste Schloßberg zu Gräz". 

') Anhang II. (Krumplitsch, Originaltagebuch.] 




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I'). 

a) Monsieur le commandant! 

La Situation de Graz, ne permettant pas, que cette ville se 
defende, je vous somme de la remettro aux troupes de Sa Majeste 
l'Empereur et floi, ainsi que le fort de Schloüberg. Un refus de Votre 
part m'obligeroit a user des moyens, quo j'ai entre les mains, et dont Tun 
des premiers seroit de couvrir d'obus une cite interessante, dont 
rentiere destruction seroit lo triste resultait d'une resistance plus 
nuisible, qu'avantageuse auxinterets de S. M. l'Empereur Votre Maitre. 

Quant au fort, le sort de ceux de Malborghet, Predil, Laibacli et 
Prewald permet de Vous dire, qu'il seroit celui qui Vous attendoit. 

Je suis avec la plus parfaite consideratiou, monsieur le Comman- 
dant, Votre tres humble serviteur. 

Le General commandant l'armöe devant Graz 

Em. (•»<'• de Groucby. 

Au camp sous Gratz le 30 Mai 1801». 

b) Mein Herr General und Kommandant 

des Armeekorps zu Graz! 

leb bestätige den richtigen Empfang Ihrer Aufforderung. Was die 
Stadt selbst anbelangt, will ich zur Schonung derselben sie Urnen 
morgen früh um 5 Uhr, als am '.ü. Mai, mit der Verbindlichkeit über- 
geben, daß zur Schonung derselben von Ihrer Seite nichts gegen das 
Fort unternommen werde, wo, wenn auch icb Sie im ruhigen Besitze 
derselben so langt« lassen werde, bis die k. k. österreichischen Truppen 
zum Entsatz berbeieileu. 

Was das Fort anbelangt, habe ich die bestimmten Befehle, es 
mit aller Hartnäckigkeit zu verteidigen, welche ich pünktlich erfüllen werde. 

Ich verbleibe mit all ersinnlicher Hochacbtung. des Herrn Generalen 
und Kommandanten ganz ergebener Diener 

H a c k h e r 

Major und Kommandant. 



'} K. A.. F. A. WQ, Operationsjournal Nr. 53; Italien, V; Zwiodinek. Zur 
Geschichte des Kriotfes von 1*509 in Steiermark, tira« lsfti. 



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332 



V e 1 t z 6. 



c) Monsieur le commandant! 

Le sort de Graz est attache a la reduition du Schloßberg. La 
ville sera brulee, si vou9 ne la remettez en mes mains. Veuillez, je 
vous prie, me faire une prompte reponse. 

Le feu coiumencera a 3 heures cette apres-uiidi, si eile n'est pas 
arrivee alors. 

Vous demeurerez responsable envers l'humanite, et Votre Sou- 
verain de la ruine coraplete de l'une de ses capitales. 
J'ai l'honneur des Vous saluer 

Le Oenural commandant Tun du corps d'arm6e 
Graz le 31 Mai, ä 1 heure apres-midi. Em. de Grouchv. 

d) Mein Herr General! 

Meine Pflichten erlauben mir in keinem Falle, den Schloßberg zu 
übergeben, aber um die Welt zu überzeugen, daß die Verantwortlichkeit 
dos Unglücks, welches Sie der Stadt androhen, nie mich treffen kann, 
bin ich bereit, heute um 3'/i Uhr nachmittags die Stadt Graz zu 
räumen und trage Ihnen in dieser Rücksicht noch einmal den ruhigen 
Besitz derselben und die freie, ungehinderte Bestellung der Brücken 
an. mit der Bodingnis, daß auch Sie mich von Seite der Stadt auf keine 
Weise beunruhigen. Dadurch würden Sie mein Herr General beweisen, 
daß auch Ihnen das Wohl der interessanten Stadt Graz und ihrer 
guten Bürger am Herzen liegt. 

Ich erbitte mir die Versicherung, daß die Landesverfassung, 
Polizeianstalten, Schutz und Sicherheit des Eigentums, alle Wohltätig- 
keitsanstalteu, worunter ich Ihnen Herr General vorzüglich das Militär- 
spital und Erziehungshaus anempfehle, in der ungehinderten Ausübung 
ihrer Verwaltung verbleibe, sowie ich auch über den Vertrag zwischen 
Stadt und Schloüberg das entscheidende Kesultat ersuche. 

Mit der nochmaligen Versicherung, daß ich den Schloßberg unter 
jedem Verhältnis, meinen bestimmten Befehlen gemäß, verteidigen 
werde, habe ich die Ehre zu sein 

Hackher 

Schloßberg Graz, am HO. Mai 1809. Major und Kommandant. 

e) Monsieur le Commandant! 

J'accepte la remise de la ville et des ponts a trois heures et 
demie. J'adhüre egalement ä Votre proposition qu'il ne soit commis 
aucune hostilitö Mir le fort du cote de la ville et reciproquement. 

Tous les etablissements publics scront maintenus et rien ne sera 
« hange a Tadministration ni a la forme du gouvemement, les personnes 
et les propriett'-s seront respectees. 

J'ai l'honneur de Vous saluer. 

Le General c*e. de Grouchv. 

Graz le 30 Mai n 3 h. V i. 



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Der Grazer Scbloüberg lb09. 



333 



IV). 



Tabelle über die Preise der Lebensmittel in Graz vor Aas- 
brach des Krieges 1809 und nach dem Abmarsch der Fran- 
zosen zu Besinn des Jahres 1810. 







1809 


1810 








fl. 


kr. 


fl. 


kr. 








1 


4 




24 










6 




24 










17 


2 


30 










24 


6 








Eine Henne 




6 


2 










G 




36 








< 


8 


1 


30 








* 


12 


1 i 


36 






- Butter 




10 


1 


36 










48 


4 


30 








i 


32 


3 


30 










18 


2 












48 


4 


40 










2 




10 








5 




4<» 














34 










3 














3 




14 










V, 




4 








i 


12 


2 


30 










80 


12 












24 


10 


30 










10 

36 


48 








4 


1 






8 




28 


i 



') Au«: Krumplitsch, Origiualtn^ebuch etc. Handschrift, Lamlosarohiv 
zu firm, Nr. 4127. 



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334 



V e 1 1 ■ *. 





__ ____ ______ ______ _______ - , 


1800 


1810 




fl. 


kr. 


1 


kr. 






1 

2 




' 24 












2 




12 






i iKü *•_ 




8 




48 






i.*;., !>(,..] __1_ 




SV« 




7 






"\t_r> 117«.'« 




12 


1 


20 






TJ ■ _ 




4 




10 






[ * t\ . > , I 3 I_" r_ *•»»/_. i 




10 


1 








Vi _» i 




12 




57 








1 


36 


8 








_ _ « __ _«_>___» ^ 1 * 1 1 A 1 ■ 


6 




25 












* _■_ 

48 


3 












36 


2 


30 








1 


12 


4 








. Atlas 






6 










3 




12 










4 


• 


_:» 










1 


12 


6 







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Der Orazer Schloßberg 



335 



lila 1 ). 
Inventarium 

über sämtliches kaiserlich königliche, auf dem Grazer 
Kastell an die Franzosen ttbergebene Artilleriegut. 

Als: 

4 Stück der 1*2 pfundigen Kanonen 
6 . . 0 

4 - - d 

4 a ? 1 f i 

An Munition : 

310 Stück der 12pfündigen Kugeln 

64 , , 12 . mit 3 lötigen Kartätschen 

137 , 12 , . , 12 , 

25 • » 12 . , 32 . 

971 , . 6 , 

119 . , 6 „ n s 3 v a 

135 , » 6 , , „ 6 „ 

967 » 3 „ „ 

407 , _ 3 . Kartätschen 

313 „ 7 . Haubitzgranaten 

507 7 . Rollgranaten 

100 „ „ 10 „ 

2 a r 8 7 pfundigen Haubitz^ulverpatronon 

49 „ . 16 7 „ 

47 . . 24 7 . 
43 . 32 7 , 

235 . 40 7 

4 „ . 7 pfundigen licht kugeln 

20 u 7 „ „ Ingredienzen et Materiale 

1670 , geschlagene Brandl 

100 „ Lichtl 

4 . Rollen Lunten 



o 
I 

5» 
* 

Cf 

1 

O 

e 

o 
P 



Zwioilinok, 107. 



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33f, 



Veltio. 



40 
24540 
8612 
10072 
52!»8 
10048 
1901 
976 
979 
45 
29 
27 
59 



An Eisenmunition: 

Zentner Eisenschrot 
Stück der 3 pfundigen Kugeln 

6 . 
1-2 . 
ls . 
24 . 

7 a Granaten 
10 p 

fregäleru Bomben 
3 Pfund mit 3 

6 . 3 \ lötigem Schrot gefüllte Kar- 

tätschenbüchsen 



- 

- 



12 
7 



3 
6 



An infanteriemunition: 
53760 Stück der l 1 Nötigen scharfen Infanteriepatrouen 



6600 






1920 




französische Infanteriepatronen 


15000 


Stück 


der IV* lötigen Bleikugeln 


128 


- 


kompl. Infanteriefeuergewehre 


6 


M 


Windbüchsen 


34 


r 


Doppelhaken 


70 


■ 


Alter Alt Bajonetts 


58 




Neuer Art Bajonetts 


5 Zentner Platteublei 


79 




verschiedener Gattung Pulver 


36 


Stück 


lederne Patrontoruister 


18 


* 


Brandkapseln 


4 


* 


Lederbeutel mit 8 Pfund Mehlpulver 


72 


H 


Zeuggurten mit Haken 


T'J 




Leindl mit Kinge 


18 


» 


Protznägel 


18 




Rammweiehnägel 


36 


* 


Lohnnägel 


18 


» 


Durchschlägt' 


18 


n 


Hammer 


18 


R 


Ausladzeug 


4 


f» 


Haubitzärtnel 


2000 


n 


der 1 lötigen für Jägerstutzen J 


1240 


- 


für Doppelhakeu \ lötiges 


8600 


- 


„ Windbüchsen | 


■Jnuu 


» 


Stutzenfeaersteine 


8000 


p 


Musketenfeuersteine 


6 


* 


Kugelmodel 


6 


■ 


Bleigußlöffel 




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IVr Graxer Sehl o Übe rg ISO?. 



337 



6 Stück Abzwickzangen 

Bindfaden 6 Pfund 
Zwirn 2 Pfund 

6 Ellen Kugelpflaster-Barchent 
12 Stuck lederne Polster zu den Doppelhaken 

1 . der 3 pfundigen Pulvermu^terbretter 
1.-6. 
1 - - 12 
76 . der ; Nötigen Patronzylinder 
1 . der 3gespaltenen Zylinder 
1 . . 6 
1 - - 12 
1.-7. 
3 . Packstöckel 
1 . Bleihacke 

1 großer hölzener Schlägel 
3 kleine hölzerne Schlägel 

18 Bücher Patronenpapier 
31 Signalraketen 
72 Pfund Schmeer 

2 Stück der 3 Pfund-Kanonen ] 

7 . . 6 , 

3 . . 12 „ 

4 . 7 Haubitze) 

1 . vordere Vorratsräder 
3 . hintere 

2 - Hornlatten 

'.4 Haut Jucbtenleder 
206 Stück Pulververschläge 

14 , Verschlage für Infanterie-Feuergewehr 

64 „ Zwillichsäcke zu Pulver 
111 „ der 2 Zentner- Pul Verfasser. 

Ob spezifiziertes Arth Gut ist auf dem (Irazer Kastell von dem 
Arth Hauptmann Kandlbinder am 23. Juli 1SU9 richtig übernommen 
worden. 

Corame 



Vorrätiges Ladzeug 



Hubmayer m. p. 
Kommissär. 

Dem Original gleichlautend. 



Tacquier m. p. 



Hackher m. p. 
Mnjor im Geniokoriis. 



Mitteilungen des k. und k. Krio(?sarchiv8. Dritte Folge. V. Bd. 22 



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338 



V e 1t z d. 



III b l ). 



K. k. A ppro visionierungsmagazin. 

Vorratsnusweis. 

Mit 22. Mai 1S09. 



Zu Festung Graz. 



50 Zentner Kleie 
8000 Portionen Brot 
320 Zentner 16 Pfund Zwieback 
234 volle Fässer 
106 „ Säcke 

15 Stück Ochsen 

1 Zentner 62 Pfund Rind- 
schmalz 
21 Zentner geräuchertes 
Schweinefleisch 
5 Zentner 92 Pfund Speck 

1 , 96 . Schweine- 
schmalz 

54 Zentner 50 Pfund Kochmehl 

2 , Einbrennmehl 

10 „ 50 Pfund Salz 

2 , 40 Zwiebel 
20 Metzen Graupen 

."» , Linsen 
25 B Fisolen 
29 Eimer Kraut 
61 Pfund Knofel 

11 , Pfeffer 

16 Zentner Reis 
1 . Kren 



Wein 



50 Eimer guten 
60 . minderei 
49 . Branntwein 
22 V a Eimer Essig 
14 Zentner Rauchtabak 
4 , 38' 2 Pfund Schnupf- 
tabak 

6 Pfund Kronawetter 

1 Zentner 20 Pfund dürres Obst 
25 Pfund Zucker 
60 , Kümmel 
60 - Ingwer 

4 Zentner 50 Pfund Seife 
470 Stück Eier 

(i Metzen Gerste 
65 7* Klafter hartes Holz 

1 Zentner 20 Pfund Inslicht- 

lichter 
150 Zentner Heu 
183 Zentner 35 Pfund Lagerstroh 
20 Stück Hühner 

2 Metzen Hühnerfutter 
75 Stück Limoni 

25 „ Pomeranzen 

3 Zentner Brennöl 

3 ,i 'si Pfund Lampendocht. 



Sig. Festung Graz, am 22. Mai 1809. 

Hackher 
Major im Geniekorjis. 



Daler. 

Müi»i«rveriifk'£9ttdjun kt. 



l ) K. A„ ¥. A. 1»/J, Italien. V. 232. 



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Die Mission des Obersten Steigentesch 
nach Königsberg im Jahre 1809. 

Von 

Major Ludwig Eberle. 



. 22* 



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Die ersten Erfolge der Österreicher in Tirol im Jahre 
1809 hatten im Norden Deutschlands, insbesondere in Preußen 
eine mächtig auflohende Begeisterung entfacht, von weicher 
eine Anzahl patriotisch warmfühlender Männer zu Taten 
hingerissen und fast die gesamte militärische Umgebung 
König Friedrich Wilhelms III. ergriffen wurde. Die 
alsbald einlangenden Hiobsposten über die Schlag auf Schlag 
einander jagenden Mißerfolge der österreichischen Führung 
gegen Napoleon vermochten die einmal geweckte Kampfes- 
freudigkeit, den Drang, das verhaßte Joch der französischen 
Vorherrschaft abzuschütteln, nicht merklioh abzuschwächen. 

Nur der verantwortliche preußische Minister Graf Goltz 
erlag sichtlich dem übermächtigen Eindruck der sich häufen- 



Benützte Quellen: Akten des Kriegsarchivs und des Haus-, Hof- 
au, i Staatsarchivs. — Arneth Alfred Ritter von, Jobann Freiherr von 
Wessenberg. Ein österreichischer Staatsmann des neunzehnten Jahr- 
hunderts. 1898. ~ Bailleu Paul, zur Geschichte des Jahres 1809. 
^Historische Zeitschrift begründet von Heinrich von Sybel, 84. Band. 
Neue Folge 48. Band. 1900.) — Beer Adolf, Zehn Jahre österreichischer 
Politik. 1877. — Correspondance inedito ofticielle et confidentielle 
de Napoleon Bonaparte. 1820. — Duncker Max, Abhandlungen aus 
der neueren Geschichte. 1887. — Gaedo Dr. Udo, Preußens Stellung 
zur Kriegsfrage im Jahre 1809. Ein Beitrag zur Geschichte der preußi- 
schen Politik. 1897. — Lebensbilder aus dem Befreiungskriege. (Hor- 
mavr.) 18-U. — Onipteda F. v., Politischer Nachlaß des hannoverschen 
Staats- und Kabinettsministers Ludwig von Ompteda. 1869. — Stern 
Alfred, Abbandlungen und Aktenstücke zur Geschichte der preußischen 
Reformzeit 1885. — Varnhagen von Ense K. A., Tagebücher von 
Friedrich von Gentz. 1801. — Wertheimer Eduard, Geschichte Öster- 
reichs und Ungarns im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Von 
Preßburg bis Schönbrunn. 1S90. — Wurzbach Dr. Konstant, v., 
Biographisches Lexikon. 1879. 



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342 Eberle. 

den Hiobsposten und die schließlich erfolgte Einnahme von 
Wien durch die Franzosen verwandelte den begeisterten 
Schwärmer für die preußisch-österreichische Verbrüderung in 
einen behutsamen Zauderer, der nun ganz zur zuwartenden 
Haltung seines königlichen Herrn abschwenkte. 

Friedrich Wilhelm, bedrückt durch die quälende 
Sorge hinsichtlich der endgültigen Stellungnahme Rußlands, 
zitterte vor der Rache Napeleons, banger Befürchtungen 
voll, daß es trotz aller gegenteiligen Versicherungen zu 
einem vorzeitigen Separatfrieden zwischen Österreich und 
Frankreich kommen könne, der Preußen mit den nach der 
Ansicht des Königs unzulänglichen Streitmitteln gänzlich der 
Willkür des Franzosenkaisers überließ. So zögerte er mit dem 
offenen Bekenntnis, der Sache Österreichs beizutreten, ehe 
die Ereignisse eine für letzteres entschieden günstige W'endung 
genommen hätten. 

Selbst die Nachricht von der Schlacht bei Aspern ver- 
mochte die Bedenken der beiden Männer, von denen das 
Schicksal Preußens in diesem Augenblick abhing, nicht zu 
besiegen; noch weniger waren die Ereignisse der folgenden 
Wochen für Preußen besonders verlockend, sich offen zu er- 
klären. Der überraschende Stillstand nach dem glückver- 
heißenden Waffengang, die abermals fortschreitende Ver- 
schlechterung der militärischen Lage der kaiserlichen Armee 
ließen Zweifel über den schließlichen Erfolg der öster- 
reichischen Waffen gerechtfertigt erscheinen. Diese Zweifel im 
Verein mit den bedrohlich lautenden Berichten über an- 
gebliche Bewegungen der französischen Reservearmee am 
Rhein bewogen Preußen, sich abwartend zu verhalten. Trat 
vielleicht wider Vermuten doch eine günstige Wendung des 
Kriegsglückes ein, so blieb noch immer Zeit, im geeigneten 
Augenblick seine Bund^sgenossenschaft gegen angemessene 
Entschädigung anzubieten. 

Daß Stadion diese Auffassung nicht teilen konnte, ist 
wohl leicht beoreiflich ; denn wenn es den Österreichern 

O 7 

allein gelang — wie Friedrich Wilhelm am 18. Juni 
forderte — dem Imperator einen zweiten glücklichen und 
entscheidenden Schlag beizubringen, dann war dessen Prestige 
unwiederbringlich dahin und die ..Kooperation'' der preußischen 



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Di© Mission Steigentesch lbOt». 



Truppen eine Frage, deren Entwicklung von Seiten Öster- 
reichs immerhin mit einiger Gelassenheit abgewartet werden 
konnte. 

Sich jetzt in langatmige Verhandlungen über die mög- 
liche Aufteilung von Gebieten, die noch von französischen 
Truppen besetzt waren, einzulassen, in dem Augenblick, wo 
Napoleon mit allem, was er heranzubringen vermochte, im 
Herzen Österreichs stand und die „Kooperation" Preußens 
nur auf dem Papier erhebliche Ziffern aufwies, war Stadion 
füglich nicht zuzumuten. 

Inzwischen war am 29. Mai der Prinz von Oranien 
aus Königsberg am österreichischen Hoflager in Wölkersdorf 
eingetroffen und gab hier im Namen des Königs derart ent- 
schiedene Versicherungen, daß Stadion von einem völligen 
Umschwung in den Absichten Friedrich Wilhelms über- 
zeugt sein mußte. Er konnte ihn unschwer auf den Erfolg 
von Aspern, durch welchen Österreichs Widerstandskraft 
glänzend erwiesen schien, vielleicht auch auf beruhigende 
Nachrichten aus Rußland zurückführen; indessen stammte der 
Entschluß des Königs bereits vom 15. oder 16. Mai 1 ). 

Daß der Prinz von Oranien die Grenzen seiner Instruk- 
tion überschritten habe, konnte Stadion nicht annehmen; 
es ist auch nach allem nicht wahrscheinlich -). 

Da die Verhandlungen zwischen dem Grafen Goltz und 
dem österreichischem Vertreter am Berliner Hofe, Freiherrn 
von Wessenberg, sich mühselig fortschleppten und durch 
das Hineinwerfen der Frage über die künftige Gestaltung 
Deutschlands ins Unabsehbare zu geraten drohten, mußte 
Stadion mit Rücksicht auf die von Oranien überbrachten 
Zusicherungen des Königs lediglich in dem Grafen Goltz den 
Urheber aller Verwicklungen und Verzögerungen erblicken 3 !. 

Graf Stadion, dessen unablässige Bestrebungen der 
Fortführung des Krieges galten, der bei dem keineswegs 
glückliehen Fortgang der kriegerischen Handlung die immer 

1 Tagebücher von Friedrich von Gentz, 131. 

*) Vergl. Angaben Fagels bei Gentz, 131 und Bailleu, Zur 
Geschichte des Jahres ISOO. (Hist. Zeitsehr. von Sybel. N. F. 43. Bd.» 
S. 45S. 

3 j Vergl. Gaede, Preußens .Stellung zur Kriegslage 1809, 109. 



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344 



E b e r 1 e. 



in Aussicht gestellte und doch nie gewährte Mitwirkung 
Preußens als hochwillkommenen und notwendigen Macht- 
zuwachs herbeiwünschte — den er auf Grund der gegebenen 
Versprechungen allerdings überschätzte — glaubte an die für 
seine Politik günstige Wendung und wollte die sich bietende 
Chance ausnützen, ehe sie ihm durch die zaghafte, wider- 
strebende Haltung des preußischen Ministers wieder entglitt. 

Stadion wollte und mußte eine Entscheidung herbei- 
führen, sie mochte wie immer ausfallen, und er löste den 
Knoten gewaltsam. Ihm galt es, die augenblicklich scheinbar 
güustige Stimmung des Königs von Preußen auszunützen und 
er beschloß, über den Kopf des Ministers G oltz hinweg dem 
König die offene, unwiderrufliche Erklärung abzuringen. 

Als Mittel zur Erreichung dieses Zieles wählte er die 
offizielle Absendung eines höheren Offiziers direkt nach 
Königsberg, der gewissermaßen auf Grundlage des bereits 
geschlossenen Bündnisses nur mehr über die militärisch- 
operativen Details verhandeln sollte. 

Das in diesem Sinne an den Generalissimus Erzherzog 
Karl gerichtete Schreiben 1 ) lautet: 

„Gnädiger Herr! 

„Es ist meine Pflicht Eurer Kaiserlichen Hoheit über 
„das Ergebnis der Unterredungen zu berichten, welche ich 
„mit dem Prinzen von Oranien gehabt habe, und welche 
<; die Absichten des Königs von Preußen klar genug er- 
nennen lassen, sowie den Gebrauch, den wir davon 
„inachen können, wenn wir sie rasch benützen. 

„Der Prinz von Oranien wurde bei seiner Ankunft 
„in Königsberg vom König sehr gut empfangen. Seine 
„Majestät der König von Preußen hat ihm erklärt, daß er 
„verloren sei, wenn er seine Interessen nicht mit jenen 
„Österreichs verbinde ; es bleibe ihm kein anderer Ent- 
schluß. Es ist bemerkenswert, daß ein Brief, welchen der 
„König aus St. Petersburg gleichzeitig mit der Nachricht 
„vom Abbruch der diplomatischen Verbindungen zwischen 
„dem russischen Hofe und unserem erhielt, ihn keineswegs 

») K. A., Militärfeldakten a lso9. V. joy (Französisch.) 



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Die Mission Steigentesch 1S09. 



345 



., weniger fest in diesem Entschluß machte, sondern im 
„Gegenteil ihn darin bestärkte; er schien ihm sogar ein 
„wenig mehr Mut zu geben." 

„Als Beweis, daß die Entschließung des Königs auf- 
richtig und entschieden ist, werden folgende Tatsachen 
„angeführt: Die preußischen Truppen sind in diesem Augen- 
blick um ungefähr 8000 Mann vermehrt, eine Tatsache, 
„die von mehreren Seiten gemeldet wird und die auch 
„Frankreich bekannt ist; an die Truppenkommandanten 
„sei der Befehl ergangen alles vorzubereiten, um die 
„Truppenkörper binnen einigen Wochen (die Befehle selbst 
„sollen 3 Wochen antragen) derart zu versammeln, daß 
„sie sich sechs Tage nach Erhalt des Avisos in Marsch 
„setzen können ; endlich stelle Preußen die monatliche 
„Zahlung (payement) an Frankreich ein, um die Summe, 
„welche es zu diesem Zwecke im Lande einhebt, auf die 
„Ergänzung und Ausrüstung seiner Truppen zu verwenden. 

„Indessen kündigt der König an, daß er noch mehrere 
„Wochen benötige, um bereit zu sein ; er hat zum Prinzen 
„von Oranien von fünf bis sechs Wochen gesprochen. Sein 
„Minister, der Graf Goltz, der im allgemeinen sehr vor- 
sichtig in seinem gegenwärtigen Handeln ist (qui est tres- 
„cautieux dans sa marche actuelle), stellt die Frist auf 
„einige Monate. Eure Kaiserliche Hoheit werden aus den 
„beiliegenden Berichten des Freiherrn von W Ossenberg 
„ersehen, daß dieser Staatsminister die offiziellen Er- 
öffnungen über diesen Gegenstand, die er unserem 
„Gesandten in Berlin zu machen beauftragt war, unter 
„verschiedenen Vorwänden noch zurückgehalten hat. Der 
„Prinz von Oranien glaubt den Grund hiefür in den 
„Gerüchten, die man zur Zeit seiner Ankunft in dieser 
„Stadt | Berlin) über die vorgeschlagenen oder sogar ange- 
fangenen Verhandlungen zwischen Österreich und Frank- 
reich nach der Übergabe von Wien verbroitet hatte, zu 
„finden. 

„Indem sich der König von Preußen entschließt, am 
„Kriege teilzunehmen, fordert er: 

„1. Wahrung des Geheimnisses seiner Annäherung an 
.,uns, bevor er sich nicht erklärt habe. 



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346 



Kberle. 



„2. Als wesentliche Bedingung, die Versicherung, daß 
„Osterreich mit Frankreich nicht Frieden schließe in dem 
„Augenblick, wo Preußen bereit sei, zu marschieren. Weiter 
„benötige er Geld, Gewehre und Pulver. Ich habe nichts- 
..destoweniger dem Prinzen zu verstehen gegeben, daß der 
„Wiener Hof außer stände sei, dem König eines dieser 
„Bedürfnisse zu liefern und es scheint, daß man die 
„beiden letzten aus England zu erhalten hofft, was 
„so ziemlich mit den Andeutungen übereinstimmt, die 
„mir Herr von Wallmoden in dieser Hinsicht gegeben 
„hat. Endlich ist der König entschlossen, die Führung aller 
„Operationen seiner Truppen Eurer Kaiserlichen Hoheit 
„zu übertragen und sie unter deren Kommando zu ver- 
einigen. 

„Es scheint mir, Gnädiger Herr, daß der preußische 
,.Hof sich in der Tat ireellement) uns so stark genähert 
„hat, daß wir nicht allein nicht mehr an seinem Willen 
„zweifeln können, sondern daß es nur mehr von uns ab- 
„hängt, ihn zu nötigen < forcer) in Tätigkeit zu treten, 
„indem wir den Eröffnungen, mit welchen der Prinz von 
„Oranien beauftragt war, unverzüglich Folge leisten und 
„daß wir uns gegen den Hof von Königsberg in einer Art 
„betragen, welche ihn kompromittierend, ihm keine Mög- 
lichkeit läßt, Ausflüchte zu gebrauchen oder seine Maß- 
nahmen zu verzügern.'' (et en nous conduisant envers la 
„cour de Königsberg d une maniere qui, en la compro- 
„mettant ne lui laisse plus la possibilite de tergiverser 
„ou de retarder ses inesures.) Der Herr Graf Bub na wird 
..Eurer Kaiserlichen Hoheit meine Ansichten in dieser Be- 
ziehung mitgeteilt haben. Es scheint mir wichtig, 

„1. daß der Prinz von Oranien, welcher von Seiner 
„Majestät dem König von Preußen zum direkten Vermittler 
..zwischen ihm und unseren Armeen ausersehen ist, bei uns 
„empfangen und in einer genügend auffallenden Weise 
„(d'une maniere assez vovante) angestellt werde, daß, ohne 
„daß wir eine direkte Indiskretion begehen, unsere Armee 
„und in der Folge auch die feindliche zweifellos die Gründe 
„erkennt, aus welchen er sich in der Nähe Eurer Kaiser- 
lichen Hoheit befindet; 



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Dia Mission Steigontosou 1*09. 



347 



„2. daß wir unverzüglich einen Offizier höheren Ranges 
„und entsprechend instruiert nach Königsberg senden, um 
„die Absichten des Königs in Gang zu bringen (activer 
„les intentions du roi) und deren Ausführung nach der uns 
„angemessensten Richtung zu drängen. Diese Sendung ist 
„um so mehr begründet, als der König in dieser Hinsicht 
„unsere Erklärungen erwartet und es nur von uns abhängt 
„anzunehmen, dies sei der einzige Grund, der die Bewegung 
„seiner Truppen noch zurückhalte. 

„Man wird den König nicht leicht überreden können, 
„das Herzogtum AVarschau zu besetzen; und wie sich die 
„Umstände entwickelt haben, würde es nach meiner An- 
sicht keineswegs der nützlichste Punkt sein, wo die 
„preußischen Truppen verwendet werden könnten. Eure 
„Kaiserliche Hoheit werden vielleicht am ratsamsten finden, 
„ihm für einen Teil die Richtung gegen das Kurfürstentum 
„Sachsen und vielleicht für die schlesischen Truppen jene 
„gegen die alten preußischen Provinzen in Franken vorzu- 
schlagen, wo sie im Zusammenhang mit unseren militäri- 
„schen Operationen handeln könnten. 

„Ich bin mit tiefstem Respekt 

Eurer Kaiserlichen Hoheit 
Sehr ergebener und gehorsamer Diener 
Stadion. 

„Wolkersdorf, 30. Mai 1809." 

Wenn der in vorstehendem Schreiben bekundeten Ab- 
sicht, die preußische Politik zu zwingen, endlich Farbe zu 
bekennen, die Berechtigung nicht versagt werden kann, so 
war doch die vorgeschlagene Forin einigermaßen befremdend ; 
sie beweist aber auch, wie leidenschaftlich Stadion der Kriegs- 
idee nachhing 1 , so daß er den eigentümlichen Charakter 
des Königs in seinem Kalkül ganz außer acht ließ. Selbst 
unter der Voraussetzung, daß Friedrich Wilhelm nun 
wirklich rückhaltlos entschlossen war, ollen als Bundes- 
genosse aufzutreten, hätte Stadion sich sagen müssen, daß 



') Vergl. Kriege unter der Regierung <1<'* Kaisers Franz. Krieg 
1800, I, 01-60. 



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348 



Eberl«. 



der mißtrauische, jedem Affront abholde König einem auf ihn 
ausgeübten Zwang sogleich Widerstand leisten werde; und 
in der Tat: er beantwortete die unbequeme Herausforderung 
mit einer kühlen Ablehnung. 

Der Note Stadions vom 30. Mai folgte am 31. ein 
Allerhöchstes Handschreiben an den Generalissimus, worin 
ihm die Aggregierung des Prinzen von Oranien als Feld- 
marschalleutnant und dessen Adjutanten Fagel als Major in 
der k. k. Armee angezeigt und der Erzherzog beauftragt 
wurde, das Weitere zu veranlassen 1 ). 

Erzherzog Karl antwortete 2 ), daß die Verlautbarung 
unverweilt erfolgen werde. „Ich glaube die Absicht E. M. 
, »recht zu verstehen, wenn ich ihn [Oranien] immer in 
„meiner Nähe behalte und ihm daher seinen Aufenthalt in 
„meinem Hauptquartier oder nicht fern davon anweiseD 
„lasse." 

Überdies erhielt der Generalissimus ein eigenhändiges 
Schreiben des Prinzen in welchem dieser eine vorläufige 
Orientierung über die Stärke (50.000 Mann, „sobald das erste 
Armement beendet sein wird'j und Dislokation der preußischen 
Armee entwarf und eine genaue Auskunft nach dem Ein- 
treffen des Majors von Valentini, „den er stündlich er- 
wartet", in Aussicht stellte. 

Auf Grund aller dieser Nachrichten mußte Erzherzog 
Karl den Vorschlag Stadions als eine am allerhöchsten 
Hoflager bereits unabänderlich vollzogene, vom Kaiser 
gutgeheißene Tatsache betrachten ; ob er selbst sie gebilligt, 
steht dahin. Ihm galt schließlich die Mitwirkung Preußens, 
wenn sie nur wirklich eintraf. 

>) K. A., Militärfeldakten b 181)9, Nr. 76. 

«) Markgraf-Neusiedl, 31. Mai. (K. A., Militiirfeldakten a 1800. VI, 17.) 

3 ) Wolkersdorf. 1. Juni. (K. A., F. A. 1805), Hauptarraee, VI, 12.) 
Die vom preußischen Major und Quartiermeisterleutnant von Valentini 
zusammengestellte Ordre de bataille und Dislokation des preußischen 
Heeres wurde dem Erzherzog mit einem Schreiben des Prinzen von 
Oranien vom 5. Juni wahrscheinlich am 0. Juni übermittelt. Die 
Starke der preußischen Truppen betrug danach 43.18(5 Mann, u. zw. 
44 Bataillone a 600 Mann, 72 Eskadronen ä 125 Pferde, 4 Garnisons- 
bataillone ä 600 Mann und 46 Kompagnien Artillerie a 116 Mann. (K. A., 
F. A. 1S00, Hauptarmee. VI, 104. ad 104.. 



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Ino Mission Steigentesch 18 9. 



349 



Dementsprechend sandte er am 3. Juni an Stadion 
seine ..Ideen über die Art der Mitwirkung der preußischen 
Armee zum allgemeinen Operationsplan" mit dem Wunsche, 
„daß die preußischen Truppen sich recht bald nach diesen 
Richtungen in Bewegung setzen möchten". 

Der Entwurf 1 ) erörterte drei Möglichkeiten: 1. Ver- 
stärkung der österreichischen Hauptarmee in Österreich, um 
den Operationen mehr Nachdruck, bei Mißerfolgen einen 
Rückhalt zu geben. 2. Durch eine Vorrückung nach Sachsen 
die Abberufung der sächsischen Truppen vom Napoleonischen 
Heere zu erzwingen und sich der Hilfsmittel des Landes zu 
bemächtigen, dann aber ohne Rücksicht auf den eventuellen 
Beitritt des sächsischen Hofes zur österreichisch-preußischen 
Allianz, unverzüglicher Vormarsch gegen Frankfurt, um die 
Kommunikation der französischen Hauptarmee zu bedrohen 
und durch eigene Detachierungen gegen Kassel die günstige 
Stimmung in Westfalen und Hessen zu benützen. Der Kur- 
fürst von Hessen und der Herzog von Braun sch weig-Oels 
hätten sich in Sachsen an die preußische Armee anzuschließen. 
3. Durch Verstärkung des Erzherzogs Ferdinand diesen in 
stand zu setzen, den Feldzug in Polen rasch zu beenden und 
mit seinen Truppen der Hauptarmee zu Hilfe zu eilen. 

Für den ersten Fall wären die in Oberschlesien liegen- 
den 12.000 Mann in Eilmärschen durch Mähren zur Haupt- 
armee heranzuführen. 

Für den zweiten Fall sollte der bei und in Berlin ver- 
sammelte Teil der niederschlesischen und märkischen Trup- 
pen, dann General Blücher mit den pommerischen Truppen 
verwendet werden, an welche sich auch Major Schill mit 
seinem Detaehement anschließen konnte. 

Zur Ausführung des dritten Falles hätten sich die in 
Ost- und Westpreußen verteilten Truppen schnell zu ver- 
sammeln und zur Armee des Erzherzogs Ferdinand 
zu stoßen. 

Mit Belagerungen wäre sich gar nicht abzugeben, jedoch 
zu trachten, die noch von französischen oder alliierten Truppen 

V) K. A.. F. A. 1801). Hauptarmee. VI, 72, ad 11. Der Entwurf ist 
datiert aus Ober-Siebenbrunu. 3. Juni und vom GM. und Chef dos 
Crenerabtabes W i in p t t »• n meiert igt. 



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350 



E b e r 1 e. 



besetzten Festungen durch Überfall oder „Verräterei'' zu 
nehmen und, falls dies nicht gelänge, bei der weiteren Vor- 
rückung nur ein fliegendes Detachement zur Beobachtung 
und Bedrohung bald der einen, bald der anderen dieser 
Festungen zurückzulassen, um die Verbindung der Garnisonen 
oder deren Vereinigung zu verhindern. 

Das Detail der Ausführung der verschiedenen Operationen 
müßte den einzelnen Kommandanten überlassen werden; die 
selbständig im Reiche operierendo Armee wäre mit Kücksicht 
auf den allgemeinen Operationsplan auch an den Generalissi- 
mus zu weisen, indem der glückliche Erfolg unumgänglich 
eine Achse erfordert, um die sich in übereinstimmender Rich- 
tung alle Operationen drehen". 

Sobald Napoleon zum Rückzug genötigt und die 
polnische Insurrektion niedergeworfen sei, könnte die ge- 
samte preußische Armee eine selbständige Gruppe bilden; 
beide Armeen hätten jedoch im Einverständnis zu operieren, 
hiezu sich wechselweise einige höhere Offiziere zuzuteilen und 
durch eine förmliche Übereinkunft sich zu verpflichten, nicht 
einseitig Frieden zu schließen. Die erste Bedingung sei jedoch 
die schnellste Versammlung und Vorrückung der preußischen 
Truppen in den angegebenen Richtungen. 

Der Entwurf schließt: ..Die übrigen Gegenstände 
„greifen in das Feld der Diplomatie, wobei man nur 
„bemerken zu müssen glaubt, daß zur Vermeidung alles 
„Mißtrauens und der Eifersucht einer so lange in feindlichen 
„Verhältnissen mit Österreich gestandenen und durch eine 
„falsche Politik influierten Macht über die Vorteile, welche 
„man bei glücklichen Fortschritten unserer Waffen ihr zu- 
sichert, den liberalsten Gesinnungen zu folgen wäre." 
Weiter übersandte der Generalissimus dem Grafen 
Stadion den Entwurf') für eine Konvention mit dem 
Herzogtum Warschau, welche nach der mit „allen disponiblen 
Kräften" anzustrebenden Gefangennahme des Donibrowski sehen 
Korps mit der Warschauer Regierung abzuschließen sei. In 
dieser Konvention sollte dem Herzogtum die Nationalexistens 



») Markgraf-Krasiedl, 1. Juni K A., MilitärfeUlakten a 1809. 

VI, 4.) 



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Die Mi>si»n Steiffenteach 1*«. 



351 



zugesichert werden, desgleichen die Zivilvervvaltung „unbeirrt 
in ihren Verrichtungen bleiben", bis der Kontinentalfrieden 
oder ein besonderer Frieden mit dem König von Sachsen das 
Schicksal des Herzogtums endgültig bestimmen würden. 

Dagegen müßten alle militärischen Maßnahmen im 
Herzogtum unterbleiben, Waffen und Munition ausgeliefert 
werden und alle Offiziere sich ehrenwörtlich verpflichten, 
weder gegen Österreich noch gegen irgend eine mit Frank- 
reich im Kriege befindliche Macht zu dienen. 

Dieser zweite Entwurf verlegt ferner den Schwerpunkt 
der preußischen Hilfeleistung in das Köuigreich Sachsen, um 
dessen Herrscher von Frankreich abzuziehen und einer Allianz 
mit Österreich-Preußen geneigt zu machen. 

Schließlich teilte Erzherzog Karl dem Grafen Stadion 
mit, daß er für die vorgeschlagene Mission nach Königsberg 
den Obersten Freiherrn von Steigentesch ausersehen 
habe, den er mit den beiden Entwürfen und dem Antwort- 
sohreiben an ihn abschickte. 

Stadion beantwortete die Mitteilungen des Generalis- 
simus sogleich mit folgendem Schreiben 1 1 : 

..Indem ich Eurer Kaiserlichen Hoheit die Mitteilungen 
„der auf die Absendung des Baron Steigentesch nach 
„Königsberg Bezug habenden Ausarbeitungen gehorsamst 
„verdanke, erlaube ich mir, in Gemäßheit des mir darüber 
„gegebenen gnädigen Fingerzeiges, denselben folgende 
„Bemerkungen zuzusetzen. 

„Es liegt uns sehr daran, die von dem Prinzen von 
„Oranien geäußerten guten Gesinnungen des preußischen 
„Hofes auf das schnellste und auf das zuträglichste für den 
„Fortgang unserer Kriegsoperationen zu akti visieren. Zu 
„diesem Ende muß mit der Sendung nach Königsberg um 
„so weniger Zeit verloren werden, als die nämlichen Propo- 
rtionen, die der Prinz von Oranien bieher gebracht 
„hat, auch zugleich dem Grafen Goltz in Berlin als der 
„Gegenstand einer förmlichen Negoziation aufgetragen 
„worden sind, und dieser Minister die Absicht blicken 
„läßt, die ihm anvertraute Unterhandlung durch diploma- 



') Wolkersdorf, 4. Juni. K. A., Militiirfoldakien a 180». VI, 4.) 



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352 



Eberle. 



„tische Formen und durch Einstreuungen mancher sekou- 
„dären und für den Augenblick noch entfernten Gegen- 
stände in die Länge zu ziehen. 

„Meines Erachtens muß also Baron Steigentesch 
„unverzüglich nach Königsberg abreisen, und ohne von der 
„in Berlin eingeleiteten Negoziation irgend eine Notiz zu 
„nehmen, einzig von der Voraussetzung ausgehen, daß der 
„König von Preußen über die Frage ob 1 : schon ganz 
„bestimmt seinen Entschluß erklärt habe und es nur noch 
„darauf ankomme, sich über die Frage zu vereinigen, wie*) 
„die preußischen Kriegsoperationen am vorteilhaftesten für 
„das gemeinschaftliche Interesse geleitet werden könnten. 

„Nötig wird es indessen sein, daß Baron Steigen- 
„tesch bevollmächtigt werde, auf die von dem Prinzen 
„von Oranien gestellten Fragen bestimmt zu antworten ; 
„und zwar: 

,.1. die unzweideutige Versicherung zu geben, daß 
„Osterreich, fest auf den bei Anfang des Krieges erklärten 
„Grundsätzen beharrend, keinem Friedensantrag Gehör 
„geben werde, so lange es auf die schleunige Erklärung 
„und militärische Aktivität des preußischen Hofes Rechnung 
,. machen kann. 

„2. Ebenso zuzusagen, daß von dem Augenblick an, 
„wo Preußen tätigen Anteil an dem Kriege nimmt, Öster- 
reich das preußische Interesse als eng mit dem seinigen 
,,vereint anerkenne, und keinen Frieden machen wird, ohne 
„dieses Interesse vor Augen zu haben und sich darüber mit 
„Preußen einzuverstehen ; 

„3. desgleichen die erneuerte Zusage zu geben, daß 
„im Falle glücklicher Kriegsereignisse der Wiener Hof ent- 
schlossen ist, dem preußischen Hofe nicht nur zu dem 
„Besitz der durch den Tilsiter Frieden verlorenen Lande 
„im nördlichen Deutschland zu verhelfen, sondern ihm 
„selbst nach Umständen eine Vergrößerung zu gönnen. 

„4. Was die von dem Prinzen von Uranien in An- 
legung gebrachte Unterstützung an Geld, Gewehren und 



l ) Im Original unterstricheu. 
■) Im Original unterstrichen. 



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Die Mission Steigentesch 1809. 



353 



„Pulver betrifft, so hat sich der Prinz schon von selbst 
„infolge dessen, was ich ihm darüber gesagt habe, be- 
„ schieden, daß man sich keine augenblickliche Aushilfe von 
„dem Wiener Hofe versprechen könne; auch hat sich der 
„König schon deshalb an England gewendet. Baron 
„Steigentesch würde aber, so wie auch ich es getan, 
„geltend zu machen haben, daß wir gegenwärtig dem 
„preußischen Hofe die ausgiebigste Hilfe gewähren und 
„ihm für den Anfang seiner Operationen ganz gewisse 
„Vorteile dadurch versichern, daß fürjetzo die ganze fran- 
zösische Kriegsmacht und jene der französischen Alliierten 
„im Zentro unserer Monarchie beschäftigt ist, daß alle 
„Verstärkungen gegen uns geleitet werden, und folglich 
„diejenigen Punkte, welche als der Schauplatz der Haupt- 
Aktivität Preußens bestimmt sind, fürs erste gar keinen 
„oder doch sehr geringen Widerstand leisten können. 

„Nachdem diese Voraussetzungen in Richtigkeit gebracht 
„sind, wird es auf die in dem mir von Eurer Kaiserlichen 
„Hoheit gnädigst mitgeteilten Entwurf vorgeschlagene 
„Richtung der preußischen Operationen ankommen. 

„Hier muß ich fürs erste bemerken, daß es wohl not- 
wendig sein würde, einige Alternativen zu setzen und über 
„dieselben dem Baron Steigentesch eiuige Latitude zu 
„geben, damit im Falle der Königsberger Hof sich dem 
„einen oder anderen Vorschlag nicht beifällig zeigen sollte, 
„durch Hin- und Herschreiben keine Zeit verloren gehe. 

„Einer soeben mit Valentini gehabten Unterredung 
„zufolge würde wohl der erste und der zweite Punkt der 
„vorgeschlagenen Operationen gern angenommen werden. 
„Ob dem zur Verstärkung unserer Hauptarmee angetragenen 
„Korps nicht vorzüglich die Richtung gegen die obere 
„Donau von der Oberpfalz oder dem Bayreutschen aus 
„gegeben werden könnte, muß ich Eurer Kaiserlichen 
„Hoheit weisem Ermessen anheimstellen 1 . 

') Hiobei stellt im Original folgende, wahrscheinlich der Hand 
Wimpffens entstammende Bleistiftbenierkung : „Der nächste Weg 
zu diesen Operationen ist vorerst die Vereinigung dieses Korps mit der 
österreichischen Armee : die Umstände werden dann zeigen, ob und was 
nach Bayreut oder die Oberpfalz zu detachieren sei." 

Mitteilungen doa k. nud k. Kri» RSürchivs. Dritte Folgo. V. Bd. 23 



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354 



E b o r 1 o. 



,,Ich hege einige Zweifel, ob Preußen so leicht in den 
,, dritten Vorschlag, Verstärkung und Mitwirkung mit dem 
Korps des Herrn Erzherzogs Ferdinand eingehen werde. 
„Da der König bestimmt ausgeschlagen hat, das Herzogtum 
„Warschau für sich in Besitz zu nehmen, so könnte er 
„Anstand finden, an einer Operation teil zu nehmen, welche 
.„kein inimediates Interesse für ihn haben würde und wobei 
„er vielleicht befürchten könnte, sich direkt gegen Rußland 
„ZU kompromittieren. Hier wäre also meines Erachtens eine 
„Alternative notwendig, um in keinem Falle die in Preußen 
„liegenden Truppen des Königs un benützt zu lassen 1 ). 

„Was die Preußen zu versprechenden Vorteile betrifft, 
„so glaube ich, daß fürs erste von dem Grundsatz aus- 
gegangen werden muß, daß der Krieg für Preußen wie 
„für Österreich als der letzte Kampf für die Existenz der 
„beiden Reiche anzusehen ist und daß d a r a u f 2 ) die engste 
„Vereinigung der beiden Höfe beruht. Weitere Vorteile uud 
„Akquisitionen können nur für den Fall eines glücklichen 
„Krieges, und wie mir scheint, nur in dem Maße, als ich 
„mich weiter oben ausgedrückt habe, versprochen werden. 
„Jetzo über einzelne Lande, einzelne Besitzungen traktieren 
„wollen, würde wohl sehr unzeitig sein und zu Verwick- 
lungen und Zeitversplitterungen in einer Epoche Anlaß 
., geben, wo Vereinfachung der Negoziation und Beschleu- 
nigung des Zeitpunktes der Aktivität der einzige Zweck 
„unserer Bemühungen sein kann. 

„Was die zweite, von Eurer Kaiserliehen Hoheit mir 
„gnädigst übermachten Note betrifft, so muß ich gestehen, 
„daß es mir ganz unmöglich scheint, schon jetzo im Detail 
„die Art Kapitulation zu bestimmen, welche mit dem Her- 
zogtum Warschau, im Falle wir es ganz bezwungen hätten, 
„geschlossen werden sollte. Um solche Bedingungen, wie 



•) Vergl. Anm. ') auf 8. AW.\. : ,. Sobald Preußen mit Österreich eng 
alliiert ist, so muÜ es mit den österreichischt-n Korps überall gemein- 
schaftliche Sache machen : das Herzogtum Warschau möge in der Folge 
zufallen wein «'s wolle. Die schnellste und natürlichste Mitwirkung der 
Ostpreußen ist Kooperation mit dem E. H. Ferdinand, sei es durch 
Diversion oder Vereinigung." 

*) Unterstrichen. 



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Die Mission Steigentesch 18U0. 



355 



„von A bis I angeführt sind, zu erlangen, müßten wohl im 
„voraus alle Streitkräfte des Herzogtums und alle Mög- 
lichkeit auch nur zu einer partiellen Widersetzung in 
„demselben vernichtet sein. Dabei aber muß ich bemerken, 
„daß, so wie es Eurer Kaiserlichen Hoheit bekannt ist, wir 
„zu Anfang des Monats Mai, und noch ganz kürzlich, dem 
Petersburger Hof den Antrag einer gemeinschaftlichen 
„Besetzung und Indepotnehmung des Herzogtums War- 
schau gemacht haben, und daß ehe uns die Antwort 
„des russischen Kaisers auf diesen Vorschlag zugekommen 
.,ist, über das zukünftige Schicksal des Herzogtums 
„Warschau, während oder nach dem Kriege, nicht wohl 
„einseitig verhandelt werden dürfte. Für Preußen würde es 
„demnach hinlänglich sein, fürs erste nur von einer solchen 
„Indepotnehmung im allgemeinen zu sprechen, ohne noch 
„in das Einzelne der zu setzenden Bedingungen einzu- 
gehen. 

„Wie mit dem König von Sachsen für den Fall, daß 
„er sich gezwungen sähe, von seinen Verbindungen mit 
„dem Kaiser Napoleon abzutreten, zu unterhandeln sei, 
„scheint mir für jetzo platterdings noch nicht mit Ge- 
nauigkeit bestimmt werden zu können, weil vermutlich in 
„einem solchen Falle nicht einzig von unserem Gesichts- 
punkt, sondern auch von der Betrachtung der Gesichts- 
punkte anderer Höfe wird ausgegangen werden müssen, 
„die sich entweder mit uns verbinden oder deren Interesse 
„wir Aufmerksamkeit zu widmen im Falle sind. Hieher 
„rechne ich sowohl das englische Kabinett, als auch selbst 
„das russische, wenn, wie es wenigstens möglich ist, der 
Kaiser Alexander bis dahin noch einige Menagements 
„gegen unseren Hof beibehalten hätte. Ob es wirklich 
„platzgreifend sein sollte, in dem eben vorausgesetzten 
., Falle dem König von Sachsen das Herzogtum Warschau, 
., unter welchen Bedingungen es auch sei, zu belassen, 
„oder sich darüber im voraus zu erklären, muß ich billig 
„bezweifeln. 

„Nachdem ich mir die Freiheit genommen habe, Eurer 
„Kaiserlichen Hoheit meine freimütige Meinung über die 
„gemachten Mitteilungen zu unterlegen, glaube ich noch 

23« 



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356 Eberle. 

„ folgende, auf die Absendung des Baron Steigentesch 
..Bezug habende Bemerkungen gehorsamst beifügen zu sollen : 

„1. Müßte seine Abreise auf das möglichste beschleu- 
nigt werden, damit er in seinem Geschäft schon einige 
Fortschritte gemacht hätte, ehe die vom Grafen Goltz 
..in Berlin eingeleiteten Negoziationen (welche ich jedoch 
,, soviel möglich unschädlich zu machen suche) zu Kreuzungen 
,,oder Einstreuungen Gelegenheit geben könnten. 

„2. Hätte er ein Schreiben Seiner Majestät au den 
„König, welches ihm als Beglaubigung diente, mitzu- 
bringen. 

,.3. Würde es mir sehr an seinem Platze scheinen, 
„daß Eure Kaiserliche Hoheit geruhete, ihm ebenfalls ein 
„Schreiben an den König mitzugeben, welches in einem 
,,sehr konfidentiellen Tone abgefaßt sein, mit dem Anschein 
,,der größten Freimütigkeit ein kurzes Tableau unserer 
„militärischen Lage, unserer Pläne und Erwartungen 
„enthalten und besonders zu dem Endzweck verfaßt werden 
„dürfte, die Hoffnungen und das Vertrauen des Königs auf 
..uns zu erheben und ihn zu einer aufs möglichste be- 
schleunigten Tätigkeit aufzufordern." 

Auch in diesem Schreiben prägt sich Stadions Be- 
fürchtung aus, Graf Goltz beabsichtige, die Verhandlungen 
in die Länge zu ziehen, damit Preußen, ohne sich nach 
irgend einer Richtung bloßzustellen, im Falle eines ent- 
scheidenden Erfolges der österreichischen Waffen mühelos 
seinen Teil einheimsen könne. Andererseits ist der redliche 
Wille Stadions nicht zu verkennen, den Bestrebungen und 
Empfindlichkeiten der preußischen Politik nach Möglichkeit 
Rechnung zu tragen. 

Erzherzog Karl unterzog in seiner Antwort 1 ) die Aus- 
führungen Stadions einer eingehenden Würdigung. Er 
bezeichnete den Entwurf für die Konvention mit Warschau nur 
als eine dem Minister gegebene Anregung, glaubte jedoch, daß 
infolge der aus Mähren nach Galizien beorderten Ver- 
stärkungen und bei einer drohenden Bewegung von Seiten 
Preußens sich eine Vereinbarung vielleicht bald herbeiführen 

») Deutsch-Wagram, ."».Juni, i K. A., Militärfeldakten a 18<»t>. VI, 4.) 



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Die Mission Steigernden 1SC0. 



3Ö7 



lassen werde, „deren erste Basis Nationalexistenz, eigene 
Administration im Innern und Räumung des Landes durch 
unsere Truppen wäre". 

Betreffs der Mitwirkung der preußischen Troppen hielt 
der Generalissimus an den einmal entwickelten Gesichts- 
punkten fest. Für eine aussichtsvolle Operation über die 
Oberpfalz und das Bayreutsche müsse in erster Linie 
die Hauptarmee an der Donau sicher und im Vorteil 
stehen. „Hier, wo der Feind von allen Seiten her 
seine Kräfte konzentriert, wird das Schicksal von Europa 
entschieden." Demnach könnten die preußischen Truppen auf 
keiner Seite schneller und wirksamer zum Erfolg beitragen 
als durch den Anschluß an die Hauptarmee. Die Diversion 
aus Böhmen in das Bayreutsche werde ohnehin früher er- 
folgen, als die preußischen Truppen dahin gelangten; diese 
Diversion könne am wirksamsten durch eine rasche Operation 
der niederschlesisch-märkisch-pommerischen Truppen an der 
Elbe unterstützt werden. Ebenso sei die Kooperation mit dem 
Erzherzog Ferdinand die natürlichste Verwendung der ost- 
preußischen Truppen. „Je rascher von allen Seiten gegen 
das Herzogtum Warschau operiert wird, desto schneller läßt 
sich ein Arrangement hoffen, wodurch die Räumung des 
Landes möglich, und Rußland dadurch größtenteils der 
Vorwand benommen würde, wegen "Warschau etwas Feindliches 
gegen Preußen zu unternehmen." 

Die Ansichten über die dem König zu versprechenden 
Vorteile billigte der Erzherzog vollkommen und legte der 
Antwort, dem Wunsche Stadions gemäß, folgendes Schreiben 
an den König von Preußen bei *) : 

„Euer Majestät! 
„Eine Reihe einzelner Kämpft* gegen den geschworenen 
„Feind aller alten Dynastien hat die Angelegenheiten 
„Europas auf einen Punkt gebracht, daß jeder Souverän 
„das Erbe seiner Väter verlassen zu müssen täglich in 
„Gefahr ist. 

„Was Neutrale zu erwarten haben, lehrt Kurhessen; 
„das Schicksal der Engalliierten bezeichnen die Annalen 

») Deutseh- Wn^-ram, :>. Juni, i K. A., Militürfeldakten a InOU, VI, 4 2. i 



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358 



E b e r 1 e. 



„Spaniens; das Los der eigenen Schöpfungen Napoleons, 
„ sobald sie von altem Regentenstamm sind, zeigt sich in 
„dem König von Etrurien. 

„Alle sind im Kabinett der Tuilerien zum Untergang 
„bestimmt; die Reihenfolge hängt von Napoleons finstern 
„Plänen und wohl auch von seinen Launen ab. 

„Nur kraftvoller Widerstand kann noch alle schützen. 
„Sieg oder ruhmvoller Untergang kann von der unleidlichen 
„Schmach retten, daß Monarchen von ihren alten Thronen 
„herabsteigen und samt ihren Familien in Frankreich eine 
„gedemütigte und stets bedrohte Existenz fristen. 

„Dieses, Sire, sind meine Ansichten und Gefühle. 
„Die Völker fühlen es wie noch nie, daß ihre Sache die 
„Sache ihrer Monarchen sei. Mein Bruder und Monarch 
„entschloß sich, dem reißenden Strome die ganze Kraft 
„seiner Staaten entgegenzusetzen. 

„Zwar mißlang das erste Unternehmen in Deutschland. 
„Nach blutigen viertägigen Gefechten und beträchtlichen 
„Verlusten bei meinen Seitenkorps zog ich meine Armee 
„bei Regensburg über die Donau. Aber diese Armee, die 
.,der Feind für zernichtet ausgegeben hatte, langte über 
„Böhmen bald nach dem Feinde in der Gegend von Wien 
„an und brachte ihm am 21. und 22. Mai einen Schlag 
„bei, wie Napoleon noch nie einen erlitten hat. Ohne 
„Übertreibung kann ich Eurer Majestät versichern, daß an 
„diesen blutigen zwei Tagen der feindliche Verlust das 
„Doppelte von dem unsrigen beträgt. Alle großen Gebäude 
„Wiens sind mit seinen Verwundeten angefüllt. Napoleon 
„sah sich genötigt, alle Verstärkungen von allen Seiten an 
,.sich zu ziehen. 

„Die unter meinem Oberbefehl stehende Armee zeigt 
„eine Begeisterung, wie ich sie noch nie in einem Heere 
„sah ; die Landwehrbataillone wetteifern mit der regulierten 
„Truppe; die Insurrektion von Ungarn ist großenteils ver- 
sammelt und gewinnt täglich an Waffenübung. Die 
„Stimmung der österreichischen Völker ist vortrefflich. 

„Außerordentliche Kräfte stehen an der Donau einander 
„gegenüber. Indessen ist mein Entschluß fest, nichts dem 
„Zufall zu überlassen und während Napoleon seine Ver- 



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Die Mission 8teigeutesoh 1900. 



359 



».Stärkungen aus der Ferne herbeiruft, die nähern aus 
,, Österreich, Ungarn und Mähren an mich zu ziehen, um 
„für die Diversionen, die in diesem Augenblick aus Böhmen 
„nach Sachsen und Franken unternommen werden und für 
„die Operationen naher und ferner Alliierten Zeit zu 
„gewinnen. 

„Ich bin Soldat, Sire, die Künste und Formen der 
„Diplomatie sind mir fremd. Aber ich glaube, daß jetzt 
,.oder nie der Moment sei, alles zu retten, daß der Souverän, 
,,der jetzt einseitig mit Napoleon traktierte, sein eigenes 
„Grab gräbt; daß Preußen und Österreich vereint, Kraft 
..erringen und behaupten müssen, die Schwachen im Süden 
,,und Norden zu schützen, wenn je wieder Friede und 
„Ruhe herrschen sollen. 

„Ich wünsche nichts so warm, als zu diesem großen 
„Zwecke mitzuwirken. 

„Geruhen Euer Majestät etc. v 

Minister Graf Stadion benachrichtigte in einer Depesche 
vom G. Juni r > den Gesandten in Berlin, Freiherrn von 
Wessenberg, von der bevorstehenden Sendung des Obersten 
Freiherrn von Steigen tesch. Er beleuchtet darin sehr ein- 
gehend die Haltung des Grafen Goltz, welche mit den vom 
Prinzen von Orauien im Namen des Königs gegebenen 
Zusicherungen wenig in Einklang stehe, und bevollmächtigte 
Wessenberg — offenbar in Ausführung der in seinem Schreiben 
an den Erzherzog angedeuteten Absicht, den Einfluß des 
Grafen Goltz tunlichst auszuschalten — in Unterhandlungen 
mit letzterem einzugehen, ja selbst bestimmte Vertragspunkte 
festzulegen, falls er darauf bestehe, die Frage um die künftige 
Gestaltung Deutschlands schon jetzt anzuschneiden. 

August Freiherr von Steigentesch, der vom Ge- 
neralissimus für die überaus heikle Mission nach Königsberg 
ausgewählt wurde, war berufen, in der Geschichte des denk- 



') Haus-. Hof- und Staatsarchiv ; abgedruckt in Lebensbilder aus 
dem Befreiungskriege (Hormayr 3. Abt., S. '207, jedoch irrtümlich 
vom it. Juni datiert. 



3(50 



Eberlc 



würdigen Jahres 1809 eine hervorragende Rolle zu spielen. 
Geboren am 12. Jänner 1774 1 ) zu Hildesheim, wo sein Vater 
in fürstbischöflichen Diensten stand, trat Steigentesch 
am 26. März 1789 als ex propriis-Kadett beim 54. Infanterie- 
regiment in das kaiserliche Heer. Er erreichte 1778, 1793 
bezw. 1796 die Fähnrichs-, Unterleutnants- und Oberleutnants- 
charge. Am 4. April 1 797 zum O'Üouell-Freikorps transferiert, 
erhielt er gelegentlich der Aufstellung von 15 leichten In- 
fanteriebataillonen 1798 seine Einteilung beim 12. Bataillon, 
in welchem am 15. Dezember desselben Jahres seine Beför- 
derung zum Hauptmann erfolgte. 

Bereits nach zwei Jahren als Major zum Stabsinfanterie- 
regiment übersetzt, erhielt Steigenteseh am 1. Oktober 1800 
das Kommando des 12. leichten Infanteriebataillons, nach 
dessen Auflösung er 1801 zum 36. und 1802 zum 9. Infanterie- 
regiment transferiert wurde. 

Das Jahr 1804 führte ihn zum ersten Male in diplomatischer 
Mission zum Landgrafen von Hessen-K assel; dies mag die 
Wahl des Generalissimus bei dem Vorschlag Stadions auf 
Steigentesch gelenkt haben. 

Im Jahre 1805 trat er als Kommandant an die Spitze 
des neuerrichteten Freibataillons Steigentesch, welches im 
Jänner 1807 aufgelöst wurde, wobei Steigenteseh unter 
Beförderung zum Oberstleutnant die Einteilung beim 48. In- 
fanterieregiment erhielt. Am 31. Oktober quittierte er den 
Dienst mit Beibehält des Oberstleutuantseharakters. 

Gelegentlich der Formierung der Wiener Freiwilligen - 
bataillone 1809 bewarb sieh Steigentesch um die 
Wiederanstellung und erhielt das Kommando des 2. Batail- 
lons, mit welchem er sich wiederholt rühmlich hervortat; 
die Anerkennung seiner Leistungen in der Schlacht bei 
Aspern findet sich im Armeebefehl, d. d. Markgraf-Neusiedl, 
31. Mai 1809, laut dessen der Oberstleutnant Steigen- 

*) Nach Wurzbach, Biogr. Lexikon, 38. Teil, S. 7. Die An- 
gaben über das Geburtsjahr weichen voneinander ab. In einer Trans- 
ferierungsliste des 48. Infanterieregiments vom Jahre 1807 wird das 
Jahr 1709 angegeben; Kneschke, Deutsches Adelslexikon, führt 1774 
und Ilegensburg als Geburtsort an. Nach der ./Wiener Zeitung" vom 
5. Janner 1S27 war er bei seinem Tode CM). Dezember lS'Jfi f>4 Jahre alt. 




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Die Mission Steigentesch 1809. 



361 



tesch zum Obersten (Rang vom 31. Mai 1811) ernannt 
wurde 1 ). 

Nach seiner Rückkehr aus Königsberg übernahm er 
zunächst wieder das Kommando seines Freiwilligenbataillons 
und quittierte nach dem Frieden abermals unter Beibehält 
des Offizierscharakters. 

Sein in den Jahren 1810 und 1811 wiederholt ein- 
gebrachtes Gesuch um die Verleihung des Generalstitels er- 
hielt erst im Mai 1814, auf die Verwendung des FM. Fürst 
Schwarzenberg, dem er während des Feldzuges 1813 als 
Adjutant zugeteilt war, und Metternichs, dessen Gunst er 
sich zu erwerben verstanden hatte, die kaiserliche Sanktion. 
Von da ab wurde GM. Steigentesch nur mehr im diplo- 
matischen Dienste verwendet. 1814 ging er im Auftrag 
Metternichs nach Norwegen, später als bevollmächtigter 
Minister an den königlich dänischen Hof nach Kopenhagen 
und 1815 in die Schweiz. Nach dem Kriege begleitete 
Steigentesch den Zaren Alexander nach Petersburg, 
von wo er auf seinen Posten nach Kopenhagen zurückkehrte 
und dort bis 1820 verblieb. Seine erschütterte Gesundheit 
nötigte ihn fortab, dem öffentlichen Leben zu entsagen und 
nach einer kurzen Mission in Berlin 1823, nach welcher er noch 
am Kongreß von Verona teilnahm, trat er am 16. April 1826 
in den dauernden Ruhestand. Vielfache Beweise kaiserlicher 
Gunst, die Ernennung zum wirklichen Geheimen Rat und hohe 
Orden : die Eiserne Krone 1. Klasse, das Kommandeurkreuz 
des Leopold-Ordens, der russische Annen-Orden 1. Klasse, das 
Großkreuz des Danebrog-Ordens und der bayrische militärische 
Max Josefs-Orden, belohnten seine Tätigkeit. Schon am 
30. Dezember 1826 machte der Tod dem bewegten Leben 
dieses Mannes ein jähes Ende. Er starb zu Wien, Anna- 
gasse Nr. 935 -). 

August Freiherr von Steigen tesch hatte die künst- 
lerische Begabung vom Großvater, dem Schauspieler Konrad 
Steigentesch geerbt; talentiert, wißbegierig, durch eine 

»') Über seinen abenteuerlichen Zug in Bayern, nach der Schlacht 
von Regensburg, lerner über den vergeblichen Angriff' auf das Lust- 
haus im Prater vergl. Kriege unter der Regierung des Kaisers Franz. lSOi». III. 

*} Nach Kueschke als Gesandter in Turin. 



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362 



Eberl«. 



sorgfältige Erziehung herangebildet, von bestechendem Äußeren 
und gewinnenden Formen, wußte August alles für sich ein- 
zunehmen, sich überall beliebt zu machen. Mit großer Liebe 
ging er seinen literarischen Neigungen nach und schuf eine 
reiche Fülle von poetischen, erzählenden und dramatischen 
Werken, die allerdings in den deutschen Literatur- 
geschichten wenig gewürdigt werden. Sein Verkehr in der 
großen Welt verleitete ihn, das Leben in vollen Zügen zu 
genießen, wodurch er den Keim zu seinem frühen Ende legte. 
Die allem Anschein nach ungleiche Ehe mit Fräulein von 
Zwierlein war nur von kurzer Dauer; die beiden Gatten 
trennten sich im beiderseitigen Einverständnis, ohne an das 
Gericht zu appellieren. 

Mit Briefen des Kaisers Franz 1 ), des Erzherzogs Karl 2 
und des Prinzen von Oranien an den König versehen und 
wahrscheinlich vom Grafen Stadion mündlich instruiert, ver- 
ließ Oberst Steigentesch, vermutlich am 7. Juni, das 
kaiserliche Hoflager ; er war überdies im Besitz eines vom 
GM. Stutterheim verfaßten Memoires 4 ) über die Zeit, wann 
die preußischen Truppen an den für die Kooperation gewähl- 
ten Punkten eintreffen konnten. 

Auch Steigentesch hatte in einem Schreiben an 
Wessenberg, vom (5. Juni, diesem seine Sendung ange- 
kündigt und ihm mitgeteilt, daß er, ohne Berlin zu berühren, 
nach Königsberg reisen werde. Dies erht-llt aus dem Briefe, 
mit welchem Wessen borg die Nachricht nach Königsberg 
beantwortete Wessenberg bedauert, daß Steigentesch 
nicht über Berlin gegangen sei. Nach allem, was er von dem 
ihm sehr gut gesinnten Grafen Goltz gehört habe, müsse er 
befürchten, daß das Erscheinen des Obersten in Königsberg 
den König in nicht geringe Verlegenheit setzen und diesen 



' Lebensbilder, III, 200: Corr. im'-dite, VIII, 408, 
*) Vergl. S. 357. 

s ) Das Schreiben des Kaisers Franz ist zwar vom 8. Juni datiert, 
Steigentesch war abor am 0. bereits in Glatz. 
*\ Haus-, Hof- und Staatsarchiv. 

•j Berlin, 12. Juni 180 J. (Haus-, Hof- und Staatsarchiv.) 



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Die Misiioo SteisenUsch 1^9. 



3b3 



sogar bewegen dürfte, den längeren Aufenthalt des Unter- 
händlers abzulehnen, da er keinen Argwohn wecken wolle. 
Goltz hatte dies so bestimmt geäußert, daß W Ossenberg 
Bedenken trug, den Kurier Aichhammer nach Königsberg 
abzusenden. Danach ist wohl anzunehmen, daß das Verhalten 
des Königs weniger der eigenen Initiative entsprang, sondern 
vielmehr, wie Stadion richtig voraussah, auf den direkten 
Einfluß des Grafen Goltz zurückzuführen sei. 

Wessenberg sprach die Hoffnung aus, Steigentesch 
auf seiner Rückreise in Berlin zu sehen, bat ihn jedoch 
,.ohne öffentlichen Charakter" zu erscheinen, „um die Fran- 
zosen nicht zn alarmieren und dem preußischen Minister 
keine Verlegenheiten zu bereiten" ; diplomatischer Charakter 
sei „in unseren Tagen eine schlechte Empfehlung für einen 
Reisenden". 

Oberst Steigentesch war am 9. Juni im Glatz, am 
12. in Landsberg a. d. Warthe. 

Aus beiden Orten sandte er Berichte an Stadion und 
aus Landsberg auch an den Generalissimus. 

Im ersten Bericht ! ) schildert er die in Preußen herr- 
schende Stimmung, betont aber auch ,,den ängstlichen Geist 
der Regierung, die jede energische Maßregel durch einen 
Zusatz lähmt". Er fuhrt an, wie der Stillstand nach der 
Schlacht von Aspern die allgemeine Erwartung getäuscht, 
die Hoffnung, daß die Macht Napoleons empfindlich 
erschüttert werden könnte, für immer zerstört habe. 

,,Die AViedereroberung von Tirol, das ganz ruhig seinem 
Schicksal überlassen wird, macht einen fürchterlichen Ein- 
druck auf die öffentliche Meinung, da alle deutscheu Völker, 
die sich unter günstigen Umständen an uns anschließen 
würden, ein gleiches Schicksal befürchten". 

Steigentesch beschwört den Grafen Stadion, 
,, etwas mehr Tätigkeit und Leben in unsere Handlungsart zu 
bringen, denn durch das systematische Stillstehen aller 
Fabius Cunctator geht der schönste Teil der Monarchie und 
wir selbst in allen übrigen Teilen von Europa in der öffent- 
lichen Meinung zu Grunde''. 



') Stern, Abhandlungen und Aktenstücke. Gl*. 



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3(U 



Eberlo. 



Der Bericht aus Landsberg, 12. Juni, an den Genera- 
lissimus lautet ') : 

„Ich eile von einer Gelegenheit, die von hier nach 
„Glatz geht, Gebrauch zu machen, um Eurer Kaiserlichen 
„Hoheit einige Bemerkungen auf meiner Reise untertänigst 
„zu unterlegen. 

„Ein sehr unangenehmer Anblick für mich waren auf 
„dem ganzen Wege hieher die Menge französischer Ge- 
gangenen, die der Nachlässigkeit ihrer Bedeckung ent- 
sprungen waren und durch Schlesien und Sachsen wieder 
„ihren Korps zueilten. Ebenso lese ich heut^ in der Augs- 
„burger Zeitung, daß das in Regensburg gefangene Regiment 
„sich beinahe ganz aus seiner Gefangenschaft befreit hat, sich 
„in Augsburg bildet und den Marsch zur Armee antreten wird. 

„Die Besatzungen in den drei von den Franzosen be- 
setzten Festungen sind so schwach, daß sie ihre meisten 
„Außenposten eingezogen haben und man hart an den 
„Festungen vorbeireisen kann, ohne einen Posten zu 
„entdecken. Ich bin durch Neustadtl und Wartenberg 
„gereist, wo in beiden Orten ein französisches Pikett von 
„6 Mann steht, aber sie halten sich so ängstlich in dem 
„ihnen angewiesenen Hause versteckt und wagen es bei 
„der hiesigen Stimmung so wenig, sich öffentlich zu zeigen, 
„daß man sicher reisen kann. Übrigens gleicht nichts der 
„Bewunderung für Eure Kaiserliche Hoheit und dem allge- 
meinen Enthusiasmus der Preußen für Höchstihre Person, 
„und man wird auf jeder Post von Neugierigen umringt, 
„die Nachrichten von der Armee und der Gesundheit Eurer 
„Kaiserlichen Hoheit haben wollen, über die französische 
„Kuriere sehr beunruhigende Gerüchte verbreitet hatten. 
„Selbst auf die polnische Literatur haben die Siege von 
„Aspern ihren Einfluß verbreitet, denn es ist hier eine 
„allgemeine Bemerkung, daß in den polnischen Zeitungen, 
„wo immer von dem unüberwindlichen Napoleon ge- 
sprochen wurde, seit ungefähr acht Tagen dies Beiwort 
„verschwunden ist. 

») K. A., F. A. 1809, Hauptarmee, VI, 207. 




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Die Migsion Steigentoseb l»«. 



365 



„In Glogau besteht die Besatzung in diesem Augen- 
blick nur aus 1600 Mann und diese, außer 30 Dragonern, 
„aus Sachsen und Polen. Kiistrin und Stettin enthalten 
„kaum 5000 Mann und aus der letzten Festung, deren 
„Besatzung zum Teil aus Depots besteht, sollten dieser 
„Tage noch 300 Mann zu ihren Regimentern bei der großen 
„Armee aufbrechen. 

„In Niederschlesien habe ich die Anstalten des Mobil- 
„machens weniger tätig als die unter dem Grafen Götzen 
„gefunden. Dem Befehl des GL. Gravert, den ich in 
„Liegnitz las, standen die Worte beigefügt: dies ja nicht 
„mit Geräusch zu betreiben, um den Franzosen dort in 
„der Nähe keine ombrage zu geben und ihre Aufmerk- 
samkeit vor der Zeit zu erregen. 

„Hier, wo die Inspektion des Generals Blücher an- 
fängt, wird alles desto eifriger und mit einer solchen 
„Ungeduld betrieben, als ob sie morgen aufbrechen sollten. 
„Indessen klagen alle, besonders einige, die gerade von 
„Königsberg kommen, immer noch über die Unschlüssigkeit 
„des Königs, und sie fürchten, daß er wieder dann erst ernst- 
hafte Maßregeln ergreifen wird, wenn keine mehr zu 
„ergreifen sind. 

„Ich wage es, Euer Kaiserlichen Hoheit, so lang diese 
„ungewisse Lage dauert, untertänigst vorzuschlagen, den 
„Eifer und die Bereitwilligkeit des Grafen Götzen zu be- 
nutzen, um von jener Seite Leute mit preußischen Pässen 
„nach Franken und Bayern zu schicken, die dort, auf der 
„Verbindungslinie des Feindes, sich mit seinen Hilfsmitteln 
„und ihrer Anwendung bekannt machten und durch die 
„nämlichen Passe Eure Kaiserliche Hoheit von allem 
„schnell unterrichten könnten. Jeder preußische Komman- 
„dant, so viele ich noch gesprochen habe, ist zur schnellen 
„Fortbringung von Nachrichten und jeder Art Hilfe bereit, 
„denn es ist nicht möglich in irgend einem Lande schlech- 
tere We<;e, schlechtere Pferde, mehr Armut und eine 
„bessere Stimmung zu finden als hier."' 

Am 1 5. Juni traf Steigentesch in Königsberg ein und 
wurde am folgenden Tage um 10 Uhr vom König empfangen. 



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306 



E b e r 1 e. 



Das Ergebnis dieser Audienz, der alsbald eine Unter- 
redung mit dem Großkanzler Beyme und dem Geheimen 
Legationsrat N agier folgte, schildert Steigentesch in 
seinem Bericht an Stadion vom IG. Juni 1 ). 

Der Empfang war keineswegs ermutigend. Der König 
öffnete nur den Brief des Prinzen von 0 r a n i e n und 
bemerkte ganz kurz : ,,Das ist auch einer von den passio- 
nierten Herren, die zwar eine sehr lobenswerte Passion für 
die gute Sache haben, aber das ganze Land wimmelt von 
solchen Passionen, die es zu Grunde gerichtet haben, und es 
ist meine Pflicht, ihnen Ruhe und Kälte entgegen zu setzen ; 
doch ich würde vielleicht ebenso denken wie sie, wenn ich 
nicht höhere Pflichten hätte. Welche Aufträge haben Sie 
eigentlich?'' Auf den Hinweis, daß das Schreiben des Kaisers 
die Gründe der Sendung enthalte, antwortete der König 
rasch und bitter: „Ich weiß schon, es soll vermutlich sein, 
damit ich die Ehre habe, zugleich mit Österreich zu Grunde 
zu gehen? Besonders jetzt, da Rußland seine Partie genommen 
zu haben scheint, von dem doch noch die einzige mögliche 
Hilfe zu erwarten war." 

Steigeutesch setzte nunmehr dem König auseinander, 
daß er nicht gekommen sei, Preußens Hilfe zu erbitten, da 
Österreich die Kraft, Napoleon allein zu widerstehen, in 
den Tagen vom 21. und 22. Mai bewiesen habe, sondern nur 
um auf die günstige Gelegenheit aufmerksam zu machen, 
jetzt die französische Herrschaft im Norden zu brechen, 
worauf der König die völlige Erschöpfung Preußens hervor- 
hob und seine Mithilfe „dereinst" in Aussicht stellte. 

Auf die Bitte des Obersten, dieses „dereinst" näher zu 
umschreiben, versprach Friedrich Wilhelm, den Brief des 
Kaisers baldigst zu beantworten. Nach einigen Bemerkungen 
über die Schlacht bei Aspern und die Operationen der Öster- 
reicher in Polen, welche der König tadelte, wurde Steigen- 
tesch entlassen, wobei ihm der König sagte, er hoffe ihn 
noch öfter zu sehen. 

') Haus-, Hof- und Staatsarchiv, abgedruckt bei Stern, Abhand- 
lungen und Aktenstücke, 70. Eine fast wortgetreue Kopie dieses sowie 
der folgenden Berichte sandte Steigentesch an den Generalissimus. 
(K. A., Militärfeldakten a 18u9 t VI, 4.) 



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Die Mission Stoigentesch ISO». 



367 



Der Geheime Legationsrat Nag ler, der an Stelle des 
Grafen Goltz die auswärtigen Geschäfte leitete und einen 
bedeutenden Einfluß hatte *), empfing den Obersten sehr ver- 
traulich, bemerkte jedoch sogleich, daß er ihm ohne Uniform 
und unter anderem Namen noch willkommener gewesen wäre. 
N agier sprach verblümt vom Entschluß des Königs und in 
vorwurfsvollem Tone von den schleppenden Verhandlungen 
zwischen W Ossenberg und Goltz und daß Österreich Schill 
nicht unterstützt habe. Steigentesch gibt wohl selbst zu, 
daß Nag ler hiemit auf den Strauch geschlagen habe, glaubt 
jedoch, daß das Schicksal Schills sehr auf die Stimmung 
des Königs eingewirkt hätte. 

Weiter berichtet Steigentesch, daß der König vor 
drei Tagen den Insurrektionsplan für das russische Polen er- 
halten und dem Zaren geschickt habe, ferner daß England 
bereit wäre, Preußen mit Waffen und Munition aller Art, die 
auf allen Schiffen der Ostsee verladen seien, zu unterstützen. 

Prinz Wilhelm sagte Steigentesch bei der Vor- 
stellung: „Sie werden die - Stimmung des Königs nicht so 
finden, wie Sie und wir alle wünschen. Es ist nicht der erste 
schöne Augenblick, den wir ungenützt vorübergehen lassen, 
und wofür wir büßen und büßen werden." 

Mittlerweile hatte die Einwirkung des Grafen G oltz die 
ohnehin sehr vagen Aussichten auf ein günstiges Resultat der 
Mission völlig erstickt. Oberst Steigentesch berichtet hier- 
über in seiner Depesche vom 17. Juni. Er übersendet den 
Brief Wassenbergs*), der ihn über die Haltung des preußi- 
schen Ministers aufklärte. Abweichend von dem Bericht an 
Stadion 3 ) heißt es in jenem an den Generalissimus: 
„den mir ein Kurier des Grafen Goltz aus Berlin überbrachte, 
„der mir sagt, wie sehr meine Ankaufe den König kompro- 

') Dio Berichte an Stadion und den Erzherzog differieren an 
dieser Stelle. — In ersterem heißt es: ., . . . einen bedeutenderen 
"Wirkungskreis hat, als von dem ich vor meiner Abreise unterrichtet war 

. . .": in letzterem: einen bedeutenden Wirkungskreis hat, wovon 

ich vor meiner Ankunft bereits unterrichtet war . . . ." 

») Vergl. S. 3G2. 

3 ) Stern, Abhandlungen und Aktenstücke, 76. „ . . . . den ein 
Kurier des Grafen (»oltz überbrachte, und der mich auf das vorbe- 
reitete, was icb später erfuhr. Der Graf Goltz " 



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368 



Eberl«. 



r mittiere und die allgemeine Aufmerksamkeit erregen würde, 
„und daß, wie er von dem Grafen Goltz hörte, der König 
„meine längere Anwesenheit dort ablehnen werde. Zugleich 
„machte er mir den Vorwurf, nicht über Berlin gekommen zu 
„sein, und stellt mir die Notwendigkeit vor. dies auf meinem 
„Rückweg zu tun, um uns unsere Erfahrungen mitzuteilen, 
„die ihm jetzt um so nötiger sind, da er die Vollmacht erhalten 
„hat, den Traktat mit Preußen abzuschließen. Der Baron 
„Wessen berg weiß nicht, daß ich den Befehl hatte, auf 
„meiner Hinreise nicht über Berlin zu gehn, da ich den 
„Gang seiner Verhandlungen aus seinen Berichten kannte, 
„und gerade mein schnelles Erscheinen den Beschluß des 
„Königs überraschen, und ihn dadurch, daß er sich für 
„kompromittiert hielt, zu etwas Festem bestimmen sollte. In- 
dessen hat der Graf Goltz . . . , M 

Daraus scheint hervorzugehen, daß W essenb erg, durch 
dessen Hände die Berichte an Stadion gingen, während jene 
an den Erzherzog direkt gesendet wurden, auch in der Folge 
keine Kenntnis der Instruktion des Obersten erhalten sollte. 
Vielleicht vermied es Steigentesch, der wohl wußte, daß die 
Gesandtschaften von Spionen wimmelten, diese geheime In- 
struktion einem an den Gesandten gerichteten Schreiben an- 
zuvertrauen. 

Der König, durch die Vorstellungen des Grafen Goltz 
und überdies durch die Intervention des französischen 
Konsuls und des russischen Residenten gänzlich umgestimmt, 
beauftragte alsbald den Legationsrat N agier, den unbequemen 
Sendling schonend zu entfernen. Obwohl Gneisen au auf 
das Verletzende dieses Vorganges hinwies, gelang es den 
Einstreuungen Nagle rs, den König zum Festhalten an 
seinem Entschluß zu bestimmen. 

Oberst Steigentesch wurde am 17. Juni von der Königin 
empfangen, welche den guten Willen des Königs außer 
Zweifel stellte, aber ebenfalls betonte, daß eiu derartiger 
Kampf die sorgfältigste Überlegung und Vorbereitung er- 
fordere. Wählend dieser Unterredung war auch der König 
eingetreten und antwortete auf die Bemerkung des Obersten, 
daß jetzt der Augenblick da sei, sich an Sachsen zu rächen: 
„Das ist recht gut, aber man muß doch etwas haben, mit 



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Die Mission Stei-entesch lb<J9. 



369 



dem man vorrücken und mit dem man schießen kann. Mir 
fehlt es an allem, nicht einmal dressierte Leute habe ich." 
„Wir werden dereinst alles tun, kein Mensch ist dabei 
interessierter als ich; aber jetzt ist der Augenblick noch nicht 
da." Die Königin vertröstete Steigentesch mit Tränen in 
den Augen: „Vertrauen Sie mir, wenn jSie auch sonst kein 
großes Vertrauen in unsere festen und schnellen Entschlüsse 
haben sollten, denn es ist ja unserer aller Sache und be- 
denken Sie, daß ich Mutter von Kindern bin, denen der 
König suchen muß, ihr Eigentum und das Erbe ihrer Väter 
zu erhalten." 

Dagegen waren der Großkanzler Beyme und General 
Scharnhorst begeisterte Anhänger der gemeinsamen Sache 
mit Österreich. Beyme, welcher erklärte, Preußen hätte 
bereits vor sechs Wochen offen eintreten sollen, hatte dem 
König schon vor zwei Monaten hiezu geraten und versicherte, 
daß er, da man sich vor ihm zu scheuen beginne, einen 
anderen Minister dränge, in der nächsten Konferenz nach- 
drücklich zu sprechen: er wolle, falls dieser zögere, noch 
einmal selbst das Wort ergreifen. Er war durchaus nicht für 
die Eroberung Norddeutschlands, sondern für eine kräftige 
Mitwirkung an den Operationen der österreichischen Haupt- 
armee, um den gemeinsamen Feind zu vernichten. 

Scharnhorst schilderte dem Obersten Steigentesch 
die militärischen Hilfsmittel Preußens in einer gegenüber 
den kleinmütigen Äußerungen des Königs geradezu glänzenden 
Weise. Er bezifferte den in wenigen Wochen erreichbaren 
Stand der Armee mit 100.000 Mann, Pulver und Munition 
sowohl für Artillerie als für 100.000 Mann seien auf ein 
ganzes Jahr vorrätig; dann zeigte er Steigentesch eine 
Berechnung, wonach durch das Steigen der Seehandlungs- 
papiere, das infolge der preußischen Offensive sicher zu er- 
warten war, allein die Kosten der ersten Rüstungen gedeckt 
seien und daß durch eine Hypothek auf die königlichen 
Güter im Verein mit der bei der Erhaltung der Armee er- 
übrigten Summe — da diese aus den besetzten Ländern ge- 
zogen werden könne — die Staatsschuld in drei bis vier 
Jahren getilgt sein würde. All dies habe er in einer Denk- 
schrift, die er dem Obersten vorwies, dem König unterbreitet, 

Mitteilungen do 8 k. und k. Kriejrsarchivi. Dritte Folge. V. Bd. -M 



370 



Eberl«. 



ohne ihm jedoch einen Entschluß abringen zu können. Die 
Denkschrift schloß mit den Worten: „Wenn Eure Majestät 
noch länger unbestimmt in dem Entschluß bleiben, den die 
Notwendigkeit und die Sicherheit und die Ehre Ihrer Krone 
laut fordern, so sind nur zwei Fälle möglich. Entweder siegt 
oder unterliegt Osterreich. In dem ersten Falle würden Eure 
Majestät die Demütigung erfahren, Ihre verlorenen Provinzen 
als ein Almosen aus den Händen von Österreich zurück- 
zuerhalten, oder in dem zweiten, weit schrecklicheren Falle 
das entehrende Schicksal haben, Ihre Armee wie die Miliz 
einer Reichsstadt selbst ohne Widerstand entwaffnet zu 
sehen und sich unbedingt dem drückendsten Joche unter- 
werfen zu müssen." 

Auch General Blücher habe in ähnlichem Sinne ge- 
schrieben und für den Fall, als der König unentschlossen 
bliebe, seinen Abschied gefordert. 

Steigentesch entwirft schließlich ein Bild der führenden 
Persönlichkeiten. 

Er bezeichnet Scharnhorst als einen Mann von aus- 
gebreiteten Kenntnissen, mit festem Willen für das Gute und 
treuen Anhänger Englands. Sprache und Ideen seien langsam 
und man werde im Felde ein „eigenes, rasches Handeln von 
ihm fordern" müssen. Dagegen herrsche über die Tüchtig- 
keit und Fähigkeit Gneiseuaus nur eine Stimme, der auch 
er recht gibt. Den Finanzminister Altenstein vergleicht er 
in einer Hinsicht mit Montecuccoli, er brauche immer 
dreimal Geld; im übrigen sei er der An- und Nachbeter 
seines Schwagers Nag ler, ohne dessen Gutheißen er keinen 
Schritt wage. 

N agier wollte sich des ihm erteilten Auftrages ent- 
ledigen und erbat sich den Besuch des Obersten St eigen - 
tesch für den 18. Juni; dieser schildert die Unterredung in 
seinem Bericht '). Wie früher sprach N agier auch diesmal 
bald im Vertrauen, bald im Namen des Königs, sichtlich 
bemüht, dem Kern der Sache aus dem Wege zu gehen. Er 
eröffnete dem Obersten, daß der Entschluß des Königs noch 
nicht reif sei, daß der König aber einen Oflizier in das 



•) Stern. Abhandlungen und Aktenstücke, HO. 



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Die Mission Steigenteaoh 190ü. 



371 



österreichische Hauptquartier senden wolle, sobald der Augen- 
blick, wo er wirken könne, gekommen sei. Auf die Ein- 
wendungen Steigentesch', daß der sofortige Anschluß 
Preußens für beide Teile mehr Wert besitze als der spätere, 
wo ein wahrscheinlich guter Erfolg das Schicksal Deutschlands 
in die Hände Österreichs geben würde, erwiderte N agier 
achselzuckend: „Wenn ich König wäre, so ständen schon 
00.000 Mann über der Elbe; aber es gibt leider rechtliche 
Menschen, die das Gute mit Eifer wollen, die aber keiner Be- 
geisterung fähig sind. Dies ist der Charakter des Königs, 
der durch Unglück aller Art so tief gebeugt ist, daß ihn selbst 
die Hoffnung, daß es besser werden könne, verlassen hat. In- 
dessen hoffen Sie alles von uns, die wir ihn umgeben; wir 
werden so anhaltend in ihn dringen, daß er nicht wider- 
stehen kann." 

Nun rückte er verblümt mit dem Auftrag heraus; er 
sprach von dem Aufsehen, das Steigentesch' Erscheinen 
erregt habe, daß besonders der russische Resident sich alar- 
miert zeige und vielleicht einige Hitzköpfe in der Armee 
den Obersten in die unangenehme Lage versetzen könnten, 
daß er ihre Pläne unterstütze. Dann spielte Nagler auf die 
Anwesenheit Steins in Österreich an, wodurch der eben ge- 
äußerte Verdacht genährt werde und beschwor Steigentesch 
endlich, seinen Aufenthalt abzukürzen, da der König, der 
jetzt unvorbereitet sei, Frankreich gegenüber jeden Anlaß 
meiden wolle. Steigentesch wallte auf und forderte einen 
schriftlichen Befehl des Königs sowie die Antworten auf die 
mitgebrachten Briefe. 

Schon um Mittag hatte er beides in Händen M. Dem 
ausgesprochenen Wunsche des Königs folgend, erschien 
Steigentesch um 5 Uhr nachmittags zur Audienz. Der 
König bedauerte, durch die Umstände gezwungen gewesen 
zu sein, Steigentesch nicht öfters zu sehen und fügte 
hinzu, der Oberst dürfte sich von den Verhältnissen derart 
überzeugt haben, daß seine Schilderung die beste Entschuldi- 
gung für die Untätigkeit Preußens beim Kaiser sein würde. 



*) Der Befehl abgedruckt bei Stern, Abhandlungen und Akten- 
stücke, 83, Anmerkung 1. 

21* 



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372 



E b o r 1 e. 



Auf einige Vorstellungen des Obersten, welche den König 
umstimmen sollten, antwortete dieser mit Vorwürfen über 
Österreichs Verhalten nach Austerlitz und sagte : „Sie 
werden mir es also nicht übel nehmen, wenn ich nicht ganz 
auf die unerschütterliche Standhaft igkeit rechne; doch würde 
mich dies alles nicht abhalten, wenn ich Kraft genug hätte 
und hinlänglich vorbereitet wäre. Indessen, ich warte nur 
noch einen glücklichen und entscheidenden Schlag ab 
und dann, wenn ich mit meinen wenigen Mitteln 
vorerst auch auf weniger Hindemisse stoße und nicht 
beim ersten Schritte furchten muß, unterzugehen, ohne 
Ihnen bedeutend nützen zu können, dann werde ich alle 
meine Kräfte der Einsicht des Erzherzogs Generalissimus 
übergeben, dem ich sie ganz vertraue, und vielleicht komme 
ich dann nicht allein, um der guten Sache beizustehen, um 
so willkommener würde ich dann Sr. Majestät dem Kaiser 
sein". Damit war Steigentesch entlassen. 

Mit ähnlichen Worten wurde er von der Königin verab- 
schiedet; Legationsrat N a g 1 e r ersuchte ihn, noch einige Tage 
zu verweilen, weil der Stand der Armee, den ihm der König 
mitgeben wolle, von Scharnhorst ausgefertigt werde und 
letzterer ihm hiezu einige Bemerkungen mitteilen würde. 
Steigentesch beschloß also auf die weitere Andeutung N ag- 
ier s, daß sich am 14., dem Jahrestag von Marengo und 
Friedland, vielleicht noch etwas ereignen könnte, was einen 
Umschwung herbeizuführen im stände wäre, bis zum 23. Juni, 
bis zu welchem Tage eine Nachricht eintreffen konnte, in 
Königsberg zu verbleiben. 

Der Bericht vom 19. Juni enthält noch eine Unter- 
redung mit Gneisenau, die Steigentesch wichtig genug 
schien, sie noch eiligst dem Grafen Stadion mitzuteilen. 
Die Prinzessin Wilhelm hatte sich entschuldigen lassen, 
den Obersten nieht empfangen zu haben, weil es ihr vom 
König verboten worden war, mit der Begründung, Rußland 
solle ihn dadurch kennen lernen, wie treu er seineu Ver- 
pflichtungen nachkomme und daß er auch nicht den Schein 
einer anderen Verabredung ohne diese Macht haben wolle. 

Steigentesch findet hierin allein den Schlüssel zum 
Betragen des Königs. Er sehließt seinen Beriebt in der Über- 



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Die Mission Steigenteseta 1Ö0Ö. 



373 



zeugung, daß vom Königsberger Hofe, auch im glücklichsten 
Falle, kaum etwas zu hoffen sei und trotzdem die Umgebung 
des Königs diesen zu drängen versuche, so werde er nie ohne 
Rußland in die Schranken treten. 

Vor seiner Abreise sandte Steigentesch noch folgenden 
Bericht an Stadion, beziehungsweise eine Kopie an den 
Erzherzog ') : 

„Hochgeborener Reichsgraf! 

„Am 21. erhielt ich den Bericht über die Ereignisse 
„in Tirol, und da mich am nämlichen Tage der Baron 
„W essenberg von unseren Fortschritten in Sachsen und 
„unserem Einrücken in Bayreut benachrichtigte, so teilte 
„ich dem Geheimrat N agier und dem General Scharn- 
horst diese Nachricht in folgendem Schreiben mit: 

„Ich bin so glücklich E. H. in der Anlage die Fort- 
schritte unserer Truppen vereint mit den braven Be- 
wohnern Tirols, sowie die in Sachsen und Bayreut mit- 
teilen zu können. Erlauben mir E. H., Sie nur mit ein 
„paar Worten darauf aufmerksam zu machen, wie bedeutend 
. diese Unternehmungen ihrer Natur nach sind, da sie 
„unmittelbar auf die einzige Verbindungslinie der feind- 
lichen Armee wirken, und wie weitumfassend und glück- 
lich der Plan Sr. Kaiserlichen Hoheit ist, der durch das 
„Umfassen auf allen Punkten den Feind für die Toll- 
kühnheit straft, zwischen Böhmen und Tirol nach Wien 
„vorgedrungen zu soiu. Ein Blick auf die Landkarte wird 
„E. H. überzeugen, wie vorteilhaft unsere Lage und die 
„Aufstellung unserer Streitkräfte sind. Die italienische 
„Armee, an die sich die zahlreiche ungarische Insurrektion 

') K. A., Militärfeldakten b 1809, 36 b : ebenda, a 1809, TV, 23. Dieser 
Bericht ist Stern ergangen, weil der an Stadion gerichtete wegen 
des Vorschlages von Gneisenau zur Bildung einer Legion ebenfalls 
dem Generalissimus übersendet und in die Akten des Hauptquartiers 
eingereiht wurde, demnach im Haus-, Hof- und Staatsarchiv fehlt. — 
Nach Gaede, Preuliens Stellung 1609, 119, hat Stoigentoach 
bereits am 18. Königsberg unverrichteter Dinge verlassen müssen, ob- 
wohl schon Stern zugibt. St eigen tesch sei noch einige Ta^e dort 
geblieben. 



374 Eberl«. 

„anschließt, hindert nicht allein jedes Vordringen des 
„Feindes nach Ungarn, sondern beunruhigt ihn zugleich 
„auf seiner ganzen Linie durch einzelne Postengefechte, 
„die den Feind ermüden und die Reiterei der Insurrektion 
„im Kriege üben. Diese Armee, deren Streitkraft jeder Tag 
„vermehrt, schließt sich über Preßburg an die große Armee, 
„die jede Bewegung des Feindes hindert und durch ihre 
„Siege schon seit fünf Wochen den Unternehmungsgeist 
„der französischen Armee gelähmt hat. 

„Das Vordringen aus Tirol, in Sachsen und ßayreut 
„schneidet die Hilfsquellen Deutschlands von dem französi- 
schen Heere ab und gibt dem allgemeinen Mißvergnügen 
„einen Sammlungspunkt, den gewiß der Norden von Deutsch- 
land, durch seine rechtmäßigen Herren dazu aufgemuntert, 
„benützen wird. Wie drohend diese Unternehmungen für 
„das feindliche Heer bei Wien sind, beweist jeder Blick 
„auf die Karte und Se. Majestät werden durch alles andere 
„überzeugt werden, wie glücklich der Zeitpunkt für jedes 
„Unternehmen Ihrer Waffen sein wird". 

,,Auf dieses Schreiben erhielt ich gegen Abend eine 
„Einladung des Geheimrates Na gl er, der ich folgte und 
„der mir erklärte, wie sehr meine erhaltenen Nachrichten 
„den Mut des Königs gehoben hätten, da auch von allen 
„anderen Seiten günstige Berichte über unsere Fortschritte 
„und die Stimmung des Volkes einliefen, daß man jetzt 
„aber auch den Plan Preußens beherzigen möge, den er. 
„N agier, schon einige Male unserem charge d'affaires 
„Hrub}' mitgeteilt habe und worauf alle Anforderungen 
„des Grafen Goltz, das künftige Schicksal Deutschlands zu 
„bestimmen, hindeuteten und den er mir noch einmal kurz 
„auseinandersetzen wolle. Er bestand darin, uns für 
„Galizien eine Entschädigung in Deutschland zu suchen, 
„da Polen doch immer ein unruhiger Feind in unserem 
„Rücken sein würde, dies mit dem Herzogtum Warschau 
„zu vereinigen, auf diese Art Polen eine Art von National- 
„unabhiingigkeit zu geben und durch die Bekanntmachung 
„dieser Maßregel die unruhigen Gemüter der Polen auf 
„einmal zu beruhigen. I Diesen Plan entwickelt ein Brief 
„des Fürsten Radziwill, den ich Euer Exzellenz übergeben 



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Die Mission Steigentosch 1^09. 



375 



,,soll, noch deutlicher.) Dann rückte der Geheimrat N agier 
„mit dem Finger auf der Landkarte weiter. Er behauptete, 
„daß dem König die Erhaltung seiner alten Stammlande, 
„Ansbach und Bayreut, zu sehr am Herzen liege, als daß 
.,er nicht selbst durch andere Aufopferungen ihre Bei- 
..behaltung wünschen müsse, daß zu diesem Zwecke ein 
Strich von Sachsen, das auf einer- anderen Seite leicht 
.»entschädigt werden könne, Preußen durchaus nötig sei, 
„um die freie Verbindung mit diesen Ländern zu erhalten 
„und daß dann der Main die Grenze der beiden Staaten 
„abgeben müsse, daß man daher erst vorher bestimmen 
„müsse, welche von den deutschen Mächten bestehen oder 
„eingehen würden, wenn man mit vereinten Kräften 
„Deutschland einen dauernden Frieden und Ruhe geben 
„wolle. Ich antwortete ihm hierauf, daß alle Unterhandlungen 
..dieser Art den Baron Wessen berg beträfen, der aber 
„wahrscheinlich auf diese Punkte auch nichts Bestimmtes 
„antworten könnte, da das Schicksal von Deutschland erst 
„durch die Waffen entschieden werden müsse, ehe Unter- 
handlungen darüber eintreten könnten, und daß man erst 
„alle Kräfte vereinen müsse, das erste herbeizuführen, da 
„das andere dann weniger Schwierigkeiten haben würde 
„und Unterhandlungen dieser Art einer glücklicheren 
„Zukunft angehörten. Nagler sagte, daß ich diesen Plan 
„bloß als ein Merkmal des Vertrauens auf unser WafTen- 
, .glück und unsere Einsichten ansehen müsse, die es er- 
laubten, solche Grundsätze aufzustellen, durch deren Fort- 
setzung allein man sich die Ruhe Deutschlands sichern 
„und wahrscheinlich den Willen des Königs gewinnen 
„könnte. 

„Euer Exzellenz sehen aus obigem Vorschlag, wie 
„ungern diese Macht, die der Kleinmut des Königs in 
„seinen eigenen Augen so tief herabwürdigt, seine Ver- 
„größerungspläne auf fremde Kosten und durch fremde 
„Kräfte aufgibt und daß der Gang ihrer Politik auch in 
„ihrem Unglück sich in dieser Hinsicht treu geblieben ist. 
„Meine Meinung, daß Preußen nie ohne Rußland an diesem 
„Kampfe teilnehmen wird, befestigt jeder Tag mehr. Der 



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376 



E b ■ r 1 e. 



„König hängt persönlich an dieser Macht und alle Ver- 
mutungen stimmen darin überein, daß er in Petersburg 
„Verbindlichkeiten eingegangen ist, die er selbst seinen 
„nächsten Umgebungen nicht mitgeteilt hat. Nur wenn 
„man heftig in ihn dringt, jetzt einen bestimmten Entschluß 
„zu fassen >wie dies geschehen ist), so lassen seine Äuße- 
rungen, so wie die vor ein paar Tagen an den Großkanzler 
„Beyme — Sie wissen nicht, wie weit ich gehen darf 
„ — und andere, dieser ähnlich, auf diesen Vertrag schließen, 
„denn sonst ließe sich das Betragen des Königs nicht er- 
klären, das zu standhaft alles verwirft, was jetzt auf ihn 
„eindringt und das diesen fremden Stützpunkt haben muß, 
„da selbst diese negative Standhaftigkeit nicht in dem 
„Charakter des Königs liegt. Ebenso bin ich überzeugt, 
„daß man Preußen nie bewegen wird zu handeln, so lang 
„man in sie dringt, etwas zu tun, da sie dies als einen 
„Schritt um Hilfe ansehen und diese so hoch als möglich 
„anschlagen werden. Meine Sendung hieher wurde als ein 
..solcher angesehen, und der König sagte zu Scharnhorst: 
„Sie müssen ihre Schwäche doch fühlen, sonst drän- 
,,gen sie nicht so auf die unbedeutende Hilfe, die ich 
„ihnen leisten kann." Wird hingegen in diesem Augenblick 
„jede Verhandlung nach und nach mit Preußen abgebrochen, 
„so bin ich überzeugt, daß bei Menschen, die ihre klein- 
lichen Absichten immer großen Begebenheiten unterlegen, 
..sie dies uns näher als alles andere bringen wird und dann 
„ist es die Sache des Allerhöchsten Hofes, Bedingungen 
„zu bestimmen, die sie in jedem anderen Falle machen 
„würden. 

„Als ich abreisen wollte, kam der Oberst Gneise n au 
„zu mir und übergab mir folgende Bedingnisse, von denen 
„ich die Ehre habe, Euer Exzellenz die Abschrift bei- 
zulegen *). 

„Er sagte mir, daß er sich mir nicht eher habe 
„anvertrauen wollen, bis meine Unterhandlungen hier ge- 
„endigt seien und meine Verhältnisse es erlaubten, sein 
„Gesuch zu unterstützen, um dessen schnelle Beförderung 



Dos Original sandte er dorn Generalissimus. 



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Die Mission Steigentesch 1809. 



377 



„er mich ersuchte. Der General Blücher, der vielleicht 
„schon in diesem Augenblick seinen Abschied gefordert 
„hat, schließt sich unter den nämlichen Bedingungen an. 
„Gneisenau hat mir die Bedingungen Blüchers gezeigt, 
„die an den General Scharnhorst geschickt wurden, den er 
„für sich zu gewinnen hofft und der ihm sehr wahr- 
scheinlich beitritt. Ich bin überzeugt, daß wenn Se. Kaiser- 
liche Hoheit dem General Blücher versichert, daß er 
„von uns unterstützt und ausgezeichnet würde, sich in vier 
„Wochen (nach Blüchers eigener Angabe) ein Korps von 
„12.000 bis 15.000 Mann versammeln könnte, das mehr 
„als die Hilfe des Königs wert ist, da es unbedingt den 
„Befehlen Sr. kaiserlichen Hoheit unterworfen wäre. Der 
„General hat bereits nach England geschickt, und ich 
„werde das weitere über seine Verhandlungen in Berlin 
„bei dem Hauptmann Röder und dem Major Kleist er- 
fahren, an die ich gewiesen bin. und dann eilen, es Euer 
„Exzellenz zu überbringen, da dies Ereignis zu wichtig 
„ist und schnell ausgeführt werden muß, wenn es nützen 
„soll. Es bedarf es jedoch nicht, Euer Exzellenz auf die 
„Folgen dieses Schrittes aufmerksam zu machen, aber ich 
„mui3 nur noch bemerken, daß sich alles Bessere in der 
„preußischen Armee sogleich an ihn anschließen wird und 
„daß seit Schills Tode nur noch die Namen Blücher 
„und Gneisenau auf den Rest dieser Armee sowie auf 
„den Norden von Deutschland wirken können. Der Sammel- 
„platz dieses Korps sowie seine Verwendung bleibt ganz 
„der Bestimmung Sr. Kaiserlichen Hoheit unterworfen und 
„Blücher und Gneisenau glauben (und ihre Rechnung 
„scheint nicht übertrieben), daß bei jedem glücklichen Er- 
eignis im nördlichen Deutschland, in einer Zeit von sechs 
„Wochen, dies Korps bis zu 50.000 Mann anwachsen kann. 
„Bei dem Uberfluß an Menschen in diesem Teile von 
„Deutschland, den die Stockung des Handels, aller 
„Nahrungszweige und die Verminderung der Armee herbei- 
geführt haben, verbunden mit dem Mangel und Miß- 
vergnügen, die hier alle Klassen drücken, muß es einem 
„Namen wie Blücher oder Gneisenau leicht werden, 
„Menschen, so viel er ihrer bedarf, unter seine Fahnen zu 



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378 



E b e r 1 e. 



„locken. Der einzige Kanton des Leibregiments enthält 
,, außer dem vollzähligen Stande des Regiments über 5000 
„exerzierte Leute. Diese Streitkraft mit der des Kurfürsten 
„von Hessen (der seinen Namen jetzt geltend machen 
„sollte und dessen Erscheinen auf der Bühne von seinen 
„Untertanen gewünscht wird) und des Herzogs von Braun- 
„schweig in Niedersachsen und Westfalen und mit 
„Hannover in Verbindung gebracht, könnte vielleicht allein 
„nach einigen glücklichen Ereignissen hinreichen, 
„Deutschland zu verteidigen. Auf Hannover, wenn es durch 
„eine Proklamation England wieder gegeben würde, kann 
„man am meisten, was Stimmuug und Anstrengung betrifft, 
„zählen und ich bin fest überzeugt, daß man mit Zuver- 
sicht einem glücklichen Erfolg entgegensehen kann, wenn 
„man die zum Teil schon getroffenen MaLiregeln schnell 
„benützt und nachdrücklich unterstützt. 

„Hier folgt der Brief des Fürsten Rad zi will, der 
„sich, sobald er Antwort erhält, nach Breslau begeben will. 
„Er hat mir Briefe von mehreren seiner Verwandten ge- 
zeigt, die, wenn Österreich Hoffnung gibt, sich der Selb- 
ständigkeit Polens nicht zu widersetzen, eine schnelle 
„Beruhigung der Gemüter und selbst ein näheres An- 
schließen an uns versprechen. Da Hoffnungen und Ver- 
sprechungen, die sich auf Dinge, die noch nicht sind, 
„gründen, nicht binden und nichts kosten, so habe ich es 
„über mich genommen, das was der Brief nicht deutlich 
„genug sagt, mündlich zu erklären. 

„Bald werde ich die Ehre haben, sowohl über diesen 
„Gegenstand, als über manchen anderen meine Ansicht 
„gehorsamst zu unterlegen. 

Euer Exzellenz untertänigst gehorsamster Diener 
Steigentesch. 

„Königsberg, den 23. Juni 1809". 

Diesen letzten Bericht des Obersten Steigentesch 
übersandte Gessenberg am 30. Juni mit einem Begleit- 
schreiben 1 ) an Stadion, in welchem er die beiden Vor- 

») K. A., Militurfeldakten b 1809, 86 b. 



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Die Mission 8teigentesoh 19t«. 



379 



schlage, künftige Gestaltung Polens und Bildung einer 
preußischen Legion, der Beachtung empfiehlt und mitteilt, 
daß er sich beeilen werde, seine auf eigenen Erhebungen 
und eigenen Anschauungen gegründeten Bemerkungen (les 
reflexions que mes recherches et ma maniere de voir m'ont 
fourni ä leur sujet) dem Grafen mit dem nächsten Kurier 
zukommen zu lassen *). 

Steigentesch habe sich an Ort und Stelle überzeugt, 
daß Osterreich kein sehr günstiges Resultat von den Unter- 
handlungen mit Preußen erhoffen könne; es scheine sogar, 
daß der König gegen Rußland Verpflichtungen eingegangen 
sei, die er seinen Ministern nicht anvertraut habe und es sei 
sicher, daß er keinen Entschluß fassen werde, bevor die 
österreichische Armee den Feind zum Rückzug genötigt habe ; er 
wolle aus unserem Erfolg Gewinn ziehen, jedoch unbedingt 
vermeiden, unsere Schicksalsschläge zu teilen. i Qu'il est decide 
ä profiter de nos succös. mais qu'il veut eviter de toute 
maniere de partager nos revers.) Die Haltung der französi- 
schen Regierung begünstige diese Unentschlossenheit des 
Königs, der sich unglücklicherweise schmeichelt, daß Napo- 
leon irgend einen Grund oder ein Interesse habe, ihn zu 
schonen *), weil er nicht auf die Erfüllung des Erfurter Ver- 
trages dringe; diese zeitweilige Mäßigung hindere den König, 
den offenen Abgrund vor seinen Augen zu sehen. 

Die Mission war nicht nur mißglückt, sie hatte sogar 
statt der beabsichtigten Annäherung eine empfindliche Span- 
nung herbeigeführt. 

Wessenberg zeigte am 26. Juni dem Grafen Stadion 
an 3 ), daß Goltz ihm einen Bericht N a g 1 e r s zur Kenntnis ge- 

') Uber den Vorschlag Gneisenaus vergl. die Abhandlung von 
Binder-Krieglstein, Mil. Wochenblatt 189(3, Nr. 76. Wessen- 
berg beurteilt in seineu Bemerkungen i K. A., Militürfeldakten b ISO», 
86 f) das Projekt sehr skeptisch und verspricht sich wenig Erfolg. Der 
Vorschlag samt Bericht und Bemerkungen W e s s e n b'e r g s wurde am 
18. Juli aus Komorn au den Generalissimus zur Einsicht und Erwägung 
abgesendet. (K. A., Militürfeldakteu b 180», 86.) 

*) Vergl. B a i 1 1 e u. Zur Geschichte des Jahres 1809 (Historische 
Zeischrift), 458. 

s ) Haus-, Hof- und Staatsarchiv. 



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380 



Eberl«. 



bracht habe, in welchem dieser aus Königsberg meldet, der 
König sei über die Ankunft des Obersten Steigentesch 
,,wütend" (furieux) gewesen und daß er ihn deshalb mit Er- 
bitterung (avec aigreur) empfangen habe 1 ). Nag ler berichte 
ferner über die Unterredungen des Freiherrn von Steigen- 
tesch fast ebenso, wie dieser selbst an Stadion geschrieben 
habe. Goltz sei über dies alles sehr beunruhigt und auf- 
gebracht. 

Der Aufenthalt des österreichischen Obersten in Königs- 
berg, der Wortlaut seiner Unterredungen mit dem König, der 
Königin und allen anderen in den Berichten genannten Per- 
sonen kam überraschend schnell zur Kenntnis Napoleons 
durch eine Depesche des Barons Linden, Minister des Königs 
von Westfalen in Berlin, an den Grafen Fürstenstein in 
Kassel '). 

Steigentesch war in Berlin mit Baron Linden zu- 
sammengetroffen. Angestachelt vom Ehrgeiz, der Träger einer 
so wichtigen Mission zu sein, berauscht von dem Bewußtsein, 
im Mittelpunkt der Politik von ganz Europa zu stehen, vielleicht 
auch durch die Zurückweisung des Königs verletzt, ließ sich 
der von lebhaftem Selbstgefühl beherrschte, der Pose nur zu 
leicht geneigte Unterhändler hinreißen, Linden gegenüber 
einige bedenkliche, nicht zu rechtfertigende Indiskretionen zu 
begeben. Oder wollte er das, was ihm in Königsberg miß- 
glückte, in Berlin auf Umwegen erreichen? Dazu hatte er 
gewiß keinen Auftrag. 

Keinesfalls dürfen aber alle in der Depesche Lindens 
enthaltenen Mitteilungen Steigentesch zur Last gelegt 
werden. 

Zunächst wäre zu bemerken, daß diese Depesche in der 
Correspondance inedite nicht datiert ist. Welche Anhalts- 
punkte Hormayr hatte, sie mit dem Datum vom 26. Juni 

') Vergt O m p t e d a. Zur Geschichte in dem Jahrzehnt vor den 
Hefreiungskriegen, II. 42G. Danach hatte Steigentesch dem öster- 
reichischen Gesandten in London. Kürst Schwarzenberg, ge- 
schrieben: .,J ? ai ete recu ici comrae un chien dans an jeu de quilles." 

2 Corr. inedite. VII. 3i>:>, deutsche Übersetzung in Lebensbilder 
aus dem Befreiungskrieg, III, 253. 



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Die Mission Steigentesch 19GG. 



381 



zu versehen, ist nicht festgestellt. Trägt sie wirklich dieses 
Datum, dann ist die Aussage Lindens, er habe die Mit- 
teilungen aus Unterredungen mit Steigentesch gewonnen, 
eine bewußte, direkte Fälschung, weil dieser am 23. noch in 
Königsberg war und nach dem früher zitierten Begleit- 
schreiben "Wassenbergs vom 30. Juni 1 ) erst am 28. in 
Berlin ankam. (Qui est arrive avant-hier de Königsberg.) 

Es ist doch nicht völlig ausgeschlossen, daß Linden 
seine Kenntnisse vielleicht auf dem unlauteren, diplomatisch aber 
tolerierten und, wie eine recht stattliche Anzahl von Kopien 
geheimster Aktenstücke aus jener Zeit beweist, nicht gar zu 
selten betretenen Wege durch eine oder mehrere Mittels- 
personen aus den Mappen der österreichischen Gesandtschaft 
oder des preußischen Ministers Goltz geschöpft und nur die 
Bestätigung von Steigen tesch herausgeholt hat. Die von 
Stern hervorgehobene mangelhafte Schreibart der Namen 
würde sich hieraus unschwer erklären lassen. 

Insbesondere ist die Annahme, welche aus der Corre- 
spondance inedite abgeleitet werden könnte, nicht glaubhaft, 
daß Steigentesch die Abschriften des Briefes an den 
König 2 ) und der Depesche Stadions an "Wassenberg 3 ) 
dem Baron Linden geliefert habe 4 ), da er den genauen Wort- 
laut, namentlich des ersteren gewiß nicht kannte ; dagegen 
dürfte Nagler diesen Brief, oder wenigstens eine Kopie, 
an Goltz gesendet haben. Wenn also Linden sich auf dem 
angedeuteten Wege die beiden Brief kopien zu verschallen 
wußte, so drängt sich fast von selbst die Vermutung auf, 
daß er auch die übrigen Nachrichten aus der gleichen Quelle 
schöpfte, um so mehr als Wessenberg am 26. Juni an 
Stadion schreibt ft ), daß Nagler in seinem Bericht an 
Goltz „raconte toutes les reprösentations et observations 
que le roi a faites ä Steigeutesch a peu pres comme 



') Vergl. S. 378. 

*) Corr. in^dito, VII, 408. 

») Ebenda, 410. 

* } S t e r n, Abhandlungen und Aktenstücke, 87 ; D u n c k e r. Ab- 
handlungen, 2*>7. Stern .selbst sagt, Herr v. Linden habe ..seinen 
guten Fund" an Napoleon gelangen lassen. 

»i Vergl. 8. 380. 



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382 



E b e r 1 e. 



celui-ci''. Mithin war Naglers Bericht schon vor dem 
Eintreffen des Obersten in Berlin. 

Einer ähnlichen Vermutung scheint Hormayr am 
Schlüsse seiner Veröffentlichungen aus der Correspondance l ) 
Ausdruck zu geben. 

Wurzbaoh-i bemerkt, daß Steigentesch die allge- 
mein erwartete Replik auf den Bericht der Correspondance 
inedite auf höheren Befehl unterlassen habe. Er war damals 
in Kopenhagen ; in den gesamten Akten dieser Gesandtschaft 
befindet sich nur ein Brief an Metternich aus dem Jahre 
1820 (dem Erscheinungsjahre der Correspondance), der auf 
die Angelegenheiten bezogen werden könnte. In der Antwort 
auf diesen Brief behält sich Metternich das Weitere bis zu 
einer mündlichen Auseinandersetzung vor. Für die Bemerkung 
bei Wurzbach, aber auch für die Behauptung der Corre- 
spondance fehlt sonach vorläufig noch der aktenmäßige 
Nachweis. 

Jedenfalls hätte S t e i g e n t e s c h besser getan, Linden 
aus dem Wege zu gehen; das Zeugnis besonderer diplomati- 
scher Geschlicklichkeit hat er sich weder durch sein Auf- 
treten in Königsberg, noch weniger aber in Berlin erworben. 

Interessant bleibt jedoch die Tatsache, die von S t e r n ') 
als apokryph hingestellt wird, daß N agier dem Obersten 
Steigentesch, allerdings nicht in der ersten Unterredung, den 
Plan einer neuen Gestaltung Preußens entwickelte. Daß dieser 
Plan nur in Naglers Kopf allein bestanden habe, ist kaum 
anzunehmen und Steigentesch hat für die Charakteristik 
der preußischen Politik gewiß die richtigen Worte gefunden. 

*) Lebensbilder. III. 27"). „Teils fehlte es ihm in Preußen selber 
keineswegs an hochgestellten, klugen und besonnenen Leuten, entschlossen 
das Vaterland auf jede Weise zu behüten " 

*) Biogr. Lexikon, HS. T. 

*) Abhandlungen und Aktenstücke, 88. 



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